Debatte

Kolumne: Der VfL verdient Solidarität, nicht Frankfurt

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Ereignisse auf den Rängen beim Spiel gegen Frankfurt.

Mit einer neuen Vorsängeranlage wollten die Ultras im Heimspiel des VfL Bochum gegen Eintracht Frankfurt für eine noch bessere Stimmung sorgen. „Selten haben wir Fans eine so große Rolle im Ruhrstadion gespielt wie aktuell“, schrieb die entsprechende Gruppe im Vorfeld der Partie auf ihrer Website und bat um ein konstruktives Feedback.

Zahlreiche Zuschriften an Tief im Westen – Das VfL-Magazin zeigen: Es herrscht Unverständnis. Monatelang hatten die Ultras um die Anlage gekämpft, nur um beim ersten Einsatz den organisierten Support einzustellen. Ganz offensichtlich haben sich die Bochumer mit den Ultras der Eintracht solidarisiert, nachdem sie ihre Zaunfahnen abnehmen mussten, weil diese Fluchtwege versperrten. Die Frankfurter verließen daraufhin den Block, und mit Ausnahme der Bochumer Ultras waren wohl alle Zuschauer ganz froh darüber.

Wie Szenekenner berichten, gab es allerdings auch innerhalb der beiden großen Bochumer Ultra-Gruppen unterschiedliche Meinungen, welches Verhalten nun richtig ist. Das Ergebnis aber war, dass die uneinsichtigen Frankfurter die Bochumer Kurve zumindest für diesen Tag gespalten haben. Dabei wäre es gerade in diesem Moment wichtiger gewesen, dass alle Bochumer Loyalität zum eigenen Klub zu demonstrieren. Wer im Vorfeld der Partie die Wichtigkeit der Unterstützung derart betont, sollte die Mannschaft nicht plötzlich im Stich lassen. Die Frage muss erlaubt sein: Was ist den Ultras im Zweifel wichtiger: Gesetzmäßigkeiten der Szene – oder, wie es sein sollte, der VfL? Das ist auch eine wichtige Frage für den Klub, der Ultra-Gruppen Privilegien einräumt und damit automatisch andere Fans benachteiligt.

Zumal die Folge einer solchen Aktion ist, dass sich die Ultras immer weiter isolieren, weil kaum noch ein Fan ihre Vorgehensweise nachvollziehen kann. Der Widerspruch zwischen ihrem Credo, dass der Verein über allem stehe, und ihren Handlungen ist unübersehbar. Das wiederum schadet dem gesamten Klub. Denn glaubwürdige Ultras sind nicht nur potenzielle Stimmungsmacher, sondern als kritisches Korrektiv wichtiger als viele ihrer Widersacher denken.


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(Foto: Marc Niemeyer)

1:3 gegen Frankfurt

Torfluch und Fluchttore: Bekannte Probleme in Bochum

Besucher des Ruhrstadions sollten besser keine Anschlusstermine haben. 50 Minuten länger als geplant mussten die 26.000 Zuschauer am Sonntagnachmittag in der Kälte ausharren, ehe Schiedsrichter Felix Zwayer die Partie zwischen dem VfL Bochum und Eintracht Frankfurt endlich anpfeifen durfte. Der Veranstalter und die Sicherheitsbehörden hatten ihm dies zuvor verwehrt, weil im Gästeblock mehrere Zaunfahnen über Fluchttoren hingen und damit Rettungswege versperrten. Das Thema ist nicht neu. Bereits im September 2023 und im Januar 2024 gab es ein fast identisches Problem. Wie damals die Anhänger aus Mönchengladbach und Stuttgart zeigten sich auch die mitgereisten Fans aus Frankfurt zunächst nicht einsichtig und waren erst nach langen Diskussionen mit ihren Fanbeauftragten und verschiedenen Verantwortlichen der Eintracht bereit, ihre Fahnen zu entfernen.

