1:1 in Kiel

Wegweisende Woche: Magdeburg, Manager, Moneten

Mit seiner abergläubischen Art weckt Uwe Rösler Erinnerungen an Peter Neururer. Der frühere VfL-Trainer betrat das Holstein-Stadion in Kiel trotz winterlicher Temperaturen einst mit Sandalen ohne Socken, weil er der Meinung war, dass die Kleidung aus der vorherigen Pokalrunde Glück bringen würde. Ähnlich denkt auch Rösler, der in seinem zweiten Spiel für die Bochumer erneut mit kurzer Hose an der Seitenlinie coachte, trotz Regen und steifer Brise. Es hat ja Glück gebracht im Heimspiel gegen Hertha BSC. Immerhin: Rösler bleibt ungeschlagen. Den Störchen trotzte seine Mannschaft am Samstagnachmittag ein 1:1 ab. Es ist das erste Unentschieden für den VfL in dieser Saison nach zwei Siegen und sieben Niederlagen. Angesichts der nach wie vor prekären Tabellensituation ist das Remis ein Gewinn – trotz des Ausgleichstreffers in der Schlussphase. Francis Onyeka hatte zuvor per Elfmeter für die Führung gesorgt.

Vertretbarer Elfmeter

Der Strafstoß war auf den ersten Blick strittig, bei genauerem Hinsehen aber regelkonform, weil Cajetan Lenz am Fuß getroffen wurde. Lenz, auf den Rösler große Stücke hält, war für Kjell Wätjen ins Team gerückt. Onyeka musste deshalb auf die rechte Außenbahn ausweichen – eine Idee, die nur teilweise aufging. Bochums Torschütze und Mann der Stunde hatte defensiv einige Probleme in einer 4-2-3-1-Formation gegen und einem 4-3-3-System mit dem Ball. Der Plan von Rösler: Kompakt stehen und das Spielfeld klein halten. Erneut überließen die Bochumer ihrem Gegner den Ball und lauerten auf Umschaltmomente. Letzteres gelang aber nur selten, generell brachte der VfL offensiv nur wenig zustande. Nach einer höhepunktarmen ersten Halbzeit nahm die Partie erst mit dem Foul an Lenz im Kieler Strafraum Fahrt auf. Onyeka verwandelte den fälligen Elfmeter souverän. Doch das Tor gab dem VfL keine Sicherheit.

Die Hausherren dominierten fortan das Spiel, erspielten sich die bessere Torchancen und belohnten sich dafür spät mit dem Ausgleich. Bester Bochumer war abermals Torwart Timo Horn, der das Unentschieden festhielt. Was ebenfalls auffiel: Nur mit taktischem Geschick ließen sich die Tempodefizite in der Abwehrreihe ausgleichen. Und: Erneut verlor der VfL in der Schlussphase die Ordnung; die vielen und teilweise sogar offensiven Wechsel waren wohl eher kontraproduktiv. „Wir selbst hatten gute Kontermöglichkeiten, wo wir mit dem letzten Pass zu schlampig waren. Da wäre noch mehr drin gewesen“, analysierte Rösler und erklärte: „Hintenheraus war der Plan, offensiv nachzulegen, weil wir das Spiel gewinnen wollten. Dadurch haben wir es den Kielern aber zu einfach gemacht, zu Torchancen zu kommen.“ Was eine wichtige Erkenntnis ist für die anstehende, sehr wegweisende Woche aus Bochumer Sicht.

