Geschäftsführung

Auszeit für erkrankten Fabian – Lettau rückt in den Fokus

Fußball-Bochum drückt die Daumen. Die überwältigende Mehrheit der VfL-Fans reagierte am Mittwoch mit großem Verständnis und viel Empathie auf die Meldung des Klubs, dass Patrick Fabian vorübergehend pausieren muss. Der Sport-Geschäftsführer wird „aus gesundheitlichen Gründen temporär nicht zur Verfügung stehen“, teilte der VfL mit. Bereits im Februar war Fabian kurzzeitig krankgeschrieben, kehrte dann aber wieder zurück. Nun wird er wahrscheinlich länger fehlen. Über die genauen Gründe der Auszeit hüllt sich der Verein verständlicherweise in Schweigen.

Keine näheren Angaben

„Wir werden Patrick Fabian in jeglicher Form unterstützen“, sagt Hans-Peter Villis. Das Präsidium hat Fabian Anfang September als Geschäftsführer und Nachfolger von Sebastian Schindzielorz eingesetzt. „Patrick Fabian hat uns über seine Situation informiert. Wir bitten um Verständnis, dass wir mit Blick auf den Schutz seiner Privatsphäre keine weiteren Auskünfte erteilen werden.“ Die Entscheidung sei mit dem Präsidium, mit Ilja Kaenzig sowie mit Thomas Letsch abgestimmt. Im Sportbereich übernimmt Marc Lettau vorübergehend die Aufgaben von Fabian. Lettau war erst zum Jahreswechsel von Union Berlin zum VfL gekommen.

Lettau vertritt Fabian

Der 37-Jährige wurde als Technischer Direktor eingestellt und sollte Fabians Arbeit maßgeblich unterstützen, etwa Verhandlungen mit Beratern genauso wie Gespräche mit den Spielern führen. Während Fabian vor allem Termine und strategische Aufgaben als Geschäftsführer übernehmen wollte und auch in der Öffentlichkeit das Gesicht der sportlichen Leitung bleiben sollte, wurde Lettau für das operative Tagesgeschäft eingestellt. Der ehemalige Assistent von Berlins Erfolgsmanager Oliver Ruhnert sollte eher im Hintergrund agieren. Das dürfte sich vorübergehend ändern.

Ausführlicher über Marc Lettau hat Tief im Westen – Das VfL-Magazin bereits kurz vor Weihnachten berichtet. Den Text zum Nachlesen gibt es hier…

(Foto: Firo Sportphoto)

Diskussion

Riemann nicht mehr unantastbar – bleibt aber im Tor des VfL

Solange Manuel Riemann für den VfL Bochum spielt, wird er polarisieren. Das ist keine neue Erkenntnis, doch der Vize-Kapitän steht in dieser Woche mal wieder besonders im Fokus. Denn in Fankreisen wird intensiv über einen möglichen Torwartwechsel diskutiert, nachdem Riemann mit einem Patzer die Derbyniederlage gegen Schalke eingeleitet hat. Unklar ist allerdings, wie Trainer Thomas Letsch darüber denkt. Der Trainer lässt sich vor dem Auswärtsspiel in Köln am Freitag (noch) nicht in die Karten schauen. Der Fußballlehrer kündigte zwar generell an, alles auf den Prüfstand stellen zu wollen – was den Schlussmann logischerweise miteinschließen sollte. Konkreter wurde er bislang aber noch nicht.

Auch wenn Riemann schon länger nicht nur Freunde hat: Dass überhaupt in dieser Saison über einen Torwartwechsel diskutiert wird, kommt durchaus überraschend. Noch im Sommer wurde er von den Fans zum Spieler der abgelaufenen Saison gewählt und für seine Leistungen gefeiert. Der heute 34-Jährige hatte einen maßgeblichen Anteil am Klassenerhalt. In dieser Spielzeit hingegen schwächelt der ehrgeizige Torwart. Zwar begeistert Riemann immer noch mit wichtigen Paraden und seinen fußballerischen Qualitäten, doch häufiger als vorher greift er daneben oder überschätzt seine Fähigkeiten mit dem Ball am Fuß. Und wenn Torhüter patzen, hat das meist direkte Folgen.

