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Rösler, Hofmann und die Fans: Podcast zum VfL-Sieg

Mehr als zwei Monate blieb der VfL Bochum ohne Punktgewinn. Gegen Hertha BSC gelang am Wochenende endlich der zweite Saisonsieg. In der vierten Podcast-Folge zusammen mit Einsachtvieracht sprechen wir über das gelungene Debüt von Trainer Uwe Rösler, die Leistung und die Vertragsverlängerung von Philipp Hofmann sowie über den geringeren Zuschauerzuspruch. Viel Spaß dabei!

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3:2-Sieg gegen Hertha

Dank Rösler: Power, Punkte und ein klarer Plan

Frank Goosen wusste es schon länger: Der VfL Bochum ist der einzige Verein, für den es keinen sicheren Vorsprung gibt. Das Heimspiel gegen Hertha BSC gab dem Kabarettisten wieder einmal recht. Selbst eine 3:0-Führung nach 70 Minuten versetzte erfahrene Anhänger nicht in Ekstase. Zehn Zeigerumdrehungen und zwei Gegentore später bibberten sie und befürchteten das Schlimmste. „Ich habe die Angst gespürt. Ein Unentschieden wäre wie eine Niederlage gewesen“, sagte Trainer Uwe Rösler nach seinem geglückten Einstand. Der VfL verteidigte den Vorsprung mit großer Willenskraft und sicherte sich den zweiten Saisonsieg am neunten Spieltag. „Das war erst ein kleiner Schritt, aber wichtig für die Mannschaft, den Verein, die Stadt, für unser Selbstvertrauen und die Gemeinschaft“, freute sich Rösler.

Der neue Trainer des VfL zeigt gerne Emotionen. Schon vor dem Spiel, beim Warmmachen der Mannschaften, lief er zur Osttribüne, um die zunächst überraschten Anhänger einzupeitschen. Während des Spiels coachte Rösler lautstark an der Seitenlinie, gab immer wieder Anweisungen und pushte seine Spieler nach gelungenen Aktionen. Nach dem Abpfiff konnte es der 56-Jährige gar nicht abwarten, sie zur Kurve zu schicken. Die Erleichterung war spürbar, auf dem Platz wie auf den Rängen. Rösler wurde nach seinem ersten Spiel sogar namentlich gefeiert, weil er dem angeschlagenen Revierklub neue Hoffnung schenkt – mit einem verbesserten Auftritt, der kämpferisch wie läuferisch vorbildlich und fußballerisch immerhin ganz ordentlich war. Das Entscheidende aber: Am Ende gab es drei ganz wichtige Punkte.

Onyeka glänzt mit Doppelpack

Röslers Bochumer haben das nötige Spielglück förmlich erzwungen. Ein Eigentor brachte den VfL in Führung, dem 2:0 ging eine Einzelaktion des starken Francis Onyeka voraus. Der 18-Jährige avancierte zum Matchwinner, weil er auch das dritte Tor erzielte – und damit den vierten Doppelpack in weniger als zwei Wochen schnürte. Der deutsche Juniorennationalspieler hat zuletzt auch zuverlässig für die U19 des DFB getroffen. Dass Interimstrainer David Siebers diesen feinen Fußballer fast ignorierte, war schon länger unverständlich, ist es nach diesem Auftritt aber umso mehr. Rösler nahm weitere Änderungen vor, setzte auf eine 4-1-4-1-Formation und stabilisierte damit die gesamte Mannschaft. Die Raumverteilung wirkte klarer, die Abstände waren kleiner, auch wenn natürlich noch nicht alles glückte.

