Wer ein Beispiel für die Dynamik im Fußballgeschäft sucht, wird gerade an der Castroper Straße in Bochum fündig. Gemeinsam haben der VfL und Thomas Letsch die Zukunft geplant. Immer wieder war von personeller Kontinuität die Rede. Nun aber endet die vermeintliche Traumehe ziemlich abrupt. Der Bundesligist hat sich am Montag von Letsch und seinem Co-Trainer Jan Fießer getrennt. Zuerst wurden die beiden von der Vereinsspitze informiert, kurz danach auch die Mannschaft, die ansonsten einen trainingsfreien Tag genießen durfte. Am Dienstag soll mit einem neuen Übungsleiter die Vorbereitung auf das wichtige Heimspiel gegen Heidenheim beginnen.
Trennung trotz Vertragsverlängerung
Auf eine solche Entwicklung deutete bis zur bitteren Last-Minute-Niederlage in Köln nur sehr wenig hin. Erst im November des vergangenen Jahres hatten sich die Klub-Verantwortlichen und Fußballlehrer Letsch auf eine Vertragsverlängerung geeinigt, sogar bis 2026. Schon da ruckelte es sportlich bisweilen. Doch weder zu diesem Zeitpunkt noch bis vor wenigen Tagen gab es Anzeichen für eine Trennung. Weil der VfL nach sechs sieglosen Spielen mit nur einem Punkt aber zunehmend in Abstiegsgefahr geriet, sahen sich Geschäftsführer Patrick Fabian und Sportdirektor Marc Lettau mit der Zustimmung des Präsidiums zum Handeln gezwungen.
„Wir wissen um die Verdienste von Thomas Letsch sowie Jan Fießer und danken ihnen ausdrücklich für ihre geleistete Arbeit. Die emotionalen Momente, vor allem nach dem Klassenerhalt in der vergangenen Saison, werden immer mit ihren Namen verbunden sein“, sagte Fabian am Montag im Zuge der Trennung. Aber: „In unserer aktuellen Situation haben wir nicht mehr die Überzeugung, es in der bisherigen Konstellation zu schaffen.“ Sportdirektor Lettau wird in einer Klubmitteilung ebenfalls zitiert: „Die Mannschaft hat die Qualität, in der Bundesliga zu bestehen, weshalb wir durch den Wechsel einen entscheidenden Impuls für den erfolgreichen Klassenerhalt setzen möchten.“
Menschlich passend, sportlich nicht mehr
Dass Letsch und der VfL nicht im Streit auseinandergehen, belegt die Tatsache, dass sich der beurlaubte Coach über die Vereinsmedien noch einmal abschließend äußern durfte. „Ich wünsche dem VfL Bochum alles Gute für die Zukunft – auf dass er auch in der kommenden Saison in der Bundesliga spielt“, sagte Letsch, dessen erster Trainer-Job in der Bundesliga damit endet, obgleich er natürlich weiter bezahlt werden muss. Ursächlich dafür war einzig und allein die sportliche Entwicklung. Für seine Menschenführung wurde Letsch klub- und teamintern immer wieder gelobt, zudem hat sich der 55-Jährige voller Hingabe mit dem Ruhrgebietsverein identifiziert.
Die sportlichen Fehlentscheidungen häuften sich allerdings. Schon im Sommer scheiterte Letsch daran, der Mannschaft ein neues Spielsystem zu vermitteln, obwohl die Kaderplanung in erster Linie auf die neue Herangehensweise ausgerichtet war. Mit der Rolle rückwärts folgten im Spätherbst die ersten Erfolge. Auch zu Beginn des neuen Kalenderjahres wirkte der VfL stabil, gewann gegen Stuttgart und die Bayern. Nach dem 3:2-Sieg gegen den Rekordmeister wähnten sich einige Spieler aber offensichtlich in falscher Sicherheit. Der Klassenerhalt schien wahrscheinlich, war aber noch keineswegs geschafft. Es folgten fünf Niederlagen und ein Unentschieden.
Letsch fehlte ein glückliches Händchen
Dass der VfL aus den direkten Duellen gegen die Tabellennachbarn aus Mainz, Darmstadt und Köln nur einen Zähler holte, ließ den Glauben an eine gemeinsame Wende mit Trainer Letsch schwinden. Auch aus dem Mannschaftsrat gab es am Sonntag Signale, dass ein neuer Impuls von außen notwendig sei. Letsch experimentierte zunehmend bei Personal und Taktik und bewies insbesondere bei seinen Ein- und Auswechslungen kein glückliches Händchen, hatte bisweilen aber auch Pech, etwa mit Schiedsrichter-Entscheidungen. Über allem steht jedoch, dass die gewünschte Weiterentwicklung der Mannschaft ausgeblieben ist, Probleme nicht abgestellt wurden.
Doch wer soll den VfL nun vor dem siebten Bundesliga-Abstieg bewahren? Die Klubverantwortlichen hatten zunächst Urs Fischer auf der Liste. Der langjährige Union-Trainer war ebenso nicht überzeugt wie Stefan Kuntz. Und auch Peter Stöger wechselt nicht nach Bochum. Stöger zeigte zwar großes Interesse, am Montagabend folgte allerdings die Absage. „Es war ein tolles Gespräch. Es wäre auch sehr interessant und spannend für mich gewesen. Aber die Kurzfristigkeit hat am Ende dagegen gesprochen. Auch wegen der Vertragssituation bei der Admira“, sagte er der österreichischen Zeitung Heute. Nicht nur die Freistellung von Letsch zeigt, dass im Fußball wenig planbar ist.
Dieser Artikel wurde erstmals am Montagnachmittag veröffentlicht und seither mehrfach aktualisiert. Aktuelle Entwicklungen zur Nachfolgelösung mit Heiko Butscher könnt ihr im Personalticker verfolgen.
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(Foto: Imago / Beautiful Sports)