Übermut und fehlendes Vertrauen

Der Weg zum Sündenbock ist also nicht weit, das wird auch Riemann wissen. Bei ihm entsteht jedoch der Eindruck, dass er – wenn er gepatzt hat – schnell die Ruhe verliert. Das fiel auch gegen Schalke auf. Nachdem Riemann an einer Flanke vorbeigesegelt war, wollte er seinen Fehler unbedingt selbst wiedergutmachen und ignorierte dabei seinen besser postierten Mitspieler. Die Folge: Ein vermeidbares Eigentor. Womöglich ist Übermut generell die Ursache für Riemanns Formtief. Denn immer wieder fällt auf, dass er seinen Zuständigkeitsbereich fast beliebig erweitert. Als mitspielender Torwart genießt er viele Freiheiten, mitunter übertreibt er es aber – etwa im Pokal gegen Dortmund.

Wer sollte das Tor des VfL Bochum hüten?

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Nicht nur da wurde deutlich: Großes Zutrauen in die Fähigkeiten seiner Mitspieler scheint Riemann nicht zu haben. Er übernimmt zwar Verantwortung, mischt er sich aber in praktisch jede Angelegenheit ein – notfalls verbal. Das ist beim VfL einerseits erwünscht, denn die Mannschaft sei insgesamt zu leise, sagt Thomas Letsch. Doch andererseits Riemann überschreitet regelmäßig Grenzen. Bestes Beispiel: Beim Auswärtsspiel in München diskutierte Riemann während des Spiels so intensiv mit Ivan Ordets, dass der Abwehrspieler irgendwann signalisierte: Schluss jetzt. Hinzu kommt, dass sich Riemann selbst nach eigenen Fehlern nicht zurückhält und mit seinen Teamkollegen schimpft.

Ersatzmann Esser ohne Spielpraxis

Ein Torwartwechsel könnte also insgesamt für mehr Ruhe sorgen. Zumal der VfL über eine bundesligataugliche Alternative verfügt. Michael Esser, die etatmäßige Nummer zwei, ist sehr erfahren und genießt in der Mannschaft ein hohes Ansehen. Er ist deutlich gelassener als Riemann, aber keineswegs still. Esser hat Riemann schon in der vergangenen Saison viermal souverän vertreten – allerdings nie über einen längeren Zeitraum und stets in dem Wissen, wieder auf die Bank zurückzukehren. Nun fehlt dem 35-Jährigen vor allem Spielpraxis. Seit Mai 2022 kam er nicht mehr zum Einsatz. Wegen einer Verletzung hat Esser in diesem Jahr auch noch kein Testspiel bestritten.  

Generell würde ein Personalwechsel zwischen den Pfosten einiges verändern, auch im Spielaufbau. Esser ist fußballerisch bei weitem nicht so gut ausgebildet wie Riemann. Darin kann aber auch eine Chance liegen. Riemanns Abschläge sind ligaweit bekannt, die Gegner haben sich immer besser darauf eingestellt; der VfL müsste neue Ideen entwickeln. Die größte Herausforderung wäre allerdings eine andere: Letsch müsste der seit Jahren fast unantastbaren Nummer eins beibringen, nur noch Zuschauer zu sein und nicht mehr direkt eingreifen zu können. Eine Entscheidung dieser Art kann sich schnell zum Politikum entwickeln – und ist den Gesetzen der Branchen folgend kaum revidierbar.

UPDATE nach der Pressekonferenz am Donnerstag:

https://twitter.com/p_rentsch/status/1633802553061265408

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(Foto: Firo Sportphoto)

Aufarbeitung

Ärger mit Schalke-Fans und Security: Wie der VfL reagiert

Kommentarspalten können inspirierend sein. Auf Instagram fragte am Montag ein VfL-Fan, ob die Firma Klüh nicht auch ein Sicherheitskonzept für die Bochumer Abwehr erarbeitet könne. Schließlich habe sich „das in Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden und dem Security-Dienstleister erarbeitete Sicherheitskonzept“ auch beim Derby gegen Schalke „bewährt“. So steht es in einer Pressemitteilung des VfL, in der der Klub aber auch Probleme am Spieltag zugeben muss. Denn fast überall im Stadion kam es zu Auseinandersetzungen und Provokationen.

