Kritik oder zumindest Zweifel haben die Verantwortlichen des VfL Bochum in den Wochen der Saisonvorbereitung nur ungern vernommen. Trainer Dieter Hecking schob die Skepsis nicht weniger Anhänger schlicht darauf, dass diese ja gar nicht vor Ort gewesen seien. Wie auch immer: Die einfachste Gelegenheit, die Fans zu beruhigen, hat der Bundesliga-Absteiger verpasst. Zum Start in die neue Zweitliga-Saison hat die Hecking-Elf vielmehr neue Zweifel gesät. Völlig verdient ging der VfL mit 1:4 beim SV Darmstadt 98 unter. Im Grunde war das Spiel bereits nach gut einer Stunde und dem vierten Gegentreffer entschieden. Ein Comeback, wie es dem VfL noch gegen Bern in der Vorbereitung bei gleichem Spielstand gelungen war, deutete sich zu keinem Zeitpunkt an.
Was einmal mehr die These bestätigt, dass die Vorbereitung kaum Rückschlüsse auf die tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit zulässt. „Wir haben zu viele Chancen zugelassen. Ich dachte, dass wir im Defensivverhalten schon weiter wären“, entgegnete Hecking auf die Frage, was ihn denn überrascht hat beim Auftritt seiner Mannschaft. Die personell neu besetzte Defensive offenbarte erhebliche Lücken, vor allem zwischen Mittelfeld und Abwehr. Abstimmungsprobleme und Stellungsfehler, aber auch Tempodefizite, leichtsinnige Ballverluste im Spielaufbau und ein naives, inkonsequentes Zweikampfverhalten führten zu vier Gegentreffern – und zu jeder Menge Frust. „Wir sind knallhart auf dem Boden der Tatsachen angekommen und müssen vieles besser machen, um in der 2. Liga zu bestehen. Darmstadt hat es uns vorgemacht“, analysierte Timo Horn.
Nur Broschinski überzeugt
Der Bochumer Torwart musste bereits nach wenigen Minuten hinter sich greifen, als sich seine Teamkollegen mit einfachsten Mitteln düpieren ließen. Nach dem Ausgleichstreffer durch Moritz Broschinski, der als einziger seine gute Form aus der Vorbereitung bestätigte, aber mit einer Wadenverletzung ausgewechselt wurde, folgte noch vor der Halbzeitpause das 1:2. Mit einem Doppelschlag kurz nach dem Seitenwechsel sorgten die Lilien schließlich für klare Verhältnisse. Dass beide Tore in der zweiten Hälfte nach einem Eckball fielen, wirft erneut ein schlechtes Licht auf das Bochumer Abwehrverhalten. „Wir kassieren zwei fast identische Standard-Gegentore. Das ist zu billig und wird auch in der 2. Liga bestraft“, monierte Horn. Fehler dieser Art hat sich der VfL bereits eine Spielklasse höher erlaubt – und sie auch nach dem Abstieg noch nicht abgestellt.
Was vor allem deshalb verwundert, weil Heckings 3-5-2-Formation personell wie taktisch eigentlich klar die Defensive begünstigt. Mit Broschinski und Philipp Hofmann gehörten in Darmstadt lediglich zwei Spieler zur Startelf, die zweifelsfrei als Offensivkräfte einzustufen sind. Trotz dessen verbuchte der VfL immerhin ein halbes Dutzend guter Chancen. Deshalb sei es auch unfair, nun alles schlecht zu reden, sagte Kevin Vogt. Der Routinier wurde seiner Rolle als Abwehrchef noch nicht gerecht und enttäuschte ebenso wie die Neuzugänge Philipp Strompf und Romario Rösch. Das Trio war an gleich mehreren Gegentreffern beteiligt. „Auch wenn sich die Kritiker gerade bestätigt fühlen: Nur weil wir das erste Spiel verloren haben, verliere ich nicht meinen Optimismus“, betonte Vogt mit ruhiger Stimme.
Traditionelle Auftaktpleite
Die Frage ist: Was lässt sich konkret ändern, damit der VfL seine Kritiker ruhigstellt und in der neuen Liga schnellstmöglich ankommt? Die größten Defizite sind identifiziert, müssen aber wohl mit fast identischem Personal behoben werden. Denn allzu viele Möglichkeiten gibt der Kader bei aktuell drei, vier Ausfällen gar nicht her. In der Abwehr wäre Neuzugang Colin Kleine-Bekel eine Alternative, auf der rechten Außenbahn Kacper Koscierski oder Felix Passlack. Theoretisch könnte auch Maximilian Wittek nach innen rücken und Gerrit Holtmann die linke Außenbahn übernehmen. Weiter vorne fehlen indes die Alternativen. Gegen Darmstadt standen nur zwei Ersatzspieler für die Offensive zur Verfügung, Koji Miyoshi und Samuel Bamba mussten daheim bleiben. Was einmal mehr verdeutlicht, dass es in naher Zukunft keine Abkehr von der einstudierten Grundordnung geben wird.
Für Trainer und Spieler kommt eine Grundsatzdebatte ohnehin zu früh. „Ich bleibe dabei, dass wir eine gute Vorbereitung hatten, die uns im Saisonverlauf noch helfen wird“, bekräftigte Vize-Kapitän Horn und lobte die mitgereisten Fans, die sich trotz der fast schon obligatorischen Enttäuschung mit Kritik zurückhielten – zumindest vor Ort, zumindest für den Moment. Auftaktniederlagen sind sie schließlich gewohnt: Zuletzt gelang dem VfL im Jahr 2016 ein Sieg am ersten Spieltag. Das 1:4 in Darmstadt war seither die achte Pleite in neun Anläufen. Ob der erneute Fehlstart nun absehbar war oder nicht, bleibt Ansichtssache. Gewiss ist nur: Der Geduldsfaden vieler Bochumer ist zwar lang, aber nicht endlos. Besonders wenn sie das Gefühl haben, mit ihren Bedenken nicht ernst genommen zu werden.
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