Höchste Auswärtspleite

Grotesker Hattrick: Bochumer 0:7-Tradition gegen die Bayern

Der VfL Bochum füllt sein Dasein als Traditionsverein in jeder Hinsicht mit Leben. Schon im September 2021 und im August 2022 unterlag der VfL dem FC Bayern mit 0:7. Dass sich der Revierklub von den Münchnern abschießen lässt, hat also schon eine gewisse Tradition. Diese Serie setzten die Bochumer nun fort und kassierten auch im dritten Jahr in Folge sieben Gegentreffer im Hinspiel – ein grotesker und zugleich historischer Hattrick. Höher als 0:7 haben die Bochumer in der Bundesliga noch nie verloren.

Partie früh entschieden

Jedes einzelne Gegentor aufzuarbeiten, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Die Bayern eröffneten den Torreigen bereits nach vier Minuten, 0:4 stand es zur Halbzeitpause, das Spiel war folglich früh entschieden. Riesige Lücken im Bochumer Abwehrverbund und haarsträubende Fehler einzelner Spieler ließen die Bayern in 90 Minuten insgesamt siebenmal jubeln. „Ich weiß nicht, wie es sich in der Vergangenheit angefühlt hat, da war ich noch nicht hier. Aber heute war es ziemlich schmerzhaft“, sagte Bochums Sportdirektor Marc Lettau nur wenige Minuten nach dem Abpfiff. „Ich glaube, so hoch habe ich noch nie verloren“, ergänzte Trainer Thomas Letsch, dessen Mannschaft zu keinem Zeitpunkt der Partie mit dem Rekordmeister mithalten konnte. 

Sie lief stets hinterher, sie schaute oft nur zu, wirkte mehrfach schläfrig und ließ große Räume entstehen, die die Münchner selbstverständlich nutzten. Selbst Leistungsträger der vergangenen Wochen, zum Beispiel Ivan Ordets oder Bernardo, wirkten ungewohnt unkonzentriert, beide leisteten sich schwere individuelle Fehler. Und vorne? Nennenswerte Torchancen gab es keine – vielleicht auch, weil Letsch ausnahmsweise auf einen klassischen Mittelstürmer verzichtet hat. 

Taktische Herangehensweise

Womöglich war die taktische Herangehensweise angesichts der hohen Qualität des Gegners generell etwas naiv. Letsch setzte in der Theorie auf das, was gegen Dortmund, Augsburg und Frankfurt so gut funktionierte: Aggressives Anlaufen und viele direkte Duelle. Doch das klappte in München überhaupt nicht. Der VfL stand viel zu hoch und bekam die Bayern nicht zu packen, die sich mit ihrer herausragenden Technik und ihrem hohen Tempo clever aus den nur selten konsequent geführten Zweikämpfen lösten.

„Wir haben bewusst diesen mutigen Ansatz gewählt, und ich stehe dazu, dass es der richtige war. Eine passive Grundausrichtung passt nicht zu uns“, sagte Letsch in der Pressekonferenz nach dem Spiel und erklärte, dass er seine Spieler im Vorfeld in seine Überlegungen miteinbezogen hatte. Doch hätte eine andere Taktik zu einem klar besseren Ergebnis geführt? Die frühen Wechsel und der deutlich defensivere Ansatz, den der VfL in der zweiten Halbzeit umzusetzen versuchte, mündeten in drei weiteren Gegentreffern.

„Wir sind in jeder Phase des Spiels nur hinterhergelaufen. Und wenn die Bayern einmal ins Rollen kommen, dann sind sie kaum noch aufzuhalten“, sagte Marc Lettau, der mitansehen musste, dass es „kaum noch gelungen ist, das Ergebnis in Grenzen zu halten.“ Wobei der VfL ohne Torhüter Manuel Riemann wahrscheinlich zweistellig verloren hätte. Der Keeper war nicht nur bei allen sieben Gegentreffern machtlos, sondern mehrfach zur Stelle, um weitere Einschläge zu verhindern. 

Gegen Gladbach unter Zugzwang

Das erneut klar negative Torverhältnis geht somit nicht auf seine Kappe. In fünf Spielen hat der VfL schon wieder 16 Gegentreffer kassiert, die Tordifferenz liegt bei minus zwölf. Und was sagt das Punktekonto? Drei Zähler nach fünf Spielen sind angesichts des Startprogramms noch akzeptakel, zumal die Leistungen zuletzt deutlich mehr hergegeben hätten. Allzu lange sollte der erste Saisonsieg aber nicht mehr auf sich warten lassen.

Im Grunde steht der VfL am kommenden Samstag gegen die ebenfalls noch sieglose Borussia aus Mönchengladbach schon unter Zugzwang. Denn das Folgeprogramm hat es in sich: Zwei Auswärtsspiele in Leipzig und Freiburg. Sollte der VfL auch dort an die Ergebnisse aus den vergangenen Jahren anknüpfen, stehen eher keine erfolgreichen Dienstreisen bevor. Aber man muss ja nicht jede Tradition pflegen…


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Neuer Vertrag

Hintergründe: VfL-Deal mit Masovic ist Millionen wert

Ziemlich genau drei Jahre ist es her, als der VfL Bochum einen bis dahin noch recht unbekannten Defensivspezialisten als Neuzugang vorgestellt hat. Erhan Masovic wechselte im Herbst 2020 ablösefrei vom FC Brügge ins Ruhrgebiet. Der belgische Topklub hatte den Serben zuvor in die Slowakei und Dänemark verliehen, der dort nur wenige Spuren hinterließ. Der VfL mit Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz schlug trotzdem zu und lockte den jungen Verteidiger nach Deutschland.

