Kein Kammertermin

Außergerichtliche Einigung: VfL holt Riemann zurück ins Training

Update: Der VfL Bochum und Manuel Riemann haben sich außergerichtlich geeinigt. Der Torhüter wird ab Montag wieder regulär am Mannschaftstraining teilnehmen.

Ursprünglicher Text vom 17. November, Stand 8 Uhr:

Ein mangelndes Interesse an den Entwicklungen beim VfL Bochum kann man Manuel Riemann nun wirklich nicht vorwerfen. Bei den zurückliegenden Heimspielen seines Arbeitgebers saß der vom Trainingsbetrieb ausgeschlossene Torwart nach wie vor auf der Tribüne. Noch spannender ist allerdings, was sich anschließend im VIP-Raum abspielte. Zum einen pflegt Riemann nach wie vor einen engen Draht zu einigen Mitspielern. Zum anderen nimmt Riemann auffallend häufig am Tisch von VfL-Hauptsponsor Vonovia Platz, Bochums wichtigstem Geldgeber. Das ist kein Zufall, denn: Riemann und Vorstandsmitglied Arnd Fittkau haben sich vor nicht allzu langer Zeit kennen und schätzen gelernt.

All diese Aspekte verdeutlichen, dass es beim Kammertermin zwischen Manuel Riemann und dem VfL Bochum am Dienstag (19.11.) vor dem Bochumer Amtsgericht um mehr geht als die bloße Frage, ob der 36-Jährige wieder am Training der Bundesliga-Mannschaft teilnehmen darf oder nicht. Riemann klagt mithilfe des renommierten Sportanwalts Horst Kletke bereits seit Monaten gegen die Entscheidung des Klubs, ihn vom Trainingsbetrieb auszuschließen. Kletke hatte den VfL kurioserweise in der Angelegenheit rund um den Becherwurf und Spielabbruch im März 2022 vertreten. Nun steht er auf der anderen Seite. Ein Gütetermin im August, kurz vor Saisonstart, endete ohne Ergebnis.

Hecking äußert sich neutral

Der Konflikt schwelt bekanntlich schon länger. Riemann hatte sich vor den Relegationsspielen gegen Fortuna Düsseldorf im Mai praktisch selbst aus dem Spiel genommen, indem er sich von einigen seiner Teamkollegen losgesagt haben soll. Zuvor soll es bereits zu verbalen Auseinandersetzungen und beinahe auch zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Zudem hat Riemann immer wieder Grenzen überschritten, als er zum Beispiel die Auswechslung von Mitspielern gefordert hat, was für alle Fans sichtbar war. Sportchef Patrick Fabian sah sich zum Handeln gezwungen und nahm Riemann aus der Mannschaft. Diese Entscheidung hatte auch nach Fabians Abschied weiter Bestand.

Interessant: Ex-Trainer Thomas Letsch soll schon im Februar intern dafür plädiert haben, Riemann aus dem Team zu nehmen. Letsch setzte sich aber nicht durch, mehrere Funktionäre sprachen sich dagegen aus; der VfL handelte erst knapp drei Monate später. Weder Sportdirektor Marc Lettau rüttelte zu Beginn der neuen Saison an dieser Entscheidung noch der neue Trainer Peter Zeidler. Beide sind mittlerweile aber auch nicht mehr im Amt. Zeidlers Nachfolger Dieter Hecking verwies bei seiner Vorstellung auf den anstehenden Gerichtstermin; er vermied eine klare Aussage in die eine oder andere Richtung. Hecking vertritt die Grundhaltung, sich von allem und allen ein eigenes Bild machen zu wollen.

Riemann will zurück ins Training

Somit ist auch eine kurzfristige außergerichtliche Einigung samt Trainingsrückkehr noch denkbar, sofern Riemann sein Verhalten reflektiert hat. Die Führungsriege muss entscheiden: Nimmt sie in einer sportlich und vereinspolitisch schwierigen Lage ein Gerichtsverfahren mit ungewissen Erfolgsaussichten in Kauf? Oder findet sie eine elegantere Lösung? Folgt man den offiziellen Verlautbarungen des Klubs, wurde Riemann nie suspendiert. „Unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen zu teaminhaltlichen Themen“ wurden im Mai als Begründung für die Ausbootung angegeben, bei der es sich ausdrücklich „nicht um eine Suspendierung oder Bestrafung“ gehandelt habe.

