Nach dem Derby

„Sind nicht abgestiegen“: Letsch kämpft gegen Fan-Gefühle an

Als Mathematiker ist Thomas Letsch ein Zahlenmensch. „Hertha hat 20 Punkte. Stuttgart, Hoffenheim, Schalke und wir haben 19. Wir sind im Abstiegskampf also weiter voll dabei“, sagt der Cheftrainer des VfL Bochum nach der Derbyniederlage gegen Schalke, die viele Fans tief getroffen hat. Die Enttäuschung ist so groß wie lange nicht mehr. Der Optimismus weicht dem Pessimismus, der Glaube an die Schaffenskraft und die Fähigkeiten der Mannschaft sinkt. Für nicht wenige Anhänger steht fest: Der VfL steigt ab. Fußballfans sind eben eher Gefühlsmenschen.

Probleme wiederholen sich

Und deshalb macht sich zum zweiten Mal in dieser Saison eine gewisse Ratlosigkeit und fast schon Resignation im Umfeld breit. Wenn schon gegen diese limitierte Schalker Mannschaft kein Sieg gelingt, gegen wen dann? Was macht noch Hoffnung? Thomas Letsch kämpft gegen dieses Fan-Gefühl an und lenkt den Blick auf die Tabelle. „Wir haben uns herangekämpft“, sagte er zuletzt mehrfach und erinnerte dabei an die Konstellation bei seinem Amtsantritt. Nach dem Derby betont er: „Wir sind nicht abgestiegen. Natürlich haben wir gegen Schalke eine große Chance verpasst. Aber nüchtern betrachtet ist weiter alles möglich.“ Der VfL ist zum ersten Mal seit Oktober wieder Tabellenletzter, jedoch trennt ihn nur das schlechtere Torverhältnis von einem Nicht-Abstiegsplatz. Fußballerisch und stimmungstechnisch ist der Bochum allerdings an einem ähnlichen Punkt angelangt wie nach der Hinspielniederlage gegen Schalke.

Mit etwas Abstand zur Niederlage im Derby: Schafft der VfL am Saisonende doch noch den Klassenerhalt?

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„Es wäre verheerend jetzt aufzugeben. Tut das jemand, ist er hier falsch“, sagt Letsch unmissverständlich, denn er weiß, dass ein Drittel der Saison noch vor ihm liegt. Doch der Trend spricht klar gegen den Revierklub. Von acht Bundesliga-Partien im neuen Jahr hat der VfL nur zwei gewonnen und sechs verdient verloren. In den zurückliegenden vier Partien gelang kein einziges Tor; fünfmal in Folge – inklusive Pokal – verschuldete der VfL kurz vor der Halbzeit das erste Gegentor. „Wir kassieren zu viele Tore und schießen keine. Das ist keine gute Mischung“, weiß auch Letsch. Zumal ein Rückstand in dieser Saison gleichbedeutend mit einer Niederlage ist – was weder für eine große Moral noch für die notwendige Qualität im Kader spricht. Aktuell kommen noch Ausfälle hinzu. Gegen Köln ist zumindest Kapitän Anthony Losilla wieder dabei. Gerrit Holtmann, Simon Zoller und Cristian Gamboa kehren frühestens gegen Leipzig zurück.

Doch darüber möchte Letsch nicht klagen. „Es ist klar, dass wir uns so nicht mehr präsentieren können“, betont er nach dem Derby, allerdings nicht zum ersten Mal. Nach der Pleite in Bremen fiel dieser Satz ebenfalls. Auch der Fußballlehrer und sein Trainerteam müssen sich hinterfragen. Angefangen bei der Spielidee, die auch gegen Schalke zumeist nur aus langen Bällen bestand. Mitunter können es auch Kleinigkeiten sein: Warum darf Kevin Stöger immer wieder Standardsituationen treten, obwohl sie seit Wochen immer wieder zu kurz geraten? Warum setzt der VfL weiter auf Einwurfflanken, obwohl sie bislang keine positive Wirkung hatten? Und warum wechselt Letsch trotz eines derart uninspirierten Auftritts wie gegen Schalke so spät das Personal? Pierre Kunde, erst im Winter verpflichtet, schmorte 85 Minuten auf der Bank. Entweder ist er eine Verstärkung und sollte spielen – oder er ist der nächste Fehleinkauf.

Trainer will alles hinterfragen

Letsch kündigte am Samstag noch relativ vage an, „alles“ auf den Prüfstand stellen zu wollen. Das sollte auch vermeintlich Unantastbare wie Manuel Riemann oder Kevin Stöger mit einschließen, die seit Wochen in einem Formtief stecken. Generell ist der Trainer ja nicht das Problem, sondern Teil der Lösung, was er schon bewiesen hat. Letsch hat aus 16 Partien 18 Punkte geholt und den VfL wieder zum Leben erweckt. Auf die Saison hochgerechnet würde der VfL mit dieser Bilanz wohl in der Liga bleiben. Allerdings, und das weiß auch Thomas Letsch, ist Fußball keine Mathematik.

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(Foto: Firo Sportphoto)