Mehr Anstand und Respekt

Kommentar: Fußballer wie Riemann sind kein Freiwild

Fußballer sind kein Freiwild. Nur weil sie viel Geld verdienen, das die Fans Woche für Woche zum Verein tragen, müssen sie sich nicht beschimpfen oder beleidigen lassen. Weder im Internet noch im Stadion. Auch sie sind Menschen, auch sie haben Gefühle. Und wer an dieser Stelle widerspricht, dem fehlen Anstand und Respekt. Da ist es auch zweitrangig, welcher Wortlaut genau der Anlass dafür war, dass Manuel Riemann am Sonntag nach der Niederlage gegen Stuttgart so ausgetickt und auf einen Fan zugestürmt ist. Die Hemmschwelle sinkt.

Trotzdem muss sich der Torwart natürlich halbwegs im Griff haben und sollte sich nicht provozieren lassen. Dass Riemann im Überschwang der Emotionen kaum zu kontrollieren ist, hat er schon des Öfteren bewiesen. Bestes Beispiel: Wie er nach dem Schlusspfiff auf Schiedsrichter Frank Willenborg zulief, ihm wütend in die Augen sah und anbrüllte, hat mit Respekt ebenfalls wenig zu tun – obgleich auf einer anderen Ebene. Ruhe zu bewahren statt den Nahkampf zu suchen, gehört zum Profi-Dasein durchaus dazu, hier wie dort.

Verbissenheit beim Fußball

Doch mal grundsätzlicher gefragt: Warum entsteht gerade der Eindruck, dass in Fußball-Bochum stellenweise das Gemeinschaftsgefühl abhandenkommt? Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Teilen der Fans ist angeknackst. Dass es schon nach der Derbypleite gegen Schalke Beleidigungen zuhauf gab, kam in der Kabine gar nicht gut an. Beim Sieg in Köln hielt die Mannschaft merklich Abstand zur Kurve. Die Theorie, dass es nur Einzeltäter sind, zieht auch nicht mehr: Wutausbrüche mit Beschimpfungen oder obszöne Gesten gibt es ständig.

Geht es um die Ursachenforschung, könnte dieser Kommentar gar nicht lang genug sein. Was aber auf Anhieb auffällt: Die gestiegene Erwartungshaltung und die (zunehmende) Verbissenheit bei vielen Anhängern. Es soll Menschen geben, deren Laune hängt tagelang maßgeblich vom Abschneiden ihrer Fußballmannschaft ab, gerade bei „wichtigen Spielen“. Jeder setzt im Leben andere Prioritäten – aber manchmal gerät in Vergessenheit, dass der Fußball nur ein Freizeitvergnügen ist. Stattdessen wird ihm allzu oft eine übertriebene Bedeutung beigemessen.

Das führt logischerweise zu extremen Stimmungsschwankungen auf den Tribünen, die Fußballprofis kaum nachvollziehen können. Auch hierfür gibt es ein aktuelles Beispiel: Zwischen dem Abgesang nach der Pleite gegen Schalke und dem Loblied auf den Sieg in Köln lagen nur wenige Tage. Diese Ausschläge sind im Fußball nicht neu. Aber motivierend sind sie immer noch nicht. Oder wird ein Spieler, der bei einer Niederlage mit Beschimpfungen rechnen muss, plötzlich zum leistungsstarken Vollblut-Bochumer mit einer emotionalen Nähe zum Klub? Eher im Gegenteil.

Den Austausch fördern

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Spieler und Fans kaum noch kennen und begegnen, die Entfremdung zunimmt. Die Profis nehmen in den meisten Fällen nur noch selten am übrigen Stadt- und Vereinsleben teil, der VfL fordert dies auch nur halbherzig ein. Überspitzt formuliert und ohne das Verhalten rechtfertigen zu wollen: Wer mit den Spielern kommunizieren will, muss brüllen oder mit Gesten auf sich aufmerksam machen. Plattformen für einen sachlichen Austausch existieren kaum. Dabei fördern sie das Miteinander, sorgen für Verständnis und Respekt füreinander.

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(Foto: Imago / RHR-Foto)