1:4 gegen Mainz

Bochum wieder zweitklassig: Abstieg, Abschied und Applaus

Der Abschiedsschmerz setzte bei den Fans des VfL Bochum bereits vor dem Heimspiel gegen Mainz 05 ein. Zwei Legenden der Neuzeit und prägende Persönlichkeiten der vergangenen Dekade erhielten ihren verdienten Applaus samt Choreografie der Ostkurve. Kapitän Anthony Losilla wird seine Karriere am Saisonende ebenso beenden wie Cristian Gamboa. Insgesamt 17 Jahre trugen sie das Trikot des Revierklubs, Gamboa sechs, Losilla sogar elf Jahre. Angesichts der mittlerweile üblichen Fluktuation im Fußballgeschäft wirken die beiden wie aus der Zeit gefallene Exoten, die mit ihrer positiven Art, ihrem vorbildlichen Einsatz, mit Vereinstreue und Verantwortungsbewusstsein maßgeblich dazu beigetragen haben, dass der Bochumer Fahrstuhlklub mal wieder vier Bundesliga-Jahre erleben und genießen durfte.

Mehr werden zunächst nicht dazu kommen, denn der siebte Abstieg aus dem Fußball-Oberhaus, der sich seit Wochen allmählich abgezeichnet hatte, ist seit Samstagnachmittag endgültig besiegelt und unabwendbar. Zum einen, weil Heidenheim im Parallelspiel bei Union Berlin gewann und uneinholbar davonzog, zum anderen, weil der VfL im Ruhrstadion mit 1:4 verlor und abermals keine Argumente für einen weiteren Verbleib in der Bundesliga lieferte. Selbst in punkto Leidenschaft agierte die Elf von Trainer Dieter Hecking auf einem bescheidenen und keineswegs Bochum-typischen Niveau; von Spielkultur mal ganz abgesehen, denn die gab es in dieser Saison praktisch nie. Nicht von ungefähr hat der VfL in 33 Partien auf sportlichem Weg lediglich 20 Punkte eingefahren plus zwei vom Grünen Tisch.

Sieglos seit Anfang März

So schlecht war der VfL in 38 Bundesliga-Jahren noch nie. Das steht schon vor dem letzten Spiel auswärts beim FC St. Pauli fest. Klar ist auch: Abgestiegen ist der VfL nicht allein an diesem 10. Mai, sondern über Wochen und Monate, obgleich es selbst in dieser Saison eine realistische Chance auf den Klassenerhalt gab. „Nach dem Sieg in München standen wir auf Platz 16 und hatten es in der eigenen Hand“, erinnert sich Hecking an die beste Saisonphase Anfang März zurück. Das Problem: „Anschließend haben wir nur noch zwei Punkte geholt, obwohl mehr möglich und auch verdient gewesen wäre.“ Mehrfach waren die Bochumer fußballerisch mindestens ebenbürtig, in der Offensive aber zu harmlos oder in der Defensive zu instabil – des Öfteren, wie gegen Mainz, kam mal wieder beides zusammen.

„Es lag sicher an verschiedenen Faktoren, warum wir am Ende acht Spiele in Folge nicht mehr gewonnen haben: An der Aufstellung, der taktischen Ausrichtung, auch an fehlender Qualität. Es war eine Mixtur, die toxisch wurde“, erklärt Hecking, der eine Mitverantwortung für den Abstieg trägt, den Neuanfang dennoch entscheidend mitgestalten darf. Dass die allermeisten Fans diese Entscheidung begrüßen, war nach dem Schlusspfiff nicht zu überhören. Mit Sprechchören wurde er zur Ostkurve gebeten. Der erfahrene Fußballlehrer schnappte sich das Mikro der Stadionsprecher, entschuldigte sich für den Abstieg und bedankte sich mit leicht brüchiger Stimme bei den Anhängern für ihre bedingungslose Unterstützung: „Ich verspreche euch, wir werden alles dafür tun, das zu reparieren.“