Im Juli teilte der VfL lediglich mit, dass Riemann „bis auf Weiteres nicht am Trainingsbetrieb“ teilnehmen werde. Beide Seiten seien „im Austausch und bei der Aufarbeitung.“ Eine weitere Pressemitteilung folgte nicht mehr, sondern eine juristische Auseinandersetzung. Eine außergerichtliche Einigung scheiterte bislang vor allem an der Tatsache, dass es Riemann in erster Linie um eine Rückkehr in den Trainingsbetrieb geht – sie bleibt auch seine Bedingung für eine Einigung vor dem Kammertermin am Dienstag. Sein Gehalt erhält der Schlussmann weiter, nach Gerichtsangaben rund 55.000 im Monat. Eine Teilnahme am Training der Oberliga-Mannschaft des VfL Bochum lehnte er ab.  

Zwei Lager in der Mannschaft

Unabhängig vom Ausgang der Angelegenheit ist klar: Die Personalie Riemann polarisiert nach wie vor – bei den Fans, aber auch in der Mannschaft. Auf der einen Seite stehen die Riemann-Befürworter, zu denen langjährige Weggefährten wie Anthony Losilla und Cristian Gamboa, aber auch die Vize-Kapitäne Philipp Hofmann und Maximilian Wittek gehören. Auf der anderen Seite soll es drei (Stamm-)Spieler geben, die nach Auskunft von Kabinen-Insidern eine Rückkehr von Riemann zuletzt klar abgelehnt haben. Beide Lager zusammenzuführen, würde nur dann funktionieren, wenn sich Riemann einsichtig zeigt, um Entschuldigung bittet und bereit ist, sein Verhalten dauerhaft zu ändern.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Comeback

Aus der Kurve zurück ins Team: Holtmanns „Mission“ geht weiter

Viele Aufstiegshelden aus dem Jahr 2021 haben Bochum längst verlassen. Lediglich Kapitän Anthony Losilla, Cristian Gamboa und Erhan Masovic sind noch da, streng genommen auch Manuel Riemann, der allerdings nicht mehr berücksichtigt wird, Ersatztorwart Paul Grave sowie Rückkehrer Patrick Drewes. Und natürlich auch Gerrit Holtmann. Wobei: Selbstverständlich ist das nicht. Der offenherzige Publikumsliebling war eigentlich schon fast weg. Von Thomas Letsch nicht mehr gebraucht, von Peter Zeidler praktisch aussortiert, und von Dieter Hecking plötzlich reaktiviert: Holtmann flitzt wieder über den linken Bochumer Flügel.

„Meine Mission ist hier noch nicht zu Ende. Ich will in Bochum bleiben, solange es möglich ist“, sagte der 29-Jährige nach dem gefeierten 1:1 gegen Bayer Leverkusen, bei dem er zum ersten Mal seit Januar 2023 wieder zur Startelf des VfL gehörte. Zwischendurch trug Holtmann allerdings auch das Trikot von Darmstadt 98 und Antalyaspor in der Türkei. Wirklich gut lief es für ihn in den vergangenen zwei Jahren nicht, egal bei welchem Klub. Holtmann spielte nur unregelmäßig und überzeugte selten, zwischendurch kamen auch noch Verletzungen dazu. Nach zwei Leihstationen binnen eines Jahres kehrte er in diesem Sommer nach Bochum zurück.

Wochenlang gar nicht im Kader

Doch nach Thomas Letsch verzichtete auch Peter Zeidler auf klassische Flügelspieler; Holtmanns Position gab es folglich nicht mehr. Weil Holtmann zu den Besserverdienenden gehört, sollte er den Verein trotz eines Vertrags bis 2025 verlassen. „Es war brutal schwer im Sommer. Das, was die Verantwortlichen und der alte Trainer gesagt haben – da musste ich schlucken“, erzählte Holtmann am Samstagabend. Die Konsequenz: Er saß zu Saisonbeginn wochenlang nur auf der Tribüne – oder er stand. Holtmanns enge Beziehung zu den Fans ist bekannt. Wenig bekannt ist, dass sich er im Herbst bei einem Heimspiel zu ihnen auf die Osttribüne gesellte.