Dennoch: Matus Bero mit weniger Offensivaufgaben zu betrauen, erschien ebenso sinnvoll wie der Startelfeinsatz von Mats Pannewig und Kjell Wätjen, die über großes Potenzial verfügen und dieses phasenweise entfalteten. Sogar Philipp Strompf blühte auf, zeigte seine beste Saisonleistung. Wobei eine Schwalbe bekanntlich noch keinen Sommer macht. In jedem Fall aber widerlegte die Mannschaft die These von Ex-Trainer Dieter Hecking, dass eine Viererkette nicht zu ihr passen würde. Auch Angreifer Philipp Hofmann fühlte sich wohler und schüttelte den Frust der vergangenen Wochen ab. Er war an allen drei Treffern beteiligt und bedankte sich beim Trainer für seine neue Rolle als Strafraumstürmer. „Uwe erklärt viel, ist akribisch, hält das Training häufiger an. Er bringt Emotionen mit, die wir brauchen.“

Spieler loben Trainer Rösler

Hinter Hofmann lag eine turbulente Woche, nachdem seine schon im August vereinbarte Vertragsverlängerung erst am Montag durch medialen Druck vom Verein publik gemacht wurde. Das gefiel ihm nicht, erklärte er auf Nachfrage überraschend deutlich: „Ich finde, es wurde falsch kommuniziert. Man hätte es früher machen sollen. Entweder steht man zu seinem Stürmer oder nicht.“ Rösler schenkt Hofmann sein Vertrauen, verteilte das größte Lob aber an Onyeka und Torwart Timo Horn: „Bei Francis wollten wir das Momentum nutzen: Seine Leichtigkeit, aber auch seine Klasse und seinen Tordrang. Timo wiederum hat uns mit sensationellen Paraden den Sieg festgehalten.“ Horn wiederum gab das Lob an Rösler zurück: „Er kommuniziert viel und motiviert uns, geht sehr ins Detail. Das haben wir gebraucht.“

Auch die taktische Ausrichtung gefiel dem Schlussmann und Vize-Kapitän: „Wir sind keine Pressingmannschaft, weil wir in der letzten Kette nicht das Tempo dafür haben.“ Rösler hat den Kader in knapp zwei Wochen offensichtlich gut analysiert, traf nachvollziehbare Entscheidungen und wagte nichts Verrücktes. Der Lohn: Der VfL hat das rettende Ufer wieder im Blick und bei den Fans nach harten Monaten endlich für positive Emotionen gesorgt. Erstmals seit Ende der Corona-Pandemie war der Heimbereich nicht ausverkauft. „Die Mannschaft hat die Fans wieder hinter sich geholt“, stellte Horn nach Abpfiff fest, wobei Mitglieder der Fanszene am Vormittag zum sogenannten Anschwitzen kamen und den Spielern ihre Unterstützung zusicherten. Gemeinsam haben sie gezittert – und später zusammen gefeiert.


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(Foto: Imago / Team 2)

Training

Endlich Torgefahr? Rösler legt Fokus auf Standards

Das bislang einzige Bochumer Tor nach einer Ecke führte prompt zu drei Punkten. Im Heimspiel gegen die SV Elversberg Anfang August erzielte Ibrahima Sissoko den Führungstreffer und feierte anschließend mit seinen Teamkollegen den ersten Saisonsieg. Wohl niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass der Punktestand des VfL mehr als zwei Monate später unverändert ist. Die Lage ist prekär, viel Zeit für eine Trendwende bleibt nicht mehr. Der neue Hoffnungsträger heißt Uwe Rösler, der an diesem Samstag im Heimspiel gegen Hertha BSC seinen Einstand als Cheftrainer feiert. Mit vielen lautstarken Korrekturen, aber auch mit Lob und Aufmunterung hat der 56-Jährige seit seinem Amtsantritt an den zahlreich vorhandenen Defiziten gearbeitet. Die Trainingseinheiten sind intensiv.