Verlängerung bis 2026

Drei Jahre später ist Erhan Masovic der wahrscheinlich wertvollste Spieler im Kader des VfL – zumindest aus wirtschaftlicher Sicht. Die Verantwortlichen machen keinen Hehl daraus, dass sie mit dem 24-Jährigen in absehbarer Zeit Geld verdienen wollen, sprich: ihn für eine möglichst hohe Transfersumme verkaufen wollen. Schon in diesem Sommer gab es zahlreiche Wechselgerüchte. Masovic blieb jedoch in Bochum, und sorgte am Montag für eine erfreuliche Nachricht: Er hat seinen Vertrag sogar verlängert.

Statt bis 2025 ist Masovic nun bis 2026 an den VfL Bochum gebunden. Das geht logischerweise mit einer Gehaltserhöhung oder Bonuszahlungen einher. Doch die sind für den Klub im Idealfall Millionen wert. Denn mit dieser Unterschrift können die Verantwortlichen entspannt in künftige Ablöseverhandlungen gehen. Im kommenden Sommer besteht kein Verkaufsdruck mehr. Auch für den Spieler vereinfacht sich die Lage. Masovic, der auf eine EM-Teilnahme hofft, kann in Ruhe den passenden Verein finden.

Keine Ausstiegsklausel

So oder so: Der VfL profitiert vom zusätzlichen Vertragsjahr. Entweder weil er im Sommer 2024 eine höhere Ablöse herausschlagen kann, oder weil Masovic eine weitere Spielzeit beim VfL verbringen wird. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin gibt es auch im neuen Vertrag keine festgeschriebene Ablösesumme. Die ist nicht selten Bestandteil einer solchen Vertragsverlängerung. Masovic hingegen hat darauf verzichtet, offenbar aus Dankbarkeit, die im Fußball selten geworden ist.

Der Innenverteidiger, der auch im defensiven Mittelfeld spielen kann, betont jedenfalls seine Verbundenheit zum Klub: „Durch den VfL bin ich zum Bundesligaspieler geworden, was meine Nationalmannschaftskarriere positiv beeinflusst hat. Die Vertragsverlängerung ist mein Zeichen des Dankes an die Verantwortlichen, die an mich geglaubt haben.“ Masovic ist als Ergänzungsspieler mit dem VfL aufgestiegen und in der Bundesliga zum Stammspieler gereift. Aktuell ist er fester Bestandteil der Dreierkette.

Masovic ist Stammspieler

Zur sportlichen Bedeutung des serbischen Nationalspielers kommt der bereits erwähnte finanzielle Wert. Die Verantwortlichen um Geschäftsführer Patrick Fabian und Sportdirektor Marc Lettau wollen künftig mehr Einnahmen durch Spielerverkäufe erzielen, um bei eigenen Transferideen handlungsfähiger zu sein. Aufgrund des Alters, der Vertragslaufzeit und der Leistungen ist Masovic aktuell aber der einzige, bei dem der VfL mit beträchtlichen Einnahmen rechnen kann – durch die Vertragsverlängerung erst recht.


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(Foto: VfL Bochum 1848)

1:1 gegen Frankfurt

Bochumer Déjà-vu: Ansehnlich und doch ärgerlich 

Die Fans des VfL Bochum erlebten am Samstagabend ein Déjà-vu: Ähnlich wie gegen Dortmund und ähnlich wie in Augsburg holte ihre Mannschaft auch am vierten Spieltag gegen Eintracht Frankfurt (nur) einen Punkt – obwohl angesichts der Leistung auch ein Sieg möglich gewesen wäre. Die Statistik stützt den subjektiven Eindruck: 22 Torschüsse brachte der VfL gegen die Eintracht zustande, genauso viele wie in Augsburg und jeweils deutlich mehr als der Gegner. Zum ersten Saisonsieg reichte diese Bilanz allerdings nicht, an keinem Wochenende. „Gegen Dortmund hätten wir gewinnen können, gegen Augsburg gewinnen müssen und gegen Frankfurt gewinnen sollen“, sagte Trainer Thomas Letsch nach dem dritten Unentschieden in Folge – einer ansehnlichen und doch ärgerlichen Darbietung.  

Mutig und sehr mannorientiert

Das 1:1 gegen Frankfurt gab dem VfL Bochum die Gewissheit, seit der Auftaktpleite gegen Stuttgart grundsätzlich auf dem richtigen Weg zu sein, zumal einige der potenziellen Mitkonkurrenten um den Klassenerhalt deutlich schlechter in die Saison gestartet sind. Allerdings: Die kommenden Spiele werden nicht einfacher. Drei der nächsten vier Duelle absolviert der VfL in der Fremde: bei den normalerweise übermächtigen Bayern, den starken Leipzigern und den disziplinierten Freiburgern; dazwischen steht das Heimspiel gegen Gladbach an. „Aus meiner Sicht haben wir zwei Punkte zu wenig auf dem Konto“, meinte Letsch bei einem Blick auf die Tabelle. Seine Enttäuschung über den Ausgang des Spiels konnte und wollte der 55-Jährige nicht verbergen. Zufrieden war er dagegen mit dem Auftritt generell.

