Vor dem Saisonstart

Dufner und Kaenzig im Interview: „Wir bunkern kein Geld“

Zwei erfahrene Geschäftsführer sollen den VfL Bochum wieder in die Erfolgsspur führen. Im Doppel-Interview skizzieren Dirk Dufner und Ilja Kaenzig die wirtschaftliche und sportliche Entwicklung. Hinweis vorab: Das Gespräch fand bereits vor dem Saisonstart im Juli statt.

Herr Kaenzig, Sie sind seit der Verpflichtung von Dirk Dufner nicht mehr alleiniger Geschäftsführer des VfL Bochum. Bedauern Sie das oder freuen Sie sich über die zusätzliche Unterstützung für den sportlichen Bereich?

Kaenzig: Ich begrüße das, denn Erfolg ist auch beim VfL Bochum nur gemeinschaftlich möglich, was die Gremien und Mitarbeitenden auf anderer Ebene miteinschließt. Wichtig ist, dass die Stelle des Sport-Geschäftsführers nicht nur geschaffen wurde, sondern mit Seniorität im Sinne der Erfahrung passend besetzt wurde. Dirk und ich verstehen uns praktisch blind, wir befinden uns auf einer Wellenlänge. Mit ihm kommen wir als Organisation schneller voran. Es ist somit keine Überraschung, dass unsere Mannschaft für die neue Saison schon so früh fast fertig zusammengestellt war. Und wir wissen aus der Vergangenheit: Der Saisonverlauf entscheidet sich maßgeblich in der Sommerpause.

Wie sieht die tägliche Zusammenarbeit aus und wie sind die Zuständigkeiten geregelt, Herr Dufner?

Dufner: Aus unseren Aufgabengebieten ergibt sich ein besonderes Zusammenspiel. Ilja ist für das große Ganze, darunter für die Finanzen, zuständig – und ich trage die Gesamtverantwortung für den Sport, bin unter anderem für die Zusammenstellung der Mannschaft verantwortlich. Daraus ergeben sich natürliche Diskrepanzen. Mein Ziel ist es, den bestmöglichen Kader zusammenzustellen. Das möchte Ilja natürlich auch, aber manchmal müssen wir Kompromisse finden, um auszuloten, was umsetzbar ist und was nicht.

Der VfL Bochum spielt nun wieder zweitklassig. Was wird nun aus der Vision, einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro zu erreichen?

Kaenzig: Die 2. Liga ist nicht mehr vergleichbar mit der Liga, die wir vor dem Aufstieg 2021 erlebt haben. Unser Ziel ist es, in dieser Saison auf annähernd 60 Millionen Euro Umsatz zu kommen. Das wäre das Doppelte von dem, was wir damals in der 2. Liga erreicht haben. Stillstand wird bestraft, weil die Konkurrenz auch in dieser Liga immer größer wird. Insofern: Wir spielen zwar in einer anderen Liga, aber der kontinuierliche Wachstumstrend der letzten Jahre muss trotzdem anhalten. Bei einer Bundesliga-Rückkehr wären die 100 Millionen Euro somit perspektivisch wieder realistisch, denn bei über 92 Millionen Euro waren wir bereits. Das muss unser Anspruch und unser Ziel bleiben.

Wo sehen Sie denn trotz des Abstiegs Wachstumspotenzial?

Kaenzig: Das Stadion hat ligaunabhängig Optimierungsbedarf, dieses gemeinsame Großprojekt mit der Stadt ist ja bereits angelaufen. Ein großes Ziel bleibt es zudem, die Transfereinnahmen zu erhöhen, weil diese immer bedeutsamer werden. Und: Wir wollen trotz des Abstiegs weiterhin in allen Bereichen zulegen. Die Faszination für den VfL ist ungebrochen, das spüren wir und das motiviert uns alle enorm.

Dufner: Transfererlöse sind zweifellos ein großer Hebel, allerdings ligaunabhängig. Da helfen uns in erster Linie eigene Talente, denn Spieler, die 27 oder 28 Jahre alt sind, bringen in unserem Bereich meist keine großen Transfererlöse mehr. Zumal: Die Wahrscheinlichkeit, einen Spieler zu entdecken, den sonst keiner gefunden hat, ihn günstig einkaufen, um ihn dann gewinnbringend abzugeben, ist gering. Beim eigenen Nachwuchs, der hier seine ersten Schritte im Profibereich geht und weiterhin Entwicklungspotenzial besitzt, ist das viel realistischer.

Ist der Verkauf von Tim Oermann zu Bayer Leverkusen ein Musterbeispiel dafür, wie es in Zukunft häufiger laufen könnte, oder aufgrund der kolportierten Ablöse eher ein Negativbeispiel?

Dufner: Wir kommentieren keine Zahlen, aber es gibt Faktoren, die die kolportierte Ablöse nach oben treiben können. Insofern können wir von einem guten Deal im Rahmen der Möglichkeiten sprechen. Denn: Tim Oermann hat sich sehr klar festgelegt, zu Bayer Leverkusen wechseln zu wollen, und zu keinem anderen Klub. Das Problem war, dass Leverkusen ihn auch ein Jahr später ablösefrei genommen hätte. Unsere Verhandlungsposition war also denkbar ungünstig, zumal der Spieler – obwohl er in Bochum ausgebildet wurde – eine Vertragsverlängerung offensichtlich von Anfang an abgelehnt hat.