Abschied vor der Kurve

In der Pressekonferenz sprach Hecking später von einer persönlichen „Verpflichtung“ den Fans gegenüber, sie nicht abermals zu enttäuschen und diese für einen Abstieg untypisch positive Stimmung nutzen zu wollen. Beim bislang letzten Bundesliga-Abstieg 2010 randalierten zahlreiche Anhänger, nun gab es aufmunternden Applaus – sicher auch, damit die Fanlieblinge Losilla und Gamboa trotz der sportlichen Schmach einen halbwegs versöhnlichen Abschied erhielten. Als Hecking im Laufe der zweiten Halbzeit erkannte, dass an diesem Nachmittag sportlich nichts mehr zu retten ist, gewährte er ihnen einen letzten Auftritt in ihrem Wohnzimmer. Minutenlang wurden die beiden von den Fans besungen, vielleicht auch, um zu verdrängen, dass sie gerade das vorerst letzte Bundesliga-Heimspiel verfolgen.

Wobei sich, den Gesängen nach zu urteilen, erstaunlich viele Anhänger sicher sind, schon bald wieder im Konzert der Fußballgrößen mitmischen zu dürfen und nicht erneut, wie beim letzten Mal, elf Jahre auf die Rückkehr warten zu müssen. Losilla sieht das ähnlich: „Wir haben vier fantastische Saisons hier erlebt. Leider ist es jetzt schiefgegangen. Aber ich bin überzeugt, dass wir sehr schnell wieder die Bundesliga erleben werden. Der Verein hat das verdient, diese Fans haben das verdient.“ Unter Tränen traten er und Gamboa nach dem Spiel vor die Kurve, begleitet von der ganzen Mannschaft. Sie wurden besungen und sprachen selbst einige Worte. Sogar die Mainzer zeigten sich beeindruckt von der Szenerie. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagte Trainer Bo Henriksen. „Die steigen ab und feiern trotzdem.“


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Präsidium

Luthe, Tigges, Bauer, Villis? Wer zur VfL-Wahl antreten wird

Selbstverständlich überstrahlt die sportliche Lage derzeit alles, was rund um den VfL Bochum passiert. Nichtsdestotrotz steht in gut anderthalb Monaten eine Entscheidung an, die die Zukunft des Klubs kurz- und mittelfristig prägen wird. Am 14. Juni wählt die Mitgliederversammlung ein neues Präsidium. Das jetzige Gremium hatte Ende 2024 Neuwahlen ausgerufen, unter anderem deshalb, weil es aufgrund inhaltlicher und persönlicher Differenzen in zwei Lager geteilt ist. Anfang 2025 wurde Hans-Peter Villis von mindestens vier der insgesamt sieben Präsidiumsmitglieder als Vorsitzender abgewählt. Seither steht Uwe Tigges an der Spitze des Klubs. Aufhören möchte Villis deshalb aber nicht.

Als normales Gremiumsmitglied ist er weiter an Bord – zumindest bis Mitte Juni. Auch darüber hinaus möchte er Teil des Präsidiums bleiben und ein neues Team aufstellen. Mehrere Gerüchte zu möglichen Villis-Verbündeten, die sich im Kreise der Klubsponsoren verbreitet haben, führten bislang allerdings ins Leere, sprich: Sie werden nach eigener Aussage nicht in einem möglichen Team mitwirken. Lediglich in einem Fall ist die Zusage gegenüber Villis auch bereits bestätigt. Naheliegend wäre zudem eine erneute Kandidatur von Ex-Profi Jupp Tenhagen, der im Januar gegen die Abwahl von Villis gestimmt haben soll. Villis selbst war in dieser Woche nicht für ein Gespräch zu erreichen.

Eiskirch tritt nicht an

Sofern Villis einen Block zusammenbekäme, würde er gegen ein Bündnis mit Uwe Tigges an der Spitze antreten. Dieser beabsichtigt ebenfalls eine Kandidatur, wahrscheinlich mit Teilen des jetzigen Präsidiums. Nach aktuellem Stand wird sich nur Andreas Eickhoff definitiv zurückziehen. Christina Reinhardt steht indes für eine weitere Amtszeit bereit. Auch Martin Volpers könnte in einem Team Tigges mitwirken, dann allerdings nicht mehr als Fanvertreter. Komplettieren soll das Quintett eine Person mit hoher Sportkompetenz sowie Karl-Heinz Bauer. Der langjährige Mannschaftsarzt war Ende 2022 mit einem eigenen Team gegen Villis, Tigges und Co. angetreten. Bauer und seine Mitstreiter scheiterten aber.