„Die Mannschaft macht sich das, was wir vorgeben, immer mehr zu eigen“, lobte Letsch die Umsetzung des taktischen Plans, der ein sehr hohes und extrem mannorientiertes Attackieren vorsieht, eine leidenschaftliche und laufintensive Herangehensweise, die auch das Publikum mitnehmen soll. „Wir sind von Anfang an vorne draufgegangen, haben viele Bälle erobert und Frankfurt hinten eingeschnürt“, skizzierte Letsch. Allerdings fehlten dem VfL schon in der ersten Halbzeit klare Torchancen; die eingangs erwähnten Schüsse waren oft zu harmlos. Wesentlich besser wurde es auch nach der Pause nicht, als Letsch insgesamt vier frische Offensivkräfte brachte, darunter Neuzugang Goncalo Paciencia. „An der Konsequenz vor dem Tor und dem letzten Pass müssen wir weiter arbeiten“, analysierte der Coach.

Zu oft entschied sich der VfL an diesem Samstag für den langen Ball, zu selten fand er in die Tiefe – und defensiv wurde es immer dann gefährlich, wenn sich die Eintracht aus der Manndeckung löste, wie zum Beispiel beim 0:1 kurz nach der Pause, als nicht zum ersten Mal ein Angriff über die rechte Bochumer Abwehrseite rollte. Felix Passlack steigerte sich zwar, bleibt aber ein Wackelkandidat im Bochumer Team; während die anderen drei Neuzugänge – Maximilian Wittek Bernardo und Matus Bero – aus der Startelf kaum noch wegzudenken sind. Vor allem Bernardo überzeugte gegen Frankfurt mit seiner starken Zweikampfführung. Abwehrkollege Ivan Ordets holte indes den umstrittenen, aber vertretbaren Elfmeter heraus, den Kevin Stöger zum verdienten 1:1-Ausgleich verwandelte.

Nächstes Spiel in München

Stöger und Takuma Asano sind nach vier Spielen die bislang einzigen Torschützen, dafür haben beide schon doppelt getroffen. Philipp Hofmann indes wartet weiter auf seinen ersten Treffer seit Anfang April. Der Angreifer bindet mit seiner körperbetonten Spielweise zwar die gegnerischen Verteidiger, mittelfristig wird der VfL aber einen Mittelstürmer benötigen, der auch Tore schießt. Vielleicht ja schon gegen die Bayern. Pünktlich zum Oktoberfest reist der VfL nach München. Ob die Bochumer auch dort wieder so mutig und mannorientiert auftreten und am Ende mit einem Unentschieden hadern? Ohne den Spielverlauf schon zu kennen: Das vierte Remis in Folge wäre ein Achtungserfolg und auch deshalb bemerkenswert, weil der VfL in der gesamten letzten Saison nur fünfmal die Punkte teilte.


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(Foto: Imago / Nordphoto)

Nachwuchs

Perspektivteam oder U23? Wie der VfL seine Talente fördern will

Kaum eine Mitgliederversammlung in den vergangenen Jahren verging, ohne dass sich ein Fan des VfL Bochum nach einer möglichen Rückkehr der U23 erkundigt hat. Doch ganz gleich, wer auf dem Podium saß und die Verantwortung trug, die Antwort war immer gleich: Wenn der VfL die im Jahr 2015 vom Spielbetrieb abgemeldete U23 wieder einführen würde, dann müsse das neue Team in der Kreisliga C starten. Doch diese Information ist nicht korrekt. Leser und VfL-Fan Moritz Zipser gab den entscheidenden Hinweis, weiterführende Recherchen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin ergaben das gleiche Ergebnis. Der VfL könnte ein Team in der Westfalenliga melden. Dies bestätigte der zuständige Fußball- und Leichtathletik-Verband (FLVW) auf Anfrage.

Demnach hat der FLVW sogar schon im Jahr 2018 eine entsprechende Sonderregelung für den Spielbetrieb von U23-Mannschaften beschlossen. Offensichtlich war der VfL über Jahre hinweg falsch informiert. Denn die Statuten des Verbandes sehen eine Regelung vor, dass die Wiedereingliederung einer U23 nicht in der untersten Spielklasse erfolgen muss. „Eine zurückgezogene U23 wird bei Neuanmeldung immer eine Spielklasse unter der Ausstiegsklasse eingruppiert, höchstens jedoch der Oberliga Westfalen. Als Ausstiegsklasse wird diese zugrunde gelegt, welche die Mannschaft nach Rückzug, inklusive Auf- bzw. Abstieg, in der darauffolgenden Saison belegt hätte“, schreibt der FLVW.

Heißt konkret: Der VfL Bochum hatte für die Saison 15/16 keine U23 mehr gemeldet und beendete die Saison 14/15 in der Regionalliga West auf einem Abstiegsplatz. Somit ist die Ausstiegsklasse die Oberliga Westfalen und die mögliche Wiedereinstiegsklasse die sechstklassige Westfalenliga. Der Antrag auf Wiedereingliederung muss dem Verband bis zum 15. April eines Jahres vorliegen. Veränderte Vorzeichen also, von denen die Klubführung mittlerweile weiß. Wobei es nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin zumindest aktuell keine konkreten Pläne gibt, eine Bochumer U23 wieder einzuführen.