Lief also doch nicht alles glatt. Das geht auch aus Zuschriften und Reaktionen hervor, die Tief im Westen – Das VfL-Magazin seit dem Abpfiff der Partie erreicht haben. Die Kritik: Zu viele Schalker dort, wo eigentlich nur Bochumer sitzen sollten. Wobei der Heimbereich nicht das ganze Stadion umfasst. Vor dem Verkaufsstart der Tickets im Februar hatte der VfL darüber informiert, dass die Ostkurve, die komplette Südtribüne und ein Teil der Haupttribüne zum Heimbereich zählen. Folglich gab es auch neutrale Zonen, vor allem links und rechts der Nord-West-Ecke.

Schalke-Fans im Heimbereich

Doch schon vor Partie gab es offenbar ein Kommunikationsproblem zwischen den beiden Klubs, das gegenseitige Provokationen begünstigt hat. Schalke 04 hatte angekündigt, dass angeblich keine Gästefans außerhalb des Gästeblocks geduldet werden würden und im Zweifel auch während des Spiels aus dem Stadion geführt werden. Zahlreiche S04-Fans beschwerten sich in den sozialen Netzwerken und fühlten sich angegriffen. Bochumer wiederum dachten, sie würden keine Schalker in ihren Blöcken entdecken und rieben sich am Spieltag verwundert die Augen.

Obwohl der VfL diese wie alle anderen Tickets nur an Dauerkarteninhaber und Vereinsmitglieder verkauft hat, versammelten sich überall Gästefans. Trotz verschiedener Maßnahmen, wie der Klub betont. VfL-Fans wurden gebeten, ihre Tickets nicht weiterzugeben. Auch Sponsoren, die teilweise über größere Kontingente verfügen, wurden sensibilisiert – mit mäßigem Erfolg. „Das lag im Wesentlichen daran, dass die meisten Gästefans in den Heimbereichen als solche nicht klar erkennbar waren, also keine Fan-Utensilien trugen oder mitführten“, erklärt der VfL.

Fans kritisieren Sicherheitsdienst

War der Ordnungsdienst gegenüber den Schalke-Fans im Heimbereich also machtlos? „Sie wurden erst als Gästefans identifiziert, als sie sich verbal äußerten. In derartigen Fällen hat der Ordnungsdienst nach Rücksprache mit dem VfL deeskalierend gewirkt und darauf verzichtet, diese Gäste von den Tribünen zu entfernen“, teilt der Klub mit. Via Twitter berichten Zuschauer von einer unterschiedlichen Vorgehensweise. Vereinzelt mussten Schalker während des Spiels das Stadion verlassen, weil Provokationen zunahmen. In anderen Fällen hätte die Security auf Maßnahmen verzichtet.

Selbst im Familienblock kam es zu Auseinandersetzungen, berichten zwei Leserinnen. Interessant: Mehrere Stadionbesucher schildern, dass Ordner berichtet hätten, dass sie angeblich gar keine Anweisung erhalten haben, schon beim Anlass auf S04-Utensilien zu achten und ihnen den Zutritt zum Stadion zu verwehren. Aus Vereinskreisen heißt es zudem, dass auch der gestiegene Alkoholkonsum Auseinandersetzungen begünstigt haben könnte. Seitdem der VfL in die Bundesliga zurückgekehrt ist, wird im Stadion pro Kopf mehr Bier getrunken.

Fans äußern Ideen und Bedenken

Wie kann der VfL das Ticketproblem aber generell lösen und damit Provokationen vorbeugen? Insgesamt dürften es mindestens 1.000 Schalker zusätzlich zum Gästeblock ins Stadion geschafft haben. In einem Fanforen entstand deshalb die Idee, mithilfe der im Stadion installierten Kameras herauszufinden, wo diese Zuschauer genau saßen, um anschließend den Käufer zu ermitteln und zu sperren. Technisch kein Problem, in der Praxis aber heikel: Schließlich kann es sein, dass sich Zuschauer umgesetzt haben – und plötzlich falsche Personen beschuldigt werden.

Einige Stadionbesucher kritisieren hingegen, warum der VfL überhaupt so viel Energie in das Thema Ticketvergabe steckt. Schließlich müsse es doch möglich sein, dass Fans der Heim- und Gastmannschaft friedlich nebeneinandersitzen dürfen. Auch erwähnen sie, dass sich Bochumer bei Auswärtsspielen ebenfalls Karten außerhalb des Gästeblocks besorgen. Ein Leser erinnert per Mail zudem an frühere Derbys. Damals hätten Schalke- oder BVB-Anhänger weitaus mehr Karten zusätzlich zum Gästekontingent ergattern können. Es sei also schon besser geworden.

