Bochum in Gais

Auf dem Weg zur Wunschelf: Zeidlers Ziel fürs Trainingslager

Die Sachen sind längst gepackt. Für den VfL Bochum geht es ab Sonntag für genau eine Woche ins Trainingslager nach Italien. Im kleinen Örtchen Gais bei Bruneck, das den Bundesligisten nun zum vierten Mal beherbergt, beginnt die zweite und zugleich entscheidende Hälfte der Saisonvorbereitung. Um in Südtirol beste Trainingsbedingungen vorzufinden, haben die Bochumer sogar extra einen Greenkeeper beauftragt, der den im vergangenen Jahr etwas ramponierten Rasen auf Vordermann bringen sollte. Vom Zustand des Untergrundes dürfen sich in diesem Jahr alle 24 Feldspieler, drei Torhüter sowie die Nachwuchskräfte Hugo Rölleke, Kacper Koscierski und Alessandro Crimaldi überzeugen. Das gesamte Trainerteam, zahlreiche Betreuer, Funktionäre und Klubmitarbeiter sind ebenfalls in Gais dabei. Etliche Fans begleiten den VfL-Tross, natürlich auch zu den Testspielen. In Brixen treten die Bochumer gegen den italienischen Zweitligisten Spezia Calcio an, zudem nehmen sie in Bozen an einem Turnier gegen den Champions-League-Teilnehmer FC Bologna und den Zweitligisten FC Südtirol teil.

Testspiele mit neuen Prioritäten

Für das Team von Trainer Peter Zeidler sind es wichtige Tage. Die Testspielleistungen gegen zwei Oberligisten, einen Drittligisten und einen Zweitligisten waren teilweise ordentlich, in längeren Phasen aber auch stark verbesserungswürdig. Zeidler wechselte in allen vier Partien zur Halbzeit jeweils komplett das Personal und gewährte somit fast jedem Spieler die gleiche Einsatzzeit. Damit sei nun aber Schluss, verriet Zeidler bereits nach dem Auftritt in Magdeburg. Der 61-Jährige wird nun also versuchen, eine potenzielle A-Elf für den Pflichtspielstart Mitte August zu finden. Nachdem Zeidler seine Teams gegen Ahlen, Velbert und Aachen noch unterschiedlich durchmischt hat, veränderte er sie gegen Magdeburg kaum noch. Das Team, das in Aachen begonnen hatte, absolvierte in sehr ähnlicher Besetzung die zweite Halbzeit in Magdeburg – und umgekehrt. Dass diejenigen, die in Aachen zunächst auf der Bank saßen und in Magdeburg beginnen durften, in beiden Begegnungen jeweils deutlich schwächer waren, vor allem in der Defensive, ist eine erste wichtige Erkenntnis. 

Dem stärkeren Team gehörten unter anderem die beiden Neuzugänge Ibrahima Sissoko und de Wit an. Sissoko überzeugte mit seiner körperlichen Präsenz und seiner Spielintelligenz, de Wit mit seiner Laufstärke und einem Kopfballtor gegen Aachen. Speziell der Niederländer scheint aber noch einige Tage oder Wochen zu benötigen, bevor er das gewünschte Niveau erreicht und sich vollumfänglich in die Mannschaft integriert hat. Von den fünf Neuen trat auch Torhüter Patrick Drewes positiv in Erscheinung. In Magdeburg bewahrte er den VfL mit starken Paraden vor der ersten Testspielniederlage. Dagegen sind Flügelstürmer Samuel Bamba und Mittelfeldspieler Niklas Jahn nach derzeitigem Stand noch keine Option für einen Startelfplatz in der Bundesliga ist, wobei Jahn mit seiner engagierten Spielweise bislang deutlich mehr überzeugt hat als Bamba, der beispielhaft für das Leistungsgefälle im Bochumer Kader steht. Einige Spieler haben ihren Stammplatz mangels Alternativen schon fast sicher, auf anderen Positionen herrscht generell noch ein Vakuum – vor allem auf den offensiven Außenbahnen.

