Debatte

VfL-Kolumne: Klubführung gibt gerade kein gutes Bild ab

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Der Trainerwechsel.

Fast auf den Tag genau elf Jahre ist es her, da trug der Bochumer Messias den Vornamen Peter. Sechs Spieltage vor dem Ende der Saison sollte er den abstiegsbedrohten VfL retten – in Liga zwei. Das gelang. Nun, im April 2024, geht es erneut um den Klassenerhalt. Aber in der Bundesliga. Und der neue Trainer heißt doch nicht Peter, sondern Heiko.

Nach Gesprächen mit externen Kandidaten setzt der VfL (notgedrungen) auf eine Interimslösung. U19-Coach Heiko Butscher springt bereits zum vierten Mal übergangsweise ein, zum ersten Mal aber für mehr als nur ein Spiel. Das beweist zum einen: Die Trennung von Thomas Letsch kam so plötzlich, dass Geschäftsführer Patrick Fabian und Sportdirektor Marc Lettau keine sichere Alternative in der Hinterhand hatten. Es entsteht der Eindruck, dass sie unvorbereitet waren. Zum anderen: Dieser VfL ist für gute Trainer derzeit nicht attraktiv. 

Auch wenn die Verantwortlichen es anders kommunizieren: Butscher ist weder die A- noch die B-Lösung. Irgendwie erinnert das an den Winter, als die Führungscrew einen neuen Stürmer verpflichtet wollte, einige Gespräche geführt hatte, am Ende aber erklären musste, dass sie niemanden gefunden hat und der Kader stark genug sei. Aus der Vereinsbrille mag das alles begründbar sein. Nach außen aber gibt die VfL-Führung gerade kein gutes Bild ab.

Generell muss sie sich Kritik in der Causa Letsch gefallen lassen. Wie kann es sein, dass Fabian, Lettau und Co. den Trainer-Vertrag erst im Winter verlängert haben und nicht müde wurden, die Bedeutung von personeller Kontinuität zu betonen, nur um ihn wenige Monate später zu freizustellen? Die Trennung zum jetzigen Zeitpunkt ist absolut nachvollziehbar – der Schlingerkurs allerdings nicht. Denn die sportliche Entwicklung war im Oktober oder November keine wesentliche andere. 

Wie auch immer: Nun geht es gemeinsam um den Klassenerhalt, der die weitere Vereinsentwicklung maßgeblich beeinflussen wird. So oder so steht im Sommer ein mächtiger Umbruch bevor. Mit vielen neuen Spielern – und einem neuen Trainer. Hoffentlich in der Bundesliga. 


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Trainerwechsel

Stöger, Kuntz & Co.: Kein Letsch-Nachfolger zu bekommen

Wer ein Beispiel für die Dynamik im Fußballgeschäft sucht, wird gerade an der Castroper Straße in Bochum fündig. Gemeinsam haben der VfL und Thomas Letsch die Zukunft geplant. Immer wieder war von personeller Kontinuität die Rede. Nun aber endet die vermeintliche Traumehe ziemlich abrupt. Der Bundesligist hat sich am Montag von Letsch und seinem Co-Trainer Jan Fießer getrennt. Zuerst wurden die beiden von der Vereinsspitze informiert, kurz danach auch die Mannschaft, die ansonsten einen trainingsfreien Tag genießen durfte. Am Dienstag soll mit einem neuen Übungsleiter die Vorbereitung auf das wichtige Heimspiel gegen Heidenheim beginnen.

Trennung trotz Vertragsverlängerung

Auf eine solche Entwicklung deutete bis zur bitteren Last-Minute-Niederlage in Köln nur sehr wenig hin. Erst im November des vergangenen Jahres hatten sich die Klub-Verantwortlichen und Fußballlehrer Letsch auf eine Vertragsverlängerung geeinigt, sogar bis 2026. Schon da ruckelte es sportlich bisweilen. Doch weder zu diesem Zeitpunkt noch bis vor wenigen Tagen gab es Anzeichen für eine Trennung. Weil der VfL nach sechs sieglosen Spielen mit nur einem Punkt aber zunehmend in Abstiegsgefahr geriet, sahen sich Geschäftsführer Patrick Fabian und Sportdirektor Marc Lettau mit der Zustimmung des Präsidiums zum Handeln gezwungen.