VfL will Ticketvergabe ändern

Der Wunsch einiger Fans, die Security-Firma zu wechseln, wird übrigens nicht in Erfüllung gehen. Die gesamte Branche klagt über einen Mangel an Fachpersonal. Ordner, die für einen eher niedrigen Lohn im Zweifel ihren Kopf hinhalten, lassen sich kaum noch finden. Der VfL will stattdessen zum nächsten Derby gegen Dortmund seine Ticketmodalitäten überdenken. Abschließend könnte auch ein Hinweis an die Mannschaft helfen. Auch hier lieferte ein User auf Instagram die Vorlage: Viele Schalker wären gar nicht aufgefallen, wenn der VfL ihnen keinen Anlass zum Jubeln gegeben hätte.

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Nach dem Derby

„Sind nicht abgestiegen“: Letsch kämpft gegen Fan-Gefühle an

Als Mathematiker ist Thomas Letsch ein Zahlenmensch. „Hertha hat 20 Punkte. Stuttgart, Hoffenheim, Schalke und wir haben 19. Wir sind im Abstiegskampf also weiter voll dabei“, sagt der Cheftrainer des VfL Bochum nach der Derbyniederlage gegen Schalke, die viele Fans tief getroffen hat. Die Enttäuschung ist so groß wie lange nicht mehr. Der Optimismus weicht dem Pessimismus, der Glaube an die Schaffenskraft und die Fähigkeiten der Mannschaft sinkt. Für nicht wenige Anhänger steht fest: Der VfL steigt ab. Fußballfans sind eben eher Gefühlsmenschen.

Probleme wiederholen sich

Und deshalb macht sich zum zweiten Mal in dieser Saison eine gewisse Ratlosigkeit und fast schon Resignation im Umfeld breit. Wenn schon gegen diese limitierte Schalker Mannschaft kein Sieg gelingt, gegen wen dann? Was macht noch Hoffnung? Thomas Letsch kämpft gegen dieses Fan-Gefühl an und lenkt den Blick auf die Tabelle. „Wir haben uns herangekämpft“, sagte er zuletzt mehrfach und erinnerte dabei an die Konstellation bei seinem Amtsantritt. Nach dem Derby betont er: „Wir sind nicht abgestiegen. Natürlich haben wir gegen Schalke eine große Chance verpasst. Aber nüchtern betrachtet ist weiter alles möglich.“ Der VfL ist zum ersten Mal seit Oktober wieder Tabellenletzter, jedoch trennt ihn nur das schlechtere Torverhältnis von einem Nicht-Abstiegsplatz. Fußballerisch und stimmungstechnisch ist der Bochum allerdings an einem ähnlichen Punkt angelangt wie nach der Hinspielniederlage gegen Schalke.

Mit etwas Abstand zur Niederlage im Derby: Schafft der VfL am Saisonende doch noch den Klassenerhalt?

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„Es wäre verheerend jetzt aufzugeben. Tut das jemand, ist er hier falsch“, sagt Letsch unmissverständlich, denn er weiß, dass ein Drittel der Saison noch vor ihm liegt. Doch der Trend spricht klar gegen den Revierklub. Von acht Bundesliga-Partien im neuen Jahr hat der VfL nur zwei gewonnen und sechs verdient verloren. In den zurückliegenden vier Partien gelang kein einziges Tor; fünfmal in Folge – inklusive Pokal – verschuldete der VfL kurz vor der Halbzeit das erste Gegentor. „Wir kassieren zu viele Tore und schießen keine. Das ist keine gute Mischung“, weiß auch Letsch. Zumal ein Rückstand in dieser Saison gleichbedeutend mit einer Niederlage ist – was weder für eine große Moral noch für die notwendige Qualität im Kader spricht. Aktuell kommen noch Ausfälle hinzu. Gegen Köln ist zumindest Kapitän Anthony Losilla wieder dabei. Gerrit Holtmann, Simon Zoller und Cristian Gamboa kehren frühestens gegen Leipzig zurück.