Peter Zeidler hat in den bisherigen Vorbereitungsspielen entweder auf das leicht favorisierte 4-4-2-System mit einer Mittelfeldraute oder aber auf ein 4-3-3 gesetzt. Doch für die letztgenannte Variante fehlen speziell auf den offensiven Außenbahnen die personellen Optionen. Mit Jordi Osei-Tutu planen die Verantwortlichen definitiv nicht mehr. Leihrückkehrer Gerrit Holtmann erhält nach zwei mehr oder weniger verkorksten Jahren zwar eine neue Chance und möchte diese unbedingt nutzen, ob er aber wieder die Form erreicht, die ihn in Bochum zum Publikumsliebling hat werden lassen, werden erst die nächsten Wochen zeigen. In den Testspielen fiel er bislang nur sporadisch auf. Theoretisch wäre auch Moritz Kwarteng eine Option als Flügelstürmer, doch wann der teuerste Neueinkauf des vergangenen Sommers überhaupt wieder zur Verfügung steht, ist noch offen. Auch im Trainingslager wird er nach seinem Innenbandanriss allenfalls ein reduziertes Programm absolvieren. Ohnehin weiß noch niemand so wirklich, wie gut Kwarteng im gesunden Zustand überhaupt ist.

VfL benötigt noch Verstärkung

Es könnte also helfen, wenn der VfL tatsächlich noch einen agilen Angreifer verpflichtet, der im Idealfall in beiden Systemen seinen Platz finden würde. Darüber hinaus fahndet Sportdirektor Marc Lettau nach einer neuen Nummer eins fürs Bochumer Tor. Ein zusätzlicher Verteidiger wird aus wirtschaftlichen Gründen derzeit nicht mit besonderem Nachdruck gesucht, steht aber ebenso noch auf der erweiterten Wunschliste wie ein Kreativspieler. Rein zahlenmäßig sind die Bochumer in der Abwehr und Mittelfeld zwar schon ordentlich aufgestellt, die Qualitätsfrage muss nach zwei Spielzeiten in Folge mit mehr als 70 Gegentreffern und dem Verlust von Spielgestalter Kevin Stöger trotzdem gestellt werden. In den ersten vier Testspielen punkteten im Vergleich zur Vorsaison vor allem Maximilian Wittek sowie mit Abstrichen Noah Loosli und Lukas Daschner. Cristian Gamboa und teilweise auch Erhan Masovic sammelten dagegen kaum Argumente in eigener Sache. Weitere Tendenzen dürften sich nun in Gais ergeben. Anschließend steht nur noch die Generalprobe am 10. August in Le Havre auf dem Programm.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Tief im Westen

Fünf Jahre VfL-Magazin: Danke für eure Unterstützung!

So schnell verfliegt die Zeit. Vor exakt fünf Jahren, am 24. Juli 2019, erschien auf dieser Website der erste Artikel. Damals ging es um die Vorbereitungen auf die anstehende Zweitliga-Saison. Heute, im Jahr 2024, warten wir sehnsüchtig auf das vierte Bundesliga-Jahr in Folge. Und das Projekt, die Berichterstattung über den VfL Bochum in Eigenregie fortzusetzen, läuft erfolgreicher denn je. Tief im Westen – Das VfL-Magazin hat sich in der Bochumer Medienlandschaft längst etabliert.

Doch ohne Unterstützung lässt sich ein solches Portal nicht auf die Beine stellen und fünf Jahre als Herzensprojekt neben der eigentlichen Lohnarbeit betreiben. Mit einem einzigartigen Konzept setzt Tief im Westen – Das VfL-Magazin auf die Unterstützung der Bochumer Fußballfans. Ein Crowdfounding hat im Sommer 2019 dafür gesorgt, dass die Finanzierung mit der Hilfe von mehr als 170 Leserinnen und Lesern sowie 17 Unternehmen für mindestens zwei Jahre gesichert war. Ihnen gebührt bis heute ein großer Dank! Mehr als 400 Unterstützerinnen und Unterstützer sind in den Monaten und Jahren danach hinzugekommen, und viele Mitglieder der Crowd haben sich erneut finanziell beteiligt, um die anfallenden Kosten für Fotos, den Server und Reisen zu wichtigen VfL-Spielen zu decken.