Kein Wunder also, dass Holtmann beim 2:7-Dekabel in Frankfurt schon zur Halbzeit beschwichtigend zu den Anhängern lief. Dass er nur wenige Minuten zuvor einen neuen Geschwindigkeitsrekord in der Bundesliga aufgestellt hatte, geriet zur Randnotiz. Dieser Fakt untermauert allerdings, wie wertvoll der Linksfuß für den Revierklub wieder werden kann. Hecking beorderte Holtmann bei seinem VfL-Debüt vor allem deshalb in die Startelf, weil er das hohe Tempo von Leverkusens Jeremie Frimpong mitgehen konnte. Holtmann agierte als sogenannter Schienenspieler – und überzeugte. Auch wenn ihm anzumerken war, dass seine Stärken eher in der Offensive liegen.

Nationalspieler der Philippinen

Dass Hecking generell gerne auf Spieler setzt, die schnell auf den Beinen sind, dürfte Holtmann auch in den kommenden Wochen entgegenkommen. „Es hat mich sehr gefreut, dass der Trainer mir das Vertrauen geschenkt“, sagte Holtmann nach seinem Startelf-Comeback. Teamkollege Losilla freute sich für ihn mit: „Gerrit hat zuletzt keine große Rolle gespielt, aber er hat nie aufgegeben. Er war immer da, hat seine Chance genutzt und kann eine richtige Waffe sein.“ Bestenfalls so wie in der ersten Bundesliga-Saison, als sich Holtmann mit seinem furiosen Sololauf gegen Mainz und den Traumtoren gegen Bayern und Dortmund in die Herzen der Fans spielte.

Doch bevor das möglich ist, läuft Holtmann zunächst für das Heimatland seiner Mutter auf. An diesem Donnerstag spielt er mit der philippinischen Auswahl gegen Hongkong. „Die Nationalmannschaft hat mir im Oktober sehr geholfen. Ich habe da zwei Spiele absolviert und bin wieder in den Flow gekommen“, berichtete er neulich. Holtmann erzielte sogar ein Tor. Auf einen Treffer für den VfL muss der Mittelfeldspieler dagegen seit mehr als zwei Jahren warten. Die nächste Gelegenheit dazu erhält er vermutlich in gut anderthalb Wochen beim Bochumer Auswärtsspiel in Stuttgart. Holtmann dürfte auch dann wieder zur Startformation gehören.


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(Foto: Marc Niemeyer)

1:1 gegen Leverkusen

Neuer Trainer, neue Hoffnung: „Das ist der VfL, den wir kennen“

Emotionen im Fußball sind nicht rational erklärbar. Nach dem 2:7-Debakel bei Eintracht Frankfurt in der Vorwoche war die Hoffnung auf den Bochumer Klassenerhalt bei vielen Fans schon fast verschwunden. Exakt eine Woche später ist der Glaube an eine totgesagte Mannschaft bei vielen Anhängern plötzlich wieder da. Hochmütig sangen einige von ihnen nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen sogar schon, dass der VfL „nie mehr“ in der 2. Liga spielen müsse; obwohl ihr Team weiter sieglos und Tabellenletzter ist. Diese Gefühlsexplosion sei den leidgeprüften Stadionbesucher aber gestattet, basiert sie doch auf einer Leistungsexplosion, mit der selbst der neue Trainer Dieter Hecking nicht gerechnet hat. „In der Kürze der Zeit habe ich das so nicht erwartet“, sagte er nach seinem Einstand voller Anerkennung. 

Spieler loben Hecking

Nur vier Tage lagen zwischen Heckings Dienstbeginn und seinem ersten Pflichtspiel. Der erfahrene Fußballlehrer hat die Zeit optimal genutzt. Seine Mannschaft trat defensiv kompakter auf als zuletzt und zeigte sich in der Zweikampfführung deutlich verbessert. „Sie haben sehr eng verteidigt, sehr diszipliniert“, lobte Meister-Trainer Xabi Alonso den VfL. „Wir haben viel an unserer Stabilität gearbeitet und klare Abläufe trainiert“, bestätigte Kapitän Anthony Losilla, der den Eindruck vermittelte, als sei das in den vergangenen Wochen nicht immer der Fall gewesen. Gerrit Holtmann adelte Hecking sogar in einer Art und Weise, die nach wenigen Tagen der Zusammenarbeit eher ungewöhnlich ist: „Er ist ein überragender Trainer mit Aura und Charisma. Er hat eine große Erfahrung, du glaubst ihm alles.“

Miyoshi mit dem Ausgleich

Gegen das Starensemble aus Leverkusen ließ der VfL nur wenige klare Torchancen zu. Dank schneller Gegenstöße waren die Bochumer auch offensiv präsent, wenngleich gefährliche Strafraumaktionen eher Mangelware blieben. Die entscheidende Ausnahme gab es jedoch kurz vor Ende, als der eingewechselte Koji Miyoshi aus spitzem Winkel den Ausgleich erzielte. Die Bochumer belohnten sich für eine engagierte Leistung und den bislang besten Saisonauftritt mit einem Punkt, der den positiven Eindruck verstärkt und sich im Grunde wie ein Sieg anfühlt. „Wir haben das gezeigt, was wir neun Spiele haben vermissen lassen“, sprach Holtmann vielen Fans aus der Seele. Der VfL präsentierte sich mit einer Fünfer-Abwehrreihe, mit drei zentralen Mittelfeldspielern und zwei Angreifern wie ausgewechselt. 