Frankfurter Entschuldigung

„Alle Fans und Vereine kennen die Regeln hier in Bochum. Sie wurden uns im Vorfeld kommuniziert und sind nicht verhandelbar“, sagte Eintracht-Geschäftsführer Philipp Reschke nach der Partie und entschuldigte sich ausdrücklich für das Verhalten der Frankfurter Fanszene. Diese war – wie alle Vereine, die in Bochum zu Gast sind – im Vorfeld über die baulichen Besonderheiten im Ruhrstadion informiert worden. Erst als ein Abbruch der Veranstaltung kurz bevorstand, entfernten die Frankfurter Ultras alle Fahnen, auch die ordnungsgemäß angebrachten, setzten auf der Tribüne Gegenstände in Brand und traten noch vor dem Anpfiff die Heimreise an. „Ich habe Verständnis dafür, dass die Fans ihre Banner präsentieren wollen. Aber es wurde klar kommuniziert, dass es um die Sicherheit im Stadion geht. Ich hätte mir eine frühere Einsicht gewünscht“, sagte VfL-Trainer Dieter Hecking später. 

Gemeinsam mit seinen Spielern hielt er lange sich in den Katakomben auf, ehe die Partie nach einer erneuten Aufwärmphase und mit erheblicher Verzögerung endlich begann. Immerhin: Geschadet hat dem VfL die lange Pause zunächst nicht. Die Bochumer erwischten den besseren Start und verzeichneten die gefährlicheren Torchancen. Doch es war die Eintracht, die ihre Möglichkeiten besser nutzte. Ein Doppelschlag binnen fünf Minuten brachte den Favoriten in Führung. „Wir haben zwei Geschenke verteilt. Beide Gegentore waren zu verteidigen“, bemängelte Hecking, der noch in der ersten Halbzeit verletzungsbedingt wechseln musste. Tom Krauß verließ das Spielfeld mit muskulären Problemen. Im Vergleich zum viel umjubelten 3:2-Sieg in München hatte Hecking nur den gesperrten Bernardo durch Rückkehrer Ivan Ordets ersetzt. Wobei der Abwehrchef keinen guten Tag erwischte.

Konkurrenz hat gewonnen

Mit dem hohen Tempo der Gäste hatten er und seine Teamkollegen immer wieder Probleme, und sie durften sich vor allem bei Torwart Timo Horn bedanken, dass der VfL im Spiel blieb. Die Bochumer erzielten zwar den Anschlusstreffer durch den eingewechselten Gerrit Holtmann, scheiterten danach aber entweder am starken Frankfurter Keeper Kaua Santos oder am eigenen Unvermögen, ehe die Frankfurter in der Nachspielzeit den Treffer zum 1:3-Endstand erzielten. Insbesondere Moritz Broschinski verpasste den Ausgleich, als er den Ball aus kürzester Entfernung am Tor vorbeischoss. „Den haben wir alle schon drin gesehen“, ärgerte sich Hecking und bilanzierte: „Es wäre ein gerechtes Unentschieden gewesen. Wir haben wieder leidenschaftlich gefightet. Leider hat uns vor dem Tor die Zielstrebigkeit gefehlt. Manchmal hätten wir konsequenter den Abschluss suchen müssen.“

Neu ist der Bochumer Torfluch nicht. Immer wieder verlor der VfL zuletzt Heimspiele gegen nominell stärkere Mannschaften, die nicht unbedingt stärker, aber in den entscheidenden Momenten torgefährlicher waren. „Wir drehen uns da im Kreis“, weiß auch Torschütze Holtmann. „Wir haben gegen Frankfurt nicht gesehen, dass da der Drittletzte gegen ein Team aus Europa spielt. Aber dann müssen wir die Chancen, die wir haben, auch nutzen. Das sind die Nuancen, die in diesen Spielen fehlen.“ Zwölf Tage haben die Bochumer nun Zeit, weiter daran zu arbeiten, ehe das nächste Spiel auswärts beim noch amtierenden Meister in Leverkusen ansteht. Weil St. Pauli und Heidenheim an diesem Wochenende siegreich waren und Union Berlin gegen die Bayern gepunktet hat, ist der Vorsprung aufs rettende Ufer auf fünf Punkte angewachsen und auch der Relegationsplatz wieder gefährdet. 

