Wenn der VfL Bochum in die Bundesliga aufgestiegen ist, dann hatte er stets einen oder gar zwei echte Knipser in seiner Mannschaft. Schon ganz früher, 1971, war es Hans Walitza, der den Revierklub mit 28 Saisontoren ins Fußball-Oberhaus schoss. 2021 war das Sturmduo Simon Zoller und Robert Zulj, das den VfL dahin zurückbrachte, wo er auch am Ende der bald beginnenden Saison wieder landen möchte. Um dieses Ziel zu erreichen, dürfen die Bochumer mit Toren aber nicht so geizen wie in der vergangenen Spielzeit, als der VfL in 14 Partien keinen einzigen Treffer bejubeln konnte. Wirklich zielsicher war einzig Myron Boadu, der für ein Bundesliga-Tor im Schnitt weniger Minuten benötigte als beispielsweise Dortmunds Serhou Guirassy. Dennoch setzte ihn VfL-Trainer Dieter Hecking zumeist nur als Joker ein.
Den Vorzug erhielt meistens Philipp Hofmann, der in drei Bundesliga-Jahren allerdings nie so Richtung in Fahrt kam. Nach 95 Einsätzen stehen 15 Tore in seiner Bilanz. Immerhin: Eine Liga tiefer war er in der Vergangenheit deutlich erfolgreicher. Für den Karlsruher SC hat er vor seinem Wechsel zum VfL in jedem zweiten Spiel getroffen. Insgesamt kommt er auf 72 Treffer in Bochums neuer Spielklasse. Auch deshalb ist Hofmann als Fixpunkt in der neuen Mannschaft eingeplant. Sein Anfang Mai erlittener Lungenkollaps hat bislang allerdings Testspieleinsätze verhindert. Erst jetzt im Trainingslager im österreichischen Scheffau am Wilden Kaiser soll Hofmann wieder voll ins Team integriert werden. Die Verantwortlichen haben ihm sogar eine Vertragsverlängerung in Aussicht gestellt.
Zwei Neuzugänge aus Frankreich
Zu erwarten ist, dass der körperlich robuste und kopfballstarke Angreifer künftig als Teil einer Doppelspitze fungieren soll. Die Kaderplanung und die bisherigen Testspiele deuten darauf hin, dass Trainer Dieter Hecking in erster Linie auf ein 3-5-2-System setzen wird. Folglich benötigt Hofmann noch einen passenden Nebenmann. Kraft seiner Vita wäre Neuzugang Ibrahim Sissoko der erste Anwärter, der in der zweiten französischen Liga immerhin schon zweistellig getroffen hat. Allerdings ist er ein ähnlicher Spielertyp wie Hofmann; ein kräftig gebauter Zielspieler mit Lufthoheit, der immerhin auch Tiefenläufe anbietet, wenngleich er nicht allzu dynamisch ist. Für ein facettenreiches Offensivspiel wäre diese Kombination womöglich nicht optimal. Dafür kämen eher Moritz Broschinski oder Neuzugang Mathis Clairicia in Betracht.
Bei beiden stellt sich allerdings die Qualitätsfrage. Broschinski hat in den ersten drei Vorbereitungsspielen zwar die meisten Tore erzielt, in den Pflichtspielen der jüngeren Vergangenheit agierte er aber oftmals unglücklich. Vor allem seine technischen Defizite dürften sich nicht innerhalb weniger Wochen beheben lassen. Gleichwohl: Broschinskis Arbeitsrate ist hoch, seine Spielweise von mehr Beweglichkeit geprägt als von seinen Sturmkollegen. Als zweite Sturmspitze wäre er durchaus geeignet. Unklar ist jedoch, ob er überhaupt in Bochum bleibt. Sowohl der Spieler als auch der Klub konnten sich in der Sommerpause eine Trennung vorstellen. Broschinskis Ruf beim VfL hat gelitten, von nicht wenigen Fans wird er regelmäßig verschmäht.
Etat ist vorerst ausgeschöpft
Eine Schonfrist genießt unterdessen Neuzugang Clairicia, den vor seiner Verpflichtung allenfalls Insider und Kenner der dritten französischen Liga kannten. Der 22-Jährige muss sich logischerweise erst an das Spielniveau in Deutschland gewöhnen und ist deshalb eine Wundertüte. In den ersten Testspielen zeigte er sich überaus engagiert, machte aber auch noch einfache Fehler. Sollte Clairicia nicht unerwartet schnell durchstarten, könnte dem VfL womöglich ein laufstarker, dynamischer und technisch versierter Angreifer fehlen – entweder als zweite Spitze oder erst recht bei einer Umstellung auf das von Hecking ebenfalls angedachte 4-3-3-System. Denn hierfür gibt es aktuell noch keine Ideallösung. Sicher: Auf der linken Seite könnte Gerrit Holtmann stürmen und rechts Broschinski, sofern er denn bleibt und seine Formkurve nach oben zeigt.
Alternativen sind jedoch rar gesät. Samuel Bamba muss erst noch beweisen, dass er dem VfL tatsächlich weiterhelfen kann. Vor allem die fehlende Fitness war bei ihm in der Vergangenheit immer wieder ein Problem. Theoretisch könnten auch Koji Miyoshi, Francis Onyeka oder Romario Rösch in einem Dreiersturm agieren, Optimallösungen wären sie allerdings nicht, weil sie entweder eher im Zentrum oder eine Reihe weiter hinten beheimatet sind. Dass Moritz Kwarteng verletzungsbedingt erneut eher Monate als Wochen ausfallen wird, erschwert die Suche nach dem passenden Offensivpersonal zusätzlich. Nach jetzigem Stand ist aber keine weitere Neuverpflichtung für die Offensivreihe geplant. Der Etat ist vorerst ausgereizt.
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(Foto: Marc Niemeyer)