Ein drittes Team mit gänzlich anderen Gesichtern ist nicht in Sicht, lediglich ein Einzelbewerber hat sein Interesse bekundet. Immer wieder haben in den vergangenen Wochen auch Leser von Tief im Westen – Das VfL-Magazin potenzielle Kandidaten genannt. Am häufigsten fiel der Name Thomas Eiskirch. Der Bochumer Oberbürgermeister hat angekündigt, bei der Kommunalwahl im September nicht mehr antreten zu wollen. Für ein Amt beim VfL steht er derzeit aber nicht zur Verfügung, unter anderem deshalb, weil seine Amtszeit im Rathaus erst im Herbst enden wird. Neben Eiskirch wünschen sich viele Anhänger außerdem ein Engagement von Ex-Torhüter Andreas Luthe.

Gespräch mit Luthe

Luthes grundsätzliche Bereitschaft, dem VfL zu helfen, drückt sich darin aus, dass es erst kürzlich ein Gespräch zwischen ihm und Roland Mitschke gab, dem Vorsitzenden der Findungskommission. Das Problem: Luthe lebt mittlerweile in der Nähe von Augsburg und ist dort als Coach und Wirtschaftspsychologe tätig. Fraglich ist, ob er die benötigte Zeit hat, um die Aufgaben als Präsidiumsmitglied zu erfüllen. Obwohl es sich um ein Ehrenamt mit reiner Aufsichtsfunktion handelt, sind die gewählten Personen in zahlreiche Entscheidungen involviert. Eine Hürde für andere Kandidaten stellt zudem die Bedingung dar, dass sie mindestens ein Jahr lang Vereinsmitglied sein müssen.

Komplettiert wird das Präsidium durch einen Fanclubvertreter sowie durch den Vorsitzenden des Wirtschaftsrats. Das Bewerbungsfenster für die Wahl des Fanclubvertreters wurde in dieser Woche geschlossen. In den kommenden Tagen werden sich die Bewerber dem Fangremium vorstellen. Anschließend folgt die Wahl im Rahmen einer Fanclubvertreterversammlung. Der Wirtschaftsrat bestimmt seinen Gesandten fürs Präsidium unterdessen aus den eigenen Reihen. Bislang hat Volker Goldmann diesen Posten inne. Es gibt allerdings konkrete Überlegungen, den Wirtschaftsrat zu verstärken. Als Top-Kandidat gilt Arnd Fittkau, Vorstandsmitglied von Hauptsponsor Vonovia.


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Neuer Vertrag

Kader-Wünsche und mehr Geld: Hecking geht Neuaufbau an

Wann genau der VfL Bochum die Katze eigentlich aus dem Sack lassen wollte, ist nicht überliefert. Aus persönlicher Sicht war es aber durchaus geschickt, dass Trainer Dieter Hecking seine Vertragsverlängerung für den Abstiegsfall nach dem Spiel in Heidenheim höchstselbst publik gemacht hat. Das sportliche Geschehen rückte in den Hintergrund, vielmehr wurde über diese Schlüsselpersonalie gesprochen. Hecking würde auch eine Liga tiefer Übungsleiter und Linienchef des VfL bleiben. Der bislang nur für die Bundesliga geltende Vertrag wurde in ein ligaunabhängiges Arbeitspapier umgewandelt und läuft bis 2027. Noch im März hatte Hecking eine für ihn wirtschaftlich unzureichende Zweitliga-Offerte abgelehnt. Nun aber habe der Klub ein „wertschätzendes Angebot“ zu höheren Bezügen nachgelegt.  