Auch ohne die tatkräftige Unterstützung von Freunden, Kollegen oder Dienstleistern wäre dieses Magazin nie entstanden. Ein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle dem Entwickler dieser Website. Ohne die Hilfe von Daniel Busch, einem langjährigen Freund und VfL-Fan, wäre dieser Text wahrscheinlich nie erschienen. Er betreut das Magazin seit dem Start vor fünf Jahren, kümmert sich um technische Updates, die Sicherheit und die Erreichbarkeit der Website. Denn die Zugriffszahlen sind kontiniuerlich gestiegen. Allein in den zurückliegenden zwölf Monaten verzeichneten wir 1,86 Millionen Seitenzugriffe, das sind im Schnitt rund 5.000 am Tag.

Ihr wisst: Um einen echten Mehrwert zu bieten, gibt es an dieser Stelle keinen klassischen Ergebnisjournalismus, sondern leidenschaftliche, kritische und fundierte Berichterstattung über den VfL Bochum. Mehr als 800 Texte sind seit der Gründung vor fünf Jahren erschienen. Natürlich steht das aktuelle sportliche Geschehen im Mittelpunkt. Doch es gibt so viel mehr, was rund um den Klub passiert. Vieles von dem soll hier abgebildet werden, sofern es die Zeit zulässt. Denn Tief im Westen – Das VfL-Magazin wird nach wie vor nur „nebenbei“ betrieben. Das war so, und das bleibt so. In diesem Sinne: auf die nächsten gemeinsamen Jahre! Danke für eure Unterstützung! Glück auf!


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(Foto: Marc Niemeyer)

Kaderplanung

Noch zwei Verstärkungen: Wieso für mehr Neue das Geld fehlt

Die Ungeduld ist spürbar. Elf Spieler haben den VfL Bochum in diesem Sommer verlassen. In einigen Fällen war dies der Wunsch des Vereins, in anderen der Wunsch des Spielers. Vier bis fünf Stammkräfte stehen auf der Abgangsseite. Und umgekehrt? Fünf externe Neuzugänge hat Sportdirektor Marc Lettau bislang präsentiert, darunter aber nur zwei Spieler, die fest für die Startelf eingeplant sind. Ibrahima Sissoko nimmt den Kaderplatz von Patrick Osterhage ein, Dani de Wit den von Kevin Stöger – auch wenn die beiden Neuverpflichtungen andere Spielertypen sind als ihre Vorgänger. Nach jetzigem Stand ist der Kader schwächer besetzt als in der vergangenen Saison, quantitativ wie qualitativ.

Einnahmen durch Osterhage-Transfer

Die erste Zielmarke ist klar: In gut vier Wochen steht das erste Pflichtspiel an, der VfL ist dann im DFB-Pokal zu Gast beim Zweitliga-Aufsteiger Jahn Regensburg. Generell hat sich in der Bundesliga bislang nur wenig auf dem Transfermarkt getan. 72 Neuzugänge – ohne Rückkehrer, Eigengewächse oder nach einer Leihe nun fest verpflichtete Spieler – vermeldeten die Erstligisten bislang, das sind exakt vier pro Klub. Dem steht eine fast doppelt so große Zahl an Abgängen gegenüber. Mit fünf Neuen und elf Verabschiedungen liegt der VfL also in etwa im Ligaschnitt. Wirtschaftlich ist das allerdings nicht der Fall. Bei neun Klubs liegt die Investitionssumme allein für Ablösezahlungen im zweistelligen Millionen-Bereich, bei sechs anderen ist sie zumindest einstellig.

Umgekehrt hat die Hälfte aller Klubs auch schon höhere Transfereinnahmen als der VfL erzielt. Der FC Augsburg hat mehr als 20 Millionen Euro kassiert, der 1. FC Heidenheim mindestens 15 Millionen Euro. Der VfL hat bislang nur eine Ablöse für den Wechsel Patrick Osterhage erwirtschaftet, die brutto bei rund fünf Millionen Euro liegt. Die Bochumer nutzen diese Summe für ihren neuen Kader, allerdings nicht für Ablösesummen. Das Geld aus dem Osterhage-Verkauf fließt in den diesjährigen Lizenzspieleretat, um das Niveau von rund 40 Millionen Euro zu halten. Diese Summe haben die Bochumer in der vergangenen Saison nur erreicht, weil sie die Transfererlöse aus dem Sommer 2022 teilweise nachträglich investiert haben und zusätzlich noch ein Minus in Kauf genommen haben.