Wenige Talente brauchten Zwischenschritt

Die Lage ist schließlich komplex. Was dafür spräche: Talente könnten in Ruhe und auf Wettkampfniveau an den Profifußball herangeführt werden, Reservisten der Bundesliga-Mannschaft zudem Spielpraxis erhalten. Die allermeisten Spieler haben den VfL Bochum in den vergangenen Jahren nach der U19 verlassen, auch weil dem Verein ein Zwischenbau fehlte. Womöglich haben sich sogar schon in früheren Altersklassen Talente gegen den VfL entschieden, weil er im Gegensatz zu den umliegenden Klubs keine U23 hat. Bis auf Bayer Leverkusen haben alle Profi-Klubs aus NRW ihre U23 behalten. Eintracht Frankfurt aus Hessen mit Ex-VfL-Nachwuchsleiter Alexander Richter hat das Team sogar wiedereingeführt.

Allerdings: Die Liste derer, die in den vergangenen Jahren womöglich von einer U23 profitiert hätten, ist beim VfL ziemlich kurz. Im Grunde sind es nur drei Spieler, die bei einem anderen Klub durchgestartet sind und das Potenzial hätten, dem VfL derzeit auch in der Bundesliga zu helfen: Evangelos Pavlidis, der mittlerweile in der niederländischen Eredivisie glänzt, Atakan Karazor, derzeit Stammspieler beim VfB Stuttgart, und Tjark Ernst, der sich mangels U23 für einen Wechsel zu Hertha BSC entschieden hat, und beim Hauptstadtklub nun das Zweitliga-Tor hütet. Mit Abstrichen ist auch Niclas Thiede zu nennen, der nach Zwischenstationen in der 3. Liga nun nach Bochum zurückgekehrt ist.

Top-Talente wie Armel Bella Kotchap und Maxim Leitsch hingegen haben den Sprung in die Profimannschaft auf direktem Wege erreicht. Andere wiederum – wie zum Beispiel Tom Baack, Görkem Saglam oder Lars Holtkamp, die einst als Hoffnungsträger gehandelt wurden – schafften den Durchbruch auch woanders nicht. Das war schließlich auch der Erklärungsansatz von Christian Hochstätter, damals Sportvorstand des VfL Bochum und maßgeblich für die Abmeldung der U23 verantwortlich: „In den vergangenen Jahren (also vor 2015, Anm. d. Red.) hat sich gezeigt, dass aus unserer Zweiten Mannschaft – mit Ausnahme der Torhüter – zu wenige Talente den Sprung in den Profikader geschafft haben, wohingegen die talentiertesten Spieler aus der U19 den direkten Weg zu den Lizenzspielern gegangen sind.“

Regionalliga frühestens im vierten Jahr

Würde sich die Wiedereinführung einer neuen U23 also überhaupt lohnen? Damit der Abstand zwischen Profimannschaft und Reserve nicht zu groß wäre, müsste der VfL perspektivisch mindestens in der Regionalliga spielen. Der finanzielle Aufwand läge klar im siebenstelligen Bereich. Das Geld wäre heute eher vorhanden als vor acht Jahren, als die U23 aus wirtschaftlichen Gründen eingestampft wurde. Allerdings müsste der VfL wie auch damals einen kompletten Kader inklusive Trainer- und Betreuerstab beschäftigen, obwohl klar ist, dass allerhöchstens ein kleiner Teil des Teams das Potenzial hätte, eines Tages auch den Profis zu helfen.

Erschwerend käme hinzu, dass im ersten Jahr der Wiedereingliederung laut Statuten kein Aufstieg möglich wäre. Der VfL müsste somit mindestens zwei Jahre in der Westfalenliga und mindestens ein weiteres Jahr in der Oberliga spielen, bevor die Bochumer in der Regionalliga angekommen wären – vorausgesetzt, sportlich läuft alles nach Plan und der Doppel-Aufstieg gelingt im ersten Anlauf. Ein Team zusammenzustellen, das bereit ist, diesen Weg mitzugehen, dürfte eine Herausforderung werden. Wegen der Altersgrenze würden nämlich diejenigen, die in der neuen U23 starten, nicht mehr selbst von einer späteren Regionalliga-Rückkehr profitieren.

VfL setzt auf neues Perspektivteam

Die Verantwortlichen haben ohnehin schon andere Wege identifiziert, um die Talentförderung zu stärken. Eigengewächse mit Profivertrag, die nicht auf Anhieb in der Bundesliga durchstarten, können sich entweder für eine Leihe zu einem anderen Klub oder aber für Spielpraxis in der neuen U21-Testspielmannschaft entscheiden. Auf Leihbasis hat Paul Grave den VfL Bochum in diesem Sommer verlassen, im vergangenen Jahr waren es Moritz Römling, Tim Oermann und Luis Hartwig. Der Nachteil: Der VfL hat die Entwicklung vorübergehend nicht mehr in der eigenen Hand, der Vorteil: Sie können oft höher als in der Regionalliga spielen.