Schlechte Hereingaben

Zum Erfolg führen möchte er den VfL unter anderem mit verbesserten Offensiv-Standards. Die fehlende Torgefahr nach ruhenden Bällen ist schon seit längerer Zeit ein unübersehbares Problem. Uwe Rösler hat es bereits vor seiner ersten Trainingseinheit thematisiert. „Fußballspiele werden in beiden Strafräumen entschieden. Standardsituationen machen den Unterschied“, sagte der 56-Jährige bei seiner Vorstellung. Bereits in der vergangenen Saison war der VfL bei Ecken und Freistößen erschreckend ungefährlich. Dieses Problem hat sich fortgesetzt, obwohl im Trainingslager an verschiedenen Varianten gearbeitet wurde. Allerdings: Schon da war zu erkennen, dass die eingeteilten Schützen nicht die besten sind. Mal zu kurz, mal zu lang – allzu oft kamen die Hereingaben von Matus Bero und Maximilian Wittek nicht da an, wo sie eigentlich landen sollten. Dabei ist es im bisherigen Saisonverlauf geblieben. Viele Alternativen gibt der Kader nicht her, wenngleich insbesondere Francis Onyeka ein Kandidat mit einem feinen Fuß wäre.

Auch ein neuer Co-Trainer

Käme der Ball präzise in den Strafraum, sollte Lufthoheit beim VfL eigentlich kein Problem sein. Insgesamt neun Feldspieler sind mindestens 1,90 Meter groß, einige andere nicht wesentlich kleiner. Zahlreiche Akteure haben also Gardemaß für Standardsituationen. Das will Rösler natürlich nutzen: „Wir haben viele Kopfballspieler, aber unsere Offensiv-Standards sind verbesserungswürdig.“ Erwischt der VfL den Ball in der Luft, ist er vielen Teams überlegen. Das belegt auch die Statistik. In dieser Saison haben die Bochumer ligaweit die drittmeisten Kopfballduelle gewonnen. Auch deshalb hat sich Rösler einen Co-Trainer ausgesucht, den er als „Experten für Standardsituationen“ bezeichnet: Alessandro Riedle. Der 34-Jährige absolvierte im Sommer 2013 als Spieler ein Probetraining beim VfL, wurde aber nicht verpflichtet. Zwölf Jahre später hat er endlich einen Vertrag an der Castroper Straße erhalten. Er komplettiert das Trainerteam, dem weiterhin auch Marc-Andre Kruska und Anthony Losilla angehören. Murat Ural, den einst Peter Zeidler mit nach Bochum gebracht hatte, wurde beurlaubt. Riedle war zuletzt als Co-Trainer für den FC Zürich tätig.

Verletzte und Angeschlagene

Dass Rösler generell einen großen Wert auf Standards legt, hat er in Dänemark bei Aarhus GF bewiesen. Spannend: Dort hat er die kopfballstärksten Spieler gezielt freiblocken lassen; eine Methode, die an Basketball erinnert und auch in Bochum zur Anwendung kommen könnte. Fraglich ist derzeit nur, auf welche Kopfballspieler Rösler zu Beginn seiner Amtszeit setzen kann. In den ersten anderthalb Trainingswochen musste der Fußballlehrer auf zahlreiche Akteure verzichten. Insgesamt fünf Startelfkandidaten waren auf Länderspielreise. Andere Profis fehlten verletzt, etwa Kevin Vogt, der sich einer kleinen Knie-OP unterziehen musste. Der Innenverteidiger soll aber möglichst bald, spätestens Anfang November, wieder mitwirken können. Ibrahim Sissoko, potenzieller Ersatz für den formschwachen Hofmann, musste das Training zweimal abbrechen. Beide wären mögliche Abnehmer von gut getretenen Standardsituationen.


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(Foto: Imago / Team 2)

Debatte

VfL-Kolumne: Nachvollziehbar, aber naiv

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zweimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Vertragsverlängerung mit Philipp Hofmann.

Die Meldung war keine Überraschung mehr. Es ging nur noch um die Frage, wann und wie sie publik wird. Schon seit Wochen kursierte in den sozialen Netzwerken die Information, dass der VfL Bochum den Vertrag von Philipp Hofmann über das Saisonende hinaus verlängert hat. Und ja: Es stimmt. Bereits Ende August einigten sich beide Parteien auf eine weitere Zusammenarbeit bis 2028, nachdem Hertha BSC ein Angebot für den Angreifer abgegeben haben soll.