Noch Geld für zwei Verstärkungen

Trotzdem fragen sich viele Fans: Warum muss sich der VfL nach zahlreichen Abgänge von Leistungsträgern auf dem Transfermarkt so zurückhalten? Tatsache ist: Sieben der elf Abgänge kassierten ein überdurchschnittliches Gehalt. Dieses Geld wurde in Dani de Wit und Ibrahima Sissoko investiert, die beide zu den absoluten Topverdienern gehören. Außerdem muss der VfL derzeit einen zusätzlichen Cheftrainer sowie die Leihrückkehrer Gerrit Holtmann und Jordi Osei-Tutu entlohnen. Die beiden Flügelspieler sollen ebenfalls ein überdurchschnittliches Gehalt kassieren. Somit stehen nur noch die finanziellen Mittel für zwei weitere Neuzugänge in ungefähr dieser Größenordnung bereit. Einer davon könnte noch vor dem Trainingslager vorgestellt werden, also diese Woche.

Die Bochumer wollen schon seit längerer Zeit einen agilen Angreifer verpflichten, der als zweite Sturmspitze und im Idealfall auch auf den Außenbahnen auflaufen kann, der schnell und abschlussstark ist. Die Verpflichtung von Sven Michel scheiterte im vergangenen Sommer, weil sich der Spieler aufgrund eines höher dotierten Angebots aus Augsburg plötzlich umentschieden hat. Im Winter waren Marco Grüll und Mikkel Kaufmann Kandidaten, doch bei Grüll stieg plötzlich die Ablöse und Kaufmann sagte am vorletzten Transfertag ab, weil er sich in Berlin nach dem Abgang eines anderen Stürmers doch noch durchsetzen wollte. In diesem Sommer platzte der Deal mit Georgios Masouras, der seinen Vertrag bei Olympiakos Piräus plötzlich doch verlängert hat.

Neuer Stürmer soll bald kommen

Nun könnte die Wahl möglicherweise auf Pontus Almqvist fallen. Der 25-Jährige stammt aus Schweden und war zuletzt als geliehene Stammkraft bei US Lecce in der italienischen Serie A aktiv. Eigentlich steht er bei FK Rostov in Russland unter Vertrag, dort möchte Almqvist aufgrund der politischen Situation aber nicht bleiben. Die FIFA ermöglicht über eine Sonderregelung den Wechsel in eine andere Liga. Ein Insider mit einer sehr guten Trefferquote hat den Namen über das Forum von Transfermarkt ins Spiel gebracht. Dahinter verbirgt sich nachweislich ein Informant aus dem Klub. Die WAZ hält einen Wechsel indes für ausgeschlossen. Wie auch immer: Die Gerüchte um zwei Mittelstürmer, die zuletzt über verschiedene Medien verbreitet wurden, sind in jedem Fall zu vernachlässigen. Roko Simic von RB Salzburg und Antonio Colak von Parma Calcio passen beide nichts in Bochumer Suchprofil.

Transparenzhinweis: Der letzte Absatz dieses Artikels wurde aufgrund einer neuen Informationslage zwischenzeitlich angepasst.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Kader ist noch schwächer als im Vorjahr

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Kaderqualität.

Die Überschrift dieser Kolumne ist doppeldeutig. Das Wörtchen „noch“ lässt sich auf unterschiedliche Weise interpretieren. Entweder so: Der Kader des VfL ist nochmals schwächer als zu Beginn der vergangenen Saison, als die Bochumer erst am zehnten Spieltag ihr erstes Spiel gewannen – und sich den Klassenerhalt am Ende im Elfmeterschießen der Relegation sicherten. Oder so: Der Kader des VfL ist noch zu schwach, aber wird mit den richtigen Verstärkungen schon bald das gewünschte und erforderliche Niveau erlangen.