„Wir wissen um die Verdienste von Thomas Letsch sowie Jan Fießer und danken ihnen ausdrücklich für ihre geleistete Arbeit. Die emotionalen Momente, vor allem nach dem Klassenerhalt in der vergangenen Saison, werden immer mit ihren Namen verbunden sein“, sagte Fabian am Montag im Zuge der Trennung. Aber: „In unserer aktuellen Situation haben wir nicht mehr die Überzeugung, es in der bisherigen Konstellation zu schaffen.“ Sportdirektor Lettau wird in einer Klubmitteilung ebenfalls zitiert: „Die Mannschaft hat die Qualität, in der Bundesliga zu bestehen, weshalb wir durch den Wechsel einen entscheidenden Impuls für den erfolgreichen Klassenerhalt setzen möchten.“

Menschlich passend, sportlich nicht mehr

Dass Letsch und der VfL nicht im Streit auseinandergehen, belegt die Tatsache, dass sich der beurlaubte Coach über die Vereinsmedien noch einmal abschließend äußern durfte. „Ich wünsche dem VfL Bochum alles Gute für die Zukunft – auf dass er auch in der kommenden Saison in der Bundesliga spielt“, sagte Letsch, dessen erster Trainer-Job in der Bundesliga damit endet, obgleich er natürlich weiter bezahlt werden muss. Ursächlich dafür war einzig und allein die sportliche Entwicklung. Für seine Menschenführung wurde Letsch klub- und teamintern immer wieder gelobt, zudem hat sich der 55-Jährige voller Hingabe mit dem Ruhrgebietsverein identifiziert.

Die sportlichen Fehlentscheidungen häuften sich allerdings. Schon im Sommer scheiterte Letsch daran, der Mannschaft ein neues Spielsystem zu vermitteln, obwohl die Kaderplanung in erster Linie auf die neue Herangehensweise ausgerichtet war. Mit der Rolle rückwärts folgten im Spätherbst die ersten Erfolge. Auch zu Beginn des neuen Kalenderjahres wirkte der VfL stabil, gewann gegen Stuttgart und die Bayern. Nach dem 3:2-Sieg gegen den Rekordmeister wähnten sich einige Spieler aber offensichtlich in falscher Sicherheit. Der Klassenerhalt schien wahrscheinlich, war aber noch keineswegs geschafft. Es folgten fünf Niederlagen und ein Unentschieden.

Letsch fehlte ein glückliches Händchen

Dass der VfL aus den direkten Duellen gegen die Tabellennachbarn aus Mainz, Darmstadt und Köln nur einen Zähler holte, ließ den Glauben an eine gemeinsame Wende mit Trainer Letsch schwinden. Auch aus dem Mannschaftsrat gab es am Sonntag Signale, dass ein neuer Impuls von außen notwendig sei. Letsch experimentierte zunehmend bei Personal und Taktik und bewies insbesondere bei seinen Ein- und Auswechslungen kein glückliches Händchen, hatte bisweilen aber auch Pech, etwa mit Schiedsrichter-Entscheidungen. Über allem steht jedoch, dass die gewünschte Weiterentwicklung der Mannschaft ausgeblieben ist, Probleme nicht abgestellt wurden.

Doch wer soll den VfL nun vor dem siebten Bundesliga-Abstieg bewahren? Die Klubverantwortlichen hatten zunächst Urs Fischer auf der Liste. Der langjährige Union-Trainer war ebenso nicht überzeugt wie Stefan Kuntz. Und auch Peter Stöger wechselt nicht nach Bochum. Stöger zeigte zwar großes Interesse, am Montagabend folgte allerdings die Absage. „Es war ein tolles Gespräch. Es wäre auch sehr interessant und spannend für mich gewesen. Aber die Kurzfristigkeit hat am Ende dagegen gesprochen. Auch wegen der Vertragssituation bei der Admira“, sagte er der österreichischen Zeitung Heute. Nicht nur die Freistellung von Letsch zeigt, dass im Fußball wenig planbar ist.