Auch das Trainerteam soll bleiben

Vor allem Sport-Geschäftsführer Dirk Dufner war die treibende Kraft hinter der Vertragsanpassung. Er wollte Planungssicherheit für die neue Saison haben, die im Abstiegsfall ja schon deutlich früher starten würde. Trainingsstart wäre im Juni, das erste Pflichtspiel Anfang August. „Neue und auch bekannte Spieler wollen wissen, mit welchem Trainer wir in die neue Saison gehen. Darüber hinaus ist es wichtig, intern einen klaren Ansprechpartner zu haben. Ohne einen Trainer ist eine Kaderplanung schwierig“, erklärte Dufner nach dem Spiel in Heidenheim. Das Trainerteam mit den Assistenten Marc-Andre Kruska und Murat Ural soll ebenfalls bleiben. Heckings Versuche, seinen langjährigen Co-Trainer Dirk Bremser nach Bochum zu holen, scheiterten schon vor Wochen, weil Bremser bei Holstein Kiel bleibt.

Bedingungen an Sommertransfers

Hecking knüpfte seine Unterschrift an andere „Bedingungen“, vor allem an die künftige Zusammensetzung der Mannschaft. Auf den jetzigen Kader konnte er nur im Winter Einfluss nehmen. Nun ist ligaunabhängig ein Umbruch mit einer zweistelligen Zahl an Abgängen und wohl auch Zugängen zu erwarten. Im Abstiegsfall stünde ein Spieleretat bereit, der im oberen Drittel der Liga anzusiedeln wäre. Hecking würde die sofortige Rückkehr ins Fußball-Oberhaus anpeilen. „Ich habe immer betont, wie wohl ich mich beim VfL fühle und dass ich mir durchaus vorstellen kann, diesen tollen Verein auch im Abstiegsfall zu betreuen, wenn die Voraussetzungen stimmen. Dazu haben wir uns in den vergangenen Tagen intensiv ausgetauscht. Ich wollte das Thema vom Tisch haben“, berichtet Hecking.

Jünger, schneller, torgefährlicher

„Unsere Aufgabe ist es nun, sein frühzeitiges Bekenntnis dazu zu nutzen, einen schlagkräftigen Kader für die kommende Saison zusammenzustellen“, ergänzt Dufner. Finalisieren können die Verantwortlichen ihre Pläne jedoch erst, wenn rechnerisch Klarheit über die Spielklasse herrscht. „Wir bereiten aktuell mehr vor als wir abschließen können“, erklärt Dufner, „denn die Schnittmenge bei Neuzugängen, die in der Bundesliga die Optimalbesetzung wären, aber auch in die 2. Liga mitgehen würden, ist gering.“ Immerhin: Dufners und Heckings Schnittmenge ist deutlich größer, die Vorstellungen „sehr ähnlich.“ Die Mannschaft soll verjüngt werden, außerdem wollen Dufner und Hecking einen Fokus auf schnelle Spieler legen und speziell die Offensive stärken. „Die Baustellen“, betont Dufner, „sind für jeden erkennbar.“ 

Heckings Bilanz ist ausbaufähig

Dass der VfL beim Neuaufbau auf seinen potenziellen Abstiegstrainer setzt, ist derweil keine Überraschung. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit gab es Lob für Heckings Arbeit, erst von Ilja Kaenzig, nun auch von Dirk Dufner: „Dieter hat erkennbar Tolles geleistet, als er hierher kam. Dass wir zuletzt viele Punkte unglücklich liegen gelassen haben, ist natürlich schade. Trotzdem: Er bringt fachlich und menschlich viele gute Attribute mit.“ In der jetzigen Mannschaft ist der 60-Jährige voll anerkannt, auch wenn die sportliche Bilanz eher mau ist. In 23 Spielen unter Hecking holte der VfL auf sportlichem Weg nur 19 Punkte. Aber: Auch Jürgen Gelsdorf und Klaus Toppmöller konnten einst den Abstieg des VfL nicht verhindern, blieben jedoch im Amt und führten den VfL ein Jahr später zurück in die Bundesliga.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Der Fall Bernardo wirft Fragen auf

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zwei- bis dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Causa Bernardo.

Dass der Vertrag von VfL-Verteidiger Bernardo eine Klausel zur Verlängerung beinhaltet, ist längst bekannt. Ex-Sportdirektor Marc Lettau hat die Existenz dieser Option in einem Interview mit der WAZ sogar ganz offiziell verraten. Lettau hat auch erzählt, unter welchen Voraussetzungen sich der ursprünglich bis 2025 datierte Vertrag verlängern würde. Erstens: Der VfL müsste Bundesligist bleiben. Und zweitens: Bernardo müsste in der Saison 2024/25 eine festgelegte Anzahl an Spielen absolvieren. Insidern zufolge sollen 17 Spiele mit mindestens 45 Minuten Einsatzzeit in der laufenden Saison nötig sein. Die hat Bernardo mittlerweile erreicht. Einzig: Den Klassenerhalt wird der VfL wahrscheinlich nicht schaffen.

