"Mutig, aber nicht naiv"

Kameras statt Trinkverbot: Kaenzig erklärt die Gründe

Noch immer wartet der VfL auf ein Urteil des DFB-Sportgerichts. Sportlich wurde das abgebrochene Spiele gegen Borussia Mönchengladbach zwar gegen die Bochumer gewertet, doch welche Folgen der Becherwurf ansonsten noch haben wird, steht weiter in den Sternen. Eine hohe Geldstrafe ist zu erwarten, ein (Teil-)Ausschluss von Zuschauern eher nicht. Unter Beobachtung steht der Verein in den kommenden Wochen aber ganz sicher.

Bei Becherwurf droht Stadionverbot

Das wissen auch die Verantwortlichen, die nach intensiven Diskussionen nun eine Entscheidung getroffen haben, ob sie unabhängig vom Urteil Konsequenzen ziehen. Um es vorwegzunehmen: Viele Fans können aufatmen. Es wird auch künftig Bier und andere Getränke im Stadion geben, und sie können auch auf den Tribünen konsumiert werden. Der VfL hat sich also gegen ein Becherverbot ausgesprochen, und erst recht gegen Fangnetze oder Plexiglasscheiben. Stattdessen werden im gesamten Stadion hochauflösende Kameras installiert.

„Es ist eine mutige, aber keinesfalls eine naive Entscheidung. Aus Fansicht sind diese Maßnahmen ganz sicher positiv zu bewerten“, erklärt Geschäftsführer Ilja Kaenzig im Gespräch mit Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Man habe sich intern gegen eine Kollektivbestrafung ausgesprochen. „Klar ist aber auch: Es ist ein Vertrauensvorschuss. Wenn es keine Besserung gibt, müssen wir auf Konsequenzen zurückkommen, die wir bereits angedacht und erörtert haben. Wir setzen darauf, dass der Spielabbruch gegen Mönchengladbach der Moment war, der alle Stadionbesucher zur Einsicht gebracht hat.“ Kaenzig spricht von einer „Kommunikationsoffensive, um in Erinnerung zu rufen, was das gemeinsame Stadionerlebnis ausmachen sollte“: Lautstarke Unterstützung, aber auch ein respektvoller Umgang mit allen Beteiligten.

Hochauflösende Kameras installiert

Was auf den ersten Blick verwundert: Kaenzig selbst hatte unmittelbar nach dem Spielabbruch gegen Mönchengladbach erklärt, Appelle allein würden nicht mehr reichen. Doch genau darauf setzt der Verein jetzt wieder. Wie passt das zusammen? „Die Zeit der Appelle ist insofern vorbei, als dass wir nun ganz konkret reagiert haben und die Installation hochauflösender Kameras schon vor dem Leverkusen-Spiel erfolgen wird. Dies ist schneller möglich als ursprünglich gedacht“, erläutert der Geschäftsführer. Der mutmaßliche Verursacher des Spielabbruchs gegen Mönchengladbach konnte dank TV-Aufnahmen, Zeugenaussagen und mit einem DNA-Abgleich identifiziert werden.

Künftig sollen auch vereinseigene Kameras helfen, sagt Kaenzig: „Mit dieser Technik stellen wir sicher, dass wir möglichst jeden Zuschauer bei einem eindeutigen Fehlverhalten überführen können. Jeder, der einen Becher oder einen anderen Gegenstand wirft, muss künftig mit einem Stadionverbot rechnen. Das war auch in der Vergangenheit schon so, nur mit dem Problem, dass es unsererseits schwierig war, den Nachweis zu erbringen.“ Der Ansatz ist also, im Falle eines erneuten Becherwurfs den Verursacher problemlos ermitteln zu können. Aber reicht das? Sind wirklich alle Fans aus Schaden klug geworden? Zuletzt flogen auch in anderen Stadien wieder Trinkbecher, etwa auf Schalke, in Bremen oder bei Union Berlin, obwohl der Spielabbruch in Bochum nur wenige Stunden oder Tage zurücklag. In Hoffenheim ist sogar ein VfL-Fan negativ aufgefallen, weil er ein Kind mit einem Becher am Kopf getroffen hat. Die Polizei bestätigt den Vorfall mittlerweile, ein Tatverdächtiger konnte bereits ermittelt werden.

Sonntag gegen Bayer Leverkusen

Ein Becherverbot auf den Tribünen wäre insofern ein anderer Ansatz, als dass der VfL schon den Wurfversuch verhindern würde. Intern gab es jedoch nicht nur Zweifel an der Verhältnismäßigkeit, sondern auch an der Umsetzbarkeit. Mögliche Folgen: Stau beim Einlass, weil Fans später ins Stadion kommen. Stau in der Halbzeitpause und an den Aufgängen, weil während des Spiels und auf den Tribünen nicht mehr getrunken werden darf. Oder andere Gegenstände, die stattdessen als Wurfgeschoss dienen. Finanziell hätten der VfL und seine Partner die Folgen einer solchen Entscheidung natürlich auch zu spüren bekommen. Ob die Verantwortlichen nun den richtigen Weg eingeschlagen haben, wird sich schon in Kürze zeigen: Etwa beim Heimspiel gegen Leverkusen am Sonntag.

(Foto: Imago / Team 2)