Dieser Artikel wurde erstmals am Montagnachmittag veröffentlicht und seither mehrfach aktualisiert. Aktuelle Entwicklungen zur Nachfolgelösung mit Heiko Butscher könnt ihr im Personalticker verfolgen.


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(Foto: Imago / Beautiful Sports)

1:2-Niederlage in Köln

VfL taumelt Abstieg entgegen: Trainerwechsel zeichnet sich ab

Totgesagte leben länger. Der VfL und Torschütze Felix Passlack waren auf dem besten Weg, dies erneut unter Beweis zu stellen. Bis zur Nachspielzeit waren die kriselnden Bochumer beim Auswärtsspiel in Köln noch siegesgewiss, führten mit 1:0 und hätten sich vom FC praktisch uneinholbar distanzieren können. Zumindest der direkte Abstieg wäre damit kein Thema mehr gewesen. Dann aber passierte das, was Fußball-Bochum fassungslos macht und den Frustpegel auf einen vorübergehenden Höhepunkt steigen lässt. In weniger als zwei Minuten kassierte der VfL zwei Gegentreffer, aus einem dringend notwendigen Sieg wurde eine schmerzhafte Niederlage. „Es ist ein Albtraum“, sagte Verteidiger Bernardo. „Das kann nicht Realität sein.“

Ist es aber. Zum wiederholten Mal hat der VfL in der Schlussphase einen Sieg hergeschenkt und seine Krise damit deutlich verschärft. Der Vorsprung auf Mainz und den Relegationsplatz ist bis auf drei Punkte zusammengeschrumpft, selbst Köln ist bis auf vier Punkte herangerückt. „Die waren klinisch tot“, sagten Geschäftsführer Patrick Fabian und Sportdirektor Marc Lettau nach der Partie unisono. „Wir haben sie doppelt wiederbelebt: In diesem Spiel und in der Tabelle“, ergänzte Fabian, der wie alle Bochumer extrem niedergeschlagen war – deutlich sichtbarer als noch in den Wochen zuvor. „So zu verlieren, das ist mehr als nur eine Niederlage. Das nagt an uns.“ Doch was ist jetzt zu tun? Wie kann der VfL – der in dieser Verfassung dem Abstieg entgegentaumelt – wieder die Kurve kriegen und sich retten?

Letsch ohne Lösungen

Bislang war keine Idee die richtige, um die Mannschaft zu stabilisieren. Trainer Thomas Letsch, der normalerweise immer große Zuversicht ausstrahlt, wirkt ratlos. Seine Antworten nach der Niederlage in Köln fielen ziemlich knapp aus, zu einer echten Analyse setzte er gar nicht erst an. „Wenn alle Entscheidungen richtig gewesen wären, hätten wir nicht verloren“, sagte Letsch. Der 55-Jährige verfolgt längst keine klare Linie mehr und experimentiert zunehmend, wohlwissend, dass er sich mit vermeintlich innovativen Ideen schon mehrfach vercoacht hat. Vor allem während des Spiels findet er selten passende Lösungen.

In Köln verzichtete Letsch zum Beispiel auf beide Außenstürmer, spiegelte stattdessen mit einem kompakten Mittelfeld-Zentrum und einer Doppelspitze den Gegner. Das funktionierte in der Defensive gegen harmlose Kölner zwar lange Zeit recht gut, eigene Angriffe waren aber stets Zufallsprodukte. In der Schlussphase verlor der VfL nach einigen Wechseln komplett den Zugriff, sorgte nicht mehr für Entlastung und fing sich so die späten Gegentreffer. 21 Punkte hat der VfL nun schon nach eigener Führung verspielt, 14 Gegentore in der Schlussviertelstunde kassiert. „Wenn es so oft passiert, ist es kein Pech mehr“, betont Fabian. Einfach zu erklären ist dieses Phänomen trotzdem nicht.

