Kommentierende Analyse

VfL Bochum schenkt Erstklassigkeit leichtfertig her

Am vergangenen Samstag im Heimspiel gegen Mainz 05 hat sich Gerrit Holtmann erneut einen Eintrag in der Vereinschronik des VfL Bochum gesichert. Der Publikumsliebling erzielte das vorerst letzte Bundesliga-Tor im Ruhrstadion. Holtmann war es auch, der am 21. August 2021 den Torreigen eröffnet hatte, als der VfL gerade frisch ins Fußball-Oberhaus zurückgekehrt war, passenderweise ebenso gegen Mainz 05. Mit dieser Parallele schließt sich der Kreis und sogleich das Bundesliga-Kapitel für den Revierklub. Wann es wieder aufgeschlagen und weitergeschrieben wird, weiß zur Stunde niemand. Denn der VfL hat seine Erstliga-Zugehörigkeit leichtfertig hergeschenkt in einer Saison, in der er mal nicht zu den drei finanziell schwächsten Klubs gehörte.

Die sportliche und wirtschaftliche Entwicklung war in insgesamt vier Bundesliga-Jahren stets gegenläufig. Die sportlich beste Leistung gelang unmittelbar nach dem Aufstieg mit 42 Punkten. In den Folgejahren stieg zwar der Etat, die Punkteausbeute schrumpfte aber von Spielzeit zu Spielzeit. Am Ende der noch laufenden Saison werden es höchstens 25 Zähler sein, aktuell sind es sogar nur 22. Ganz schleichend begann der Absturz so gesehen schon vor Jahren.

Die für den verdienten Abstieg entscheidenden Fehler wurden aber vor allem in den vergangenen zwölf Monaten gemacht. Nach dem Relegationswunder Ende 2024 hat die VfL-Spitze viel zu oft danebengegriffen oder bei offensichtlichen Problemen viel zu spät gehandelt. Dass Sportdirektor Marc Lettau nach einer wenig überzeugenden Kaderplanung in der Vorsaison im Amt bleiben durfte, war riskant, dass er den neuen Trainer aussuchen durfte und sich für Peter Zeidler entschied, fatal. Denn zusammen haben sie eine Mannschaft geplant, die für kein System und keine Art von Fußball passend ausgestattet war, die darüber hinaus viel zu spät beisammen war und kaum Bundesliga-Erfahrung vorweisen konnte. Dass die wenigen Leistungsträger der Vorjahresmannschaft nicht adäquat ersetzt wurden, ließ sich in Summe nicht mehr kompensieren. Es fehlte ein Spielgestalter, es fehlten Tempomacher, es fehlten Alternativen zu den Schienenspielern, es fehlte eine klare Nummer eins fürs Tor, und es fehlten torgefährliche Offensivkräfte.

Dass dieses Konstrukt scheitern würde, war schnell klar, erste Warnsignale gab es bereits in der Saisonvorbereitung und in den Wochen danach, wurden aber offensichtlich ignoriert. Skurrilerweise war es sogar Lettau, der seine falsche Trainerwahl als erstes erkannte und bereit war zu handeln, was wiederum kein gutes Licht auf diejenigen wirft, die ansonsten das Sagen beim VfL hatten oder immer noch haben. Erst im Oktober, nach dem achten Pflichtspiel, musste nicht nur Zeidler, sondern auch Lettau gehen. Dieter Hecking übernahm das Traineramt, während Lettaus Posten lange unbesetzt blieb. Kaenzig wurde zusätzlich die Verantwortung für den Sport übertragen und mit Aufgaben überfrachtet, einiges blieb logischerweise liegen, auch wenn sich das bis heute niemand eingestehen möchte. Ganze 160 (!) Tage und Kaenzigs Hilfe hat das Präsidium gebraucht, um einen neuen Sportverantwortlichen zu finden. Wertvolle Zeit wurde abermals verschenkt, auch die Wintertransferperiode verlief rückblickend alles andere als optimal.

Immerhin: Hecking brachte Ruhe und Ordnung in die Mannschaft, er stabilisierte sie und sorgte zwischenzeitlich wieder für Hoffnung, den Klassenerhalt doch noch zu schaffen. Der VfL gewann die wichtigen Heimspiele gegen Heidenheim und St. Pauli, siegte sogar gegen Dortmund und auswärts bei den Bayern und sprang auf den Relegationsplatz. Das zeigt: Bei aller notwendigen Kritik an der Qualität des Kaders war die Relegation keineswegs unerreichbar, denn die unmittelbare Konkurrenz war und ist individuell nicht besser besetzt. Doch nach dem Erfolg in München holte der VfL nur noch zwei magere Pünktchen und stürzte auch mit Hecking ab, der zwischen verdienten und unglücklichen Niederlagen, zwischen Slapstick-Gegentreffern und offensiver Harmlosigkeit zunehmend ratlos wirkte. Auch er trägt somit eine Mitverantwortung für den siebten Bochumer Bundesliga-Abstieg, was er selbst übrigens genauso sieht.

Auch abseits des Platzes hat der Klub kein gutes Bild abgegeben. Themen wie der monatelange Konflikt mit Manuel Riemann, die Causa Bernardo und die Spannungen im Präsidium sorgten für zusätzliche Unruhe, haben aber mehr das Umfeld als die Spieler beschäftigt. Gleiches gilt für den Feuerzeugwurf samt Gerichtsprozess, in den der VfL allerdings unverschuldet hineingeraten ist. Umso bemerkenswerter ist es, dass ein wesentlicher Teil der Anhängerschaft nicht mit Wut und Enttäuschung auf diesen Abstieg reagiert, sondern mit Dankbarkeit für vier Jahre Bundesliga-Fußball. Die positive Stimmung ist eine gute Grundlage für den Neuanfang, gleichwohl darf sie nicht dazu führen, dass Selbstzufriedenheit einkehrt und Probleme ignoriert werden. Denn ansonsten wird für längere Zeit kein Bundesliga-Tor mehr im Bochumer Ruhrstadion fallen.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)