Bleiben Jungprofis indes beim VfL, finden sie im neuen Perspektivteam einen Platz, das aus den Top-Talenten der U19, U17 und U16 sowie aus Jungprofis der Bundesliga-Mannschaft besteht. Diese U21 wird durch zusätzliche Trainingseinheiten gefördert, zudem soll sie Testspiele gegen Mannschaften aus dem Herrenbereich absolvieren. Zwei Partien gab es zuletzt schon: Gegen den Oberligisten Türkspor Dortmund, das der VfL überraschend hoch mit 12:1 gewann, und gegen die ebenfalls fünftklassige U23 von Preußen Münster, Endstand 5:1.  

„Wir haben intensiv darüber nachgedacht, wie wir unseren Ausbildungsgedanken optimieren können“, erläutert Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian die Strategie. „Ziel ist es, unsere Top-Talente sowie die Jungprofis durch Spiel- und Wettkampfpraxis auf ein höheres Leistungslevel zu heben. Die zusätzlichen Trainingseinheiten unter Profibedingungen an der Schnittstelle zur Lizenzmannschaft sollen den Spielern aus dem Talentwerk einen Anreiz bieten, dem Profitraum näher zu kommen. Die Spiele sollen zudem bei unseren Talenten ein Bewusstsein dafür schaffen, was Intensität, Körperlichkeit und Zweikampfverhalten im Herrenbereich bedeuten.“ Die Leitung des Projekts haben David Siebers (Trainer U17), Marc-Andre Kruska (Co-Trainer U19) sowie Frank Heinemann (Co-Trainer Profis) übernommen.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Kader im Wandel

VfL im Umbruch: Viele Aufstiegshelden sind schon weg

Wer es nach mehr als einem Jahrzehnt geschafft hat, den VfL zurück in die Bundesliga zu führen, bleibt in Bochum unvergessen. Spieler wie Manuel Riemann, Anthony Losilla oder Robert Tesche genießen Heldenstatus in der Stadt. Simon Zoller und Robert Zulj begeisterten die Fans als „ZZ Top“, der junge Abwehrverbund mit Maxim Leitsch und Armel Bella Kotchap sogar die Scouts anderer Klubs. Ein echtes Team, eine verschworene Einheit hat den VfL im Mai 2021 zurück in die Bundesliga gebracht.

Nur ein Quintett ist noch da

Doch das Gesicht der Mannschaft hat sich mittlerweile deutlich verändert. Die Spieler aus der Aufstiegsmannschaft sind klar in der Minderheit. Nur fünf Profis aus dem Kader der Saison 2020/21 stehen auch heute noch beim VfL Bochum unter Vertrag: Kapitän Anthony Losilla, Torhüter Manuel Riemann, Defensivspezialist Erhan Masovic sowie die beiden Außenverteidiger Cristian Gamboa und Danilo Soares. Viele andere, auch Leistungsträger aus der Aufstiegself, haben sich dagegen längst verabschiedet.

Zulj ist bereits unmittelbar nach den Feierlichkeiten in die Emirate weitergezogen; Tesche, Pantovic, Blum, Bella Kotchap und Leitsch verließen den Klub nach dem Klassenerhalt im ersten Jahr, Trainer Reis und Manager Schindzielorz ebenso. Die meisten von ihnen waren oder fühlten sich zu Höherem berufen, bei anderen ließ die Leistungsfähigkeit nach. In diesem Sommer folgten Simon Zoller, Gerrit Holtmann und Vasilios Lampropoulos – ein Beleg dafür, dass im Fußball die Gegenwart zählt, nicht die Vergangenheit.

Emotionaler Abschied von Zoller

Speziell Simon Zoller hat den Klub geprägt, nicht nur auf dem Platz, auch daneben als einer der Wortführer in der Kabine und als Identifikationsfigur bei Fans und Sponsoren. Kaum eine Werbekampagne des Klubs kam ohne ihn aus, zum Abschied gab es ein emotionales Video. „Ich habe mit Zolli zusammengespielt und weiß um den Wert, den er für Mannschaft und Verein hatte. Er war ein wesentlicher Faktor in unserer Aufstiegssaison,“ kommentierte Sportchef Patrick Fabian den Wechsel zum FC St. Pauli.

Doch der Ex-Profi darf in seinem Job nicht die Emotionen siegen lassen. Zoller war, ebenso wie Holtmann, zuletzt nur noch (ein teurer) Reservist, beide drängten auf einen Transfer. „Es gibt immer Spieler, die Phasen prägen und den Erfolg maßgeblich mitgestalten“, ergänzte Fabian zu Wochenbeginn in der YouTube-Reihe Anne Castroper – der VfL-Talk. „Spieler wechseln dann aber auch, weil sie sich verbessern wollen oder weil es irgendwann an die Substanz und an die Leistungsfähigkeit geht, allein aus Altersgründen.“

Spieleretat mehr als verdreifacht

Fabian und Sportdirektor Marc Lettau möchten den Kader verjüngen – und natürlich verbessern. Der Spieleretat lag im Aufstiegsjahr bei rund 12 Millionen Euro, nun sind es rund 40 Millionen Euro. Das bietet die Chance, bei Neuverpflichtungen in ein höheres Regalfach zu greifen, auch zum Nachteil der verbliebenen Aufstiegshelden. Gamboa hat seinen Startelfplatz an Felix Passlack verloren, Soares an Maximilian Wittek. Beide waren jahrelang Stammspieler, aktuell bleibt ihnen nur ein Platz auf der Ersatzbank.

