Neuer Trainer

„Bin kein Kumpeltyp“: Was Letsch beim VfL Bochum vorhat

Viele Videos mit und über Thomas Letsch sind im Netz noch nicht zu finden. Eines aber sorgt für einen kurzen Moment der Erheiterung. Als Jürgen Klopp vor einiger Zeit auf die deutschen Trainer in der niederländischen Eredivisie angesprochen wurde, war ihm nicht bekannt, dass auch der Chefcoach von Vitesse Arnheim aus Deutschland kommt. „Thomas… wer?“, fragte Klopp in die Runde. So oder so ähnlich haben vermutlich auch einige VfL-Fans reagiert, als sie vor einer Woche zum ersten Mal den Namen Thomas Letsch in Verbindung mit ihrem Klub gehört haben. An diesem Montag lernten sie den neuen Bochumer Cheftrainer dann endlich kennen. Letsch stellte sich zunächst in einer Pressekonferenz vor, am Nachmittag ging es dann zur ersten Trainingseinheit mit der Mannschaft auf den Platz.

Kleine Ablöse

Mit Letsch hat sich Sportchef Patrick Fabian für einen eher sachlichen, souveränen und sehr strukturierten Vertreter seiner Zunft entschieden, der viel Erfahrung mitbringt, aber noch nie in der Bundesliga gearbeitet hat. Letsch und sein Co-Trainer Jan Fießer haben beim VfL einen Zweijahresvertrag unterschrieben, der auch für die 2. Liga gültig ist. Nach Arnheim fließt eine Ablöse von wenigen hunderttausend Euro, die im Falle des Klassenerhalts auf rund 500.000 Euro anwachsen könnte. Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dieses Ziel auch zu erreichen, wird der ausgebildete Sport- und Mathematiklehrer im Vorfeld hoffentlich errechnet haben. Wobei er am Montag klar sagte: „Es gibt leichtere Aufgaben als diese. Aber wenn man oft nur knapp verloren hat, ist der Weg zum Erfolg nicht weit.“

Für Letsch ist der Job in Bochum auch die Chance, im deutschen Fußball endlich Fuß zu fassen. Denn sein kurzes Engagement bei Erzgebirge Aue endete 2017 nach nur wenigen Wochen. Ansonsten war der Schwabe vor allem in Österreich im RB-Kosmos und zuletzt in den Niederlanden aktiv. Er bringt also Ansätze aus der RB-Schule, aber auch Einflüsse des holländischen Fußballs mit. All das überzeugte Fabian, der einen Trainer verplfichten wollte, „der für diese Aufgabe brennt.“ Und keinen, der einfach nur froh darüber ist, wieder einen Job in der Bundesliga zu haben.

Klare Ansprache

Den mutigen, aggressiven ‚Letsch-Fußball‘ werden die Fans aber wohl nicht sofort kennenlernen. „In der ersten Woche geht es vor allem um eine klare Struktur und die Kompaktheit der Mannschaft“, sagte Letsch, der „mangels Vorbereitungszeit“ nicht sofort alles auf den Kopf stellen will. Die Feinjustierung erfolgt womöglich erst in der langen WM-Pause ab Mitte November. Seine Idealvorstellung sei es, „den Gegner hoch zu pressen und zu ärgern. Wenn ich mir das in diesem stimmungsvollen Stadion mit emotionalen Zuschauern vorstelle, ist es die attraktivste Spielweise.“

Interessant: Letsch hat sich im Vorfeld zwar „mehrere Videos“ angeschaut, über „einzelne Spieler aber nur wenige Informationen eingeholt.“ Er möchte jedem Profi eine neue, faire Chance geben. Zum Telefonhörer hat er dennoch gegriffen, im Vorfeld sowohl mit Frank Heinemann als auch mit Peter Greiber und Heiko Butscher telefoniert, ebenso mit Anthony Losilla und Manuel Riemann. „Ich bin mit Sicherheit kein Kumpeltyp, aber Kommunikation und ein Draht zur Mannschaft sind mir wichtig. Ich bin von meiner Herangehensweise überzeugt, will und muss aber die Spieler mitnehmen und erklären, warum wir das so machen.“ Eine klare Ansprache gab es schon im ersten Training. Unter Letsch wird die Mannschaft wohl deutlich mehr Vorgaben erhalten als zuletzt unter Thomas Reis.

Start in Leipzig

Taktische Flexibilität sei ihm trotzdem wichtig, betonte Letsch, etwa in Bezug auf die Grundordnung. Dass er zuletzt in Arnheim fast ausschließlich auf eine Dreierkette in der Abwehr gesetzt hat, würde nicht automatisch bedeuten, dass er auch in Bochum so spielen lassen wolle. „Vielmehr habe ich klare Prinzipien, unabhängig vom System. Ich schließe die Dreierkette auch hier nicht aus, möchte aber, dass die besten Spieler auf ihren besten Positionen spielen.“ Die Qualität, den Klassenerhalt am Ende doch noch zu schaffen, habe das Team, betonte der 54-Jährige. „Auch die Mentalität ist klar zu erkennen.“ Starten will Letsch die Aufholjagd bereits am kommenden Samstag, wenn er ausgerechnet bei RB Leipzig zu Gast ist. Ihm gegenüber steht dann Marco Rose, mit dem er in Salzburg eng zusammengearbeitet hat.

(Foto: Imago / Revierfoto)