Aufarbeitung der Ereignisse

Das nächste Heimspiel absolviert der VfL derweil erst am 5. April gegen den VfB Stuttgart. Bochums Geschäftsführer Ilja Kaenzig kündigte eine Aufarbeitung der Fahnen-Problematik an, sieht die Lösung aber vor allem in der „Kooperationsbereitschaft“ der Fanszenen, weil sich die Regeln und die bauliche Situation nicht ändern werden. Schon jetzt bietet der Gästeblock im Ligavergleich vergleichsweise viele Möglichkeiten, Zaunfahnen legal anzubringen. „Was hat das mit Fankultur zu tun, wenn ein Spiel so massiv verzögert wird?“, fragt sich Kaenzig, der eine rabiatere Vorgehensweise des Ordnungsdienstes jedoch ablehnt. „Die Fahnen sind das Heiligtum der Gruppen. Wenn da jemand rangeht, droht eine Eskalation.“ Was zu der Schlussfolgerung führt, dass sich ein solcher Vorfall stets wiederholen kann. Stadionbesuchern sei deshalb empfohlen, immer etwas mehr Zeit einzuplanen.


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(Foto: Imago / Beautiful Sports)

Kandidat

Bochumer Sportchef-Suche: Gespräche mit Schmadtke

Der Zeitplan steht und wurde klar kommuniziert. Noch in diesem Monat möchte das Präsidium des VfL Bochum nach eigener Aussage einen neuen Sport-Geschäftsführer präsentieren. Mittlerweile ist der Kandidatenkreis deutlich kleiner geworden. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin gibt es in der Endauswahl mindestens einen prominenten Namen: Jörg Schmadtke. Der 60-Jährige war bis Mitte 2024 beim FC Liverpool beschäftigt und ist seither vereinslos. Schmadtke hat knapp 20 Jahre erfolgreich als Sportverantwortlicher in der Bundesliga gearbeitet, zuletzt beim VfL Wolfsburg und beim 1. FC Köln. Bei Hannover 96 und Alemannia Aachen war er ebenfalls sehr geschätzt und eine teils längere Zeit gemeinsam mit Dieter Hecking tätig, dem heutigen Cheftrainer des VfL Bochum.

Viele Gesprächsthemen

Schmadtke passt ins Bochumer Beuteschema. Er würde viel Erfahrung mitbringen, bräuchte keine große Einarbeitungszeit und würde eine weitere Zusammenarbeit mit Hecking sicher befürworten. Eine Einigung steht allerdings noch nicht unmittelbar bevor. Es gab lediglich erste Gespräche und die Absichtserklärung, diese fortzusetzen. Zu klären wären neben zahlreichen inhaltlichen Themen auch die Gehaltsfrage. Schmadtke hat zuletzt für einen der finanzstärksten Klubs der Welt gearbeitet. So oder so: Der neue Sportchef wird beim VfL direkt viel zu tun haben. Elf Spielerverträge laufen am Saisonende aus, zudem soll es zum Beispiel Veränderungen in der Scouting-Abteilung geben. Wahrscheinlich ist, dass zusätzlich zum Sport-Geschäftsführer noch ein Kaderplaner verpflichtet wird.

Fokus auf Erfahrung

Zunächst konzentriert sich die Suche aber auf einen Sport-Geschäftsführer. Michael Mutzel von Arminia Bielefeld, dessen Name medial häufiger genannt wurde, ist dafür kein Kandidat mehr. Gleiches gilt nach jetzigem Stand für Rachid Azzouzi und Oliver Kreuzer. Auch Sebastian Schindzielorz, über dessen Rückkehr nach Bochum immer wieder spekuliert wird, steht nicht zur Verfügung. Von vielen Fans wurde außerdem der Name Olaf Rebbe in den Ring geworfen, den Hecking aus Nürnberg kennt und schätzt, der dem Club als Sportdirektor außerordentlich hohe Transfereinnahmen bescherte und der seit Februar verfügbar ist. Bislang soll es aber keine Kontaktaufnahme gegeben haben. Dem Vernehmen nach bevorzugt der VfL ohnehin eine Lösung mit Erfahrung in der Geschäftsführung.