Die Klausel wird also hinfällig sein, der Spieler wird den Klub in wenigen Wochen ablösefrei verlassen. Das ist insofern ärgerlich, als dass es noch im vergangenen Sommer die Möglichkeit gab, Bernardo zu verkaufen. Ja, das Angebot von Union Berlin lag deutlich unter den Vorstellungen der Bochumer Vereinsführung. Trotzdem hätte der Revierklub mehrere Millionen Euro eingenommen. Den Transfer abzulehnen, war sportlich nachvollziehbar, in dem Wissen, dass zwölf Monate später ein ablösefreier Abgang droht, aber auch naiv.

Doch zurück zur Gegenwart. Was würde im unwahrscheinlichen Fall des Ligaverbleibs mit Bernardo passieren? Dass Bernardo kurz vor Erreichen des 17. Einsatzes wochenlang verletzt gefehlt hat, und in der Branche bereits von einer Ablösefreiheit im Sommer die Rede war, nährte den Verdacht, dass er eine automatische Vertragsverlängerung verhindern wollte – auch wenn sich der Spieler gegen diese Vorwürfe wehrt. Ganz unbegründet sind diese aber offensichtlich nicht. Sportchef Dirk Dufner berichtete am vergangenen Sonntag bei Sky90, einen „pragmatischen Umgang“ mit der Vertragssituation von Bernardo gefunden zu haben. Der Verteidiger werde den VfL in diesem Sommer „definitiv“ verlassen. Aber was bedeutet das? Wurde die Klausel etwa gestrichen? Wenn ja, zu welchen Bedingungen und aus welchem Grund? Hat die Spielerseite Druck ausgeübt und der Verein nachgegeben? So oder so: Der Fall Bernardo wirft Fragen auf – und kein gutes Licht auf die Vertragsparteien.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Kaderplanung war nicht erstligareif

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zwei- bis dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Kaderplanung.

Sofern der Fußball-Gott für den VfL Bochum nicht das nächste Wunder bereithält, dann wird die Bundesliga-Zugehörigkeit in Kürze enden. Selbstverständlich sollte der Abgesang nicht zu früh angestimmt werden. Grundsätzliche Defizite müssen aber unabhängig vom Saisonausgang angesprochen werden. So oder so: Diese Mannschaft ist nicht dauerhaft wettbewerbsfähig. Selbst wenn sie doch noch die Klasse hält, dann nicht, weil sie selber gut genug, sondern weil die Konkurrenz noch schlechter ist.

Mit seiner teils experimentellen Aufstellung gegen Berlin hat Trainer Dieter Hecking definitiv nicht alles richtig gemacht. Aber mal ehrlich: Hätte es eine Variante gegeben, bei der die meisten Fans euphorisch geworden wären? Wahrscheinlich nicht. Denn fast jeder Spieler, der plötzlich als möglicher Heilsbringer gilt, liefert schnell den Beweis, dass er es nicht ist. Nach 31 Spielen ist klar: Für viel zu viele Positionen gibt es keine Optimallösung. Genauer: keine bundesligareife Besetzung.

Nehmen wir beispielhaft die rechte Außenverteidigerposition, in einer Fünferkette eher offensiv interpretiert. Defensiv der stärkste dürfte Tim Oermann sein, der aber im Vorwärtsgang zu schwach ist und mit seinem Tempo auch zentral gebraucht wird. Offensiv überzeugt noch am ehesten Felix Passlack mit seinen fünf Torvorlagen, defensiv schwächelt er aber schon seit seiner Verpflichtung vor zwei Jahren. Und dass es für die lange Nicht-Berücksichtigung von Routinier Cristian Gamboa allein sportliche Gründe gibt, wurde am Sonntag deutlich.