Vier Wechsel in der Startelf

Neben Holtmann kamen auch Tim Oermann, Jakov Medic und Matus Bero neu ins Team und erhöhten die Handlungsschnelligkeit. „Ohne Tempo kannst du in den besten Ligen nicht bestehen“, erklärte Hecking nach der Partie. Etablierte Kräfte wie Ivan Ordets, Erhan Masovic und Dani de Wit mussten stattdessen auf der Bank Platz nehmen. Maximilian Wittek rückte erstmals in die Innenverteidigung, der bislang kaum berücksichtigte Holtmann nahm die Rolle des linken Schienenspielers ein. Ungewöhnliche Maßnahmen, die aber dafür sorgten, den amtierenden Meister kaum ins Spiel kommen zu lassen. Auch der frühe Rückstand irritierte den zuletzt instabilen VfL keineswegs. Die Hecking-Elf ließ die altbekannten Bochumer Tugenden wieder aufleben, deren Grundlage bedingungsloser Einsatz ist.

Feinschliff in der Pause

Das honorierten auch die Zuschauer. „Diese Stimmung habe ich vermisst“, sagte Kapitän Losilla. „Das ist der VfL, den wir kennen.“ Hecking betonte, dass diese Darbietung nun der Maßstab für die kommenden Wochen sei: „Das Spiel kann ein Wendepunkt sein. Aber wir brauchen das, was wir gezeigt haben, jetzt noch 24-mal.“ Die nun anstehende Länderspielpause will der Übungsleiter nutzen, um Abläufe zu verfeinern. „Am Dienstag beginnt eine intensive Trainingswoche“, kündigte Hecking nach dem Punktgewinn an. Die Bochumer planen mindestens ein Testspiel, wahrscheinlich sogar noch ein zweites. Ausnahmsweise dürften diese Duelle auch einen Wert haben. Alle Akteure möchten sich den Fokus des neuen Trainers spielen. Wie bei den Fans ist auch bei ihnen die Hoffnung zurückgekehrt.


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(Foto: Imago / Revierfoto)

Neuer Trainer

VfL-Rettung mit Dieter Hecking? „Kann ich nicht versprechen“

Trainervorstellungen werden in Bochum allmählich zur Routine. Dieter Hecking war am Dienstag bereits der fünfte Fußballlehrer in diesem Kalenderjahr, der im Medienzentrum des VfL Platz nahm und erklären sollte, wie er den traditionsreichen Revierklub wieder in die Spur bringen möchte. Bis Anfang April versuchte es Thomas Letsch, es folgten Heiko Butscher, Peter Zeidler und Interimstrainer Markus Feldhoff. Nun darf sich Hecking daran versuchen, die krisengeschüttelte Mannschaft doch noch zum Klassenerhalt zu führen. Das zu schaffen, wäre das nächste Bochumer Fußballwunder. Nach neun Partien hat der VfL erst einen Punkt auf dem Konto und in Kombination mit seinem Torverhältnis den schlechtesten Start der gesamten Bundesliga-Geschichte hingelegt. Nie war ein Klub zu diesem Zeitpunkt schlechter als dieser VfL.

Sehr viel Bundesliga-Erfahrung

Da liegt die Frage nicht fern, warum sich Hecking diese Aufgabe überhaupt antut. Immerhin stand der 60-Jährige bereits in 418 Bundesliga-Partien an der Seitenlinie, womit er der erfahrenste aller aktuell beschäftigen Trainer ist. „Das haben mich auch Menschen aus meinem Umfeld gefragt“, verriet er am Dienstag und lieferte die Antwort gleich mit: „Ich liebe Herausforderungen.“ Dass Hecking das ernst meint, beweist die Tatsache, dass er alle Vertragsparameter akzeptiert hat, etwa eine Laufzeit nur bis zum Ende der Saison, natürlich inklusive Retterprämie. Hecking ist bereit, zunächst mit exakt diesen Spielern und diesem Trainerteam zu arbeiten und das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen. Friedhelm Funkel, der vom VfL ebenfalls kontaktiert worden war, soll andere Vorstellungen gehabt haben; deshalb kam eine erneute Zusammenarbeit nicht zustande.