Unklar also, ob ihre Zukunft weiter in Bochum liegt. Die Verträge von Gamboa und Soares laufen im kommenden Sommer aus. Gamboa wird im Oktober 34 Jahre alt, Soares feiert wenige Tage später seinen 32. Geburtstag. Auch Losilla ist nur noch bis Mitte 2024 an den VfL Bochum gebunden, wobei der Kapitän weiter Stammspieler bleibt und noch kein passender Nachfolger in Sicht ist. Auch Manuel Riemann dürfte seinen Platz im Tor so schnell nicht verlieren, sein Vertrag läuft ohnehin noch bis 2025.

Neue Fanlieblinge und Wortführer

Dennoch: Der Umbruch wird weitergehen, alte Identifikationsfiguren verschwinden, neue entwickeln sich. Dazu passt, dass die Verantwortlichen in diesem Sommer großen Wert darauf gelegt haben, dass die Neuzugänge bereit sind, eine emotionale Verbindung zum VfL aufzubauen. Nicht nur für die Außenwirkung ist das von Bedeutung, für das Klima innerhalb der Kabine sind charakterliche Eigenschaften ebenso wichtig. Denn auch da verändert sich einiges, wenn die Aufstiegshelden als Wortführer allmählich verschwinden.  


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(Foto: Marc Niemeyer)

RUB-Kanzlerin im Präsidium

Christina Reinhardt und der VfL: „Ohne dickes Fell geht es nicht“

Den Schal, den Dr. Christina Reinhardt bei den Spielen des VfL Bochum trägt, hat sie nicht zufällig ausgewählt. Auf der einen Seite prangt das Logo ihres Lieblingsvereins, auf der anderen das Wappen der Ruhr-Universität. Für sie ist das eine Selbstverständlichkeit. Seit 2015 ist Reinhardt Kanzlerin der Bochumer Uni, seit Ende 2022 gehört sie außerdem dem Präsidium des VfL an. Das eine ist ihr Job, das andere ein Ehrenamt, verbunden mit großer Verantwortung. „Die Anfrage, ob ich kandidieren und mitmachen möchte, kam aus heiterem Himmel. Ich wäre nie selbst auf die Idee gekommen. Aber mein erster Gedanke war sofort: Das ist eine große Ehre. Ich kann den Klub mitgestalten, von dem ich Fan bin“, erzählt sie bei einem Termin in ihrem Büro der Hochschulverwaltung. Wobei es gar nicht mehr ihr eigenes Büro ist. „Das habe ich quasi abgeschafft. Wir arbeiten mobiler und flexibler. Auch andere aus der Verwaltung können das Büro buchen.“

Pionierarbeit im Männerfußball

Diese kleine Geschichte ist vielleicht auch ein guter Beleg dafür, warum die promovierte Geographin seit der Mitgliederversammlung im vergangenen Jahr zum Aufsichtsgremium des VfL Bochum gehört. Ihre heutigen Präsidiumskollegen und die Findungskommission waren sich einig: Sie brauchen frischen Wind, einen neuen Einfluss von außen – und: eine Frau. „Wenn ich als Quotenfrau bezeichnet werde, ist das kein Schimpfwort für mich. Natürlich ist es noch Pionierarbeit. Frauen im Profifußball der Männer sind eher eine Seltenheit. Aber das war an den Hochschulen vor einiger Zeit nicht wesentlich anders“, weiß Christina Reinhardt. Nur 15 Frauen sitzen in den Führungsgremien der 36 Erst- und Zweitligisten. „Ich finde es gut und wichtig, dass sich immer mehr Vereine auf den Weg begeben, diverser zu werden. Und ich bin gerne ein Teil davon.“ Akzeptanzprobleme stellt sie keine fest: „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich nicht ernst genommen werde, weil ich eine Frau bin. Ich finde, dass es schon nach kurzer Zeit keine Rolle mehr gespielt hat. Aber klar ist auch: Ohne Selbstbewusstsein und dickes Fell geht es in der Branche nicht.“

Beides bringt sie jedoch mit, ohnehin ist ihre berufliche Vita mehr als beachtlich. Als Kanzlerin hat Christina Reinhardt bereits Erfahrung im Management einer großen Organisation gesammelt. Mit fast 42.000 Studierenden und 6.300 Angestellten ist ihr Arbeitgeber sogar um ein Vielfaches größer als der Klub von der Castroper Straße. 630 Fußballfelder könnte die RUB auf ihrem 4,5 Quadratkilometer großen Campus errichten. „Natürlich habe ich kurz überlegen müssen: Kann ich dem VfL wirklich helfen? Aber schnell war mir klar: Es gibt große Schnittmengen. Auch an der RUB beschäftige ich mich viel mit den Finanzen, Personalfragen und der Infrastruktur“, berichtet Reinhardt. Seit acht Jahren ist sie Kanzlerin der Universität, zuvor war sie sechs Jahre lang in gleicher Funktion an der Hochschule Bochum tätig. In ihrer Funktion leitet sie die Verwaltung, ist Mitglied des Rektorats und dort unter anderem für den Haushalt verantwortlich. „Als mir unsere Hochschulratsvorsitzende die Genehmigung erteilt hat, habe ich der Kandidatur beim VfL zugestimmt“, blickt Reinhardt zurück. 