Die Liste ließe sich mit weiteren Beispielen fortsetzen, etwa für das Mittelfeld ohne Kreativspieler oder für die verwaisten Flügelpositionen. Kurzum: Die Kaderplanung war nicht erstligareif. Verantwortlich dafür ist vor allem Ex-Sportdirektor Marc Lettau. Aber nicht nur er. Das Präsidium und Geschäftsführer Ilja Kaenzig haben jede Personalentscheidung abgesegnet. Zudem: Kaenzig und Hecking haben – mangels Sportchef – die Wintertransfers getätigt. Klar, große Sprünge waren nicht drin. Wirklich verstärkt wurde die Mannschaft im Januar rückblickend aber einzig mit Tom Krauß. Auch das ist zu wenig. Wie so vieles in dieser Saison.


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(Foto: Imago / Team 2)

Aufstellung

Stürmer und Systeme: Welche VfL-Startelf ist die beste?

Das Schlimmste ist wohl überstanden. Heidenheims Kevin Müller hat das Krankenhaus bereits zu Wochenbeginn verlassen, und Bochums Philipp Hofmann soll am Ende der Woche folgen. Die Verletzungen der beiden haben am vergangenen Freitag den Kellerkrimi ihrer beiden Klubs überschattet. Müller lag nach einem Zusammenprall mit VfL-Profi Ibrahima Sissoko zunächst regungslos auf dem Boden, wurde minutenlang behandelt und anschließend ins Klinikum gebracht, das sich unmittelbar neben dem Heidenheimer Stadion befindet. Dort wurde eine schwere Gehirnerschütterung diagnostiziert. Noch schlimmer hat es VfL-Angreifer Hofmann erwischt, obwohl es zunächst weniger dramatisch aussah. Der 32-Jährige hatte sich in einem Zweikampf eine Rippe gebrochen, die sich anschließend ins Rippenfell bohrte und einen lebensbedrohlichen Lungenkollaps auslöste. Hofmann wurde noch in der Nacht zu Freitag auf Samstag operiert, seither liegt er im Heidenheimer Klinikum und erhielt unter anderem Besuch von FCH-Trainer Frank Schmidt, der ihm seine Biografie mitbrachte, die den passenden Titel „Unkaputtbar“ trägt. Wann Hofmann allerdings auf den Fußballplatz zurückkehren wird, ist ungewiss; in dieser Saison jedenfalls nicht mehr. 

Boadu torgefährlicher als Hofmann

Klar ist nur: Einen vergleichbaren Stürmertypen, einen kopfballstarken und robusten Zielspieler, gibt der Bochumer Kader nicht her. In Heidenheim durfte Myron Boadu den ausgewechselten Hofmann ersetzen, wodurch sich allerdings die gesamte Herangehensweise verändern musste – weg von langen und hohen Bällen hin zu mehr Spielkultur. Damit kamen die Bochumer nicht wirklich klar, bestätigten nach Abpfiff sogar mehrere Spieler. Zudem: Boadu war zwar an allen aussichtsreichen Angriffssituationen beteiligt, doch die Torgefährlichkeit, die ihn eigentlich ausgezeichnet, ließ er vermissen. Rein statistisch ist er Hofmann aber nach wie vor so deutlich überlegen, dass dessen Ausfall nicht unbedingt eine Schwächung sein muss. Boadu braucht im Schnitt 125 Minuten für ein Bundesliga-Tor in dieser Saison, Hofmann gar 763 Minuten. Alternativen zu Boadu sind ohnehin Mangelware. Moritz Broschinski hat in Heidenheim nach seiner Einwechslung fast jeden Ball verstolpert, seine Auftritte waren zuletzt unterirdisch. Auch Georgios Masouras hat seine Torgefährlichkeit – mit Ausnahme seines Doppelpacks gegen Dortmund – noch nicht nachgewiesen.