Klar ist: Dass die in der Vorbereitung auftretenden Schwächen ernstgenommen werden sollten, haben die Fehlstarts in den vergangenen zwei Jahren eindrucksvoll bestätigt. In den kommenden Wochen wartet also noch viel Arbeit auf den VfL – sowohl auf dem Trainingsplatz als auch auf dem Transfermarkt. Trainer Peter Zeidler wies nach dem Test in Aachen auf die Notwendigkeit weiterer Transfers hin und bekräftigte nach dem 1:1 in Magdeburg, in dieser Verfassung noch nicht konkurrenzfähig zu sein, wobei dies zum jetzigen Zeitpunkt der Saisonvorbereitung nicht verwunderlich sei. Trotzdem: Einige Schwachstellen lassen sich nicht einfach so wegtrainieren, und nicht jeder Spieler aus der zweiten Reihe wird plötzlich einen großen Qualitätssprung machen.

Vier Leistungsträger haben den Klub im Sommer verlassen. Inklusive Riemann sind es sogar fünf wichtige Spieler, die nicht mehr das VfL-Trikot tragen. Auf der anderen Seite stehen bislang nur zwei sichere Stammkräfte. Auch die Bankbesetzung ist eher schwächer geworden, das Leistungsgefälle innerhalb des Teams ist unübersehbar. Immerhin: Ein neuer Stürmer und ein Torwart sollen in den nächsten Tagen oder Wochen noch verpflichtet werden, doch das reicht eigentlich nicht. Die zuletzt zweitschlechteste Abwehrreihe der Liga wurde noch gar nicht verstärkt, ein neuer Spielgestalter fehlt ebenfalls, auch offensive Außenbahnspieler sind eher Mangelware. Das Dilemma: Für mehr als zwei Neue ist nach jetzigem Stand keine Kohle da. Der VfL spart nicht, er hat einfach nicht mehr Geld. Wer auf eine deutlich entspanntere Saison hofft, dürfte nach jetzigem Stand enttäuscht werden. 


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(Foto: Imago / Christian Schroedter)

Kaderplanung

Riemann-Nachfolger gesucht: Alles neu im VfL-Tor

Die Torhüterposition steht beispielhaft für den personellen Umbruch in diesem Sommer. Mit Manuel Riemann, Andreas Luthe, Michael Esser und Niclas Thiede war der VfL Bochum in der vergangenen Saison ausreichend wie prominent gesetzt. Aktuell deutet jedoch alles darauf hin, dass die Kaderplätze zwischen den Pfosten komplett neu vergeben werden. Luthe und Esser haben ihre Karriere beendet, mit Riemann wird nicht mehr geplant und nun steht auch Thiede vor dem Absprung. Der 25-Jährige verhandelt derzeit mit dem SSV Ulm. Beim Zweitliga-Aufsteiger könnte Thiede die Spielpraxis erhalten, die er in Bochum nicht bekommen dürfte. Ein Wechsel ist möglich, aber noch nicht sicher.

Kandidat Peretz ist verletzt

Beim VfL wäre Thiede in der neuen Saison bestenfalls die Nummer zwei, eher sogar die Nummer drei. Zwar haben die Bochumer ihrem Eigengewächs ein offenes Rennen mit Patrick Drewes versprochen, doch die Kombination aus Erfahrung und Spielpraxis spricht für den Neuzugang vom KSC. Zudem beabsichtigen die Bochumer nach wie vor, noch einen potenziellen Stammkeeper zu verpflichten, je nach Marktlage auch auf Leihbasis. Das Interesse an Daniel Peretz vom FC Bayern ist bekannt, nach jetzigem Stand lässt sich ein Transfer aber nicht realisieren, weil der Rekordmeister den israelischen Nationaltorwart behalten möchte – und weil Peretz verletzungsbedingt wochenlang ausfällt.

Die SportBild hat in dieser Woche zudem Moritz Nicolas als Kandidaten ins Spiel gebracht. Der 26-Jährige wird beim Bundesliga-Konkurrenten Borussia Mönchengladbach nur als Nummer zwei in die Saison gehen, obwohl er zuletzt in 27 von 34 Partien zur Startelf gehörte. Marc Lettau kennt Nicolas noch aus der geneinsamen Zeit bei Union Berlin, sein langfristiger Vertrag am Niederrhein würde auch eine Leihe ermöglichen. Schon im vergangenen Sommer war Nicolas kurz ein Thema beim VfL, die Bochumer verpflichteten auf Anraten von Ex-Torwarttrainer Peter Greiber aber Niclas Thiede. Konkrete Verhandlungen zwischen Nicolas und dem VfL gibt es derzeit allerdings (noch) nicht.

