Gerrit Holtmann nahm seine Aufgabe ernst. Beim Fanabend im Trainingslager kümmerte sich der Publikumsliebling um den Getränkeausschank. Als ein jung aussehender Anhänger ein alkoholisches Kaltgetränk bestellte, fragte Holtmann nach dem Ausweis. Ein anderer Fan unkte später, dass der 28-Jährige hinter der Theke zweifellos schneller war als die oft kritisierten Mitarbeiter an den Cateringständen im Bochumer Ruhrstadion. Seine Idee: So könne man den stets freundlichen und bodenständigen Profi vielleicht doch noch an der Castroper Straße halten.
Doch für einen vereinsinternen Wechsel ließ er sich nicht begeistern. Es war Holtmanns vorerst letzter Auftritt als Spieler des VfL Bochum. Der Flügelstürmer wechselt zum türkischen Erstligisten Antalyaspor, zunächst auf Leihbasis. Der Klub aus der Großstadt am Mittelmeer sicherte sich eine Kaufoption. Der Kontakt kam über den langjährigen BVB-Profi Nuri Sahin zustande, der die Mannschaft von Antalyaspor trainiert. Holtmann trifft also auf einen deutschsprachigen Trainer. Für den Linksfuß mit philippinischen Wurzeln ist es die erste Auslandsstation.
Wechselwunsch schon länger bekannt
In Bochum wollte Holtmann jedenfalls nicht mehr bleiben. Sein Abgang hatte sich abgezeichnet. Bereits kurz nach dem Ende der vergangenen Saison wurden seine Wechselabsichten öffentlich bekannt. Holtmann gehörte nicht mehr zur Startelf, wurde oft nur eingewechselt, wenn überhaupt. Die magere Saisonbilanz: ein Tor, eine Vorlage. Verletzungen und kleinere Wehwehchen erschwerten den Kampf um einen Stammplatz zusätzlich. Zum Trainingsstart Anfang Juli bekräftigte Holtmann seinen Wechselwunsch noch einmal, trotz eines langfristigen Vertrags bis 2025.
Die Verantwortlichen hätten den Flügelspieler eigentlich gern behalten, forcierten ihrerseits keinen Transfer. Doch Holtmann, der sich wohlfühlen muss für Höchstleistungen, wollte nicht bleiben. Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass er das Gefühl hatte, dass Trainer Thomas Letsch nicht auf ihn und seine Spielweise setzen würde. Unter Vorgänger Thomas Reis hatte Holtmann vom 4-2-3-1-System mit klassischen Flügelspielern noch sehr profitiert. Letsch hingegen favorisiert vor allem eine 3-5-2-Formation, in der es keine Position gibt, die wirklich gut zu Holtmann passen würde.
Mehrere Traumtore und hohes Tempo
Viele Anhänger bedauern seinen Abgang trotzdem. Denn der pfeilschnelle Außenbahnspieler, der 2020 aus Mainz verpflichtet wurde, war in der Vergangenheit schon überaus wertvoll für den VfL Bochum. In der Aufstiegssaison kam Holtmann auf zehn Scorerpunkte, in der ersten Bundesliga-Saison sogar auf elf. Spätestens mit seinem furiosen Sololauf gegen Mainz, das zum Tor des Jahres 2021 gekürt wurde, und den Traumtoren gegen Bayern und Dortmund spielte sich Holtmann in die Herzen der Fans. Ohne ihn wäre der VfL vermutlich gar nicht dort, wo er gerade steht.
Mit Holtmann verliert der VfL zweifellos einen herausragenden Tempomacher und Sympathieträger, allerdings keinen Stammspieler und Leistungsträger. Zudem entstehen für die Bochumer finanzielle Freiräume. Holtmann zählte nach seiner geforderten und gefeierten Vertragsverlängerung im vergangenen Sommer zu den Top-Verdienern im Kader des VfL. Auf nennenswerte Transfereinnahmen, die reinvestiert werden könnten, müssen die Verantwortlichen allerdings (vorerst) verzichten. Über die Höhe der Kaufoption im kommenden Sommer ist noch nichts bekannt.
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(Foto: Marc Niemeyer)