Nun, dieser Fall hat drei wesentliche Aspekte. Erstens: Den sportlichen.  Hofmann nicht abzugeben, kann man kritisieren, ist aber grundsätzlich nachzuvollziehen. Der VfL soll sich gegen einen Verkauf entschieden haben, weil die gebotene Ablöse zu niedrig war und nach dem Abgang von Moritz Broschinski ohnehin ein Mangel an Stürmern herrschte. Angesichts von Hofmanns fußballerischen Darbietungen war eine Vertragsverlängerung aber alles andere als logisch. Das Argument, dass die Bochumer einen ablösefreien Abgang im kommenden Sommer verhindern wollten, kann bei einem dann 33-Jährigen nicht das entscheidende sein. Seine Leistungen rechtfertigten keine Verlängerung.

Zweiter Aspekt: Die Kommunikation. Der VfL hat seinen Mitgliedern die Verlängerung verheimlicht, wohl aus Angst vor Kritik. Als Fan würde ich jetzt fragen: Was verschweigt uns der Verein noch? Zumal: Liest dort niemand in den Foren und Netzwerken quer? Der Klub hätte erahnen können, dass die Meldung früher oder später in den Medien landet. Dem hätten die Verantwortlichen zuvorkommen müssen. Denn nun geht es um grundsätzliche Fragen der Transparenz und Kommunikation.

Und ein dritter Gedanke: Der VfL hat vermutlich nicht in böser Absicht gehandelt, sondern auch deshalb geschwiegen, weil er Hofmann schützen wollte. Auf den erfolglosen Angreifer prasselt seit Wochen teils heftige Kritik ein, sogar Beleidigungen und Bedrohungen. Kommunikationsstrategisch mag es auf den ersten Blick nachvollziehbar sein, auf einen möglichst passenden Moment zu warten. Auf den zweiten Blick, mit Kenntnis des überschaubaren und plauderfreudigen Umfelds, war das aber erschreckend naiv. Denn nun hat der Klub die Deutungshoheit verloren – und Vertrauen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Podcast

Startelf und System: Das sind Röslers Optionen

Mit einer stark ersatzgeschwächten Truppe kam der VfL Bochum im Testspiel gegen Alemannia Aachen nicht über ein 3:3 hinaus – trotz 3:1-Führung dank der Tore von Philipp Hofmann, Michael Obafemi und Ibrahim Sissoko.

Schon im Vorfeld haben wir uns in der dritten Folge unseres neuen Podcasts Gedanken darüber gemacht, auf welche Spieler und welche Herangehensweise Uwe Rösler als neuer Trainer des VfL Bochum demnächst setzen könnte – und auf welches System. Viel Spaß beim Zuschauen und Zuhören!


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(Foto: Marc Niemeyer)

Neuer Trainer

Hardliner mit Herz: Röslers Ideen für den VfL

Namensschilder wie in der Schule kann Uwe Rösler auf dem Trainingsplatz nicht aufstellen. Stattdessen kam der neue Coach des VfL Bochum am Montagnachmittag mit einem Zettel zur ersten gemeinsamen Übungseinheit. Darauf waren die Namen und Gesichter der Spieler abgebildet, die der 56-Jährige noch nicht so gut kannte, zum Beispiel einige Talente. Rösler hat zwar den Vorteil, dass das nächste Pflichtspiel erst in gut zwei Wochen stattfindet, muss bis dahin aber auf sechs Nationalspieler verzichten, darunter fast alle Leistungsträger der vergangenen Wochen. Viele von ihnen gab es vor der Verpflichtung von Rösler ja nicht. Das soll sich in den kommenden Wochen ändern. Es muss sich sogar ändern, anderenfalls könnte der Doppel-Abstieg von der Bundesliga in die Drittklassigkeit zur Realität werden. „Die Angst ist da, das spürt man“, stellte der bereits dritte Trainer in dieser noch jungen Saison bei seiner Vorstellung fest. Doch ans Scheitern denkt der Globetrotter dieser Tage nicht. Trotz der prekären Tabellensituation und trotz vieler Probleme auf und neben dem Rasen nimmt er die komplizierte Herausforderung an.