Drewes steht vorerst im Tor

Im Zweifel hätte der VfL auch keine Bedenken, zunächst mit Drewes in die Saison zu starten und erst gegen Ende der Transferperiode das Torhüter-Trio zu komplettieren, wobei das die sportliche Integration natürlich erschweren würde. Fest steht: Drewes wird beim anstehenden Testspiel in Magdeburg das Bochumer Tor hüten, da Thiede nicht nur wechselwillig, sondern auch verletzt ist. Er könnte bis zu drei Wochen ausfallen. Auf der Bank werden Paul Grave und Hugo Rölleke Platz nehmen. Grave ist nach seiner Leihe vom Wuppertaler SV zurückgekehrt, eine echte Perspektive besitzt er an der Castroper Straße aber nicht. Auch beim WSV absolvierte Grave nur zehn von 34 möglichen Partien.

Der 23-Jährige wünscht sich natürlich Spielpraxis, die er in Bochum allenfalls in der reaktivierten U21 erhalten würde. Dort möchte allerdings auch Rölleke spielen, der aus der eigenen U19 in die neue Oberliga-Mannschaft aufgerückt ist. Klar ist: Auf der Torwartposition wird sich in den kommenden Wochen noch einiges tun, nicht zuletzt auch deshalb, weil nach wie vor eine finale Klärung der Causa Riemann aussteht. Die Verantwortlichen sähen bei einer Rückkehr in den Profikader den Teamgedanken gefährdet, weshalb der langjährige Stammkeeper de facto suspendiert bleibt und nicht mit der Mannschaft trainieren darf. Ein anderes Trainingsangebot hat er abgelehnt, Riemann hält sich privat fit.

Nicht mehr nur lange Bälle

Im Idealfall findet der 36-Jährige bis Ende August einen neuen Klub, ansonsten könnte es auf eine Abfindung hinauslaufen. Wie auch immer: Mit dem Ende der Ära Riemann wird sich wahrscheinlich auch das Torwartspiel verändern. Riemann hat oft lange Bälle auf den Stoßstürmer geschlagen. Trainer Peter Zeidler möchte nach eigener Aussage lieber auf eine Mischung zwischen langen Bällen und einem geordneten Spielaufbau setzen. Jeder Torwart müsse mitspielen können, bekräftigte Zeidler in dieser Woche. Entsprechend sehen die Trainingseinheiten aus. Zeidler integriert die Schlussmänner immer wieder in Spielformen, um das Spielverständnis und die Spielintelligenz zu fördern.


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(Foto: Imago)

Saisonvorbereitung

Verbessern und verstärken: Zeidler sieht Gefälle im Team

Peter Zeidler lernt nicht nur seine neue Mannschaft, sondern auch eine neue Gegend kennen. Bislang war der 61-Jährige beruflich vor allem in Baden-Württemberg, Frankreich und der Schweiz unterwegs. Mit dem VfL gastierte er zu Beginn der Saisonvorbereitung in ganz unterschiedlichen Teilen von Nordrhein-Westfalen. Die Bochumer traten am Rande des Münsterlands, im Bergischen Land und in der Grenzregion zu Belgien und den Niederlanden an. In allen drei Fällen, bei den Oberligisten in Ahlen (3:1) und Velbert (5:1) sowie beim Drittligisten in Aachen (1:0) gingen die Bochumer als Sieger vom Platz.