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Weitere Informationen und Hintergründe zur Bochumer Sportchef-Suche findet ihr hier:

(Foto: Imago / Eibner)

Andachten

Beten für den VfL: Heimspiele starten im Bochumer Fan-Dom

Göttlichen Beistand hätte der VfL Bochum in der ersten Saisonhälfte oft gut gebrauchen können. Doch ist es gerechtfertigt, für ein Fußballergebnis den lieben Gott um Unterstützung zu bitten? Besuche in einem Fußballstadion und in der Kirche könnten auf den ersten Blick gegensätzlicher nicht sein. Wer Stille und Inspiration sucht, findet sie vielleicht in einem der Gotteshäuser, nicht aber auf den Tribünen zwischen zigtausenden Menschen. Dort wird gegrölt, gefeiert oder geflucht. Jedoch: Fußballvereine wie Kirchengemeinden bieten gleichermaßen einen Raum für Gemeinschaft und Hingabe. Stadien verwandeln sich bisweilen in Tempel, in denen Rituale zelebriert werden. Der Fußball ist für viele Fans eine Ersatzreligion – und deshalb wird im Stadion mitunter sogar gebetet.

Das sieht Henri Krohn ganz ähnlich. „Was Menschen in der Kirche und einer Gemeinde finden, ist Akzeptanz und Wertschätzung. Das finden sie beim VfL auch“, sagt der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde in Bochum und zieht weitere Vergleiche: „Im Fußball gehören viele biblische Begriffe zum üblichen Sprachgebrauch: Glaube, Liebe, Treue, Heimat. Auch die Abläufe im Stadion haben Ähnlichkeit zu einem Gottesdienst: Es gibt einen Vorbeter, und die Gemeinde antwortet. Der große Unterschied ist nur: Was sich im Stadion abspielt, ist Religion, was sich in der Kirche und im Gottesdienst abspielt, ist Glaube.“ Krohn trägt das mit einer Überzeugung vor, die annehmen lässt, als würde er seinen Talar jedes Wochenende gegen ein Trikot eintauschen – von wegen. „Ich hatte mit Fußball bis zum vergangenen Sommer wenig am Hut. Das hat sich durch unser Projekt aber geändert und ich sehe, wie karitativ der Verein und seine Fans tätig sind. Das ist beeindruckend.“

Krohn ist einer der Initiatoren hinter dem Bochumer Fan-Dom, der seit August 2024 in der Lutherkirche am Stadtpark und damit in unmittelbarer Stadionnähe beheimatet ist. Das Projekt soll Fußballfans an den Spieltagen und im Idealfall auch darüber hinaus in die Kirche locken. Vor jedem Heimspiel öffnet der Fan-Dom für zwei kurze ökumenische Andachten, die von Pfarrer Krohn und seinem katholischen Kollegen Michael Diek gestaltet werden. „Willkommen ist selbstverständlich jeder, Fans aus Bochum genauso wie Auswärtige“, wirbt Krohn für einen Besuch in der Kirche. Passend zum jeweiligen Gegner sucht er vor den Heimspielen nach passenden biblischen Referenzstellen. „Gegen Leverkusen haben wir uns zum Beispiel auf David und Goliath bezogen.“ Musikalische Gruppen oder Fanclubs unterstützen die beiden Pfarrer dabei.

Abgerundet wird das Programm des Fan-Doms durch Sonderveranstaltungen wie einem Gedenkgottesdienst für verstorbene Fans. „Der Fan-Dom entstand in einem Kreativ-Workshop. Unterschiedliche Menschen aus der Leitungsebene der Gemeinde schwitzten einen Tag gemeinsam und brüteten dieses innovative Angebot aus. Die Idee des Fan-Doms konnte sofort alle begeistern“, erklärt Maike Siebold von der Kommunikationsagentur Beckdesign, die den Workshop geleitet hat und selbst von der Idee angetan ist: „Nur wenige Schritte von der Lutherkirche an der Klinikstraße entfernt liegt das Stadion. Tausende Fans strömen an jedem Spieltag an dem altehrwürdigen Gebäude vorbei. Nun öffnet es seine Türen für alle, die Schatten oder Wärme suchen.“