Doch darüber möchte Letsch nicht klagen. „Es ist klar, dass wir uns so nicht mehr präsentieren können“, betont er nach dem Derby, allerdings nicht zum ersten Mal. Nach der Pleite in Bremen fiel dieser Satz ebenfalls. Auch der Fußballlehrer und sein Trainerteam müssen sich hinterfragen. Angefangen bei der Spielidee, die auch gegen Schalke zumeist nur aus langen Bällen bestand. Mitunter können es auch Kleinigkeiten sein: Warum darf Kevin Stöger immer wieder Standardsituationen treten, obwohl sie seit Wochen immer wieder zu kurz geraten? Warum setzt der VfL weiter auf Einwurfflanken, obwohl sie bislang keine positive Wirkung hatten? Und warum wechselt Letsch trotz eines derart uninspirierten Auftritts wie gegen Schalke so spät das Personal? Pierre Kunde, erst im Winter verpflichtet, schmorte 85 Minuten auf der Bank. Entweder ist er eine Verstärkung und sollte spielen – oder er ist der nächste Fehleinkauf.

Trainer will alles hinterfragen

Letsch kündigte am Samstag noch relativ vage an, „alles“ auf den Prüfstand stellen zu wollen. Das sollte auch vermeintlich Unantastbare wie Manuel Riemann oder Kevin Stöger mit einschließen, die seit Wochen in einem Formtief stecken. Generell ist der Trainer ja nicht das Problem, sondern Teil der Lösung, was er schon bewiesen hat. Letsch hat aus 16 Partien 18 Punkte geholt und den VfL wieder zum Leben erweckt. Auf die Saison hochgerechnet würde der VfL mit dieser Bilanz wohl in der Liga bleiben. Allerdings, und das weiß auch Thomas Letsch, ist Fußball keine Mathematik.

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(Foto: Firo Sportphoto)

0:2 gegen Schalke

Stimmungswandel? VfL verliert das Derby und die Fans

Für deeskalierende Kleidung hatte sich Thomas Reis nicht entschieden. Auf der Rückseite seines Pullovers prangte ein Schalke-Logo in beeindruckender Größe, das die Fans des VfL auf der Tribüne nicht übersehen konnten. Ansonsten hielt sich der Ex-Coach aber auffallend zurück, er jubelte weder bei den Toren noch nach dem Schlusspfiff. „Aus Respekt vor dem Verein, für den ich lange gearbeitet habe, mache ich das nur innerlich“, erklärte Reis später. Freundlich wurde er bei seiner Rückkehr ins Ruhrstadion wie erwartet nicht begrüßt. Es gab Pfiffe, ein Plakat und Schmähgesänge gegen ihn.

Doch das alles ist aus Bochumer Sicht nach der 0:2-Derbyniederlage gegen Schalke nur eine Randnotiz. Die Lage beim VfL hat sich mit der vierten Pleite in Folge weiter zugespitzt, vor allem emotional. Die Enttäuschung ist riesengroß. Bereits nach dem zweiten Gegentreffer eine Viertelstunde vor Schluss leerten sich die Reihen, nach dem Spiel gab es Pfiffe. Und schon während der zweiten Halbzeit ertönte der Schlachtruf: „Wir wollen euch kämpfen sehen.“ Die bislang beeindruckende und praktisch bedingungslose Unterstützung scheint nicht mehr garantiert zu sein.

Bochum fehlten die Mittel

Zeichnet sich also ein Stimmungswandel ab? Womöglich schon. Nach dem blutleeren Auftritt in Bremen fehlte auch gegen Schalke der letzte Biss – ausgerechnet in diesem so wichtigen Derby. Da verliert selbst der leidensfähige Bochumer die Geduld. „Der Wille war da. Aber das Feuer, das uns in anderen Spielen ausgezeichnet hat, war so nicht zu erkennen“, bestätigte Thomas Letsch. „Es liegt an uns, die Fans wieder auf unsere Seite zu ziehen.“ Derbystimmung kam allenfalls zu Beginn auf, in der zweiten Halbzeit übertrug sich die Ratlosigkeit vom Rasen auf die Ränge.