Die Negativserie allein auf fehlende Kaderqualität zu schieben, würde zu kurz greifen, schließlich hat sich dieselbe Mannschaft bis Mitte Februar einen mehr als ordentlichen Abstand zu den Abstiegsrängen erarbeitet. Ihr fehlende Motivation nachzusagen, weil zahlreiche Spieler im Sommer wechseln werden, ist ein naheliegender Reflex, lässt sich aber nur schwer belegen. Was dagegen längst offensichtlich ist: Die Mannschaft hat ein Kopfproblem. Spätestens ab der Schlussviertelstunde agiert sie zunehmend konfus und verliert die Ordnung. Die Spieler wirken verunsichert, warten förmlich auf den nächsten Einschlag. Dass Letsch diese Haltung mit seinen oft defensiven Wechseln und taktischen Umstellungen erst auslöst, lässt sich nicht von der Hand weisen. Wobei positionsgetreue Wechsel in der Vergangenheit auch nicht immer erfolgversprechend waren.

Trainerwechsel wahrscheinlich

Wie auch immer: Letsch steht in der Verantwortung, die Mannschaft wieder auf Kurs zu bringen. Noch. Zwar betonte Fabian am Samstagabend, dass er „kein Freund von blindem Aktionismus“ sei, ein klares Bekenntnis zu Thomas Letsch vermied er allerdings: „Wir sind alle gefordert, auch das Trainerteam. Wir werden gemeinsam besprechen, wie die Lösungsansätze aussehen.“ Am Sonntag folgten mehrere Gespräche, nicht nur mit dem Trainer, auch mit dem Mannschaftsrat und in den Klubgremien. Die Tendenz: Letsch darf nicht weitermachen, weil den allermeisten Beteiligten der Glaube an eine gemeinsame Trendwende fehlt.

Klar ist auch: Von den Verantwortlichen will sich am Saisonende niemand vorwerfen lassen, nicht alles für den Klassenerhalt getan zu haben. Sechs Spiele stehen noch an, möglicherweise auch acht, falls der VfL am Ende auf Platz 16 und damit in der Relegation landet. Sollten Fabian und seine Mitstreiter in der Chefetage die Notwendigkeit für einen neuen Impuls sehen, dann wäre der jetzige Zeitpunkt vor dem Heimspiel gegen Heidenheim vermutlich der passendste – damit die totgesagten Bochumer in der Bundesliga überleben.

Dieser Text wurde am Samstagabend erstmals veröffentlicht und im Laufe des Sonntags aktualisiert.


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(Foto: Imago / Nordphoto)

Debatte

VfL-Kolumne: Statistiken belegen den Stillstand

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die anhaltende Sieglos-Serie.

Schaut man sich in diesen Tagen und Wochen in den sozialen Netzwerken oder Fanforen um, dann entsteht bisweilen der Eindruck, der VfL Bochum würde in einer fast hoffnungslosen Lage im Kampf um den Klassenerhalt stecken. Kaum zu glauben, dass diese Mannschaft 26 Punkte und sogar einige Siege eingefahren hat. Ja, Frust und Enttäuschung sind mehr als verständlich. Aber was zeigen eigentlich die Zahlen? Die sind schließlich objektiv messbar und nicht von Stimmungsschwankungen abhängig.