Röslers elfte Trainerstation

„Ich weiß um meine Verantwortung“, betonte Rösler bei seiner Vorstellung, als er allen Beteiligten prompt das „Du“ angeboten hat. Das sei in England und Skandinavien so üblich. Für den früheren DDR-Nationalspieler ist der VfL bereits die elfte Trainerstation. Zumeist hat Rösler im Ausland gearbeitet: Viele Jahre in England, dann in Norwegen, zwischendurch in Schweden und zuletzt drei Spielzeiten in Dänemark. Sein kurzer Abstecher nach Deutschland zu Fortuna Düsseldorf endete nach nur anderthalb Jahren. Doch für Rösler war schon kurz danach klar: Er möchte es noch einmal in seiner Heimat versuchen. Nun also in Bochum beim krisengeschüttelten VfL. Abgeschreckt haben ihn die fast jährlichen Trainerwechsel und der seit Jahren anhaltende Abwärtstrend nicht. „Ich habe in der Vergangenheit bereits unter ähnlichen Bedingungen gearbeitet“, berichtete Rösler. „Deshalb vertraue ich meiner Erfahrung und meinem Bauchgefühl.“ Das habe ihm schon vor seiner Unterschrift unter einen Zweijahresvertrag gesagt, dass es möglich sei, „mit dieser Mannschaft Uwe-Rösler-Fußball zu spielen, also: aggressiv, dynamisch und vorwärts denkend.“

Der „Spirit“ sei da, „in gewissen Situationen hat aber die Qualität gefehlt“, erzählte der Fußballlehrer, als er nach seinem Eindruck der zurückliegenden Spiele gefragt wurde. Spannend: Die Verantwortlichen um Geschäftsführer Ilja Kaenzig und Vorstandschef Andreas Luthe haben im Vorfeld unter anderem Daten ausgewertet, die zeigen sollten, wie viele Punkte potenzielle Trainerkandidaten zu Beginn einer Station gesammelt haben. „Uwe Rösler bringt die perfekte Mischung mit. Die Fähigkeiten eines Feuerwehrmanns, aber auch eine Perspektive“, erklärte Luthe in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Rösler habe die Klubführung mit „Expertise und Autorität“ überzeugt, ergänzte Kaenzig. Der Auserwählte gilt als Hardliner mit Herz: mal laut, mal leise, aber stets kommunikativ, fordernd und voller Leidenschaft für den Fußball. Die hat sich sogar auf einen Sohn übertragen, der als Innenverteidiger für Malmö FF in der Europa League spielt. Der größte Unterschied: Vater Rösler war früher Stürmer, wurde zur Vereinslegende bei Manchester City, als der neureiche Klub noch ein Arbeiterverein war. Wegen einer Krebserkrankung, die Rösler besiegte, endete seine Profilaufbahn früher als geplant.