Kaenzig für Trainersuche zuständig

Hecking wiederum soll sich in den Gesprächen mit der Vereinsführung uneitel und sehr pragmatisch präsentiert haben. Ganz gezielt hat sich VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig auf die Suche nach einem erfahrenen und souveränen Trainer begeben, der vor harten Entscheidungen nicht zurückschreckt, gleichzeitig aber auch eine empathische Art mitbringt. Wählerisch konnte Kaenzig angesichts der Rahmenbedingungen und der sportlichen Lage ohnehin nicht sein. Vor diesem Hintergrund ist die Verpflichtung von Hecking mehr als respektabel – ein großer Name mit nachgewiesenen Erfolgen und großer Branchenkenntnis. Seine längste Zeit verbrachte Hecking beim VfL Wolfsburg, mit dem er 2015 den DFB-Pokal gewann. In der Bundesliga stand er außerdem für Borussia Mönchengladbach, den 1. FC Nürnberg, Hannover 96 und Alemannia Aachen an der Seitenlinie.

Keine Doppelrolle für Hecking

Der fünffache Familienvater, der aus Bochums Nachbarstadt Castrop-Rauxel stammt, in Soest aufgewachsen ist und später in Niedersachsen heimisch wurde, war zuletzt allerdings nicht mehr als Trainer, sondern als Manager tätig. Für den Club aus Nürnberg schlüpfte Hecking von 2020 bis Mai 2024 erstmals auch in die Rolle des Sport-Vorstandes. Eine Doppelfunktion in Bochum kommt allerdings nicht in Frage. Hecking soll sich ganz auf die Trainingsarbeit konzentrieren. „Damit habe ich genug zu tun“, sagte er in seiner ersten Pressekonferenz. Die Suche nach einem neuen Sportchef läuft unterdessen weiter. Mit einer schnellen Entscheidung sei eher nicht zu rechnen, erklärte Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Womöglich erst im neuen Jahr soll die Stelle besetzt werden. Bis dahin entscheiden vor allem Kaenzig und auch Hecking über mögliche Transfers.

Losilla lobt den neuen Trainer

Doch bevor es im Winter zu moderaten Veränderungen kommen könnte, möchte der neue Trainer seine Spieler zunächst kennenlernen. In der Kabine hielt Hecking am Dienstagmorgen eine kurze Ansprache, im Tagesverlauf ging es zweimal auf den Trainingsplatz. „Seine Vita sorgt bei allen für Respekt. Er hat Charisma und weiß, was zu tun ist“, sagte Kapitän Anthony Losilla, der sich mit Hecking einig ist: Die Bochumer Mannschaft muss schleunigst zusammenwachsen. „Den VfL hat immer ausgezeichnet, eine Einheit zu sein. Ich kann dabei unterstützen, aber in erster Linie ist die Mannschaft dafür selber verantwortlich“, betonte Hecking, der viele Vorgeschichten zwar kennt, sich aber nun ein eigenes Bild machen möchte. Eines ist für Hecking klar: „Ich gebe die Linie vor. Und wenn mir etwas nicht passt, ist meine Schnauze schnell auf.“

Aktuell nicht bundesligareif

Heckings erster öffentlicher Auftritt war geprägt von klaren Aussagen und viel Realismus. Dass am Saisonende in jedem Fall der Klassenerhalt stehen wird, wollte er nicht zusichern: „Das kann ich nicht versprechen. Ich bin kein Messias, kein Zauberer. Im Moment sind wir nicht bundesligareif. Die Tabelle lügt nicht. Meine Aufgabe ist es, dieses Urteil zu revidieren.“ Die grundsätzliche Qualität sei zwar vorhanden, ein homogenes Gebilde aber noch nicht zu erkennen: „Wir sind nicht schlechter besetzt als fünf, sechs andere Mannschaften“. Die bisherigen Saisonspiele hätten das zumindest phasenweise bewiesen. Aber: „Das wird nicht reichen. Bislang war es oft so, dass etwas Unvorhergesehenes zu einem Bruch im Spiel geführt hat.“ Hecking muss die Defensive stabilisieren, aber auch das Spiel im eigenen Ballbesitz verbessern.