Der Glaube daran, gegen den Rivalen doch noch zu punkten, fehlte offensichtlich nicht nur den Spielern, sondern auch den Zuschauern. Gegen eigentlich harmlose Schalker brachte der VfL gerade im Vorwärtsgang viel zu wenig auf den Platz, ihm fehlten die Mittel. Hinten wiederum patzte Bochum in den entscheidenden Momenten. „Wenn wir schon kein Tor erzielen, müssen wir wenigstens hinten die Null halten. Aber dazu sind wir schon seit längerer Zeit nicht in der Lage“, gab der Trainer ehrlich zu und fügte zähneknirschend an: „Schalke schafft das. Das war der Unterschied.“

Riemann und das Eigentor

Auf Bundesliga-Niveau agierten im Grunde beide Mannschaften nicht. Philipp Hofmann hatte die frühe Führung für den VfL auf dem Fuß, doch der Angreifer vergab schon zu diesem Zeitpunkt die größte Chance der Partie. Der VfL spielte etwas druckvoller, von Schalke kam praktisch gar nichts. Und trotzdem gingen die Gäste jubelnd in die Kabine, weil Bochums Keeper Manuel Riemann abermals patzte. Erst segelte er an einer Flanke vorbei, dann boxte er den am Boden liegenden Ball ohne Gegnerdruck ins eigene Tor – obwohl Erhan Masovic zum Klären bereitstand. 

„Der Gegner hatte keine Torchance und führt trotzdem mit 1:0“, ärgerte sich Letsch. Die Aufholjagd nach der Pause blieb gänzlich aus, der VfL enttäuschte komplett. Was auffiel: Kaum ein Feldspieler übernahm die Führungsrolle, Kapitän Anthony Losilla wurde abermals schmerzlich vermisst – auch wenn ihn Patrick Osterhage sportlich gut vertrat. Dass Letsch auf die Ideenlosigkeit seiner Mannschaft erst knapp 20 Minuten vor Schluss mit einem Doppelwechsel reagierte, kam zu spät. Marius Bülter erzielte das 0:2, das Tor von Keven Schlotterbeck zählte nicht – und die Gäste feierten.

Fans sind schwer enttäuscht

Die Bochumer Fans meldeten sich erst nach dem Abpfiff wieder zu Wort. Manuel Riemann diskutierte am Zaun vor der Ostkurve; Philipp Hofmann, Keven Schlotterbeck und einige andere beobachteten die Szenerie aus sicherer Entfernung. Was wohl auch daran lag, dass einige Anhänger überreagierten. „Unmut, Enttäuschung und Emotionen sind verständlich, aber keine Stinkefinger. Ich habe mich dann entfernt“, berichtete Philipp Förster. Andere, Pierre Kunde etwa, waren schon direkt nach Abpfiff in die Kabine geeilt. Geschlossenheit sieht anders aus.  

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Rückkehr von Reis

Bochum gegen Schalke: Warum das Derby so brisant wird

Das erste Derby gegen Schalke 04 im Ruhrstadion seit Anfang 2010 wirft seine Schatten voraus. ​Die Anspannung ist spürbar – bei den Spielern und Verantwortlichen des VfL Bochum, vor allem aber bei den Fans. Praktisch alle Anhänger sprechen vom sportlich und emotional wichtigsten Duell der Saison, mit einer Wirkung weit darüber hinaus. Die Gründe dafür sind vielfältig…

Die Rivalität: Von Bochumer Seite aus ist die Abneigung gegen Schalke wohl etwas größer als umgekehrt, schließlich gibt es bei den Königsblauen noch die Rivalität mit Schwarz-Gelb. Dennoch: Beide Fanlager fiebern dem Spiel entgegen und wissen um die Brisanz – ebenso wie die Spieler. Dass Schalke-Torwart Ralf Fährmann von einem „Heimspiel in Bochum“ ausgeht, ist jedoch mehr als gewagt. Offiziell werden nur 2.700 Schalker im Ruhrstadion sein. Der VfL hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, damit es nicht deutlich mehr werden.

Die Vorgeschichte: Das Hinspiel im September ging mit 3:1 an S04, anschließend hat der VfL Trainer Thomas Reis beurlaubt. Den bislang letzten Sieg für Bochum gegen Schalke gab es im Februar 2009. In besonderer Erinnerung bleibt vor allem der Triumph im April 2007, als sich Schalke auf dem Weg zur Meisterschaft wähnte, aber vom siegreichen VfL gestoppt wurde (siehe Extra-Story). 2001 war es ähnlich, da schaffte der vermeintliche Außenseiter kurz vor Saisonende ein 1:1 – Punkte, die den Knappen zum Titel fehlten.