Nun: Der Bochumer Negativtrend hält an, fünf Partien in Folge hat der VfL nicht gewonnen und in diesem Zeitraum nur einen Punkt geholt. Die Tabellensituation aber hat sich am vergangenen Wochenende nicht verändert. Der Vorsprung von sechs Punkten auf den Relegationsplatz und sieben auf die Abstiegsplätze besteht weiter. Spannend und erkenntnisreich ist insbesondere auch ein Vergleich der vergangenen mit der laufenden Saison. Wesentliche Kennzahlen sind fast unverändert. Die Anzahl der geschossenen Tore nach 27 Spielen ist lediglich von 30 auf 32 gestiegen, die Anzahl der Gegentreffer minimal von 60 auf 56 gesunken. Weitere Statistiken unterstreichen den Stillstand: Auch im vergangenen Jahr hatte der VfL zu diesem Zeitpunkt 26 Punkte auf dem Konto. Exakt identisch ist auch die schwache Auswärtsbilanz mit nur sieben Zählern.

Selbst innerhalb der aktuell laufenden Saison ist an entscheidenden Stellen kein Fortschritt zu erkennen. Bestes Beispiel: Schon vor der Winterpause hat der VfL im eigenen Stadion dreimal eine Führung verspielt. Nennenswert sind hier vor allem die Heimspiele gegen Mainz und Köln. Nach dem Jahreswechsel hat sich dies mehrfach wiederholt, unter anderem gegen Bremen, Augsburg und Darmstadt. Gewiss: Niemand sollte vom VfL Bochum Wunderdinge erwarten, und niemals wird es angesichts begrenzter (Finanz-)Mittel immer nur bergauf gehen. Die Zahlen belegen aber, dass sich in zwölf Monaten wenig getan hat, obwohl die Probleme längst bekannt sind. Eine positive, mutmachende Entwicklung ist in Bochum derzeit nicht zu erkennen. Sondern Stagnation auf einem eher niedrigen und durchaus gefährlichen Niveau.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Vereinsentwicklung

U21, Frauen, NLZ-Ausbau: Große VfL-Projekte abseits der Profis

Die Prioritäten sind klar. Der Klassenerhalt der Bundesliga-Mannschaft steht an oberster Stelle. Diesem zentralen Ziel ist beim VfL Bochum praktisch alles untergeordnet. Dennoch schreitet die Vereinsentwicklung an vielen Stellen fast unaufhaltsam voran. Der Klub möchte die Nachwuchsarbeit verbessern, den Frauen- und Mädchenfußball fördern und seine internationale Aufmerksamkeit erhöhen. Das sind viele Projekte, die in diesem Jahr vorangetrieben werden sollen. Zeit für einen Überblick.

Neue U21 in der Oberliga: Dass die Bochumer zur neuen Saison wieder eine zweite Herrenmannschaft ins Rennen schicken, hatte sich abgezeichnet. Mittlerweile ist klar: Sie darf in der fünftklassigen Oberliga Westfalen starten. Darüber sind die Verantwortlichen beim VfL sehr erfreut, weil die Zuteilung durch den zuständigen Verband (FLVW) die Planungen enorm erleichtert. Einige Spieler haben ihre Zusage an die genaue Ligazugehörigkeit geknüpft. Ziel ist es, dass die meisten von ihnen aus dem eigenen Nachwuchs kommen. Mit dem neuen Team möchte der VfL weiteren Eigengewächsen den Sprung zu den Profis ermöglichen. Im ersten Jahr wird es aber auch externe Neuzugänge geben müssen, um den Kader wettbewerbstauglich aufzustellen. Der VfL schaut sich dafür innerhalb der eigenen Stadt und in der unmittelbaren Nachbarschaft um. Trainiert werden soll das Team von Heiko Butscher, der aktuell noch die U19 betreut. Die Fans des VfL können sich unter anderem auf ein Derby gegen Wattenscheid 09 freuen. Auch Traditionsvereine wie die Sportfreunde Siegen und die SpVgg Erkenschwick kicken in der Oberliga Westfalen. Die damalige U23 wurde 2015 aus Kostengründen abgemeldet.