Krohn und einige Ehrenamtliche kümmerten sich in den Sommermonaten um die konkrete Umsetzung. Vor der Kirche blühen Pflanzen in den Vereinsfarben. Den Kirchturm ziert ein großes Banner, auf dem der Fan-Dom beworben wird. Im Inneren der Kirche sind blau-weiße Fußbälle, ein VfL-Trikot und sogar eine Flagge des Bundesligisten zu entdecken. „Wir verfolgen mit dem Fan-Dom zwei Ziele“, erklärt Krohn. „Zum einen wollen wir einen unserer Kirchtürmer wieder mehr in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stellen. Zum anderen wollen wir die Leidenschaft für Glaube und Hoffnung, also für den lieben Gott, mit der Leidenschaft für den Fußball verbinden.“ Krohn berichtet ohne Umschweife und Nachfrage von der sinkenden Akzeptanz und Relevanz der Kirche innerhalb der Stadtgesellschaft. „Wir werden nicht mehr, sondern immer weniger. Deshalb ist der Fan-Dom auch eine Art Zukunftsprojekt, um Menschen zurück in die Kirche zu bringen.“

Krohn weiß, wovon er spricht. „Ich hatte als Konfirmand eine völlig misslungene Begegnung mit einem Kirchenvertreter und bin erst später wieder in die Kirche zurückgekehrt“, berichtet der engagierte Pfarrer, der sich demnächst in den Ruhestand verabschieden wird, den Fan-Dom bis dahin aber noch bekannter machen möchte. Dabei kann er zum Glück auch auf die Hilfe des VfL setzen. Der Verein, insbesondere der langjährige Fanbeauftragte Dirk ‚Moppel‘ Michalowski, unterstützt das Projekt tatkräftig. „Wir haben dort offene Türen eingerannt“, berichtet Krohn, der mit dem bisherigen Zuspruch der Fans an Spieltagen zufrieden ist, aber zugleich noch Potenzial nach oben sieht: „Der Traum wären natürlich Kölner Verhältnisse.“ Dort marschieren am ersten Spieltag jeder Saison tausende Fans in und an den Dom. In Bochum ist das Projekt zunächst bis zum Saisonende befristet. „Anschließend schauen wir, wie es sich entwickelt hat“, sagt Krohn. Und bis dahin? „Wir beten weiter für den VfL.“ Göttlichen Beistand kann der Klub im weiteren Saisonverlauf sicher gut gebrauchen.

Vor dem Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt an diesem Sonntag (16.3.) wird es um 13 und 14 Uhr jeweils eine kurze Andacht unter dem Motto Äbbelwoi im Bembel trifft Fiege mit Bügel“ geben.

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Der Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen und wurde durch aktuelle Informationen ergänzt. Auf 100 Seiten bietet das Magazin viele Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.


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(Foto: Evangelischer Kirchenkreis Bochum)

Debatte

VfL-Kolumne: Corona hat den Fußball nicht verändert

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Lehren aus der Corona-Pandemie.

Neulich auf dem Weg zum Stadion fühlte ich mich wie ein Atheist in der Kirche. In der Bahn war ich der Einzige mit einer Maske im Gesicht. Viele Menschen in einem geschlossenen Raum – gerade im Winter ist das die beste Gelegenheit, krank zu werden. Zugegeben: Abseits von öffentlichen Verkehrsmitteln mache ich das auch nicht mehr. Aber alles, was wir während der Pandemie gelernt haben, zu verdrängen, halte ich für falsch.

Das gilt auch für den Fußball. Heute vor fünf Jahren, am 13. März, sagte die DFL den anstehenden Spieltag kurzfristig ab, darunter das Duell des VfL Bochum gegen Heidenheim. Das neuartige Corona-Virus versetzte nicht nur die Fußballligen, sondern das ganze Land in Angst und Schrecken. Doch war die Reaktion richtig? Eine faire Beurteilung gelingt nur auf Basis des damaligen Wissens. Die Übertragungswege waren noch nicht klar, eine Impfung oder Medikamente gab es nicht. Es war vernünftig, Vorsicht walten zu lassen. Erst später folgten Maßnahmen, die widersinnig waren, etwa, als die Stadien leer bleiben mussten, Kneipen mit Fans aber öffnen durften.