Die Causa Reis: Schon vor der Saison hat Thomas Reis mit S04 verhandelt, obwohl er stets seine Liebe zum VfL beteuerte. Dann gab es sechs Pleiten und die Geschichte mit Schalke kam an die Öffentlichkeit. Reis wollte das nicht zugegeben, hat gelogen und viele VfL-Fans schwer enttäuscht. Er wurde gefeuert. Mit Verspätung ist der 49-Jährige nun doch auf Schalke gelandet. Bei seiner ersten Rückkehr ins Ruhrstadion erwartet er „nicht viel Liebe.“ Reis möchte aber jedem Bochumer, dem er persönlich begegnet, die Hand reichen.

Das Insiderwissen: Dass Reis und Co-Trainer Gellhaus die VfL-Spieler besonders gut kennen, sei sicher ein Vorteil, sagt Nachfolger Thomas Letsch, aber kein großer. „Wir kennen ihre Herangehensweise ja auch.“ Reis hat seine Mannschaft besonders vor der Bochumer Zweikampfstärke, den schnellen Außen und den langen Bällen von Manuel Riemann auf Philipp Hofmann gewarnt. Beide Teams pflegen einen ähnlichen Spielstil. Vorteil für Schalke: Reis hat seiner Mannschaft das Verteidigen beigebracht. Der VfL hat damit weiter Probleme.

Das Personal: In beiden Klubs arbeiten etliche Personen, die schon auf der anderen Seite tätig waren. Bestes Beispiel: VfL-Angreifer Philipp Hofmann wurde auf Schalke ausgebildet. Er steht in der Startelf. Verzichten muss der VfL auf Kapitän Anthony Losilla – ein gravierender Ausfall. Auch Cristian Gamboa, Simon Zoller und Gerrit Holtmann fehlen. Ivan Ordets und Danilo Soares, die in Bremen schmerzlich vermisst wurden, stehen dagegen wieder zur Verfügung. Sicher ist: Einige VfL-Profis werden gegen Reis besonders motiviert sein.

Das Stadion: Unter der Leitung von Thomas Letsch hat der VfL von sechs Heimspielen fünf gewonnen. Umgekehrt hat Schalke keines der letzten 38 Auswärtsspiele in der Bundesliga siegreich gestalten können. Der Spielort dürfte dem VfL also entgegenkommen. Gekickt wird auf einem neuen Rasen, der erst vor wenigen Tagen verlegt wurde. Thomas Reis weiß das alles und bereitet seine Mannschaft auf „Hektik und eine hitzige Atmosphäre“ vor. Er hofft, dass alles friedlich bleibt – die Bochumer Verantwortlichen ebenso.

Die Stimmung: Sowohl Letsch als auch Fabian gehen von einer emotionalen Angelegenheit auf und neben dem Platz aus. Letsch fordert ein „feuriges Herz“, aber auch einen „kühlen Kopf“, um den taktischen Plan einzuhalten und „clever zu spielen“. Fabian befürchtet, dass das Thema Reis vor dem Anpfiff „nochmal hochkommt“, hat aber einen Wunsch an die Fans: „Ich hoffe, dass sich alle im Stadion auf das fokussieren, was im Mittelpunkt steht: das Spiel.“ Im Klartext: Die Fangesänge sollen pro VfL und nicht contra Schalke sein.

Die Tabellenkonstellation: Schalke steht genau drei Punkte hinter dem VfL, hat sich herangekämpft. Für die Königsblauen ist das Spiel wohl noch bedeutsamer. Aber auch für Bochum ist es richtungweisend. Mit einem Sieg könnte der VfL seinen Kontrahenten etwas abschütteln. Thomas Letsch wehrt sich allerdings dagegen, von einem Endspiel zu sprechen: „Das ist es nicht. Weder sind wir bei einem Sieg gerettet noch bei einer Niederlage abgeschlagen.“ Ein klassisches Sechs-Punkte-Spiel ist es aber sehr wohl.