Seit November 2022 dabei

Gemeinsam mit den langjährigen Gremiumsmitgliedern Hans-Peter Villis, Uwe Tigges, Dr. Andreas Eickhoff und Franz-Josef Tenhagen ist sie daraufhin im November 2022 zur Wahl angetreten. Beim VfL Bochum müssen sich Fünfer-Teams bilden, das sieht die Satzung so vor. Erstmals in der Vereinsgeschichte gab es allerdings Gegenkandidaten. Ein Team um den Vereinsarzt Prof. Dr. Karl-Heinz Bauer stellte sich als Wahlalternative auf – und bekam immerhin ein Drittel der Stimmen. Für Christina Reinhardt war das aber kein Problem: „Ich fand es überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil: Einer gewählten Leitung tut Konkurrenz im demokratischen Sinne doch meistens gut. Bei der Wahl zur Kanzlerschaft einer Hochschule ist es nicht anders.“


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Das Team Bauer kritisierte beim VfL insbesondere die Führungskultur, sprach von fehlender Wertschätzung der Präsidiumsmitglieder gegenüber der Geschäftsführung und bemängelte die interne wie externe Kommunikation. Diese Kritik, versichert Reinhardt, sei in den ersten Sitzungen, die sie als frisch gewähltes Mitglied der Vereinsführung miterlebt hat, intensiv aufgearbeitet worden. „Vielleicht habe ich als Verstärkung von außen auch Denkanstöße geben können – hoffe ich zumindest.“ Ohnehin versucht sie die Rolle, die ihr zugedacht war, nun mit Leben zu füllen. „Ich beteilige mich, stelle Fragen und diskutiere mit. Vielleicht bin ich manchmal eine Irritation, aber hoffentlich immer eine produktive“, erzählt sie mit einem Schmunzeln.

Steile Lernkurve in fremder Branche

Im Gegensatz zu ihren Kollegen, die das Innenleben der Fußballwelt bereits vor ihrer (Wieder-)Wahl kannten, musste sich Christina Reinhardt in den zurückliegenden Monaten erst einarbeiten: „Ich gehe seit über 30 Jahren zum VfL, bin seit 2016 Mitglied, aber trotzdem war es zunächst eine fremde Branche. Die Prozesse und Strukturen kannte ich noch nicht, auch nicht die unausgesprochenen Regeln. Aber vor allem IIja Kaenzig hat mir sehr dabei geholfen, alles zu verstehen. Die Lernkurve war anfangs steil, und nach mehr als einem halben Jahr fühle ich mich voll integriert – fachlich, aber auch als Bestandteil der Gruppe.“

Gleichwohl ist sie bemüht darum, die Fanperspektive nicht völlig aufzugeben. Vor ihrem Engagement beim VfL verfolgte Christina Reinhardt die Heimspiele von der Osttribüne in Block Q, jetzt sitzt sie im VIP-Bereich. „Die Emotionen als Fan möchte ich mir schon erhalten“, betont sie, und hat auch deshalb kein einziges Pflichtspiel in der Rückrunde der vergangenen Saison verpasst. Selbst auswärts war sie immer dabei. „Den Weg, den der VfL gerade geht, begleiten zu dürfen, empfinde ich als ein großes Privileg. Aber die Rückrunde war das Nervenaufreibendste, was ich mit dem Klub bislang erlebt habe.“

Als Studentin VfL-Fan geworden

Dabei wurde ihr die Leidenschaft für den VfL Bochum zumindest nicht die Wiege gelebt. Christina Reinhardt kam in der Nähe von Stuttgart zur Welt, bevor sie 1989 als Studentin nach Bochum kam. „Ich war dann auch hin und wieder hin wieder im Ruhrstadion“, erinnert sie sich zurück. „Mitte der 90er-Jahre war dann der VfB Stuttgart in Bochum zu Gast. Ich war mit Freunden im Gästeblock, habe aber für den VfL gejubelt. Da habe ich gemerkt: Jetzt bin ich Bochumerin.“ Gejubelt wird natürlich immer noch, aber die Emotionen müssen bei wichtigen Entscheidungen innerhalb der Klubführung zurückstehen. Als Präsidiumsmitglied sei es schließlich ihre Aufgaben, die Geschäftsführung mit Ilja Kaenzig und Patrick Fabian bestmöglich zu unterstützen. „Feedback und Rückendeckung geben, Anregungen liefern und Aufsicht führen“ – so definiert Christina Reinhardt das Anforderungsprofil.

Zeitlich sind ihre Möglichkeiten natürlich begrenzt, als Kanzlerin der Uni ist der Terminkalender ohnehin schon gut gefüllt. „Das ist bisweilen etwas schwierig. Ich kann deshalb nicht alle Termine beim VfL wahrnehmen. Die wichtigsten aber schon.“ Wobei sie manchmal sogar beide Aufgaben miteinander verbinden kann. „Wenn es eine gemeinsame DNA beider Organisationen gibt, dann ist es die Talententwicklung. Ich führe also gerne Menschen von der Uni und vom VfL zusammen, wenn ich glaube, dass es beiden Seiten helfen kann.“ Kooperationen zwischen der Ruhr-Uni und dem VfL gibt es bereits einige. Die Profifußballer führen etwa in jedem Sommer ihre Leistungsdiagnostik am sportwissenschaftlichen Institut der RUB durch. Auch gab es schon Forschungskooperationen in unterschiedlichen Bereichen. Die Uni und der VfL sind also längst miteinander verbunden. Der Schal, den Christina Reinhardt bei den Spielen trägt, ist das perfekte Symbol dafür. 

