Die wahrscheinlich wichtigste Phase der Saisonvorbereitung ist vorbei. Am Sonntag verlässt der VfL Bochum Südtirol und fliegt zurück in die Heimat. Gemeinsam mit einigen treuen Lesern, die in Gais dabei waren und ihre Beobachtungen geschildert haben, zieht Tief im Westen – Das VfL-Magazin ein Trainingslager-Fazit.
Die Testspiele: Sowohl gegen Spezia Calcio (3:4 nach 120 Minuten) als auch gegen Parma Calcio (0:1 nach 90 Minuten) verlor der VfL. Beide Gegner spielen in Italiens Serie B. Gegen Spezia zeigte der VfL rund eine Stunde lang eine offensiv ansprechende Leistung, verteidigte gegen Ende nach zahlreichen Wechseln aber chaotisch. Gegen Parma ließen die Bochumer mit ihrem Stammpersonal kaum Torchancen zu, im Vorwärtsgang aber auch jeden Ansatz von Kreativität vermissen. Somit hat der VfL vier von fünf Vorbereitungspartien verloren. Auch gegen Düsseldorf und Verl setzte es Niederlagen, lediglich gegen Emden gewann der VfL. Am Samstag steigt die Generalprobe gegen den Premier-League-Aufsteiger Luton Town. Gespielt wird über zweimal 90 Minuten, damit alle Spieler zum Einsatz kommen.
Das Training: Von zehn geplanten Übungseinheiten fielen zwei aus; die zweite am Montagmorgen wetterbedingt, die fünfte am Dienstagnachmittag aus Gründen der Belastungssteuerung. Trainer Thomas Letsch blieb ohnehin sehr flexibel, änderte die Trainingszeiten gleich mehrfach. Was auffiel: Der Fußballlehrer unterbrach die Übungen immer wieder, gab lautstarke Anweisungen und korrigierte seine Spieler. Taktisch wurde in allen Bereichen trainiert, defensiv wie offensiv, Standards wie Umschaltsituationen. Verschiedene Spielformen prägten das Trainingslager. Die Einheiten waren ziemlich intensiv, für die Beine und für den Kopf. Klaus Luisser, der neue Fitnesstrainer, wurde regelmäßig eingebunden, gestaltete beispielsweise das Aufwärmprogramm umfangreicher als sein Vorgänger.
Die Gewinner: Von den Neuzugängen überzeugte in erster Linie der spielfreudige Lukas Daschner, insbesondere im ersten Testspiel. Auch Matus Bero zeigte gute Ansätze, zumindest bei der Defensivarbeit. Noah Loosli steigerte sich im Vergleich zu den ersten drei Testspielen. Neben ihm glänzte insbesondere Ivan Ordets, der an seine guten Leistungen aus dem Endspurt der vergangenen Saison anknüpft. Für die Spielgestaltung bleibt außerdem Kevin Stöger unersetzlich. Der Österreicher wurde von seinen Teamkollegen im Trainingslager zum Vize-Kapitän gewählt, ebenso wie Cristian Gamboa. Auch Ivan Ordets und Philipp Hofmann gehören dem neuen fünfköpfigen Mannschaftsrat an. Angeführt wird dieser von Kapitän Anthony Losilla. Manuel Riemann hat auf ein Amt verzichtet.
Die Verlierer: Keiner der Abgangskandidaten konnte für eine positive Überraschung sorgen. Gerrit Holtmann gehörte beim Standardtraining am Freitag mit 20 Feldspielern nicht mehr zu den Auserwählten, blieb außen vor. Sein Wechsel in die Türkei ist folgerichtig. Auch Jordi Osei-Tutu, Luis Hartwig und Moritz Römling werden in der anstehenden Saison keine große Rolle spielen. Moritz Broschinski verpasste die beiden Testspiele wegen Adduktorenproblemen. Auch Neuzugang Moritz Kwarteng fehlte, er hat noch keine Minute mit der Mannschaft trainieren können. „Wir führen ihn behutsam heran, Fortschritte sind zu erkennen“, sagt Sportdirektor Marc Lettau. Kwartengs Schambeinproblematik war den Verantwortlichen bereits vor der Verpflichtung bekannt. Den Bundesliga-Start wird er wohl verpassen.
Die Fans: Bis zu 300 VfL-Anhänger waren angekündigt, bei den Testspielen in Brixen sorgten sie für Stimmung. Die Trainingseinheiten verfolgten dagegen deutlich weniger Zuschauer, was sicher auch am wechselhaften Wetter lag. Erst gegen Ende der Woche zeigte sich die Sonne häufiger, unter anderem beim Fantreffen am Freitagabend. Einige Spieler sowie Trainer Thomas Letsch mischten sich unter das Volk, führten Gespräche und machten Selfies. Gerrit Holtmann übernahm den Ausschank. Ohnehin war wieder viel geboten, die Fanbetreuung hatte ein Programm zusammengestellt. Auch der Tourismusverband und die Gemeinde Gais freuten sich über den Besuch der Bochumer, die im Ort quasi für eine Vollauslastung sorgten. Der Vertrag mit dem Tourismusverband gilt noch bis einschließlich 2024.
Die Bedingungen: Zum dritten Mal fuhr der VfL nach Gais, und war auch in diesem Jahr im Großen und Ganzen zufrieden. Regenfälle zu Beginn des Trainingslagers führten allerdings dazu, dass der Rasenplatz nicht im allerbesten Zustand war. Die Bochumer überlegen generell, was sie im kommenden Jahr noch verbessern können. Denkbar ist, dass der VfL künftig das komplette Hotel anmietet, um allen ausreichend Platz und Ruhe zu bieten. Einige Offizielle äußerten leise Kritik an der Ausstattung der nicht mehr ganz so modernen Anlage. Die möchte Patrick Fabian aber nicht gelten lassen: „Wir werden in keinen Luxusbunker umziehen.“ Zum Vergleich: RB Leipzig residierte nur wenige Kilometer entfernt, zahlte für acht Tage aber einen mittleren sechsstelligen Betrag. Die investiert der VfL lieber in einen Spieler.
Das Resümee: Fünf von sieben Präsidiumsmitgliedern sind mit nach Gais gereist, dazu die Geschäftsführung und zahlreiche VfL-Mitarbeiter. Auch Patrick Fabian war natürlich dabei. Der Sportchef zieht ein positives Fazit nach einer Woche in Südtirol: „Es ging darum, an den Automatismen und dem Teamgefüge zu arbeiten. Beides ist uns sehr gut gelungen.“ Auch Trainer Thomas Letsch zeigte sich am Samstagabend zufrieden, allerdings mit einer Einschränkung: „Ich fühle mich an die Situation im Winter erinnert. Wenn ich sehe, wie wir trainiert haben, dann passt es. Bei den Spielen fehlte uns leider ein Erfolgserlebnis.“ Daheim in Bochum werden die Trainingseinheiten nun kürzer, erst am Mittwoch geht es weiter. „Die Woche in Gais war kräftezehrend. Nun müssen wir Frische zurückzuerlangen.“
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(Foto: Imago / RHR-Foto)