Feldhoff ist nicht mehr dabei

Hecking deutete an, seine Spieler vor allem auf ihren Lieblingspositionen einzusetzen. Auf eine Grundordnung wollte er sich noch nicht festlegen. Womöglich wird er darüber auch noch mit seinen Trainerkollegen sprechen. Wobei das Team stark dezimiert ist. Interimscoach Markus Feldhoff, der die Partien gegen Bayern München und Eintracht Frankfurt verantworten durfte, wird dem Trainerstab der Profis „im Sinne eines Neuanfangs“ nicht mehr angehören und soll im Verein eine andere Aufgabe erhalten. Murat Ural bleibt hingegen der wichtigste Zuarbeiter des Cheftrainers. Ob Hecking einen eigenen Assistenten installieren darf, soll zeitnah geklärt werden. Theoretisch denkbar wäre auch eine Rückkehr vonMaxime Antonilli. Der Vertraute von Ex-Trainer Peter Zeidler ist zurzeit auf Widerruf beurlaubt. Das bedeutet, Hecking könnte ihn in sein Team zurückholen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Wenn Qualität fehlt, braucht es mehr Mentalität

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Mentalität und Qualität.

Nur selten bleiben mir Aussagen von Fußballern so sehr in Erinnerung, dass ich auch Jahre später noch an sie zurückdenken muss. Bei einem Interview von Danilo Soares, das er im April 2022 mit der BILD führte, ist das ausnahmsweise der Fall. Der langjährige Bochumer sagte seinerzeit etwas, was nun in der größten VfL-Krise seit der Bundesliga-Rückkehr passender denn je ist: „Nach dem Aufstieg haben wir erkannt, dass wir fehlende Qualität mit Einsatz ausgleichen müssen. Mit dem ersten Klassenerhalt baut diese Mentalität bei vielen Teams ab. Wir brauchen also ein Team, das über mehr Qualität kommt.“

Doch das ist beim VfL Bochum im vierten Jahr nach dem Aufstieg offenkundig (noch) nicht der Fall. Die zehn Sommerneuzugänge konnten die Lücken, die Leistungsträger wie Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck oder Patrick Osterhage hinterlassen haben, bislang nicht schließen. Allerspätestens jetzt, mit der Ankunft von Trainer Dieter Hecking, müssen Dani de Wit, Koji Miyoshi und Co. zeigen, dass sie dem VfL wirklich weiterhelfen können. Erst dann bestätigt sich Heckings These, dass der Bochumer Kader nicht schlechter besetzt sei als fünf, sechs andere in der Liga.  

Generell gilt: Immer da, wo Qualität fehlt, braucht es die richtige Mentalität. Hecking betonte bei seiner Vorstellung, dass die Mannschaft zu einer Einheit zusammenwachsen müsse und die typischen VfL-Tugenden gefragt seien. Selbst Kapitän Anthony Losilla, der sich vor kurzem noch schützend vor seine Teamkollegen stellte, gab Hinweise darauf, dass innerhalb der Kabine noch längst nicht jeder verstanden hat, was in Bochum von jedem Einzelnen erwartet wird. Die Behauptung von Geschäftsführer Ilja Kaenzig, der VfL habe derzeit keine einfache Mannschaft, hat definitiv einen wahren Kern.  

Deshalb ist es wahrscheinlich auch ganz gut, dass mit Dieter Hecking ein Trainer verpflichtet wurde, der auf Disziplin setzt. Bereits an seinem zweiten Trainingstag zeigte er, dass er vor konsequenten Entscheidungen nicht zurückschreckt. Sommerneuzugang Aliou Balde kam (erneut) zu spät zum Training – und wurde von der angesetzten Einheit ausgeschlossen.  


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(Foto: Marc Niemeyer)

Trainersuche

Keine Trendwende mit Feldhoff – Hecking wird übernehmen

Update: Dieter Hecking hat mittlerweile einen Vertrag bis zum Saisonende unterschrieben. Er wird am Dienstag seine erste Trainingseinheit leiten und anschließend offiziell vorgestellt. Dann erfolgt auch eine weitere Berichterstattung.