Wunsch nach Neuzugängen

So richtig zufrieden ist Bochums neuer Trainer trotz des Dreifach-Erfolgs aber nicht. Nach dem Test in Aachen zieht er ein erstes kleines Zwischenfazit – mit gemischten Gefühlen. „Mein Eindruck ist, dass alle zuhören und dass wir dabei sind, einen gemeinsamen Weg einzuschlagen“, findet Zeidler zunächst lobende Worte für sein Team, lässt sich von den Ergebnissen gegen unterklassige Mannschaften aber nicht blenden. Die ersten drei Spiele hätten die Annahme bestätigt, dass die Mannschaft noch verstärkt werden müsse: „Es ist klar, dass wir noch ein paar Spieler brauchen. Wobei ich nichts fordern möchte. Die Tatsache, dass noch Spieler dazukommen sollen, ist ja nichts Neues.“ Zeidler verweist in diesem Zusammenhang auf die lange Liste an Abgängen: „Wenn ein Kevin Stöger weggeht, ein Takuma Asano, ein Christopher Antwi-Adjei, ein Keven Schlotterbeck und ein Patrick Osterhage, dann ist klar, dass etwas passieren muss. Mit Dani de Wit und Ibrahima Sissoko haben wir jetzt erst zwei neue Spieler für die Startelf. Aber wenn wir konkurrenzfähig sein wollen, müssen wir noch etwas machen.“

Die Frage ist nur: Auf welchen Positionen? Klar ist: Der VfL sucht noch einen potenziellen Stammtorwart und einen agilen Angreifer, der im Idealfall zentral und auch außen stürmen kann. Wunschkandidat Georgios Masouras wird nicht an die Castroper Straße wechseln, er hat seinen Vertrag bei Olympiakos Piräus verlängert. Auch Daniel Peretz, Ersatztorwart beim FC Bayern, ist derzeit nicht zu bekommen. Ihn würden die Bochumer gerne ausleihen. Neuzugänge für andere Positionen wird es zudem erst geben, wenn Spieler von der Gehaltsliste gestrichen werden können. Die Abwehr wurde in diesem Sommer noch gar nicht verstärkt, ein echter Spielgestalter fehlt ebenfalls noch; es sei denn, Lukas Daschner soll die Rolle von Kevin Stöger künftig einnehmen – oder Dani de Wit mit einer anderen Spielweise. Auch offensive Flügelspieler sind Mangelware, sofern Zeidler das in Aachen bevorzugte 4-3-3-System beibehält. Womöglich setzt der Fußballlehrer aber auch auf ein 4-4-2 samt Mittelfeldraute, das er schon in Sochaux und St. Gallen präferiert und in den ersten beiden Testspielen ausprobiert hat.

Längere Saisonvorbereitung

Fest steht jedenfalls: Unter Zeidler wird der VfL in der Abwehr mit einer Viererkette spielen. Das hat der neue Übungsleiter bereits mehrfach bekräftigt. Entscheidender als das System seien aber feststehende Prinzipien. „Wenn man gut und erfolgreich spielen möchte, braucht man eine gemeinschaftliche Idee“, sagte Zeidler bereits nach dem Testspiel in Velbert. In Aachen sah er schon „erste Ansätze“, aber zugleich die Notwendigkeit, noch „klarer und stabiler“ werden zu müssen, und zwar „in allen Spielphasen mit und gegen den Ball.“ Noch sind es fünf Wochen bis zum ersten Pflichtspiel, die Saisonvorbereitung ist länger als in den vergangenen Jahren. „Diese Zeit brauchen wir auch, damit die Mannschaft eine Identität entwickelt“, betont Zeidler.

So sieht es auch Anthony Losilla. Bochums Routinier sieht „immer noch viel Arbeit, um an den Abläufen zu arbeiten.“ Das sei nach anderthalb Trainingswochen mit einer „ziemlich neuen Mannschaft“ aber nicht verwunderlich. „Da ist Zeit Gold wert“, weiß der Mittelfeldspieler, der bereits seine zehnte Saisonvorbereitung im Trikot des VfL absolviert. Trainer Peter Zeidler fordere „viel Intensität, ein hohes Pressing und ein schnelles, vertikales Spiel nach vorne. Dafür müssen wir aber noch genauer und enger zusammenspielen“, betont Losilla, der in allen Testspielen gute und weniger gute Halbzeiten sah. Vor allem in Velbert und Aachen war das der Fall.

