Anspruchsvoller und attraktiver

Letsch forciert den Kaderumbau: VfL will anderen Fußball bieten

Für den sonst so diplomatisch-abwägenden Trainer war es eine ungewohnt deutliche Aussage. Bereits vor dem Spiel in Mönchengladbach Anfang Mai hatte Thomas Letsch für die Sommerpause einen Kaderumbau angekündigt. „Bei mir wird es kein ‚Weiter‘ so geben. Das ist der komplett falsche Ansatz. Wenn uns der Klassenerhalt gelingt, dann möchte ich Dinge verändern, die Mannschaft und die Spielweise weiterentwickeln. Es ist kein Geheimnis, dass im Kader etwas passieren wird“, sagte der Fußballlehrer im Interview mit der Rheinischen Post.

Einfluss auf die Transfers

Auf diese Ankündigung folgen nun Taten. Die bisherigen Transfers – neun Abgänge und sechs Neuverpflichtungen – erfolgten alle im Sinne des Trainers. Zum ersten Mal hat Thomas Letsch im großen Stile Einfluss auf die Gestaltung seiner Mannschaft. Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr war Letsch knapp einen Monat nach Beendigung der Sommertransferperiode nach Bochum gekommen. Den Kader hatten noch Thomas Reis und Manager Sebastian Schindzielorz zusammengestellt. Beide haben den Verein im Spätsommer verlassen.

Nun verantwortet Marc Lettau die Transferpolitik, der den erkrankten Patrick Fabian vertritt. Doch immer dann, wenn der Kaderplaner potenzielle Neuzugänge empfängt, sitzt auch der Cheftrainer mit am (virtuellen) Tisch. Ungewöhnlich ist das in der Fußballbranche freilich nicht. Vielen Spielern ist es wichtiger, wer ihr künftiger Trainer ist und nicht wer das Amt des Sportchefs bekleidet. Erwähnenswert ist es trotzdem, denn gegenüber Tief im Westen – Das VfL-Magazin lobten zuletzt gleich mehrere Spielerberater die Überzeugungskraft des Bochumer Trainers.

Systemumstellung angedacht

Wobei diese Qualität kaum überrascht: Zum einen, weil es Thomas Letsch aus seiner Zeit im RB-Kosmos gewohnt ist, auch Vertragsgespräche zu führen, zum anderen, weil er generell nicht auf den Mund gefallen ist. Letsch ist kommunikativ und überaus eloquent. Er strahlt Ruhe aus und reagiert besonnen auf unerwartete Entwicklungen, spricht – wenn nötig – aber auch Klartext, vorzugsweise hinter verschlossenen Türen. Die anfängliche Distanz hat der Schwabe längst abgebaut, was er nicht zuletzt bei den Feierlichkeiten Ende Mai bewiesen hat.

Ein Mitglied der Bochumer Vereinsführung sprachlich neulich zudem vom „pädagogischen Geschick“ des 54-Jährigen im Umgang mit den Spielern. Das wird er auch in der neuen Saison brauchen. Letsch wird den Kaderumbau, der mit einer Systemumstellung einhergehen soll, moderieren müssen. Er möchte neben der gewohnten Viererkette in der Abwehr auch eine Dreierkette einstudieren. „Die Vorbereitung auf eine neue Saison ist der optimale Zeitpunkt, um grundlegende Änderungen anzugehen“, schrieb Marc Lettau jüngst in einem Newsletter an die Fans.

Fokus auf mehr Ballbesitz

Der Bochumer Fußball soll anspruchsvoller und damit auch attraktiver werden. „Unser Spielansatz war nicht sonderlich komplex und die gegnerischen Mannschaften haben sich mit zunehmenden Saisonverlauf immer besser auf unser Spiel eingestellt“, sagt Lettau im Rückblick auf die vergangene Saison, als der VfL vor allem auf Balleroberungen gesetzt hat. „In Zukunft werden wir variabler und flexibler auf verschiedene Spielsituationen und Spielstände reagieren können.“ Insbesondere im Ballbesitz soll und will sich der VfL weiterentwickeln.

Versuche, bereits während der vergangenen Saison größere Elemente des Letsch-Fußballs zu integrieren, waren gescheitert. Letsch hatte etwa direkt nach seiner Amtsübernahme versucht, auf eine Dreierkette umzustellen, doch die Mannschaft kam mit dieser Variante nicht zurecht. Nun wagt der Trainer einen neuen Anlauf. „Natürlich geht das auch mit personellen Änderungen einher. Deshalb werden wir die Transferperiode nutzen, den Kader gezielt auf die neuen Anforderungen auszurichten“, betont Lettau. Die ersten sechs Neuzugänge sind ein Beleg dafür.

VfL-Tugenden sollen bleiben

Mit Felix Passlack kommt beispielsweise ein klassischer Schienenspieler nach Bochum, der die rechte Seite sowohl in einer Dreier- als auch in einer Viererkette bespielen kann. Moritz Kwarteng und Lukas Daschner sind in der Offensive flexibel einsetzbar; Kwarteng praktisch überall, Daschner vor allem im Zentrum. Mit Matus Bero haben Letsch und Lettau zudem einen Profi verpflichtet, der die Spielweise seines Trainers bereits aus der gemeinsamen Zeit in Arnheim kennt. Darüber hinaus haben sie sehr auf die Charakterzüge der Spieler geachtet.

Vor allem Passlack und Bero gelten als besonders einsatzfreudig, aber auch Noah Loosli, dem neuen Innenverteidiger, eilt in dieser Hinsicht ein guter Ruf voraus. „Kampfgeist, Intensität und Einsatzbereitschaft gehören fest zur DNA des VfL-Fußballs. Daran wird sich nichts ändern, auch wenn wir die Kaderqualität steigern wollen“, verspricht Lettau, der damit natürlich auch Erwartungen weckt. In der sogenannten Letsch-Tabelle ist der VfL zuletzt auf Platz zehn gelandet – obwohl der Trainer auf einfachen Fußball gesetzt hat und den Kader noch gar nicht mitgestalten konnte.


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(Foto: Imago)