Mehr Tore, weniger Gegentore

Doch zurück zur Gegenwart beim VfL, die kaum Abschweifungen duldet. „Jeder erwartet Lösungen von mir, vor allem die Spieler“, weiß Rösler, der deshalb viele Gespräche führen möchte. „Ich möchte herausfinden, was jeder einzelne Spieler braucht.“ Die Defizite, die zu sieben Niederlagen nach acht Spieltagen geführt haben, sind ihm bereits bekannt – und er benannte sie an seinem ersten Arbeitstag in einer ruhrgebietstypischen Klarheit. Zunächst: „Fast zwei Gegentore pro Spiel – das müssen wir abstellen. Die Abwehr ist das Fundament.“ Später erklärte Rösler dann: „Nur acht Tore in acht Partien – das müssen wir erhöhen. Wir müssen die Flügel und die Box besetzen, müssen unsere Stürmer füttern.“ Rösler deutete an, auf eine „große Neun“, also auf Philipp Hofmann oder auf Ibrahim Sissoko setzen zu wollen. Allerdings: In Stein gemeißelt ist das nicht. „Ich bin ein flexibler Trainer, ohne jede Woche alles zu ändern. Es gibt einen Plan und einen Ausweichplan. Alles andere würde die Spieler überfordern.“ Rösler gab bei seiner Vorstellung vieles preis, nur die in Bochum allgegenwärtige Systemfrage wollte er noch nicht beantworten.

In Dänemark hat er zuletzt vorzugsweise auf die in Bochum verschmähte Dreier-Abwehrkette gesetzt. „Da hatte ich aber auch die Spieler dafür“, erklärte Rösler. Und in Bochum? Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der Kader für keine Spielweise und keine Grundordnung optimal zusammengestellt ist. Insbesondere schnelle Innenverteidiger und offensive Flügelspieler sind Mangelware. Rösler ist deshalb als Pragmatiker gefragt: „Ich möchte möglichst viele gute Spieler auf den Platz bekommen. Leistung diktiert, wer am Wochenende spielt.“ Auch arrivierte Kräfte wie Maximilian Wittek oder Hofmann, die sich seit Wochen im Formtief befinden, müssen demnach um ihren Stammplatz bangen. Perspektivisch sieht Rösler vor allem das zentrale Mittelfeld als „Herzstück der Mannschaft“. Namentlich nannte er Cajetan Lenz und Ibrahima Sissoko, die bei seinem Einstand gegen Hertha BSC allerdings nicht zur Verfügung stehen werden. Lenz ist gelbgesperrt, Sissoko noch verletzt und allersfrühestens im November wieder einsatzbereit. Rösler muss für sie Alternativen suchen. Gewiss: Die Namen standen beim Trainingsstart bereits auf seinem Zettel.


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Niederlage in Kaiserslautern

Im Westen nichts Neues: VfL verdrängt die Realität

Im Sinne einer effizienten Arbeitsweise wäre es vermutlich sinnvoll gewesen, diesen Text einfach von einer KI schreiben zu lassen – basierend auf dem, was zuletzt schon Thema war. „Am besten nehmt ihr die Worte aus der vergangenen oder vorletzten Woche, drückt auf kopieren und einfügen“, riet Maximilian Wittek den Journalisten nach der 2:3-Niederlage beim 1. FC Kaiserslautern. Seine Ideen auf dem Spielfeld mögen nicht immer die besten sein, neben dem Platz ist das anders. Denn wirklich Neues gibt es nicht zu berichten. In der Pfalz kassierte der VfL Bochum die sechste Niederlage in Folge, bleibt damit auf einem Abstiegsplatz und muss aufpassen, dass der Abstand aufs rettende Ufer nicht noch größer wird. Alarmierend, dass beim VfL fast niemand offen vom Abstiegskampf spricht.

Stattdessen klammern sich Spieler und Verantwortliche an Kleinigkeiten und reden paradoxerweise immer wieder von „guten“ Leistungen. Nur zur Erinnerung: So war es auch in der vergangenen Saison – das Ergebnis ist bekannt. Nach dem Spiel auf dem Betzenberg war es beispielsweise die Offensivleistung, die lobend Erwähnung fand, ebenso wie die erste Halbzeit. „Es wurde immer von uns gefordert, dass wir Tore schießen. Jetzt haben wir es geschafft, und es hat trotzdem nicht gereicht“, sagte Interimstrainer David Siebers nach seinem dritten und zugleich letzten Spiel als Linienchef. Positiv hob er hervor, dass sein Team zu keinem Zeitpunkt auseinandergebrochen ist. Immerhin. Aber das überhaupt zu erwähnen, zeigt einmal mehr, wie tief die Ansprüche des VfL Bochum bereits gesunken sind.