Frauen wollen in die 2. Bundesliga: Die Meisterschaft in der Regionalliga West ist dem Team von Trainerin Kyra Malinowski kaum noch zu nehmen. Acht Spieltage vor dem Ende der Saison beträgt der Vorsprung auf den Taballenzweiten Fortuna Köln 16 Punkte. Das Ziel ist deshalb klar definiert und von den Verantwortlichen auch offen kommuniziert: Sie wollen künftig in der 2. Frauen-Bundesliga spielen. Dafür ist allerdings ein Sieg in der Aufstiegsrunde nötig. Am 9. (auswärts) und 16. Juni (daheim) würden die VfL-Frauen als West-Meister auf den Gewinner der Südwest-Staffel treffen. Das wäre nach jetzigem Stand Mainz 05. Unabhängig davon schreitet die Professionalisierung der Frauen-Abteilung bereits voran. Als neue Sportliche Leiterin wurde die gebürtige Bochumerin und langjährige Nationalspielerin Annike Krahn verpflichtet. „Sie hat in ihrer Karriere sehr viel erlebt und den Frauenfußball jahrelang auf Spitzenniveau betrieben, darüber hinaus Trainerlizenzen erworben und Sportmanagement an der Ruhr-Universität und bei der UEFA studiert. Sie ist eine absolute Expertin, von der wir uns wertvollen Input erhoffen, um den Fußball der Frauen und Mädchen langfristig und nachhaltig erfolgreich zu etablieren“, sagt VfL-Geschäftsführer Patrick Fabian. Finanziell soll sich die Abteilung selbst tragen. Jüngst wurde das Bochumer Erfolgsmusical Starlight Express als Ärmelsponsor präsentiert.

Umbau des Nachwuchsleistungszentrum: Die Pläne liegen bereits in der Schublade. Das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) an der Hiltroper Straße soll für den männlichen wie weiblichen Jugendfußball ausgebaut und modernisiert werden. Mehr als 20 Jahre nach der Eröffnung entspricht es nicht mehr den heutigen Anforderungen und Standards in der Bundesliga. Es fehlen Trainingsplätze, Umkleiden, Funktionsräume und einiges mehr. Zahlreiche Vereine aus der näheren Umgebung haben den VfL in dieser Hinsicht längst überholt. Selbst Zweitligisten wie Fortuna Düsseldorf oder der SC Paderborn bieten dem Nachwuchs bessere Bedingungen und haben im Wettstreit um die besten Talente dadurch Vorteile. Weil es rund um das bisherige VfL-Gelände keine Ausbaumöglichkeiten gibt, soll das NLZ auf der anderen Seite der Hiltroper Straße wachsen. Die Stadt ist bereit, den Großteil des Projekts zu finanzieren. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin soll das Investitionsvolumen bei rund 20 Millionen Euro liegen. Noch in diesem Jahr sollen die Bagger rollen.

Der VfL möchte internationaler werden: Mit Japan haben die Verantwortlichen längst ihren Zielmarkt definiert. Gemeinsam mit der DFL sieht der VfL dort Wachstumsmöglichkeiten und die Chance, weiteres Geld zu verdienen. Beim VfL gibt es mittlerweile sogar ein eigenes Team, das sich um die Internationalisierung kümmert. Eine Bochumer Delegation um Tim Jost, Marketing- und Vertriebsdirektor beim VfL, war bereits zweimal vor Ort und hat in den Städten Tokio, Osaka, Shizuoka und Tsukuba zahlreiche Kontakte geknüpft. Ein erstes Ergebnis der Reisen: Der VfL kooperiert ab sofort mit dem japanischen Erstligisten Jubilo Iwata. Die Vereinbarung mit dem Traditionsklub aus Shizuoka läuft zunächst bis 2025. Sie beinhaltet einen regelmäßigen Austausch der beiden Vereine. Der VfL erhofft sich davon auch, den japanischen Spielermarkt besser kennenzulernen. Eine konkrete Zusammenarbeit gibt es insbesondere im Nachwuchsbereich. In den Osterferien nimmt die Bochumer U15 an einem Turnier in Japan teil. Ausgestattet sind sie bekanntlich mit Trikots der Marke Mizuno. Der VfL wird auch in der kommenden Saison mit Produkten des japanischen Herstellers beliefert. Perspektivisch ist auch eine Japan-Reise und Promo-Tour der Bundesliga-Mannschaft möglich.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Heimspiel gegen Darmstadt