Der ursprüngliche Text von Sonntag:

Die Chancen auf eine dauerhafte Beförderung waren ohnehin eher gering, und liegen nach der 2:7-Pleite in Frankfurt praktisch bei null. Dass Markus Feldhoff noch deutlich länger als Chef an der Bochumer Seitenlinie stehen wird, ist mittlerweile fast ausgeschlossen. Seine bisherigen Maßnahmen hätten nicht gegriffen, gab der Fußballlehrer nach der Partie am Samstag freimütig zu. Auf einen akzeptablen Auftritt gegen Bayern München, der trotzdem in einer 0:5-Niederlage mündete, folgte nun das Debakel in der Main-Metropole. Die schnelle Trendwende nach der Beurlaubung von Peter Zeidler ist somit ausgeblieben. Die Lage hat sich sogar weiter zugespitzt.

Trainer kommt vor dem Manager

Auch deshalb forcieren die Verantwortlichen die Trainersuche, im Hintergrund laufen längst die Gespräche. Die ursprüngliche Reihenfolge sah so aus, dass zunächst der neue Sportdirektor verpflichtet und anschließend gemeinsam der neue Trainer ausgesucht wird. „Aber wenn der richtige Trainer zuerst vor der Tür steht, nehmen wir ihn“, sagte VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig jüngst in einer Medienrunde. So wird es nun auch laufen. Sehr wahrscheinlich schon vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen am kommenden Samstag soll der neue Trainer präsentiert werden. Der Plan ist, dass ihm Feldhoff als Co-Trainer assistieren wird, in Stein gemießelt ist das aber nicht. Klar ist nur, dass der VfL aktuell kaum Geld für einen Vertrauten des Cheftrainers hat.

Trainer mit Ruhe und Erfahrung

Gesucht wird also ein bescheidener Pragmatiker, der Ruhe ausstrahlt und souverän auftritt, der weder neue Mitarbeiter fordert noch mit der Zusammenstellung des Kaders hadert, der keine hohen Gehaltsforderungen stellt und einen Vertrag bis Saisonende akzeptiert. Auch muss er mit der Ungewissheit leben können, nicht zu wissen, wer Sportdirektor wird oder wie es im Präsidium weitergeht. Darüber hinaus muss sich der neue Cheftrainer der Tatsache bewusst sein, dass die sportliche Lage mit sieben Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz prekär ist. Die Wahl wird folglich auf einen vereinslosen Trainer fallen, der schon vieles erlebt und nur wenig zu verlieren hat.

Konkrete Gespräche mit Hecking

Der Wunschkandidat ist längst auserkoren: Nach exklusiven Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin aus Präsidiumskreisen soll Dieter Hecking künftig als Trainer die Mannschaft anleiten. Der 60-Jährige, der aus der Nachbarstadt Castrop-Rauxel stammt, befindet sich bereits in sehr konkreten Gesprächen mit dem Klub. Eine Einigung steht aber noch aus. Die Bundesliga kennt der Fußballlehrer jedenfalls bestens. Mit 418 Spielen steht Hecking auf Platz elf der Trainer mit den meisten Bundesliga-Einsätzen. Bis Mai 2024 war er als Sportvorstand für den 1. FC Nürnberg tätig. Davor trainierte Hecking unter anderem den Hamburger SV, Borussia Mönchengladbach und den VfL Wolfsburg. Der VfL wäre seine neunte Trainer-Station.


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2:7 in Frankfurt

VfL-Debakel: Historisch schlecht und hochgradig peinlich

Kopfschüttelnd schlich Cristian Gamboa nach etwas mehr einer halben Stunde zurück zur Ersatzbank. Der Publikumsliebling konnte nicht glauben, was er beim Aufwärmen sah. Nur wenige Meter von ihm entfernt wurden seine Teamkollegen schwindelig gespielt. Auch beim Auswärtsspiel in Frankfurt gab es für den VfL Bochum keine Aussicht auf Besserung. Es wurde sogar noch wesentlich schlimmer: Nach nur 32 Minuten lag der Revierklub bereits hoffnungslos mit 0:4 in Rückstand. Gegenwehr? Praktisch nicht vorhanden. Ein Tor fiel leichter als das andere; mal durch individuelle Fehler, mal durch kollektives Versagen. Die Frankfurter Fans reagierten hämisch und schickten den VfL mit ihren Gesängen bereits in Liga zwei. Womit sie nach jetzigem Stand nicht falsch liegen. Denn von Bundesligatauglichkeit und dem erneuten Klassenerhalt sind die Bochumer so weit entfernt wie noch nie.