Zwei wichtige Spiele

Am Dienstag geht es im DFB-Pokal zum Bundesligisten nach Augsburg, fünf Tage später empfängt der VfL den 1. FC Magdeburg zum Kellerduell der 2. Liga. Gegen den direkten Tabellennachbarn stehen die Bochumer gehörig unter Zugzwang. Scheitern sie, droht der Absturz auf den letzten Platz; gewinnen sie, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der VfL die Abstiegsränge in absehbarer Zeit verlässt. Die Partie in Augsburg ist vor allem aus finanzieller Perspektive von Bedeutung. Ein Weiterkommen würde den Bochumern eine Prämie von gut einer Million Euro in die Kasse spülen, die in der Saisonplanung nicht vorgesehen war. Damit ließen sich auch Wintertransfers realisieren, um Qualitätslücken im Kader zu schließen. Dass es die gibt, ist unübersehbar. Vor allem im Sturmzentrum fehlt eine Alternative zu Philipp Hofmann; auch die linke Abwehrseite und die rechte offensive Außenbahn sind nicht optimal besetzt.

Wer diese Transfers vorbereiten und finalisieren soll, ist noch offen, soll aber zeitnah geklärt werden. Johannes Waigand, Kadermanager und engster Vertrauter von Ex-Sportgeschäftsführer Dirk Dufner, wurde kürzlich beurlaubt. Stattdessen wird Simon Zoller Teil eines Kompetenzteams, ebenso wie Klubjurist Jonas Schlevogt. Zoller soll einen engen Draht zur Mannschaft pflegen, Schlevogt die Verhandlungen führen. Für die möglichst optimale Spielerauswahl soll ein Daten-Spezialist eingestellt werden. Einen klaren Sportchef oder einen zweiten Geschäftsführer wird es wahrscheinlich nicht geben. Die medial gehandelten Namen sind jedenfalls nicht (mehr) in der engeren Verlosung. Maximilian Hahn von West Ham United ist zu teuer, Leverkusens Bernd Korzynietz war nie wirklich ein Kandidat. Verantwortlich für die Gespräche ist Ilja Kaenzig. Die Idee für die neue Struktur kommt aber vor allem vom Präsidium.


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(Foto: Imago / Ole Jacobsen)

Präsidium

Mitgliederversammlung: Wahlrevolution beim VfL?

„Team Zukunft“ gegen „Wir für den VfL“ – bei der Präsidiumswahl in diesem Sommer standen sich zwei Wahlblöcke gegenüber. Die Mitglieder des VfL Bochum konnten sich bei der außerordentlichen Versammlung zwischen zwei Gruppen mit je fünf Personen entschieden. Fast zwei Drittel der Stimmen entfielen auf das Team um Andreas Luthe und Hans-Peter Villis. Die Satzung des VfL sieht seit geraumer Zeit eine en-bloc-Wahl vor. Sie wurde vor mehr als 20 Jahren beschlossen und soll einem konstruktiven Miteinander dienen. Für künftige Wahlen des Präsidiums – die nächste steht im Herbst 2029 an – könnte es aber eine gravierende Änderung geben. Zwei VfL-Mitglieder schlagen für die reguläre Versammlung am 18. November eine Anpassung der Satzung vor, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht.

Einzelwahl statt Teams

Die Initiatoren: Carina Gödecke, ehemalige NRW-Landtagspräsidentin, Leiterin der Mitgliederversammlung im Juni und Mitglied des Ehrenrats, sowie Andreas Eickhoff, Rechtsanwalt und bis vor wenigen Monaten Mitglied des Präsidiums. Sie wollen die Blockwahl abschaffen und schlagen vor, dass alle Präsidiumsmitglieder einzeln gewählt werden sollen. Schon jetzt kann die Mitgliederversammlung am Wahltag kurzfristig eine Einzelwahl beschließen. In der jüngeren Vergangenheit haben die Teams und Kandidaten aber zumeist angekündigt, dann nicht mehr antreten zu wollen. Die Mitglieder des VfL konnten sich also lediglich für eines der beiden Teams entscheiden. Gödecke und Eickhoff wollen die Einzelwahl zum Regelfall machen, um den Mitgliedern eine differenziertere Wahlmöglichkeit zu bieten.

Ihre Begründung: „Die von der Satzung des VfL derzeit vorgesehene Blockwahl beschränkt sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht der Mitglieder. Das passive Wahlrecht wird beschränkt, weil Einzelpersonen faktisch nicht die Möglichkeit haben, für die Wahl zum Präsidium zu kandidieren. Das aktive Wahlrecht wird beschränkt, weil die Mitgliederversammlung allenfalls die Möglichkeit hat, unter mehreren Blöcken zu wählen, sofern überhaupt mehrere Blöcke vorgeschlagen werden.“ Eine Änderung würde den Wahlablauf massiv verändern – und damit auch Einfluss auf die Besetzung des Präsidiums nehmen, das für alle wegweisende Entscheidungen des Vereins zuständig ist. Klar ist: Eine Einzelwahl würde die Mitbestimmungsrechte der Mitglieder stärken. Es gibt aber auch Gegenargumente.

Viele Vor- und Nachteile

Werden Kandidaten mit zu unterschiedlichen Vorstellungen sowie ähnlichen Kompetenzen gewählt, kann dies schnell zu Zerwürfnissen führen oder Entscheidungen bei Uneinigkeit verzögern. Wobei Eickhoff aus eigener Erfahrung dagegen argumentiert: „Das Ziel, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Vorgeschlagenen zum Präsidium sicherzustellen, wird durch eine Blockwahl nicht verlässlich erreicht.“ Er spielt damit auf die Spaltung des im Sommer abgewählten Präsidiums an, das 2022 gemeinsam angetreten war, aber nach gut zwei Jahren keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sah. Jedoch: Die Ungewissheit, wie ein Gremium aus fünf Einzelbewerbern aussehen wird, könnte Interessenten womöglich abschrecken. Vor allem prominente Bewerber bevorzugen vertraute Mitstreiter.

Wie erwähnt, wäre bei der Wahl im Juni wohl niemand angetreten, wenn die Versammlung kurzfristig eine Einzelwahl beschlossen hätte. Gleichwohl: Bei einer Satzungsänderung wären die Bedingungen künftig im Vorfeld klar. Und: Die meisten Klubs setzen bereits auf eine Einzelwahl, wobei es unterschiedliche Konstellationen gibt, auch Mischformen. Außerdem argumentieren Gödecke und Eickhoff, dass die Blockwahl „die von Zeit zu Zeit erforderliche Auffrischung des Präsidiums durch neue Mitglieder mit neuen Gedanken“ erschwere. Auch Einzelbewerber aus der Anhängerschaft könnten künftig antreten. Das öffnet die Tür für viele kluge Köpfe, aber – mit Verlaub – auch für Schaumschläger. Zudem bestünde die Gefahr, dass Einzelbewerber stets Wahlkampf in eigener Sache betreiben müssten.

Drei weitere Anträge

So oder so: Für die Suche nach passenden Kandidaten ist die Findungskommission zuständig. Diese soll, geht es nach Gödecke und Eickhoff, künftig mindestens zehn Mitglieder zur Präsidiumswahl vorschlagen. Damit diese stattliche Zahl überhaupt erreicht wird, schlagen sie eine Verjüngung der Findungskommission vor. Die Altersgrenze soll künftig bei 75 Jahren liegen. Aktuell sind drei von fünf Kommissionsmitgliedern älter. Dieser Antrag soll losgelöst von dem Vorschlag zur Einzelwahl behandelt werden. Es gibt zudem zwei weitere Anträge. Marc Pattmann schlägt vor, dass das Präsidium verpflichtet wird, eine anerkannte Fachkraft der Jugendhilfe aus Bochum zu kooptieren. Michael Kretschmann beantragt, dass der Fanclubvertreter automatisch auch in den Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaft einzieht.

Letzteres ist in diesem Sommer auf Wunsch des Präsidiums ohnehin erfolgt, die Garantie für eine personengleiche Besetzung von Präsidium und Aufsichtsrat gibt es aber nicht. Aktuell gehören dem Aufsichtsrat zum ersten Mal drei Personen an, die nicht ins Präsidium gewählt wurden. Hierfür haben die Gremiumsmitglieder sogar die Satzung der Kapitalgesellschaft geändert. Anschließend wurden Benedikt Steffen, Oliver Bartkowski und Lars Lammert in das Gremium berufen. Was viele nicht wissen: Die beiden Letztgenannten waren im Hintergrund wichtige Wahlkampfhelfer für das Team um Luthe und Villis. Eine solche Nachberufung von Vertrauten in ein wichtiges Klubgremium, vor allem so kurz nach der Wahl, würde durch eine Abschaffung der Blockbildung ebenfalls deutlich erschwert werden.


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(Foto: Imago / Revierfoto)

Talk

Rösler, Hofmann und die Fans: Podcast zum VfL-Sieg

Mehr als zwei Monate blieb der VfL Bochum ohne Punktgewinn. Gegen Hertha BSC gelang am Wochenende endlich der zweite Saisonsieg. In der vierten Podcast-Folge zusammen mit Einsachtvieracht sprechen wir über das gelungene Debüt von Trainer Uwe Rösler, die Leistung und die Vertragsverlängerung von Philipp Hofmann sowie über den geringeren Zuschauerzuspruch. Viel Spaß dabei!

Übrigens: Unser Podcast verursacht einige Kosten – etwa für die Plattform, über die wir aufnehmen, oder für Equipment, in das wir investieren wollen. Wir freuen uns über jede Zuwendung unter dem unten angegebenen PayPal-Link, damit wir dieses Format möglichst lange fortsetzen können. Vielen Dank für eure Unterstützung!


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3:2-Sieg gegen Hertha

Dank Rösler: Power, Punkte und ein klarer Plan

Frank Goosen wusste es schon länger: Der VfL Bochum ist der einzige Verein, für den es keinen sicheren Vorsprung gibt. Das Heimspiel gegen Hertha BSC gab dem Kabarettisten wieder einmal recht. Selbst eine 3:0-Führung nach 70 Minuten versetzte erfahrene Anhänger nicht in Ekstase. Zehn Zeigerumdrehungen und zwei Gegentore später bibberten sie und befürchteten das Schlimmste. „Ich habe die Angst gespürt. Ein Unentschieden wäre wie eine Niederlage gewesen“, sagte Trainer Uwe Rösler nach seinem geglückten Einstand. Der VfL verteidigte den Vorsprung mit großer Willenskraft und sicherte sich den zweiten Saisonsieg am neunten Spieltag. „Das war erst ein kleiner Schritt, aber wichtig für die Mannschaft, den Verein, die Stadt, für unser Selbstvertrauen und die Gemeinschaft“, freute sich Rösler.

Der neue Trainer des VfL zeigt gerne Emotionen. Schon vor dem Spiel, beim Warmmachen der Mannschaften, lief er zur Osttribüne, um die zunächst überraschten Anhänger einzupeitschen. Während des Spiels coachte Rösler lautstark an der Seitenlinie, gab immer wieder Anweisungen und pushte seine Spieler nach gelungenen Aktionen. Nach dem Abpfiff konnte es der 56-Jährige gar nicht abwarten, sie zur Kurve zu schicken. Die Erleichterung war spürbar, auf dem Platz wie auf den Rängen. Rösler wurde nach seinem ersten Spiel sogar namentlich gefeiert, weil er dem angeschlagenen Revierklub neue Hoffnung schenkt – mit einem verbesserten Auftritt, der kämpferisch wie läuferisch vorbildlich und fußballerisch immerhin ganz ordentlich war. Das Entscheidende aber: Am Ende gab es drei ganz wichtige Punkte.

Onyeka glänzt mit Doppelpack

Röslers Bochumer haben das nötige Spielglück förmlich erzwungen. Ein Eigentor brachte den VfL in Führung, dem 2:0 ging eine Einzelaktion des starken Francis Onyeka voraus. Der 18-Jährige avancierte zum Matchwinner, weil er auch das dritte Tor erzielte – und damit den vierten Doppelpack in weniger als zwei Wochen schnürte. Der deutsche Juniorennationalspieler hat zuletzt auch zuverlässig für die U19 des DFB getroffen. Dass Interimstrainer David Siebers diesen feinen Fußballer fast ignorierte, war schon länger unverständlich, ist es nach diesem Auftritt aber umso mehr. Rösler nahm weitere Änderungen vor, setzte auf eine 4-1-4-1-Formation und stabilisierte damit die gesamte Mannschaft. Die Raumverteilung wirkte klarer, die Abstände waren kleiner, auch wenn natürlich noch nicht alles glückte.

Dennoch: Matus Bero mit weniger Offensivaufgaben zu betrauen, erschien ebenso sinnvoll wie der Startelfeinsatz von Mats Pannewig und Kjell Wätjen, die über großes Potenzial verfügen und dieses phasenweise entfalteten. Sogar Philipp Strompf blühte auf, zeigte seine beste Saisonleistung. Wobei eine Schwalbe bekanntlich noch keinen Sommer macht. In jedem Fall aber widerlegte die Mannschaft die These von Ex-Trainer Dieter Hecking, dass eine Viererkette nicht zu ihr passen würde. Auch Angreifer Philipp Hofmann fühlte sich wohler und schüttelte den Frust der vergangenen Wochen ab. Er war an allen drei Treffern beteiligt und bedankte sich beim Trainer für seine neue Rolle als Strafraumstürmer. „Uwe erklärt viel, ist akribisch, hält das Training häufiger an. Er bringt Emotionen mit, die wir brauchen.“

Spieler loben Trainer Rösler

Hinter Hofmann lag eine turbulente Woche, nachdem seine schon im August vereinbarte Vertragsverlängerung erst am Montag durch medialen Druck vom Verein publik gemacht wurde. Das gefiel ihm nicht, erklärte er auf Nachfrage überraschend deutlich: „Ich finde, es wurde falsch kommuniziert. Man hätte es früher machen sollen. Entweder steht man zu seinem Stürmer oder nicht.“ Rösler schenkt Hofmann sein Vertrauen, verteilte das größte Lob aber an Onyeka und Torwart Timo Horn: „Bei Francis wollten wir das Momentum nutzen: Seine Leichtigkeit, aber auch seine Klasse und seinen Tordrang. Timo wiederum hat uns mit sensationellen Paraden den Sieg festgehalten.“ Horn wiederum gab das Lob an Rösler zurück: „Er kommuniziert viel und motiviert uns, geht sehr ins Detail. Das haben wir gebraucht.“

Auch die taktische Ausrichtung gefiel dem Schlussmann und Vize-Kapitän: „Wir sind keine Pressingmannschaft, weil wir in der letzten Kette nicht das Tempo dafür haben.“ Rösler hat den Kader in knapp zwei Wochen offensichtlich gut analysiert, traf nachvollziehbare Entscheidungen und wagte nichts Verrücktes. Der Lohn: Der VfL hat das rettende Ufer wieder im Blick und bei den Fans nach harten Monaten endlich für positive Emotionen gesorgt. Erstmals seit Ende der Corona-Pandemie war der Heimbereich nicht ausverkauft. „Die Mannschaft hat die Fans wieder hinter sich geholt“, stellte Horn nach Abpfiff fest, wobei Mitglieder der Fanszene am Vormittag zum sogenannten Anschwitzen kamen und den Spielern ihre Unterstützung zusicherten. Gemeinsam haben sie gezittert – und später zusammen gefeiert.


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(Foto: Imago / Team 2)

Training

Endlich Torgefahr? Rösler legt Fokus auf Standards

Das bislang einzige Bochumer Tor nach einer Ecke führte prompt zu drei Punkten. Im Heimspiel gegen die SV Elversberg Anfang August erzielte Ibrahima Sissoko den Führungstreffer und feierte anschließend mit seinen Teamkollegen den ersten Saisonsieg. Wohl niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass der Punktestand des VfL mehr als zwei Monate später unverändert ist. Die Lage ist prekär, viel Zeit für eine Trendwende bleibt nicht mehr. Der neue Hoffnungsträger heißt Uwe Rösler, der an diesem Samstag im Heimspiel gegen Hertha BSC seinen Einstand als Cheftrainer feiert. Mit vielen lautstarken Korrekturen, aber auch mit Lob und Aufmunterung hat der 56-Jährige seit seinem Amtsantritt an den zahlreich vorhandenen Defiziten gearbeitet. Die Trainingseinheiten sind intensiv.

Schlechte Hereingaben

Zum Erfolg führen möchte er den VfL unter anderem mit verbesserten Offensiv-Standards. Die fehlende Torgefahr nach ruhenden Bällen ist schon seit längerer Zeit ein unübersehbares Problem. Uwe Rösler hat es bereits vor seiner ersten Trainingseinheit thematisiert. „Fußballspiele werden in beiden Strafräumen entschieden. Standardsituationen machen den Unterschied“, sagte der 56-Jährige bei seiner Vorstellung. Bereits in der vergangenen Saison war der VfL bei Ecken und Freistößen erschreckend ungefährlich. Dieses Problem hat sich fortgesetzt, obwohl im Trainingslager an verschiedenen Varianten gearbeitet wurde. Allerdings: Schon da war zu erkennen, dass die eingeteilten Schützen nicht die besten sind. Mal zu kurz, mal zu lang – allzu oft kamen die Hereingaben von Matus Bero und Maximilian Wittek nicht da an, wo sie eigentlich landen sollten. Dabei ist es im bisherigen Saisonverlauf geblieben. Viele Alternativen gibt der Kader nicht her, wenngleich insbesondere Francis Onyeka ein Kandidat mit einem feinen Fuß wäre.

Auch ein neuer Co-Trainer

Käme der Ball präzise in den Strafraum, sollte Lufthoheit beim VfL eigentlich kein Problem sein. Insgesamt neun Feldspieler sind mindestens 1,90 Meter groß, einige andere nicht wesentlich kleiner. Zahlreiche Akteure haben also Gardemaß für Standardsituationen. Das will Rösler natürlich nutzen: „Wir haben viele Kopfballspieler, aber unsere Offensiv-Standards sind verbesserungswürdig.“ Erwischt der VfL den Ball in der Luft, ist er vielen Teams überlegen. Das belegt auch die Statistik. In dieser Saison haben die Bochumer ligaweit die drittmeisten Kopfballduelle gewonnen. Auch deshalb hat sich Rösler einen Co-Trainer ausgesucht, den er als „Experten für Standardsituationen“ bezeichnet: Alessandro Riedle. Der 34-Jährige absolvierte im Sommer 2013 als Spieler ein Probetraining beim VfL, wurde aber nicht verpflichtet. Zwölf Jahre später hat er endlich einen Vertrag an der Castroper Straße erhalten. Er komplettiert das Trainerteam, dem weiterhin auch Marc-Andre Kruska und Anthony Losilla angehören. Murat Ural, den einst Peter Zeidler mit nach Bochum gebracht hatte, wurde beurlaubt. Riedle war zuletzt als Co-Trainer für den FC Zürich tätig.

Verletzte und Angeschlagene

Dass Rösler generell einen großen Wert auf Standards legt, hat er in Dänemark bei Aarhus GF bewiesen. Spannend: Dort hat er die kopfballstärksten Spieler gezielt freiblocken lassen; eine Methode, die an Basketball erinnert und auch in Bochum zur Anwendung kommen könnte. Fraglich ist derzeit nur, auf welche Kopfballspieler Rösler zu Beginn seiner Amtszeit setzen kann. In den ersten anderthalb Trainingswochen musste der Fußballlehrer auf zahlreiche Akteure verzichten. Insgesamt fünf Startelfkandidaten waren auf Länderspielreise. Andere Profis fehlten verletzt, etwa Kevin Vogt, der sich einer kleinen Knie-OP unterziehen musste. Der Innenverteidiger soll aber möglichst bald, spätestens Anfang November, wieder mitwirken können. Ibrahim Sissoko, potenzieller Ersatz für den formschwachen Hofmann, musste das Training zweimal abbrechen. Beide wären mögliche Abnehmer von gut getretenen Standardsituationen.


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(Foto: Imago / Team 2)

Debatte

VfL-Kolumne: Nachvollziehbar, aber naiv

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zweimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Vertragsverlängerung mit Philipp Hofmann.

Die Meldung war keine Überraschung mehr. Es ging nur noch um die Frage, wann und wie sie publik wird. Schon seit Wochen kursierte in den sozialen Netzwerken die Information, dass der VfL Bochum den Vertrag von Philipp Hofmann über das Saisonende hinaus verlängert hat. Und ja: Es stimmt. Bereits Ende August einigten sich beide Parteien auf eine weitere Zusammenarbeit bis 2028, nachdem Hertha BSC ein Angebot für den Angreifer abgegeben haben soll.

Nun, dieser Fall hat drei wesentliche Aspekte. Erstens: Den sportlichen.  Hofmann nicht abzugeben, kann man kritisieren, ist aber grundsätzlich nachzuvollziehen. Der VfL soll sich gegen einen Verkauf entschieden haben, weil die gebotene Ablöse zu niedrig war und nach dem Abgang von Moritz Broschinski ohnehin ein Mangel an Stürmern herrschte. Angesichts von Hofmanns fußballerischen Darbietungen war eine Vertragsverlängerung aber alles andere als logisch. Das Argument, dass die Bochumer einen ablösefreien Abgang im kommenden Sommer verhindern wollten, kann bei einem dann 33-Jährigen nicht das entscheidende sein. Seine Leistungen rechtfertigten keine Verlängerung.

Zweiter Aspekt: Die Kommunikation. Der VfL hat seinen Mitgliedern die Verlängerung verheimlicht, wohl aus Angst vor Kritik. Als Fan würde ich jetzt fragen: Was verschweigt uns der Verein noch? Zumal: Liest dort niemand in den Foren und Netzwerken quer? Der Klub hätte erahnen können, dass die Meldung früher oder später in den Medien landet. Dem hätten die Verantwortlichen zuvorkommen müssen. Denn nun geht es um grundsätzliche Fragen der Transparenz und Kommunikation.

Und ein dritter Gedanke: Der VfL hat vermutlich nicht in böser Absicht gehandelt, sondern auch deshalb geschwiegen, weil er Hofmann schützen wollte. Auf den erfolglosen Angreifer prasselt seit Wochen teils heftige Kritik ein, sogar Beleidigungen und Bedrohungen. Kommunikationsstrategisch mag es auf den ersten Blick nachvollziehbar sein, auf einen möglichst passenden Moment zu warten. Auf den zweiten Blick, mit Kenntnis des überschaubaren und plauderfreudigen Umfelds, war das aber erschreckend naiv. Denn nun hat der Klub die Deutungshoheit verloren – und Vertrauen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Podcast

Startelf und System: Das sind Röslers Optionen

Mit einer stark ersatzgeschwächten Truppe kam der VfL Bochum im Testspiel gegen Alemannia Aachen nicht über ein 3:3 hinaus – trotz 3:1-Führung dank der Tore von Philipp Hofmann, Michael Obafemi und Ibrahim Sissoko.

Schon im Vorfeld haben wir uns in der dritten Folge unseres neuen Podcasts Gedanken darüber gemacht, auf welche Spieler und welche Herangehensweise Uwe Rösler als neuer Trainer des VfL Bochum demnächst setzen könnte – und auf welches System. Viel Spaß beim Zuschauen und Zuhören!


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(Foto: Marc Niemeyer)