VfL kassiert 2:2-Niederlage – und steht vor „harten Wochen“

Wenn nun auch Leistungsträger schwächeln oder patzen, dann könnte der VfL Bochum wirklich noch einmal in akute Abstiegsgefahr geraten. Einen eigentlich harmlosen und haltbaren Schuss lenkte Manuel Riemann am Ostersonntag ins eigene Tor – und sorgte dafür, dass seine Mannschaft im Kellerduell gegen Darmstadt 98 zwei eminent wichtige Punkte verlor. Selbst gegen einen eigentlich harmlosen Tabellenletzten genügte eine 2:0-Führung nicht, um als Sieger vom Platz zu gehen. Frohe Ostern? Von wegen! „Wir haben 2:2 verloren“, sagte VfL-Verteidiger Bernardo nach der Partie und fasste die Gefühlslage von Team und Fans damit treffend zusammen. Pfiffe gab es nach dem fünften sieglosen Spiel in Folge keine. Wohl aber sorgenvolle Blicke und mitunter auch Fassungslosigkeit. Die Anhänger reagierten vor allem mit Stille auf die nächste Enttäuschung.

Daheim schon viele Führungen verspielt

Zwar bleibt auch nach diesem Wochenende ein Polster von sechs Punkten auf den Relegationsrang – doch der Trend spricht mittlerweile klar gegen die Bochumer. Und wenn sie schon nicht zu Hause gegen das Bundesliga-Schlusslicht gewinnen, gegen wen dann? Das ist die Frage, die viele im Umfeld gerade umtreibt. Und auf die an der Castroper Straße gerade niemand eine verlässliche Antwort liefern kann. Denn die Mannschaft wirkt zunehmend verunsichert, vergibt vorne zu viele Chancen und wackelt hinten mitunter bedenklich, gerade in den Schlussphasen. Allein in den Heimspielen hat der VfL nach eigener Führung bereits 15 (!) Punkte verspielt, sechs davon gegen die unmittelbare Konkurrenz aus Mainz, Köln und nun auch Darmstadt. „Das zieht sich durch die Saison“, konstatierte Doppeltorschütze Philipp Hofmann am späten Sonntagabend. „Auch die Führung gegen Darmstadt hätten wir niemals herschenken dürfen.“ Mindestens eine Stunde lang war der VfL die bessere Mannschaft, ehe der Revierklub beste Chancen zum dritten Tor vergab – und die eigentlich schon ausgeknockten Darmstädter mit einem naiven Abwehrverhalten zurück ins Spiel holte.

Letsch sieht eine „gefährliche Situation“

Längst könnte der VfL entspannt die neue Saison planen und den sich abzeichnenden Kaderumbau weiter vorantreiben. Stattdessen macht sich im Umfeld Unruhe, stellenweise gar Panik breit. Die Verantwortlichen bleiben allerdings (noch) ziemlich entspannt. „Es war ein Spiel, das wir nach den 90 Minuten hätten gewinnen müssen. Sorgen müssen wir uns aber auf gar keinen Fall machen“, sagte Sportdirektor Marc Lettau und warnte davor, „jetzt in Hektik zu verfallen, die uns das letzte Selbstvertrauen nimmt.“ Thomas Letsch hingegen ordnete die Lage etwas anders ein. „Wir haben erneut einen großen Schritt verpasst. Das werden noch harte sieben Wochen bis zum Saisonende“, sagte der Trainer und machte deutlich: „Die Situation ist gefährlich.“ Schon neulich hatte Letsch davor gewarnt, dass der Vorsprung „trügerisch“ sein könne.