Das Verrückte ist: Der VfL hat von der Pandemie sportlich sogar profitiert. Die Auszeit im Frühjahr 2020, als der Abstieg in die 3. Liga drohte, kam zum richtigen Zeitpunkt. In dieser Phase wuchs ein Team zusammen, dem anschließend der souveräne Klassenerhalt gelang. Dieser war die Grundlage für den Bundesliga-Aufstieg, den der VfL ein Jahr später feierte – leider vor leeren Rängen. Doch die Fans kehrten bald zurück. „Der Fußball wird wieder boomen“, versprach VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Er behielt Recht.  

Ohnehin hat sich die Fußballwelt nicht verändert. Viele Klubs jammerten und bettelten ihre Fans zu Beginn der Pandemie regelrecht an, weil ihre Budgets trotz jahrelang prosperierender Einnahmen derart auf Kante genäht waren, dass sie ohne Spiele Zahlungsschwierigkeiten hatten. Kaenzig, der den VfL mit Weitsicht und Würde durch die Krise führte, prognostizierte damals, dass „die Summen, die für Spieler gezahlt werden, geringer werden“ und „alles etwas demütiger“ werden würde. Doch ein genereller Lerneffekt ist in der Branche fünf Jahre später nicht zu erkennen. Dabei kommt die nächste Pandemie ganz bestimmt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Aufwärtstrend

Wende mit Hecking: VfL nimmt direkten Klassenerhalt ins Visier

Etwas mehr als vier Monate ist es her, da nahm Dieter Hecking zum ersten Mal auf dem Trainerstuhl des VfL Bochum Platz. Der Revierklub hatte gerade eine 2:7-Pleite bei Eintracht Frankfurt kassiert und stand mit nur einem Punkt nach neun Spielen abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Selbst Optimist Hecking wollte und konnte die Rettung am Saisonende nicht zusichern: „Das kann ich nicht versprechen. Ich bin kein Messias, kein Zauberer. Im Moment sind wir nicht bundesligareif. Die Tabelle lügt nicht. Meine Aufgabe ist es, dieses Urteil zu revidieren.“

Rettendes Ufer im Blick

Das ist ihm eindrucksvoll gelungen. In der sogenannten Hecking-Tabelle steht der VfL vor dem Rückspiel gegen Frankfurt auf Platz zwölf, punktgleich mit Borussia Dortmund und RB Leipzig. 19 Punkte haben die Bochumer unter der Leitung des erfahrenen Fußballlehrers gesammelt; sieben mehr als Holstein Kiel und sogar 13 mehr als der 1. FC Heidenheim in diesem Zeitraum. Beide Klubs hat der VfL in der Gesamt-Tabelle bereits hinter sich gelassen und sich auf den Relegationsplatz geschoben. Auch der erste Nicht-Abstiegsplatz ist nur noch zwei Punkte entfernt.

„Wir sind jetzt das erste Mal seit meiner Ankunft in der Ausgangssituation, dass wir den direkten Klassenerhalt aus eigener Kraft schaffen können“, freut sich Hecking über die positive Entwicklung. Ausgerechnet am letzten Spieltag reist der VfL zum Auswärtsspiel ans Millerntor und könnte dort – wenn es nicht schon vorher gelingt – am Aufsteiger vorbeiziehen. So oder so: Der Glaube an den Klassenerhalt, sogar ohne eine erneute Relegationsteilnahme, ist bei den allermeisten Fans, in der gesamten Mannschaft und der Vereinsführung gleichermaßen zurückgekehrt.

VfL kämpft sich zurück

Das ist auch deshalb erwähnenswert, weil sogar intern die Skepsis zeitweise groß war, ob dem VfL nach seinem Horror-Start in die Saison die Wende noch gelingen kann. Auch vor gut einem Monat war sich Trainer Hecking noch fast sicher, dass seine Bochumer höchstens Platz 16 erreichen werden. „Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass es ein Dreikampf um den Relegationsplatz wird“, sagte Hecking, als der VfL gerade nur ein 2:2 bei Holstein Kiel erkämpft hatte. An der Castroper Straße hätte zu diesem Zeitpunkt wohl jeder Rang 16 als Endplatzierung zugestimmt.