Dieses Interview ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen. Auf 132 Seiten bietet das Magazin ausführliche Interviews, viele Porträts und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare liegen in vielen Geschäften im gesamten Bochumer Stadtgebiet kostenlos aus. Es ist außerdem direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) erhältlich.

(Foto: Imago / Revierfoto)

Paciencia, Kwarteng & Co.

Neues VfL-Personal: „Hoffentlich gibt es viel Unzufriedenheit“

Der VfL Bochum hat seine Fans am vergangenen Freitag ganz schön zappeln lassen. Erst nach Mitternacht bestätigte der Bundesligist die Meldung, dass die Verantwortlichen am letzten Tag der Sommer-Transferperiode doch noch einen neuen Mittelstürmer gefunden haben. Sein Name: Goncalo Paciencia. Der Portugiese ist in der Bundesliga kein Unbekannter. Paciencia ging zwischen 2018 und 2022 für Eintracht Frankfurt auf Torejagd, in der Saison 2020/21 wurde er an den FC Schalke 04 verliehen. In 67-Bundesliga-Partien gelangen dem 29-Jährigen 14 Tore. Mit den Hessen gewann Paciencia 2022 außerdem die Europa League.

Pacienca ist ein Zielspieler

​Im vergangenen Sommer zog es den 1,84-Meter-Mann dann weiter nach Spanien. Vom Erstligisten Celta Vigo wurde Paciencia nun für ein Jahr nach Bochum ausgeliehen, dem Vernehmen nach ohne Kaufoption. „Wir wollten uns im Angriff unbedingt noch einmal verstärken. Mit Goncalo Paciencia haben wir die ideale Lösung gefunden“, sagt VfL-Sportdirektor Marc Lettau, dessen erste Transferperiode in dieser Funktion nun hinter ihm liegt. Patrick Fabian, Geschäftsführer Sport der Bochumer, ergänzt: „Goncalo kennt die Bundesliga sehr gut, er weiß, worauf es in dieser Liga ankommt und wird keine lange Eingewöhnungszeit brauchen.“

Paciencia, über den charakterlich nur Gutes zu hören ist, ist auf dem Platz ein kopfballstarker Zielspieler, ähnlich wie Philipp Hofmann. Allerdings ist der Leihstürmer etwas kleiner und weniger robust, dafür beweglicher und technisch stärker. Zuletzt setzten ihn noch Wadenprobleme außer Gefecht, doch Paciencia ist auf dem Weg der Besserung. „Er wird am kommenden Montag voll ins Mannschaftstraining einsteigen“, erklärte Trainer Thomas Letsch nach dem Testspiel gegen VV St. Truiden am Donnerstag. Paciencia schaute beim 1:1 also nur zu. Dafür feierte ein anderer Neuzugang sein Debüt im VfL-Dress: Moritz-Broni Kwarteng.

Kwarteng und Förster wieder fit

Der vom 1. FC Magdeburg verpflichtete Offensivallrounder ist immerhin Bochums teuerster Sommereinkauf. Kwarteng verpasste allerdings die gesamte Saisonvorbereitung und die ersten Pflichtspiele wegen einer Schambeinproblematik. Erst kürzlich ist er ins Mannschaftstraining eingestiegen. Gegen den belgischen Erstligisten kam Kwarteng erstmals über 30 Minuten zum Einsatz. Philipp Förster, der ebenfalls große Teile der Vorbereitung sowie den Saisonstart versäumt hat, spielte gegen St. Truiden sogar über 90 Minuten. Damit stehen Trainer Thomas Letsch in der Offensive wieder weitaus mehr Optionen zur Verfügung als zuletzt.

Auf praktisch jeder Position herrscht ein gesunder Konkurrenzkampf, ganz besonders im zentralen Mittelfeld. Aber nicht nur dort gibt deutlich mehr Spieler als Kaderplätze. „Ich wüsste nicht, wann wir das beim VfL Bochum in dieser Form so hatten“, sagte Letsch schon jüngst nach dem Auswärtsspiel in Augsburg. Der Fußballlehrer steht vor schwierigen Entscheidungen, die er aber nicht fürchtet: „Hoffentlich gibt es viel Unzufriedenheit. Denn das würde bedeuten, dass die Spieler, die gerade nicht spielen dürfen, mit ihrer Rolle nicht einverstanden sind. Sie müssen ihre Unzufriedenheit dann nur in die richtige Richtung lenken und sich wieder anbieten.“

Neuzugänge drängen ins Team

Die Transferbilanz in diesem Sommer stützt die These des Fußballlehrers. Kein Leistungsträger aus der vergangenen Saison hat den VfL Bochum verlassen, lediglich erweitertes Stammpersonal wie Dominique Heintz oder Konstantinos Stafylidis sowie Publikumslieblinge wie Simon Zoller und Gerrit Holtmann. Im Gegenzug haben Lettau und Fabian neun externe Neuzugänge für den Revierklub begeistern können. Vier von ihnen standen zuletzt schon in der Startelf, drei weitere saßen auf der Bank. Im kommenden Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt könnten mit Moritz-Broni Kwarteng und Goncalo Paciencia noch zwei weitere dazukommen.


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(Foto: Imago / Team 2)