Kaenzig: Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, dass es frühzeitig, schon im letzten Jahr, zahlreiche Gespräche mit Tim, seiner Familie und seinem Berater gab. Sie wollten den Vertrag auch zu verbesserten Bezügen nicht verlängern. Was völlig legitim ist, aber nun mal ein Teil der Wahrheit. Und das hat uns, wie Dirk schon sagte, leider in eine schwierige Ausgangslage gebracht.  

Transfererlöse sind für einen Zweitligisten auch deshalb so wichtig, weil die TV-Einnahmen im Vergleich zur Bundesliga deutlich geringer ausfallen. In welchen Bereichen muss der VfL den Gürtel nun enger schnallen?

Kaenzig: Wir planen aktuell mit rund 20 Millionen Euro aus dem TV-Topf. In der Bundesliga war es doppelt so viel. Natürlich schrumpft der Lizenzspieleretat deshalb im branchenüblichen Rahmen, dennoch bleiben wir ambitioniert. Das erwarten die Fans und Mitglieder doch auch von uns. Sie wollen eine wettbewerbsfähige Mannschaft sehen. Somit fließen auch in dieser Saison rund 50 Prozent unserer Einnahmen in den sportlichen Bereich inklusive Nachwuchs. Die Sponsoren haben die gleichen Erwartungen an uns wie zuvor, auch medial bleiben wir genauso im Fokus, und das Stadion wird ebenfalls gut gefüllt sein, was entsprechenden Personaleinsatz erfordert. Ohne eine funktionierende Organisation ist sportlicher Erfolg nicht möglich.

Der Vorwurf, der VfL sei speziell bei Spielerverpflichtungen zu knauserig, hält sich im Umfeld allerdings hartnäckig.

Kaenzig: Es bleibt dabei: Wir bunkern kein Geld, wir geben es aus – und stecken möglichst viel in den Sport. Im Nachwuchs sparen wir gar nicht, sondern sehen das als unabdingbare Investition in die Zukunft. Unsere Zahlen sind transparent für jeden einsehbar. Man muss sie aber auch lesen! Stammtischdiskussionen gehören zum Fußball, es macht die Romantik dieses Sports aus, dass jeder ein Experte ist. Denn es gibt keine Wahrheit, sondern nur Meinungen.

Über die Scoutingabteilung wurde zuletzt besonders intensiv diskutiert, sogar öffentlich angestoßen von Trainer Dieter Hecking. Wieso wurde diese Abteilung in den zurückliegenden Jahren offensichtlich vernachlässigt, Herr Kaenzig? Und was planen Sie nun zur Verbesserung, Herr Dufner?

Kaenzig: Das Scouting war Thema in jeder Mitgliederversammlung und wurde nach und nach von unterschiedlichen Sportverantwortlichen weiterentwickelt. Trotz allem sind wir noch nicht zufrieden, weshalb wir weitere Veränderungen anstreben.

Dufner: Mein Eindruck ist, dass die Kommunikations- und Entscheidungswege optimierungsbedürftig sind und eine neue Führungsstruktur dazu beitragen wird. Es gibt Überarbeitungsbedarf, um Potenziale auszuschöpfen. Vielleicht ist es gar nicht notwendig, die Abteilung zu vergrößern oder personell radikal zu verändern, sondern lediglich besser zu strukturieren. Das werden wir uns gemeinsam mit dem neuen Chefscout anschauen. Klar ist: Wir müssen schneller sein, sowohl bei der Informationsbeschaffung als auch bei der Entscheidungsfindung. Unser Ziel ist es, die Scouting-Abteilung in den kommenden Transferperioden wieder stärker einzubinden als das aktuell der Fall ist.

Wer unterstützt Sie in diesem Sommer bei der Kaderplanung – und worauf legen Sie bei neuen Spielern besonderen Wert?

Dufner: Mit Johannes Waigand haben wir einen Mitarbeiter dazubekommen, der mich als Direktor Kadermanagement in allen Belangen unterstützt. Zudem nutzen wir unsere eigenen Netzwerke. Auch der Trainer bringt sich natürlich mit ein. Gemeinsam haben wir den Kader deutlich verjüngt und Wert auf eine große deutschsprachige Gruppe gelegt, an der sich die anderen Spieler orientieren können und wodurch schon in den ersten Wochen eine gute Gruppendynamik entstanden ist. Wir wollen spüren, dass die Spieler große Lust darauf haben, für den VfL Bochum zu spielen – egal wie alt, egal woher.

Was lief in diesem Sommer anders und besser als im vergangenen, Herr Kaenzig?

Kaenzig: Die Mannschaft war rasch beisammen und ist erstaunlich schnell zusammengewachsen. Die Erfahrung von Dieter Hecking tut uns dabei besonders gut. Er weiß genau, was zu tun ist, und vermeidet Experimente. In dieser Konstellation hätten wir im vergangenen Jahr womöglich einige Fehler nicht gemacht. Auch in dieser Hinsicht hilft uns Dirks und Dieters Seniorität, ich betone es gerne immer wieder, enorm.

Dies war ein Auszug dem ausführlichen Doppel-Interview mit Dirk Dufner und Ilja Kaenzig, das im neuen VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen ist. Im weiteren Gesprächsverlauf ging es unter anderem um die Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidium, die Stärkung der Nachwuchsarbeit und das Saisonziel bei den Profis. Darüber hinaus bietet das Magazin auf insgesamt 100 Seiten weitere Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrund- und Fangeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen.