Bochumer Spielmacher

Juwel Onyeka: Gerade volljährig – und gleich eine Verstärkung?

Kreative Köpfe und feine Fußballer gehörten beim VfL Bochum in der jüngeren Vergangenheit fast zum Inventar. Einst prägte Dariusz Wosz das Offensivspiel des Revierklub, zuletzt waren es die beiden Österreicher Robert Zulj und Kevin Stöger. Ohne Zulj wäre der VfL 2021 womöglich nicht aufgestiegen, und ohne Stöger wahrscheinlich früher wieder abgestiegen. Stögers Wechsel zu Borussia Mönchengladbach im Sommer 2024 veränderte die Bochumer Spielweise massiv, einen wirklichen Nachfolger gab es nicht. Neuzugang Dani de Wit war jedenfalls der falsche Spielertyp. Kein Wunder also, dass ihn die Verantwortlichen schon Ende Mai, kurz nach Saisonende, wieder ziehen ließen, um Platz zu schaffen für andere Spielertypen, die dem VfL nach dem Abstieg wirklich weiterhelfen sollen.

Onyeka kann helfen

Zum Beispiel Francis Onyeka von Bayer Leverkusen. Er kommt für eine Saison auf Leihbasis zum VfL – ohne Kaufoption. Das ist insofern bemerkenswert, weil der Mittelfeldspieler erst vor wenigen Wochen die Volljährigkeit erreicht hat. Ganz offensichtlich erwarten die Bochumer Verantwortlichen, dass er sich im Profifußball sofort zurechtfindet – anderenfalls ergibt die Leihe keinen Sinn. „Francis Onyeka gehört in Deutschland zu den talentiertesten Spielern seines Jahrgangs und hat eine außergewöhnliche Saison gespielt“, sagt Dufner. „Seine technischen Fähigkeiten sowie sein Offensivdrang haben unser Interesse geweckt, zumal er sich bereits bei den Profis an ein hohes Trainings- und Spielniveau gewöhnen konnte und überdies als Kapitän der U19 schon Verantwortung übernommen hat.“

Onyeka gilt als frühreifes Juwel, Leverkusens Trainer Xabi Alonso lobte ihn bereits für seine Spielintelligenz und Lernbereitschaft, was auch die charakterliche Eignung unterstreicht. Onyeka kann als sogenannter Zehner oder Achter eingesetzt werden. Mit seiner Dynamik kann der Linksfuß bei Bedarf sogar auf die Außenbahn ausweichen. Gebraucht wird er so oder so, denn Trainer Hecking erwartet einen „anderen Fußball mit mehr Ballbesitz“, was nur allzu logisch ist, wenn der VfL um den Aufstieg mitspielen möchte. Zudem gilt Onyeka als Standardspezialist, den der VfL dringend gebrauchen kann. Nur äußerst selten entstand in den zurückliegenden Saison Torgefahr nach ruhenden Bällen. Auch in dieser Hinsicht waren Zulj und Stöger einst prägend. In ihre Fußstapfen konnte bislang keiner treten.

Miyoshi soll bleiben

Dabei gab es neben de Wit gleich mehrere potenzielle Nachfolger als Spielgestalter. Zu nennen ist da Koji Miyoshi, der Last-Minute-Zugang aus dem vergangenen Sommer, aber auch Lukas Daschner und Moritz Kwarteng, die schon ein Jahr früher verpflichtet wurden und als Leistungsträger von Zweitligisten kamen. In der Bundesliga konnte aus diesem Trio jedoch keiner nachhaltig überzeugen. Womöglich kommt ihnen nun aber der Klassenwechsel entgegen. Miyoshi, der über einen bis 2028 laufenden Vertrag verfügt und für den die Bochumer sogar eine Ablöse gezahlt haben, ist jedenfalls fest eingeplant. „Bei ihm kann ich mir vorstellen, dass er uns in der 2. Liga mit seiner quirligen Art guttun wird“, betont Hecking. Miyoshi kann sowohl zentral als auch außen spielen, wobei er kein klassischer Flügelspieler ist.

Eine neue Chance soll auch Moritz Kwarteng erhalten, der ein ähnlicher Spielertyp ist und immerhin schon beim 1. FC Magdeburg seine Zweitligatauglichkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Beim VfL konnte er sich bislang nicht durchsetzen. Verschiedene Verletzungen, gepaart mit mentalem Druck, warfen den teuersten Neuzugang der letzten 15 Jahre immer wieder zurück. Auch eine Leihe zu Zweitligist Düsseldorf brachte nicht den gewünschten Erfolg. Kwarteng begann als Stammkraft, fiel dann aber wochenlang verletzt aus. Die Fortuna zieht die Kaufoption nicht, der Spieler kehrt nach Bochum zurück. Grundsätzlich bringt er Fähigkeiten mit, auf die Hecking gerne setzen würde: Eine gewisse Dynamik, die Fähigkeit, torgefährliche Situationen einzuleiten sowie eigene Abschlussqualitäten.

Daschner darf gehen

Ähnliche Stärken bringt Lukas Daschner mit, nur ohne Dynamik. Allzu oft wirkt der 26-Jährige etwas phlegmatisch, obwohl er fußballerisch schon in der Bundesliga zu den Besten im Bochumer Kader gehörte. Ähnlich wie Kwarteng hat auch er schon nachgewiesen, dass er in der 2. Liga eine echte Verstärkung sein kann. Beim FC St. Pauli zählte Daschner, der sich nur im Mittelfeldzentrum wirklich zurechtfindet, zu den Unterschiedsspielern. Eine Zukunft beim VfL Bochum hat er dennoch nicht, Hecking plant ohne ihn. Daschner spielte zuletzt ein halbes Jahr auf Leihbasis für den FC St. Gallen in der Schweiz. Die Eidgenossen verfügen über eine Kaufoption, die knapp unter der Millionengrenze liegen soll. Aktuell laufen Verhandlungen zwischen den beiden Klubs darüber, ob die Ablöse noch gedrückt werden kann.


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(Foto: Imago / BSR Agency)

Wahl des Präsidiums

Nachgefragt: Bauer, Luthe, Tigges und Villis im Interview

Die Präsidiumswahl beim VfL Bochum rückt näher, am 14. Juni treffen die Mitglieder ihre Entscheidung. Zwei Teams treten gegeneinander an: Auf der einen Seite Hans-Peter Villis, Andreas Luthe, Till Grönemeyer, Christian Stenneken und Bettina Stratmann („Team Zukunft“), auf der anderen Seite Uwe Tigges, Karl-Heinz Bauer, Martin Volpers, Thomas Ernst und Mirja Dorny („WIR für den VfL“). Um euch vor der Wahl bestmöglich zu informieren, haben der Bochumer Fan-Blog Einsachtvieracht und Tief im Westen – Das VfL-Magazin zwei gemeinsame Podcast-Folgen produziert. In der ersten interviewen wir Villis und Luthe, in der zweiten Tigges und Bauer. Darin beschäftigen wir uns mit der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft des VfL Bochum, basierend auf Themen, die von euch immer wieder an uns herangetragen wurden. Wir veröffentlichen die Gespräche ungeschnitten und in voller Länge ausschließlich in Audio-Form. So gewährleisten wir eine authentische Wiedergabe.

Podcast mit Villis und Luthe:

Podcast mit Tigges und Bauer:

(Fotos: Marc Niemeyer / Montage: Rentsch)

Kaderplanung

Schon drei Neue: Umbau der VfL-Abwehr geht weiter

Allmählich nimmt die neue Bochumer Abwehr Gestalt an. Innerhalb von sieben Tagen hat der VfL mit Leandro Morgalla (20, Leihe bis 2026, von RB Salzburg), Colin Kleine-Bekel (22, bis 2028, von Holstein Kiel) und Philipp Strompf (27, bis 2028, vom SSV Ulm) gleich drei neue Verteidiger verpflichtet. Kleine-Bekel und Strompf sind für die Innenverteidigung eingeplant. Morgalla kann sowohl außen als auch innen spielen. Damit ist es Sportchef Dirk Dufner zügig gelungen, auf die zahlreichen Abgänge in der Hintermannschaft zu reagieren. Neben Tim Oermann werden auch Ivan Ordets, Bernardo und Jakov Medic nicht mehr für den VfL auflaufen. Von zuletzt fünf Innenverteidigern will lediglich Erhan Masovic in Bochum bleiben. Aus Fürth kehrt Leihspieler Noah Loosli zunächst zurück, sein Verbleib ist aber ungewiss.

Mit Zweitliga-Erfahrung

Denn im Gegensatz zu Kleine-Bekel und Strompf hat Loosli bislang auch in der 2. Liga noch nicht überzeugt. Die beiden neuen Innenverteidiger wurden vom VfL für drei Jahre unter Vertrag genommen. Kleine-Bekel lief im Fußball-Unterhaus insgesamt 25-mal für Holstein Kiel auf, Strompf 33-mal für Eintracht Braunschweig und den SSV Ulm. Das ist kein Zufall, sondern passt zur Transferstrategie in diesem Sommer. Trainer Dieter Hecking wünscht sich überwiegend deutschsprachige Profis, die wissen, was in der neuen Spielklasse erforderlich ist. Das sieht Sportchef Dirk Dufner sehr ähnlich: „Philipp Strompf ist groß, robust, schnell – bietet also das Paket, das einen Abwehrspieler auszeichnet. Zudem hat er die 2. Bundesliga bereits kennengelernt und ist beim SSV schon als Führungsspieler vorangegangen.“

Ähnlich redet Dufner über Kleine-Bekel: „Ein junges, deutsches Talent, das als Stammspieler bereits die 2. Bundesliga kennengelernt hat und seinen Teil zur Erfolgsstory der Kieler beitragen konnte.“ Der beim BVB ausgebildete Verteidiger überzeugt mit seinem Stellungsspiel, seinem Spielaufbau und seiner Zweikampfführung. Mit diesen Qualitäten hat es Kleine-Bekel bis in die deutsche U21-Nationalmannschaft geschafft. Kurz vor dem Kieler Bundesliga-Aufstieg 2024 wurde er dann aber von einem Kreuzbandriss gestoppt und war mehr als eine Saison außer Gefecht gesetzt. Folglich ist unklar, ob Kleine-Bekel sofort wieder an seine gute Form anknüpfen kann. Zum Bochumer Trainingsstart am 23. Juni soll er aber voll belastbar sein. Bereits Ende April ist er ins Kieler Mannschaftstraining zurückgekehrt.

Zwei Systeme angedacht

Strompf hingegen verfügt über reichlich Spielpraxis, war bei Absteiger Ulm in der zurückliegenden Saison gesetzt. Für ihn war es die erste als Stammkraft in der 2. Liga oder einer vergleichbaren Spielklasse. Der 27-Jährige hat eine lange Anlaufzeit gebraucht, um sich im Profifußball zurechtzufinden. Bedenken, ob ihm nun der Schritt von einem eher defensiv ausgerichteten Team zu einem Aufstiegsaspiranten mit einer offensiveren Spielweise gelingt, liegen in seiner Vita begründet. Helfen werden dem extrovertierten Verteidiger mit Kämpferherz sicher seine Robustheit und Kopfballstärke. Dass auch andere Zweitligisten, darunter Schalke und Kaiserslautern, an seinen Diensten interessiert waren, spricht ebenso für ihn. Letztlich hat sich der VfL durchgesetzt, der sogar eine kleine Ablöse zahlt.

Rechtsfuß Kleine-Bekel und Linksfuß Strompf könnten künftig sowohl ein Duo in der Innenverteidigung bilden als auch in einer Dreierkette agieren, zum Beispiel mit Morgalla, der zuletzt unter Ex-VfL-Trainer Thomas Letsch gespielt hat. Der deutsche Juniorennationalspieler kann in der Abwehr verschiedene Positionen bekleiden, außen wie zentral. Beide Varianten, eine Dreier- oder Viererkette in der Abwehr, spielen in Heckings Plänen eine Rolle. Morgalla verfügt über ein gutes Spielverständnis, scheut weder Boden- noch Luftduelle, ist schnell und widerstandsfähig; Merkmale, auf die Hecking großen Wert legt. Morgallas Spielweise ist teilweise mit der von Tim Oermann vergleichbar, Strompfs Gangart mit der von Medic. Der Tipp für die Leihe von Morgalla kam übrigens von Heckings Sohn, der bei RB Salzburg arbeitet.

Linksverteidiger gesucht

Hinten rechts verfügt der VfL somit über drei Optionen: mit Felix Passlack, dem eher offensiv ausgerichteten Eigengewächs Kasper Koscierski sowie dem defensiv stärkeren Leandro Morgalla. Links wiederum steht aktuell nur Maximilian Wittek zur Verfügung. Eine passende Alternative fehlt noch. Auch in der Abwehrzentrale ist weiterer Zuwachs zu erwarten, mindestens dann, sollte Loosli den Verein noch verlassen. Hierfür prüft der VfL verschiedene Optionen. Eine Einigung mit Kevin Vogt, derzeit bei Union Berlin unter Vertrag, ist aus finanziellen Gründen unwahrscheinlich. Realistischer ist eine Verpflichtung von Münsters Lukas Frenkert, der mehrfach beobachtet wurde, flexibel einsetzbar und außerordentlich schnell ist; ein Kriterium, das bislang nur eingeschränkt Berücksichtigung fand.

Zusätzliche Kaderplätze stünden für weitere Eigengewächse bereit. Koscierski hat bereits einen Profivertrag erhalten. Den 17-Jährigen hat Hecking kürzlich mit seinem ersten Bundesliga-Einsatz belohnt. Er ist in der kommenden Saison parallel auch für die U21 und für die U19 spielberechtigt. Gleiches gilt für Linksverteidiger Darnell Keumo, den Hecking sehr schätzt, der aber noch keinen Profivertrag unterschrieben hat. Als besonders talentiert gilt zudem Innenverteidiger Daryl Tschoumy-Nana, mit dem der VfL ebenfalls noch keine Lösung für die Zukunft gefunden hat. Zwei andere Defensiv-Talente hat der Revierklub bereits verloren. Innenverteidiger und U19-Kapitän Luc Dabrowski wechselt zur U21 des 1. FC Köln, Teamkollege Julian Etse wahrscheinlich zum SSV Ulm. Ihm hat der VfL keinen Profivertrag angeboten.

Dieser Text wurde am 4. Juni aufgrund aktueller Entwicklungen angepasst. Die Änderungen betreffen ausschließlich den letzten Absatz.


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(Foto: VfL Bochum 1848)

Abgänge

VfL-Abgänge unter Wert? Große Hoffnung, geringe Erträge

Die Liste mit den Abgängen wird beim VfL Bochum derzeit wöchentlich länger. Zehn Profis ohne Anschlussvertrag für die neue Saison wurden am Morgen nach dem Spiel gegen St. Pauli offiziell verabschiedet. In den Tagen danach folgten Gerrit Holtmann, der eine Vertragsverlängerung überraschend abgelehnt hat, und Dani de Wit, der künftig für den FC Utrecht auflaufen wird. Als nächstes wird der Revierklub wohl den Wechsel von Tim Oermann verkünden. Der talentierte Defensiv-Allrounder wird sich Bayer Leverkusen anschließen, wobei er zunächst für eine Saison an den österreichischen Meister Sturm Graz verliehen wird. Oermann beschert dem VfL eine Ablöse von etwas weniger als zwei Millionen Euro, während de Wit den Klub ablösefrei samt künftiger Transferbeteiligung verlassen durfte.

Keine gute Verhandlungsposition

Diese Zahlen und Vereinbarungen sorgen in Fankreisen für Irritationen, weil die Erwartungen höher lagen. Zurecht – oder waren es utopische Wunschsummen? Klar ist: Jeder Fall muss gesondert betrachtet werden. Erstens, weil Oermann und de Wit in unterschiedlichen Gehaltsklassen unterwegs waren. Oermanns Vertrag wurde im November 2022 abgeschlossen, als er bei den Profis noch eine Nebenrolle gespielt hat. Dementsprechend niedrig war sein Gehalt. Eine vorzeitige Vertragsverlängerung haben mehrere Verantwortliche verpasst, monatelang soll es keine Gespräche gegeben haben. Sehr weit oben auf der Gehaltliste stand hingegen de Wit. Im Sommer 2024 als Hoffnungsträger verpflichtet, konnte er die ihn gesteckten Erwartungen zu keinem Zeitpunkt erfüllen. 

Zweitens, weil sie unterschiedlich lang vertraglich an den VfL gebunden waren. Oermanns Vertrags lief nur noch bis 2026, der von de Wit noch drei Jahre bis 2028. Und drittens, weil sich Oermann und de Wit in der zurückliegenden Saison sportlich verschieden entwickelt haben. Defensivspezialist Oermann erkämpfte sich einen Stammplatz, de Wit wurde unter Trainer Dieter Hecking am Saisonende allenfalls eingewechselt. Mit Oermann hätten die Verantwortlichen auch nach dem Abstieg gerne weitergearbeitet, während de Wit schon länger auf der Streichliste stand. Kein Wunder also, dass es für Oermann in den zurückliegenden Wochen zahlreiche Anfragen gab, zum Beispiel auch von Werder Bremen und Mainz 05, während sich für de Wit zunächst nur Utrecht interessiert hat.

Möglichst früh von der Gehaltsliste

Sportchef Dufner wollte Klarheit und entschied sich in beiden Fällen, einem schnellen Wechsel zuzustimmen. Bei de Wit ist das insofern vorteilhaft, weil für den VfL keine weiteren Kosten anfallen, etwa für eine Abfindung. Eine solche ist nicht unüblich, wenn der neue Verein ein geringeres Gehalt zahlt als der vorherige. Umgekehrt fließt aber auch keine Ablöse. Vertraglich vereinbart war eine Ausstiegsklausel für den Abstiegsfall, die im sehr niedrigen einstelligen Millionenbereich gelegen haben soll. Die Bochumer Verantwortlichen waren der Meinung, dass in diesem Sommer kein Verein bereit gewesen wäre, diesen Preis zu zahlen. Ihnen war es wichtiger, Großverdiener de Wit möglichst schnell von der Gehaltsliste zu bekommen, damit Budget für Neuverpflichtungen frei wird.

Bei Oermann wiederum lag die Transfererwartung auch intern zunächst deutlich höher. Im Präsidium war anfangs von fünf bis sechs Millionen Euro die Rede, die der VfL für sein selbst ausgebildetes Talent erwirtschaften sollte. Immer wieder hat Ilja Kaenzig als kaufmännischer Geschäftsführer betont, dass die Transfereinnahmen steigen müssen – in Summe und auch für einzelne Spieler. Oermann hätte als U21-Nationalspieler die besten Voraussetzungen dafür mitgebracht. Letztlich liegt die Ablöse aber nur im niedrigen einstelligen Millionenbereich. Offiziell äußern möchten sich die Bochumer zum Transferablauf bislang nicht. Aber dass ein Spielerwechsel zum amtierenden Vize-Meister und einem Champions-League-Teilnehmer nicht mehr einbringt, verwundert schon.

Zwei weitere Verkaufskandidaten

Das Dilemma: Die Bochumer waren selbstverschuldet in einer ungünstigen Verhandlungsposition. Oermanns Vertrag lief nur noch ein Jahr, schnell war sich der Spieler mit Leverkusen einig und hat andere Bundesliga-Angebote abgelehnt, ein gegenseitiges Hochtreiben des Preises war also nicht möglich. Hinzu kommt, dass der Werksklub den Spieler gar nicht sofort haben, sondern direkt weiterverleihen möchte. Um wenigstens noch ein bisschen Geld einzunehmen, hat der VfL einem sofortigen Abgang zugestimmt. Diskutabel bleibt, ob ein Verbleib des Spielers aus sportlicher Sicht nicht wertvoller wäre – oder die Verantwortlichen zumindest noch etwas länger hätten pokern können. Die Transferphase hat schließlich erst begonnen; Druck, Oermann jetzt schon freizugeben, war nicht vorhanden.

Allzu üppige Transfereinnahmen, davon ist auszugehen, wird der VfL Bochum in diesem Sommer generell nicht erwirtschaften, auch wenn es noch zwei weitere Abgangskandidaten gibt. Da wäre zum einen Ibrahima Sissoko, einer der wenigen Leistungsträger in der abgelaufenen Saison, sowie Matus Bero, unumstrittener Stammspieler und immerhin zweitbester VfL-Torschütze. Doch dafür braucht es passende Interessenten. Gerüchte, dass Sissoko unter anderem beim VfB Stuttgart auf der Liste stehen soll, sind noch mit Vorsicht zu genießen. Für ihn eine Ablöse zu erzielen, die jenseits der fünf Millionen Euro liegt, ist nach jetzigem Stand eher unwahrscheinlich. Das liegt vor allem daran, dass der Mittelfeldspieler mit 27 Jahren keinen allzu großen Wiederverkaufswert hat.

Angebote im Vorjahr abgelehnt

Deshalb wird es für Bero noch deutlich schwerer, weiterhin in der Bundesliga zu spielen. Womöglich wird es für den slowakischen Nationalspieler nur im Ausland einen passenden Markt geben. Mehr als eine niedrige einstellige Millionenablöse wird für ihn wohl nicht zu erzielen sein. In einem solchen Fall wird der VfL erneut abwägen müssen, ob er lieber das Geld nimmt oder den Spieler behält. Die grundsätzliche Strategie des Klubs in diesem Sommer scheint es aber zu sein, Reisende nicht aufhalten zu wollen, vor allem nach schlechten Erfahrungen und Fankritik in der jüngeren Vergangenheit. Da haben die Verantwortlichen durchaus lukrative Angebote für Spieler wie Bernardo oder Moritz Broschinski abgelehnt in der Hoffnung, dass der Preis noch steigt. Das Gegenteil ist eingetreten.


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(Foto: Imago / Sven Simon)

Debatte

VfL-Kolumne: Bochum braucht die bestmöglichen Scouts

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zwei- bis dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Scouting-Abteilung.

Viele Menschen äußern öffentliche Kritik im Normalfall erst dann, wie sie intern kein Gehör (mehr) finden. Insofern ist es alarmierend, dass VfL-Trainer Dieter Hecking die Pressekonferenz in der vergangenen Woche dazu genutzt hat, um gegen die vereinseigenen Scouts auszuteilen. „Da hätte ich mir mehr Vorarbeit, mehr Input gewünscht. Das ist nicht gut genug gewesen und eine deutliche Kritik von mir“, sagte Hecking. Die Sichtung von potenziellen Neuzugängen würden jetzt seine Co-Trainer übernehmen.

Das Problem ist: Die Scouting-Abteilung wurde zu oft vernachlässigt, auch wenn sie personell unter der Leitung von Sebastian Schindzielorz und Patrick Fabian etwas größer geworden ist. Im Branchenvergleich und für die Bedeutung innerhalb eines Fußballklubs ist sie mit sechs Beschäftigen für den Profibereich (letzte offizielle Angabe von 2024) aber immer noch recht klein – und augenscheinlich auch qualitativ nicht durchgängig gut besetzt. Chefscout Carsten Schüpmann-Haase sollte im Herbst eigentlich schon abgesetzt werden, blieb plötzlich aber doch im Amt.

Nun rächt es sich auch, dass Sportchef Dirk Dufner erst Ende März verpflichtet wurde. Denn die Transfervorbereitung beginnt schon deutlich früher. Selbst sofortige Veränderungen in der Scouting-Abteilung würden sich erst bei der Kaderplanung für die darauffolgende Saison bemerkbar machen. Denn Live-Sichtungen, auf die Dufner großen Wert legt, sind jetzt nicht mehr möglich.

Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. Manchmal hilft es, sich in Erinnerung zu rufen, worauf es im Fußball ankommt: auf gute Fußballer. Sie zu finden, ist somit die alles entscheidende Aufgabe. Dafür braucht es die bestmöglichen Scouts, deren Anstellung sich bei passenden Transfers und irgendwann folgenden Transfererlösen locker refinanziert. Zumal: In fast allen Abteilungen ist der VfL in den zurückliegenden Bundesliga-Jahren massiv gewachsen. Nichts gegen diese Mitarbeiter, beim VfL dreht niemand Däumchen. Aber die Frage muss erlaubt sein, ob es nicht zunächst dringlichere Baustellen gegeben hätte. Vor allem im Scouting.


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(Foto: Imago / Sven Simon)

In eigener Sache

Hintergründe im Vordergrund: Das VfL-Magazin in der 2. Liga

Liebe Leserinnen und Leser,

vor gut einer Woche hat sich der VfL Bochum aus der Bundesliga verabschiedet. Auch ich habe damit mein vorerst letztes Erstligaspiel als berichterstattender Begleiter erlebt. Ich blicke mit Dankbarkeit auf vier ereignisreiche Jahre zurück – auf viele spannende Spiele in den großen Stadien und Arenen der Republik, auf furiose Spielverläufe, sensationelle Siege des VfL, aber auch auf Misserfolge, speziell in der zurückliegenden Saison. Von 138 Spielen inklusive Relegation habe ich 123 live im Stadion verfolgt. Zu den Highlights zählen natürlich der Abend in Düsseldorf, die Siege gegen Bayern München und Borussia Dortmund sowie der Klassenerhalt 2023 gegen Bayer Leverkusen.

Immer wieder werde ich dieser Tage danach gefragt, ob ich das Tief im Westen – Das VfL-Magazin auch nach dem Abstieg fortführen werden. Die Antwort lautet: Ja, werde ich. Allerdings mit kleineren Anpassungen. Vor gut einem Jahr habe ich an dieser Stelle bereits erklärt, dass jede Recherche viel Zeit und jede Veröffentlichung Geld kostet. Dank eurer großartigen Unterstützung ist es in nunmehr sechs Jahren immer möglich gewesen, dass ich alle Kosten für diese Website decken konnte. Nur so hat sich Tief im Westen – Das VfL-Magazin zu einer bekannten Anlaufstelle für verlässliche Informationen entwickelt.

Generell habe ich das Glück, diese Website betreiben zu können, ohne die Wirtschaftlichkeit in den Vordergrund stellen zu müssen. Dennoch muss ich lohnenswerte Daueraufträge an anderer Stelle bevorzugt behandeln. Schon seit mehreren Jahren berichte ich deshalb für verschiedene Medien über den VfL Bochum, zusätzlich zu meiner nicht-selbstständigen Tätigkeit für ein großes Medienunternehmen. Zur neuen Saison werde ich mein Portfolio erneut erweitern und spätestens ab Oktober regelmäßig für das kicker-Sportmagazin schreiben. Dadurch ergeben sich angenehme Synergieeffekte. Aber: Speziell am Spieltag werden sich meine Prioritäten dadurch etwas verschieben.

Schon im vergangenen Jahr habe ich angekündigt, dass Tief im Westen – Das VfL-Magazin keine Anlaufstelle für tagesaktuelle Berichterstattung ist. Dabei wird es bleiben, auch in der Transferperiode. Alles andere lässt sich allein und nebenbei nicht bewerkstelligen. Dafür gibt es andere Plattformen, unter anderem die, für die ich ebenfalls schreibe. Auf dieser Website sollen Hintergründe im Vordergrund stehen, Einordnungen und Analysen oder Themen, die andere Medien nicht abbilden; reine Zusammenfassungen von Spielen und Terminen eher nicht. Mein Anspruch bleibt es, pro Woche zwei Texte zu veröffentlichen. Das bedeutet demzufolge auch, dass hier nicht jedes Thema Beachtung finden, nicht jeder Aspekt beleuchtet werden kann – die wichtigsten natürlich schon.

Auch deshalb wird es an dieser Stelle zunächst keine Sommerpause geben, um über die bevorstehende Präsidiumswahl und den Kaderumbau zu berichten. Mit dem Trainingsauftakt Ende Juni werde ich mich dann aber in einen zweiwöchigen Sommerurlaub verabschieden. In dieser Zeit wird es hier keine neuen, auch keine vorbereiteten Veröffentlichungen geben. Am ersten August-Wochenende geht es schließlich mit der neuen Zweitliga-Saison weiter. Ich freue mich schon jetzt auf viele schöne Begegnungen, auf und neben dem Platz. Abschließend bedanke ich mich für eure zurückliegende und zukünftige Unterstützung, die den Fortbestand dieser Website ermöglicht.

Glück auf!

Euer Philipp Rentsch


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(Foto: Marc Niemeyer)

Wahl am 14. Juni

Luthe, Ernst und vier Fans: Wer fürs VfL-Präsidium kandidiert  

Die Zeit ist knapp bemessen. Dem VfL Bochum bleiben nur noch wenige Tage, um überhaupt fristgerecht zur außerordentlichen Mitgliederversammlung einzuladen. Diese soll am 14. Juni im Ruhrstadion stattfinden, um eine neue Vereinsführung zu wählen. Darauf hatte sich das jetzige Präsidium vor gut einem halben Jahr verständigt, nachdem innerhalb des Gremiums zwei Lager entstanden sind. Hans-Peter Villis wurde intern als Vorsitzender abgesetzt. Seitdem steht Uwe Tigges an der Spitze des Klubs.

Schon seit Monaten zeichnet sich ab, dass die beiden demnächst in neuen Teams gegeneinander antreten werden. Villis ist nun der erste Aufschlag gelungen: Er wird sich gemeinsam mit dem ehemaligen VfL-Torhüter und Publikumsliebling Andreas Luthe zur Wahl stellen. Qua Satzung braucht es für eine Kandidatur ein fünfköpfiges Team. Neben Villis und Luthe wird auch der Bochumer Rechtsanwalt Christian Stenneken zum Team gehören. Weitere Namen sollen in Kürze publik gemacht werden. Zur Vorstellung ist unter anderem ein Fanabend geplant.

Reinhardt nicht dabei

Parallel formiert sich das Team um Uwe Tigges. Martin Volpers, der bisherige Fanvertreter, wird mit ihm gemeinsam kandidieren, ebenso wie Karl-Heinz Bauer. Der langjährige Mannschaftsarzt war bereits bei der Wahl Ende 2022 mit einem eigenen Team gegen Villis angetreten, unterlag diesem allerdings. Noch ist offen, ob sich Tigges erneut zum Vorsitzenden wählen oder einem anderen Teammitglied den Vortritt ließe. Nicht mehr antreten wird indes Christina Reinhardt, die dem Gremium seit der letzten Wahl angehört.

Sie habe der Findungskommission mitgeteilt, nicht mehr antreten zu wollen, teilte sie am Sonntag auf der Plattform LinkedIn mit und kam damit einer Nicht-Berücksichtigung zuvor. Reinhardt hat Fürsprecher, aber auch Widersacher innerhalb des Klubs und soll deshalb ersetzt werden. Ihren Platz soll Mirja Dorny einnehmen, eine ehemalige Spielerin der Bochumer Frauen-Mannschaft, die mittlerweile als Geschäftsführerin in der Immobilienbranche tätig ist. Der ehemalige Bundesliga-Torwart und VfL-Manager Thomas Ernst wird das Team komplettieren.

Wahl des Fanvertreters

Beide Teams standen in den zurückliegenden Wochen vor der Herausforderung, überhaupt Mitstreiter zu finden, denn wer gewählt wird, übernimmt ein zeitintensives Ehrenamt ohne Aufwandsentschädigung. Zudem sorgt eine Ende 2024 verabschiedete Satzungsänderung dafür, dass nur noch Personen für das Präsidium kandidieren dürfen, die mindestens ein Jahr lang Vereinsmitglied sind. Zum Teil wurden Personen von beiden Teams kontaktiert, speziell Andreas Luthe, der sich nun aber für eine Zusammenarbeit mit Villis entschieden hat.

Ergänzt wird das Präsidium durch den Vorsitzenden des Wirtschaftsrats und den Fanvertreter. Den Wirtschaftsrat vertritt aktuell Volker Goldmann. Denkbar ist, dass perspektivisch Vonovia-Vorstand Arnd Fittkau übernimmt, der dem Gremium seit kurzem angehört. Der neue Fanvertreter wiederum wird von den Fanclubs am 2. Juni gewählt. Zur Wahl stehen Fabian Budde, ein szenebekannter Allesfahrer, Michael Neuhaus, der bereits Mitglied des Fangremiums war, sowie Jörg Preußer und Alexander Lüdiger. Preußer betreibt in Bochum einen KFZ-Meisterbetrieb, Lüdiger ist Jurist und der Jüngste im Bunde.


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