Gefälle innerhalb des Kaders

Zeidler schickte in allen drei Partien jeweils zwei komplett verschiedene Mannschaften für je eine Halbzeit ins Rennen. Speziell in Aachen war für die zahlreich mitgereisten VfL-Fans und auch für den Chefcoach ein „klares Gefälle“ zu erkennen. Die deutlich erfahrenere Startelf zeigte eine „ansprechende Leistung mit höherem Tempo und positiver Aggressivität“ und ließ gegen den Drittligisten aus dem Spiel heraus keine einzige Torchance zu. Neuzugang Dani de Wit nutzte eine Flanke von Felix Passlack zum 1:0. Nach dem Seitenwechsel schickte der Bochumer Chefcoach zumindest in der Offensive ein sehr junges Team ins Rennen, bei dem er „wenig Zusammenhängendes“ erkannt habe. „Wir haben viele Bälle verloren und sind oft hinterhergerannt. Positiv ist, dass wir uns gewehrt und trotzdem gewonnen haben.“

Das Niveau der Gegner steigt nun von Woche zu Woche. Das nächste Spiel am kommenden Samstag beim 1. FC Magdeburg wird ein echter Härtetest, denn der Zweitligist wird zwei Wochen später schon sein erstes Ligaspiel bestreiten. Bis dahin absolviert der VfL eine reine Trainingswoche inklusive der vom Ligaverband vorgeschriebenen Untersuchungen an der Ruhr Uni. Am Donnerstag wird auch EM-Teilnehmer Matus Bero in Bochum zurückerwartet. Er wird gegen Magdeburg aber wahrscheinlich noch pausieren. Für ihn verbleiben noch die Testspiele im Trainingslager sowie die Generalprobe am 10. August. Letzte Details sind noch zu klären, aber vieles deutet auf eine Fernreise hin. Der VfL wird voraussichtlich beim französischen Erstligisten Le Havre AC antreten. Im Gegensatz zu Nordrhein-Westfalen ist das für Peter Zeidler ein bekanntes Terrain.


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Debatte

VfL-Kolumne: Spielerverkäufe erhöhen die Kaderqualität

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Transfererlöse.

Jetzt auch noch Bernardo? Viele VfL-Fans sind gerade in Sorge, weil das Gerücht die Runde macht, dass Bochums bester Abwehrspieler den Verein noch in diesem Sommer verlassen könnte – und der Betroffene offen über einen Wechsel spricht. Nun: Überraschend ist all das nicht, wenn man sich die Leistungen des Brasilianers in Erinnerung ruft. Zweikampfstark, beweglich und gedankenschnell präsentierte er sich in der vergangenen Saison, auch neben dem Platz trat er stets professionell auf und eroberte mit seiner sympathisch-aufgeschlossenen Art die Herzen der Fans. Bei diesem Gesamtpaket ist es nur logisch, dass auch andere Klubs ein Auge auf den Linksfuß werfen.

Aus sportlicher Sicht wäre ein Abgang von Bernardo natürlich ein großer Verlust, zumal die Liste der verlorenen Stammspieler schon jetzt relativ lang ist. In punkto Kaderqualität wäre es für den Moment ein klarer Rückschritt – der im Anschluss weitere Fortschritte aber erst ermöglichen würde. Es klingt paradox, aber: Spielerverkäufe stärken die Kaderqualität, sofern die erwirtschafteten Mittel auf direktem Wege reinvestiert werden. Immer wieder war in diesem Sommer in den sozialen Netzwerken zu lesen und am Trainingsplatz zu hören, dass der VfL echte Verstärkungen brauche und in seinen Kader investieren solle. Doch bevor Geld ausgegeben wird, muss es logischerweise erst eingenommen werden. Transfererlöse sind dabei aus Bochumer Sicht der entscheidende Hebel. 

Das Wachstumspotenzial in anderen Bereichen ist begrenzt, der Verein kommt an seine natürlichen Grenzen, etwa mit Blick aufs Stadion. Mehr Tickets kann der VfL nicht verkaufen, weder für die Ostkurve noch für den lukrativen VIP-Bereich. Andere Vereinen machen es längst vor: Sie erhöhen ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, indem sie gute Spieler zum richtigen Zeitpunkt verkaufen. Bestes Beispiel: Der FC Augsburg. Vieles deutet darauf hin, dass der Bundesliga-Konkurrent des VfL seinen Angreifer Ermedin Demirovic für rund 20 Millionen Euro nach Stuttgart verkaufen wird. Es verwundert also nicht, dass die Augsburger die Ausstiegsklausel im Vertrag von Keven Schlotterbeck ziehen konnten – und der VfL leer ausging. 


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(Foto: Imago / Sven Simon)