Nun nehmen sie sogar wieder Platz 15 und damit den direkten Klassenerhalt ins Visier, natürlich beflügelt vom historischen 3:2-Erfolg auswärts bei Bayern München. „Nach der Niederlage gegen Hoffenheim waren hier alle noch todtraurig und viele haben gesagt: Jetzt kommen vier schwere Gegner. Ich habe meiner Mannschaft aber gesagt, dass wir in jedem Spiel eine Chance haben – vor allem, wenn wir so auftreten, wie wir das in München schlussendlich getan haben. Es ist uns jetzt schon mehrfach gelungen, in verloren geglaubten Spielen zu punkten.“

In keinem Spiel chancenlos

Sogar seine Auswärtsschwäche scheint der VfL abgelegt zu haben. Zuletzt haben die Bochumer in der Fremde dreimal nicht verloren. „Natürlich“, weiß Hecking, „müssen wir jetzt auch gegen Mannschaften punkten, die wir ungefähr auf Augenhöhe sehen.“ Der Spielplan bietet alle Möglichkeiten. Neben St. Pauli trifft der VfL auch noch auf Union Berlin und Heidenheim, die nach aktuellem Stand zu den direkten Konkurrenten zählen. Auch die auf dem Papier komplizierten Aufgaben sind lösbar, zumal die nächsten drei Gegner vor herausfordernden Wochen stehen.

Eintracht Frankfurt tritt drei Tage vor dem Gastspiel im Ruhrstadion in der Europa League an. Bayer Leverkusen kann mit seinen vielen Nationalspielern erst einen Tag vor dem Spiel gegen Bochum wieder gemeinsam trainieren, zudem fällt Top-Star Florian Wirtz aus. Und der VfB Stuttgart kämpft drei Tage vor dem Auftritt in Bochum um den Einzug ins DFB-Pokalfinale. Dass der VfL von solchen Konstellationen profitieren kann, hat er gegen die Bayern bewiesen, die zwischen zwei wichtigen Champions-League-Spielen einen Gang herunterschalten wollten und dafür bestraft wurden.


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(Foto: Marc Niemeyer)

3:2 in München

VfL feiert Sensationssieg: „Moment für die Ewigkeit“

Auswärtsfahrten nach München sind für die Fans des VfL Bochum meist nur aus touristischer Sicht ein Highlight. Bei frühlingshaften Temperaturen und Sonnenschein schlenderten etliche Bochumer am Samstagmorgen über den Marienplatz oder Viktualienmarkt, trafen sich zu Hunderten im Glockenbachviertel beim in München ansässigen Fanclub Bavaria Bochum oder feierten die seit Jahrzehnten bestehende Freundschaft mit den Anhängern des FC Bayern. Da ahnten sie noch nicht, dass sie nur wenige Stunden später Zeuge eines Sensationssiegs werden sollten. Mit 3:2 gewann der VfL in der Allianz-Arena, obwohl die Bochumer schon recht früh mit 0:2 in Rückstand lagen. Nach zwei 0:7-Pleiten in den vergangenen drei Jahren schwante den rund 5.000 mitgereisten VfL-Fans schon Böses.

Doch ihre Mannschaft kämpfte sich zurück. „Wir sind zu Beginn fast nur hinterhergelaufen“, merkte Trainer Dieter Hecking kritisch an. „Aber nach dem Anschlusstreffer und dem Platzverweis war der Glaube zurück.“ Die Bayern waren durch einen Doppelpack von Raphael Guerreiro in Führung gegangen, und wäre der Elfmeter von Serge Gnabry nicht am Pfosten, sondern im Tor gelandet, dann hätten die Bochumer wohl nur noch Schadensbegrenzung betreiben können. Weil Jakov Medic den Rückstand aber prompt verkürzte, keimte beim VfL wieder Hoffnung auf, die umso größer wurde, als Joao Palhinha nach seinem Foul gegen Georgios Masouras die Rote Karte sah. Die Bochumer kamen mit neuem Mut aus der Kabine, und glaubten spätestens nach dem Ausgleich durch Ibrahima Sissoko an einen Punktgewinn.