Die Formkurve: Schalke hat zuletzt fünf Spiele in Folge nicht verloren und am vergangenen Samstag erstmals wieder gewonnen. Beim VfL wiederum zeigt den Trend gerade nach unten. Doch Thomas Letsch verspricht einen anderen Auftritt als in Bremen: „Ich sehe nicht die Gefahr, dass uns das noch einmal passieren wird.“ Gewinnt Schalke, bleibt die Reis-Elf im Aufwind und Bochum stürzt auf Platz 18. Siegt der VfL, dann bremst er den Nachbarn aus und geht selbst voller Hoffnung ins letzte Saisondrittel. Mehr Spannung geht nicht.

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Nicht in meiner Stadt!

Legendärer VfL-Sieg: „Haben Schalke in die Suppe gespuckt“

Wenn sich die Fans des VfL Bochum an besondere Spiele erinnern sollen, dann ist die Auswahl wahrlich nicht groß. Doch ein Tag wird immer wieder gern genannt: Der 27. April 2007, als der VfL den FC Schalke 04 mit 2:1 besiegte, den eigenen Klassenerhalt quasi perfekt machte und den Nachbarn zugleich einen entscheidenden Dämpfer im Meisterschaftsrennen verpasste.

Viele Schalker im Stadion

​„Das war ein echtes Highlightspiel: Freitagabend, Flutlicht, ausverkauftes Haus, dramatisch bis zum Ende. Wir haben mit diesem Spiel eine starke Rückrunde gekrönt“, berichtet Marcel Maltritz, damals Verteidiger beim VfL. Bochum hatte schon zuvor reihenweise Favoriten geschlagen, Dortmund wie Leverkusen, Frankfurt wie Hannover. Der Abend gegen Schalke war hingegen ein ganz besonderer. Denn die Gäste hatten fast das halbe Stadion eingenommen, waren geschlossen in weißen T-Shirts mit der Aufschrift ‚Nordkurve in deiner Stadt‘ nach Bochum gereist. Vier Spieltage vor dem Saisonende stand Schalke auf dem ersten Tabellenplatz, hoffte auf den ersten Meistertitel seit vielen Jahrzehnten.

Doch der Traum platzte, auch wegen der Niederlage in Bochum. „Da haben wir Schalke in die Suppe gespuckt. Das war einfach ein geiles Spiel, so etwas habe ich noch nie erlebt“, bekommt auch Heiko Butscher immer noch eine Gänsehaut. Der U19-Trainer des VfL stand damals ebenso auf dem Platz und erinnert sich insbesondere an das frühe Gegentor durch Kevin Kuranyi. „Das hat uns aber nicht geschockt. Wir haben einfach weitergemacht.“

Und das hat sich gelohnt. Der VfL reagierte noch in der ersten Halbzeit und erzielte durch Zvjezdan Misimovic den 1:1-Ausgleich. ​„Wir hatten einen guten Trainer und einen tollen Teamgeist. Mit vielen Kameraden stehe ich noch heute in Kontakt“, berichtet Maltritz, der an dem entscheidenden Treffer zum 2:1 sogar selbst beteiligt war. Der Innenverteidiger tauchte plötzlich auf dem rechten Flügel auf. „Mich hat dort niemand erwartet. Ich habe dann eine butterweiche Hereingabe geschlagen. Theofanis Gekas konnte das Tor von Manuel Neuer gar nicht mehr verfehlen“, freut sich die Bochumer Vereinslegende noch heute.

Gekas erzielt das Siegtor

Teamkollege Gekas, der wenige Wochen später Torschützenkönig der Bundesliga wurde, rannte damals unmittelbar nach seinem Treffer an allen Schalke-Fans vorbei und prüfte die Stimmung in der Kurve – ein Bild, das vielen VfL-Fans auch 16 Jahre später noch sehr präsent ist. Ebenso wie die Feierlichkeiten nach dem Spiel. „Im Bermuda-Dreieck wurden wir auf Händen getragen. Das war einmalig“, schwärmt Butscher. Kollege Maltritz kann dazu nur wenig beitragen und lacht: „Da hören bei mir die Erinnerungen auf.“

Direkt nach dem Triumph reagierte übrigens auch die Bochumer Marketingabteilung und ließ ebenfalls weiße T-Shirts bedrucken. Die Aufschrift und Antwort an alle Schalker: ‚Nicht in meiner Stadt…!‘

Redaktioneller Hinweis: Dieser Text ist bereits vor einiger Zeit entstanden, durfte das Archiv aber aus guten Gründen und aktuellem Anlass verlassen.

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(Foto: Firo Sportphoto)