Sportliche Leitung

Fabian geht, Lettau bleibt: Bochum stellt sich neu auf

Als Patrick Fabian erstmals beim VfL Bochum aufschlug, bezahlten die Fans ihre Eintrittskarten noch mit D-Mark, Johannes Rau war Bundespräsident und wenige Tage später wurde die Fußball-WM 2006 nach Deutschland vergeben. Es war zweifellos eine besondere Beziehung, die Fabian und der VfL in den vergangenen 24 Jahren geführt haben – erst in der Jugend, dann als Spieler bei den Profis, später als Assistent seines Vorgängers Sebastian Schindzielorz und seit September 2022 als Sport-Geschäftsführer. Nun aber werden sich die Wege trennen. Fabian soll dem Präsidium nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin bereits vor dem Rückspiel in der Relegation seinen Rückzug angeboten haben. Daran hat sich auch nach dem sensationell erreichten Klassenerhalt nichts mehr geändert. 

Am Mittwochnachmittag folgte schließlich die offizielle Pressemitteilung des Vereins, in der auch Fabian zu Wort kam. „Ich habe einen Großteil meines Lebens in unterschiedlichen Funktionen oder Positionen alles für die blau-weißen Farben gegeben und stets versucht, die Werte unseres Vereins bestmöglich zu repräsentieren. Ich werde immer ein VfLer bleiben“, ließ sich der scheidende Sport-Geschäftsführer zitieren. Anschließend verabschiedete sich Fabian bereits von der Belegschaft. Das Präsidium hatte ihm einen anderen Posten im Klub angeboten, doch Fabian lehnte das Angebot ab, möchte offensichtlich erst einmal Abstand gewinnen.

Keine zwei Jahre im Amt

Überraschend kommt all das nicht. Spätestens mit seinen Interviews nach dem Spiel in Düsseldorf zeigte Fabian auch der Öffentlichkeit, dass die zurückliegenden Wochen und Monate Spuren bei ihm hinterlassen haben. „Ich freue mich einfach für die Stadt, den Klub, für jeden einzelnen Fan, dass wir ein weiteres Jahr Bundesliga spielen dürfen. Als der letzte Schuss übers Tor ging, bricht es aus dir heraus, das ist Ekstase pur“, sagte Fabian. „Aber trotzdem bist du auch platt. Die ganzen letzten Wochen waren der Wahnsinn. Für mich war das nicht Bochum-like, womit wir konfrontiert waren, was wir alles wegmoderieren mussten“, sagte er im Gespräch mit den örtlichen Berichterstattern, spür- und sichtbar geschafft von all den Strapazen.

Der Ex-Profi und studierte Betriebswirt hatte bereits wenige Minuten zuvor in einem TV-Interview ähnlich deutliche Worte gewählt. „Es hat in den ganzen letzten Wochen extrem viel Kraft gekostet. Es wurde so viel erzählt, so viel Bullshit über uns verbreitet. Das geht auf keine Kuhhaut. Da tue ich mich auch ganz, ganz schwer mit.“ Konkreter wurde Fabian nicht. Doch dem 36-Jährigen war zuletzt bereits häufiger anzumerken, dass er auf Distanz gegangen ist zu einigen Entwicklungen beim VfL. Fabian wirkte zunehmend genervt, wirklich wohl hat er sich in seiner Rolle offensichtlich nicht mehr gefühlt, vielleicht auch, weil er mit dem Klub in besonderer Weise emotional verbunden ist. Immer wieder prasselte auf ihn heftige und teils auch geschmacklose Kritik aus der Bochumer Fangemeinde ein, speziell in den sozialen Netzwerken forderten Anhänger des Klubs immer wieder seinen Rauswurf.

Hauptsächlich kritisierten sie die Vorgehensweise rund um die Trennung von Trainer Thomas Letsch, die Kommunikation in der Causa Manuel Riemann sowie eine unzureichende Transferpolitik, trotz des bekanntermaßen knappen Budgets und des abermals erreichten Klassenerhalts. Krankheitsbedingt war Fabian für die Gestaltung des aktuellen Kaders allerdings nur teilweise verantwortlich; zwischen März und Juli 2023 war er nicht im Dienst. Viel Lob erhielt Fabian vor allem direkt nach seinem Amtsantritt, als er den Mut hatte, Thomas Reis freizustellen und mit Letsch eine unkonventionelle, aber sportlich lange Zeit erfolgreiche Lösung für den Trainerposten zu finden. Anschließend trieb Fabian unter anderem den Ausbau der Scouting-Abteilung, die Reaktivierung der U21 sowie die Förderung der Frauen-Abteilung voran; Themen, die in der Bewertung seiner Arbeit bislang kaum eine Rolle spielten und mit ihm in Verbindung gebracht wurden. In der Wahrnehmung vieler Fans war Fabian im Grunde nur ein Kaderplaner.

Präsidium sucht Nachfolger

Wer Fabians Nachfolge als Geschäftsführer neben Ilja Kaenzig antreten wird, ist noch nicht geklärt. Eine zeitnahe Entscheidung in den kommenden Tagen ist nicht zu erwarten. Das zuständige Präsidium muss dafür erst entsprechende Kontakte knüpfen. Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren wird sich das Aufsichtsgremium außerhalb des eigenen Klubs auf die Suche nach einem Sport-Geschäftsführer begeben müssen, nachdem sich Hans-Peter Villis und seine Mitstreiter zuletzt zweimal im eigenen Haus bedient haben. Nach der Trennung von Christian Hochstätter Anfang 2018 beförderten sie Sebastian Schindzielorz, 2022 schließlich Patrick Fabian. Laut WAZ ist auch eine Umstrukturierung der Chefebene nicht gänzlich ausgeschlossen. Demnach könnte Kaenzig alleiniger Geschäftsführer werden, der neue Sportchef wäre ihm dann unterstellt. Dies wäre vor allem die kostengünstigere Variante, die angesichts der vielfältigen Aufgaben im Klub und im sportlichen Bereich aber auch sehr belastend sein kann.

Klar ist bislang nur: Marc Lettau soll nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin nicht zum Sport-Geschäftsführer aufsteigen. Als Sportdirektor bleibt er trotz kritischer Stimmen aus dem Fanlager allerdings im Amt, zumindest vorerst. Der Vorteil: Lettau hat speziell für die Bundesliga einige Transfers vorbereitet. Der Wechsel eines Perspektivspielers zum VfL steht bereits fest, Neuverpflichtungen mit sofortigem Stammplatzpotenzial sollen schon bald folgen. Auch die Trainersuche liegt damit in den Händen von Lettau, begleitet vom Präsidium und von Kaenzig. Gemeinsam mit Fabian hat er vorgearbeitet und schon vor der Relegation Optionen abgeklopft. Hier könnte bereits in Kürze eine Entscheidung fallen, in jedem Fall früher als bei der Fabian-Nachfolge. Diese Reihenfolge birgt jedoch die Gefahr, dass der neue Sportchef mit einem Trainer zusammenarbeiten muss, den er nicht selbst verpflichtet hat.


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(Foto: Marc Niemeyer)