Fast jedes zweite Spiel ohne Treffer

Bliebe einzig Dani de Wit in einer neuen Rolle als Sturmspitze – wenngleich das in einem so entscheidenden Spiel sehr experimentell wäre. Schließlich geht es für den VfL Bochum im Heimspiel gegen Mainz 05 an diesem Samstag darum, die letzte Rest-Chance auf den Relegationsplatz zu wahren. Im Falle einer Niederlage wäre der Abstieg besiegelt, bei einem Unentschieden ebenfalls, sofern Heidenheim parallel gegen Union Berlin punktet oder Holstein Kiel gegen den SC Freiburg gewinnt. Bei einem eigenen Sieg, dem ersten seit dem 3:2 gegen Bayern München Anfang März, könnte der VfL hingegen einen Showdown am letzten Spieltag erzwingen. Doch mit welcher Startelf will Hecking dies angehen? Nach sieben sieglosen Spielen in Serie steht unweigerlich die Frage im Raum, ob der erfahrene Fußballlehrer stets die richtigen Personalentscheidungen getroffen hat. Lässt sich aus dem zweifellos unausgewogen zusammengestellten Kader nicht doch noch etwas mehr herausholen?  Vor allem die Torarmut beschäftigt Spieler, Fans und Verantwortliche gleichermaßen. Unter Dieter Hecking blieb der VfL in zehn von 23 Begegnungen gänzlich ohne Torerfolg.

Losilla und Gamboa nur Reservisten

Probiert hat Hecking zuletzt allerdings schon einiges. Gegen Union Berlin ließ er mit Hofmann, Boadu und Broschinski drei Angreifer auf einmal starten, musste aber schon zur Halbzeit feststellen, dass dieser Gedanke kein guter war. In Heidenheim wiederum waren es zunächst Hofmann und Masouras, die beginnen durften, in Bremen kam noch Gerrit Holtmann dazu. Hecking setzt seit Wochen auf ein 5-3-2- bzw. 5-2-3-System. In Anbetracht der Tabellensituation käme auch ein mutigeres 4-3-3 in Betracht, auf das Hecking bislang allenfalls im Laufe einer Partie umgestellt hat. Argumente, so zu starten, gibt es durchaus: Mit Myron Boadu zentral sowie Georgios Masouras und Gerrit Holtmann außen könnte der VfL unter anderem sein eklatantes Tempodefizit ausgleichen und zugleich die Schienenspieler überflüssig machen. Felix Passlack und Maximilian Wittek haben in ihrer Rolle zuletzt selten überzeugt, weder offensiv noch defensiv. Mit Tim Oermann und Bernardo stünden defensivstarke Außenverteidiger bereit. Unumstritten ist derzeit einzig das Dreier-Mittelfeld mit Ibrahima Sissiko, Tom Krauß und Matus Bero. Kein Platz bleibt indes für Anthony Losilla und Cristian Gamboa, die vor ihrem letzten Heimspiel als Spieler des VfL allerdings gebührend verabschiedet werden sollen.


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(Foto: Imago / pepphoto)

0:0 in Heidenheim

VfL vertagt Abstieg: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel

Der Abpfiff in Heidenheim war gerade erst ertönt, da sackten schon mehrere Bochumer Spieler enttäuscht zu Boden. Sie wussten sofort: Das 0:0 im Kellerkrimi ist zu wenig. Den sofortigen Abstieg hat der VfL zwar verhindert, aber vermutlich nur hinausgezögert. Vier Punkte beträgt der Rückstand auf Heidenheim und den Relegationsplatz nach wie vor, dazu kommt das um sechs Treffer schlechtere Torverhältnis. Die Chance, doch noch in der Bundesliga zu bleiben, ist am Freitagabend weiter gesunken. „Das war ein klares Endspiel für uns, so haben wir es auch intern formuliert. Der Klassenerhalt ist jetzt noch unwahrscheinlicher geworden“, kennt nicht nur Sportchef Dirk Dufner die fast aussichtslose Lage des VfL. Intern planen die Verantwortlichen bereits priorisiert für den Abstiegsfall. Nicht anders ist auch die Vertragsverlängerung mit Trainer Dieter Hecking zu verstehen, die er nach dem Spiel selbst bekanntgab.