Auswärtsschwacher VfL zu Gast in Köln

Doch was macht jetzt noch Mut inmitten der Durststrecke? Vielleicht, dass mit Tim Oermann der letzte fehlende Stammspieler zurückkehren könnte, um die andauernden Experimente auf der rechten Abwehrseite zu beenden. Die zurückliegenden fünf Partien ist der VfL mit fünf verschiedenen Rechtsverteidigern angegangen – wobei Felix Passlack, der gegen Darmstadt die erste Chance seit September erhielt, zumindest nicht enttäuschte. Vielleicht macht auch Hoffnung, dass zumindest Philipp Hofmann einen Weg aus seinem persönlichen Formtief gefunden hat. Zum ersten Mal seit zwölf Monaten traf der Mittelstürmer mal wieder im eigenen Stadion – und dann gleich doppelt. Womöglich dient Hofmann damit als Vorbild für seine Teamkollegen, für die nun ein weiteres wegweisendes Duell unmittelbar bevorsteht. Am kommenden Samstag gastiert der VfL als auswärtsschwächste Mannschaft der Liga beim Vorletzten in Köln. Noch haben die Bochumer sieben Punkte Vorsprung auf die Domstädter. Verlieren sollte der VfL diese Partie allerdings besser nicht, zumal Mainz, der Drittletzte, parallel zu Hause gegen den Letzten aus Darmstadt spielt.


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(Foto: Imago / Sven Simon)

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Kolumne: Multiclub Ownerships erschweren die Arbeit beim VfL

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Was eint den FC Augsburg mit Crystal Palace aus England? Hertha BSC mit Standard Lüttich aus Belgien und Girondins Bordeaux aus Frankreich? Oder den 1. FC Kaiserslautern mit dem FC Thun aus der Schweiz und dem Esbjerg fB aus Dänemark? Okay, machen wir es einfacher: Was hat RB Leipzig mit dem RB Salzburg gemein? Hier ist es offensichtlich: Die beiden Klubs sind eng miteinander verflochten. Bei den oben genannten Klubs ist es vielen Fans vermutlich gar nicht bekannt, doch auch da gibt es unleugbare Verbindungen. Der Fachbegriff für dieses Phänomen: Multiclub Ownership. Das bedeutet, dass ein Geldgeber (Mehrheits-)Anteile an gleich mehreren Klubs hält.

Es ist eine Entwicklung, die auch den VfL Bochum tangiert und die Arbeit gegenwärtig erschwert. Weil es den Wettbewerb um gute Spieler verändert und schlussendlich auch die Integrität des sportlichen Wettbewerbs gefährdet. Die zuständigen Verbände beobachten diesen Trend zwar, greifen aber (noch) nicht wirklich ein. Die Konsequenzen sind allerdings schon heute sichtbar: Klubs, die weiter unten in der konzerninternen Hierarchie stehen, kommen so an Spieler, für die sie sonst nicht attraktiv genug wären und dienen als Farmteam für die Spitzenmannschaften – und umgekehrt. Derartige Transferströme sind insbesondere im Ausland bereits zu beobachten, in Deutschland stellenweise aber auch.

Für den VfL bedeutet das: Interessante Spieler und insbesondere junge Talente werden immer teurer oder sind gar nicht erst zu bekommen, der Pool an potenziellen Neuzugängen wird somit kleiner. Zahlen verdeutlichen dieses Problem: Insgesamt sind 40 Prozent aller Vereine der Top-5-Ligen bereits Teil einer Multiclub-Ownership-Struktur, wobei deutsche Vereine dank der 50+1-Regel (noch) eher die Ausnahme sind. Oftmals bestehen die Netzwerke mit Mehrfachbeteiligungen aus fünf bis zehn Klubs. Weltweit binden diese Teams mehr als 6.000 Spieler. Der Trend: weiter steigend. Selbst der FC Bayern mischt neuerdings auf besondere Weise mit. Gemeinsam mit dem Los Angeles FC hält eine Tochtergesellschaft des Rekordmeisters Mehrheitsanteile an einem Verein in Uruguay.


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(Foto: Marc Niemeyer)