Zuletzt 1991 in München gewonnen

Dass Matus Bero die Partie in der 71. Spielminute sogar komplett drehte, sorgte für Verwunderung bei den erfolgsverwöhnten Bayern und für Ekstase bei den Bochumern. Doch bis zum Abpfiff war es da noch weit. Die Bayern, die zwischen den Champions-League-Duellen gegen Leverkusen im Grunde ihre B-Elf ins Rennen geschickt haben, wechselten bereits nach dem 2:2 ihre Top-Stars ein. Aber für echte Torgefahr konnten auch Harry Kane oder Jamal Musiala nur selten sorgen. Eher waren es die Bochumer, die mit zwei, drei gefährlichen Kontersituationen sogar an einer Vorentscheidung schnupperten. „Für meine Nerven hätten wir gerne das vierte Tor erzielen dürfen“, beklagte sich Hecking mit einem Schmunzeln, lobte aber zugleich die leidenschaftlich-disziplinierte Defensivleistung.

Das oft zitierte Bayern-Glück blieb aus, der VfL brachte das Ergebnis über die Zeit und bejubelte einen gefühlt einmaligen Erfolg. „Wir haben gerade nachgeguckt, wann der VfL zuletzt bei den Bayern gewonnen hat“, verriet Torhüter Timo Horn kurz nach dem Abpfiff. Vor 34 Jahren, 1991, gewann der VfL das bislang einzige Mal beim Rekordmeister. „Da waren die meisten von uns noch gar nicht geboren. Auch deshalb ist das ein Moment für die Ewigkeit“, betonte Horn, der nach seinem Patzer gegen Hoffenheim eine gute Leistung zeigte. Hecking schickte diesselbe Startelf ins Rennen, und sie zahlte das Vertrauen zurück. Kleiner Wermutstropfen: Bernardo sah die fünfte Gelbe Karte und wird am kommenden Sonntag gegen Frankfurt fehlen. Dafür könnten Ivan Ordets und Myron Boadu zurückkehren.

Erster Auswärtssieg der Saison

So oder so: Der VfL hat längst ein Faible für die Duelle gegen Top-Teams entwickelt. Gegen Leverkusen und Leipzig gelang jeweils ein Unentschieden, gegen Dortmund und nun auch gegen die Bayern sogar ein Sieg. „Ich weiß, was solche Momente im Abstiegskampf bedeuten“, sagte Bayerns Trainer Vincent Kompany voller Anerkennung. Der erste Auswärtssieg der Saison im 13. Anlauf ist doppelt hilfreich, emotional wie tabellarisch. „Alle sind glückselig“, stellte Hecking nach einem Kabinenbesuch mit einer kurzen Ansprache fest. „In München ein Spiel zu drehen und zu gewinnen, ist herausragend. Das ist Balsam für die Seele, für uns Spieler wie für die Fans. Es fühlt sich so an, als gäbe es für diesen Sieg zehn Punkte“, scherzte Horn. Aber auch die errungenen drei helfen dem Revierklub ungemein.

Nur noch zwei Zähler beträgt der Abstand auf den ersten Nicht-Abstiegsrang. „St. Pauli ist in Sichtweite, wir haben den direkten Klassenerhalt in der eigenen Hand“, betonte Hecking, dessen Freude aber zwischenzeitlich ein wenig getrübt wurde. Während der ersten Halbzeit musste ein junger VfL-Fan im Gästeblock reanimiert werden. Beide Fanlager stellten daraufhin ihren Support ein. Am Abend teilte der Verein mit, dass der Anhänger wieder stabil und ansprechbar sei. Die Erleichterung im Bochumer Fanlager war spürbar, und sie ließ auch wieder Feierstimmung aufkommen. Denn es ist die Hoffnung auf einen seltenen Tag wie diesen, die tausende Anhänger antreibt, ihrer Mannschaft Jahr für Jahr nach München zu folgen. Diesmal hatte die Reise nicht nur touristischen, sondern auch historischen Wert.


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(Foto: Imago / MIS)