Hecking bleibt Trainer

Ende März hatte Hecking nur für die Bundesliga unterschrieben, weil er sich angeblich noch nicht mit einem möglichen Abstieg beschäftigen wollte. Nun aber – nach einem verbesserten Angebot und intensiven Gesprächen über den nötigen Kader-Umbau – auch für eine Spielklasse tiefer. Nötig geworden ist diese Anpassung allerdings nur, weil es der VfL seit Wochen und Monaten nicht schafft, enge Spiele auch mal siegreich zu gestalten. Was die Mannschaft leistet, ist zum Überleben in der Bundesliga zu wenig, zum Sterben aber (noch) zu viel. Das nächste Bochumer Fußball-Wunder ist allerdings nicht in Sicht. Sieben Spiele in Serie ohne Sieg stehen derzeit zu Buche, nur viermal hat der VfL dabei das Tor getroffen, selbst in Führung gegangen ist die Hecking-Elf nie. Besserung war auch in Heidenheim nicht zu erkennen, was den Eindruck verstärkt, dass es diesem Kader in seiner Gesamtheit an Erstligatauglichkeit mangelt.

Kleine Rest-Chance

„Wir haben uns natürlich mehr erhofft. Der Punkt hilft uns nicht weiter“, sagte Vize-Kapitän Maximilian Wittek nach der Partie auf der Ostalb. „Rechnerisch ist der Klassenerhalt noch immer möglich. Aber unsere Situation hat sich nicht verbessert.“ Klar ist: Der 1. FC Heidenheim darf im Saisonendspurt weder gegen Union Berlin noch gegen Werder Bremen gewinnen, dazu muss der VfL gegen Mainz und St. Pauli mindestens vier Punkte holen und das Torverhältnis drehen. Ergattert Heidenheim einen Punkt, muss Bochum beide Spiele gewinnen. Punktet Heidenheim hingegen zweifach und der VfL gewinnt seine Partien, kommt es erneut aufs Torverhältnis an. Zudem mischt auch Holstein Kiel noch mit. In eigener Hand hat der VfL die Rettung schon seit dem vergangenen Wochenende und dem 1:1 gegen Union Berlin nicht mehr. Auch da hielt die Mannschaft leidenschaftlich dagegen, vor allem offensiv fehlten ihr aber die Mittel.

Lob für VfL-Fans

Im Heidenheim war es nicht anders. „Wir hatten kaum gute Torchancen. Das ist schon länger unser Problem. Und wenn wir dann mal einen Hochkaräter haben, nutzen wir ihn zu selten“, analysierte Wittek und meinte damit vor allem die Großchance von Myron Boadu in der Schlussphase, die der Angreifer freistehend vor Torwart Frank Feller aber nicht nutzte. Die Heidenheimer hatten zuvor ihren Schlussmann wechseln müssen, nachdem Kevin Müller infolge eines Zusammenpralls bewusstlos am Boden lag und minutenlang von Sanitätern und Ärzten behandelt wurde. Unisono lobten die Bochumer wie auch die Heidenheimer Verantwortlichen die Reaktion der Zuschauer. Nach längerem Schweigen stimmten die mitgereisten VfL-Fans den Namen des Heidenheimer Keepers an und verabschiedeten ihn mit Genesungswünschen aus dem Stadion. Im Krankenhaus wurde eine schwere Gehirnerschütterung diagnostiziert.

Hofmann verletzt

Die Spielleistung litt zwar nicht unter dem Eindruck der Behandlungspause, sie war allerdings auch davor allenfalls mäßig. Die Gastgeber überließen dem VfL größtenteils den Ball. Viel anfangen konnte die Hecking-Elf damit in der gewohnten, wenn auch offensiver interpretierten 3-5-2-Formation aber nicht. Die frühe Auswechslung von Philipp Hofmann trug zur weiteren Verunsicherung bei. Der Angreifer musste sich in der Nacht sogar einer Not-Operation unterziehen, weil sich eine gebrochene Rippe ins Rippenfell bohrte und einen lebensbedrohlichen Lungenkollaps verursachte. „Danach hat sich einiges geändert. Uns haben spielerische Ideen gefehlt, wir haben uns vielleicht zu sehr auf den langen Ball versteift“, stellte Wittek fest. Hecking wechselte offensiv, vermied aber das volle Risiko in dem Wissen, dass der Abstieg bei einer Niederlage schon festgestanden hätte. Wahrscheinlich ist er aber nur vertagt.


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(Foto: Imago / Beautiful Sports)