Bilanz des Grauens

Allein die Zahlen sind erschreckend. Nach neun Partien ist der VfL Bochum weiter sieglos, hat nur einen Punkt auf dem Konto, erst neun Tore erzielt und bereits 29 kassiert. So schlecht war die Bilanz des Revierklubs zu diesem Zeitpunkt in keiner Saison zuvor. Mehr noch: In mehr als 60 Bundesliga-Jahren gab es am neunten Spieltag keine schlechtere Mannschaft – nicht einmal Tasmania Berlin als Inbegriff der Erfolglosigkeit. Zudem: So schnell und so hoch wie in Frankfurt lag der VfL vorher noch nie zurück. Auf der Suche nach Mutmachern werden die leidgeprüften Anhänger wirklich nirgends fündig. „Wir haben die Schnauze voll“, sangen einige der 4.000 mitgereisten Fans bereits in der ersten Halbzeit. Der eingewechselte Gerrit Holtmann ging sogar schon in der Halbzeitpause zur Gästekurve, um die aufgebrachten Anhänger zu beruhigen. Holtmann stellte sich auch nach dem Abpfiff als einer von nur wenigen Spielern.

Aufgebrachte Fans

„Ich finde, dass Bochum wunderbare Fans hat, die es nicht verdient haben, dass wir 2:7 auf den Sack kriegen“, sagte Holtmann später. Die Ultras verließen den Block bereits vor dem Abpfiff, generell ist die Stimmung nun gekippt, was in Bochum wahrlich selten vorkommt. Spätestens jetzt bedarf es einer masochistischen Veranlagung, diesem VfL noch zu jedem Spiel zu folgen. Eine Einzelkritik wäre nach dieser hochgradig peinlichen Vorstellung eher unangebracht, es lagen ohnehin nur Nuancen zwischen schlechten und sehr schlechten Leistungen. Gestellt werden muss außerdem die Frage, warum Interimstrainer Markus Feldhoff Fehler der Vergangenheit wiederholt. Dass bestimmte Spieler trotz durchweg enttäuschender Leistungen immer wieder Einsatzchancen erhalten, zum Teil sogar auf unpassenden Positionen, und andere fast nie, ist von außen betrachtet irritierend – ohne natürlich die Gewissheit zu haben, dass es dann besser liefe.

Feldhoff selbstkritisch

Im Gegensatz zu Vorgänger Peter Zeidler hat Feldhoff immerhin kein Problem mit Selbstkritik. In der Pressekonferenz nach dem Spiel gestand der Fußballlehrer eigene Fehler ein: „Ich möchte mich bei jedem Fan entschuldigen. Wir waren in diesem Spiel meilenweit davon entfernt, konkurrenzfähig zu sein. Meine Maßnahmen haben nicht gefruchtet.“ Ein Beispiel von vielen: Feldhoff nahm mit Tim Oermann und Jakov Medic zwei Innenverteidiger aus dem Team. Gegen das schnellste Sturmduo der Liga ließ er stattdessen Ivan Ordets und Erhan Masovic verteidigen – ein hoffnungsloses Unterfangen. „Uns fehlt hinten das Tempo, das sieht jeder“, bestätigte Angreifer Philipp Hofmann, ohne Namen zu nennen. Auch in anderen Mannschaftsteilen fehlt die Geschwindigkeit. Zudem sind die Bochumer weit entfernt von der Leidenschaft und Geschlossenheit, die den VfL in den ersten Jahren nach dem Aufstieg ausgezeichnet haben.

Sieben Gegentreffer

Dass die Bochumer ihren Rückstand zwischenzeitlich verkürzten und es kurz nach der Pause nur noch 2:4 stand, geriet schnell wieder zur Randnotiz. Denn die Eintracht räumte mit dem fünften, sechsten und siebten Treffer kurz danach alle Restzweifel beiseite, der VfL zerfiel in seine Einzelteile – und niemand weiß, ob der Tiefpunkt endlich erreicht ist. Ein Blick auf den Spielplan beruhigt eher nicht: Kommende Woche reist Bayer Leverkusen ins Ruhrstadion. Der Rückstand auf den Relegationsplatz ist nach dem Sieg von St. Pauli im Parallelspiel bereits auf sieben Zähler angewachsen. Ob Feldhoff gegen den amtierenden Meister erneut als Chef an der Seitenlinie stehen wird, ist offen. Die Trainersuche läuft. Das Problem: Für diesen VfL einen geeigneten Übungsleiter zu finden, der die gefühlt hoffnungslose Situation annimmt und doch noch die Trendwende einleiten kann, wird nach dem Debakel in Frankfurt kein leichtes Unterfangen.


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(Foto: Imago / steinsiek.ch)