Auch wenn Siebers‘ Analyse natürlich nicht falsch war: „Es fehlt nicht viel, wir haben nur mit einem Tor Unterschied verloren.“ Das war bei allen sechs Niederlagen in Serie der Fall. Verdient waren sie – mit Ausnahme gegen Düsseldorf – allerdings immer. Dass Siebers die Mannschaft nun ohne weiteren Punktgewinn an Nachfolger Uwe Rösler übergibt, kann somit zweierlei bedeuten: Entweder war Siebers ebenso wie Dieter Hecking nicht in der Lage, das Bestmögliche aus diesem Kader herauszuholen. Oder der VfL verfügt einfach nicht über mehr Qualität, was das Unterfangen für den dritten Übungsleiter nicht leichter macht und die Frage aufwirft, was Rösler eigentlich bewirken soll. Für beide Thesen gibt es Argumente. Klar ist nur: Die Namen der Leistungsträger lassen sich an einer Hand abzählen.

Gerrit Holtmann gehörte auf dem Betzenberg abermals zu den wenigen Lichtblicken im VfL-Trikot, nicht nur wegen seines Treffers zum 1:1. Auch Leandro Morgalla, Cajetan Lenz, Kacper Koscierski sowie Timo Horn sind momentan unumstrittene Stammspieler. Der Schlussmann, dem der Verein nach Spielende ein Interview untersagte, obwohl die Aufnahmegeräte schon liefen, verhinderte mit seinen Paraden eine noch höhere Niederlage. Was gleichzeitig viel über die VfL-Defensive aussagt. Die musste ohne den viel gescholtenen Abwehrchef Kevin Vogt auskommen, wurde dadurch aber eher schlechter als besser. Denn weder Noah Loosli noch Erhan Masovic gaben ein Bewerbungsschreiben für eine weitere Startelfelfnominierung ab. Das gilt ebenso für Führungsspieler wie Wittek oder Philipp Hofmann.

Allerdings waren die Möglichkeiten für Siebers erneut begrenzt. Alternativen, die nachweislich besser sind, fehlten vor allem im Angriff und in der Abwehr. Einzig im Mittelfeld hätte der Kader theoretisch weitere Optionen hergegeben, die der Trainer aber nicht so recht nutzen wollte. Vor allem Francis Onyeka fand unter Siebers generell kaum Beachtung, während Mathis Clairicia zum wiederholten Mal zeigen durfte, dass seine Fähigkeiten äußerst limitiert sind. Auch die Einwechslungen verpufften abermals. Auf dem Betzenberg nahm Siebers ausgerechnet die besten Spieler vom Feld und verpasste taktische Korrekturen, um die Konter der Gastgeber zu unterbinden. Siebers ließ seine Mannschaft ins offene Messer rennen; für eine derart offensive Ausrichtung sind vor allem die Innenverteidiger viel zu langsam.

Kein Wunder also, dass der VfL nach acht Spielen bereits bei 36 Verwarnungen steht. Lenz wird das Spiel gegen Hertha BSC nach der nun anstehenden Länderspielpause sogar gelbgesperrt verpassen. Der Ligahöchstwert bei den Karten unterstreicht die Tempodefizite und die Mängel beim Zweikampfverhalten einmal mehr, ebenso wie beim Stellungs- und Passspiel. Bleibt die Liste an Defiziten so lang und ändert sich beim VfL nichts Entscheidendes, dann spricht vieles dafür, dass sich der freie Fall der Bochumer ungebremst fortsetzt und im kommenden Jahr mit einem Abstieg in die Drittklassigkeit endet. Übrigens: Die KI hat – basierend auf den Werten der vergangenen 25 Jahren – eine Abstiegswahrscheinlichkeit von fast 95 Prozent errechnet. Als Info für alle, die die Realität noch verdrängen.


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