Finanzen

Ablöse, Prämie – aber kein Geld? Die Lage beim VfL

Aus wirtschaftlicher Sicht liegt eine erfreuliche Woche hinter dem VfL Bochum. Der Transfer von Moritz Broschinski zum FC Basel sowie das Erreichen der zweiten Pokalrunde haben für frische Einnahmen gesorgt. Viele Anhänger erwarten deshalb weitere Verstärkungen, um die Mannschaft nach einem durchwachsenen und zwei enttäuschenden Auftritten zum Saisonstart zu verstärken. Doch mehr als einen Ersatz für Broschinski wird der Revierklub nach jetzigem Stand nicht verpflichten. Bis zum Transferende am 1. September soll lediglich ein dynamischer Angreifer, der sowohl als zweite Spitze als auch auf der rechten Außenbahn spielen kann, unter Vertrag genommen werden – vermutlich auf Leihbasis. Mehr gibt das Budget nicht her. Doch wie kann das sein angesichts der eingangs erwähnten Einnahmen?

Kein passendes Angebot für Sissoko

Die Erklärung besteht darin, dass die Broschinski-Ablöse gar keine Zusatzeinnahme ist, sondern dazu beitragen soll, den Etat jetzt und für die Zukunft zu stabilisieren. Die Verantwortlichen hatten in ihrer Saisonplanung bereits mit Transfererträgen gerechnet, die aber ausgeblieben waren. Vor allem bei Ibrahima Sissoko haben sie auf eine Ablöse von rund fünf Millionen gehofft. Die war aber kein Verein bereit zu zahlen. Durch die Verletzung des Mittelfeldspielers, der wohl eher Monate als nur Wochen fehlen wird, ist ein Verkauf in diesem Sommer ohnehin vom Tisch. Auch für Matus Bero gab es bislang kein Angebot. Lediglich für Lukas Daschner und Tim Oermann hat der VfL in Summe rund 2,5 Millionen Euro exklusive Boni eingenommen. Die Ablöse für Broschinski bewegt sich in einem ähnlichen Rahmen.

Allerdings ist nur ein Bruchteil davon sofort auf das Bochumer Konto geflossen. Zum einen, weil mit dem FC Basel eine Ratenzahlung vereinbart wurde, zum anderen, weil dem BVB rund 15 Prozent von der Ablöse zustehen. Bei den kolportierten 2,5 Millionen Euro handelt es sich um die maximal mögliche Gesamtsumme, wenn alle Bonuszahlungen fließen, allerdings noch vor Abzug der Dortmunder Transferbeteiligung. Das Dilemma: Selbst mit dem Transfer von Broschinski hat der VfL noch nicht die erhofften Transfereinnahmen erzielt. Die Pokalprämie von etwas mehr als 400.000 Euro für den Einzug in die zweite Runde war ebenfalls schon eingeplant. Der VfL ist also ins Risiko gegangen, um seinen Kader früh beisammen zu haben – was Sportchef Dirk Dufner bereits im Mai angekündigt hatte.

VfL-Umsatz bricht durch Abstieg ein

Generell leidet der VfL Bochum als Bundesliga-Absteiger unter Umsatzeinbußen von mehr als 30 Prozent im Vergleich zur vergangenen Saison. Da waren es laut Plan rund 86 Millionen Euro. In der laufenden Spielzeit rechnen die Klub-Verantwortlichen mit etwas weniger als 60 Millionen Euro. Ein Großteil davon, nämlich mehr als 20 Millionen Euro, lässt sich auf die deutlich geringeren TV-Einnahmen zurückführen. Immerhin: Der VfL bekommt im Vergleich aller Zweitligisten aktuell die höchste Summe. In anderen Bereichen dagegen, etwa bei den Ticketeinnahmen oder Transfererlösen, rangieren die Bochumer nur im Mittelfeld. Nimmt man den Zuschauerschnitt der vergangenen Saison als Grundlage, werden wohl acht Vereine vor dem VfL landen. Ähnlich sieht es bei den Transfersummen aus.

Auswertungen der DFL belegen, dass der VfL als Bundesligist in den vergangenen vier Jahren im Schnitt nur so viel für Spielerverkäufe eingenommen hat wie ein durchschnittlicher Zweitligist. Angesichts dieser Zahlen ist es sogar ziemlich ambitioniert, einen Spieleretat anzusetzen, der nach Auskunft von Finanz-Geschäftsführer Ilja Kaenzig in der Mitgliederversammlung Mitte Juni zu den drei höchsten der Liga gehört. Eine weitere Etaterhöhung ist indes nicht möglich, weil sie nicht durch entsprechende Einnahmen gedeckt wäre. Das wiederum erklärt die Zurückhaltung auf dem Transfermarkt seit einigen Wochen. Fast alle Kaderplätze sind belegt – wie gut, darüber lässt sich natürlich trefflich streiten. Erste Indizien, dass die Finanzmittel nicht optimal eingesetzt werden, hat der Saisonstart bereits geliefert.

Preis und Leistung im Ungleichgewicht

Bedeutet konkret: Einige Spieler sind für die aktuell vorgesehene Rolle und die bislang dargebotenen Leistungen schlicht zu teuer, etwa Koji Miyoshi, aber auch Felix Passlack und andere. Dabei handelt es sich zum Großteil um Spieler aus dem Bundesliga-Kader, deren Gehälter mit dem Abstieg allerdings automatisch gesunken sind, aber auch um Neuzugänge, die sich deutlich steigern müssen. Philipp Strompf zum Beispiel soll beim VfL zu den Besserverdienenden gehören, weil parallel auch Vereine wie Schalke 04 und der 1. FC Kaiserslautern um die Dienste des Innenverteidigers geworben haben. Auch Ibrahim Sissoko, Francis Onyeka und Kevin Vogt mussten logischerweise nicht nur aus der sportlichen, sondern auch aus der monetären Perspektive von einem Wechsel nach Bochum überzeugt werden.

Was in diesem Zusammenhang erwähnenswert ist: Verschiedene Branchenkenner berichten, dass der VfL im Ligavergleich keineswegs Top-Gehälter zahlt, sondern teilweise weniger bietet als Hannover, Düsseldorf oder Kaiserslautern. Das liegt einerseits daran, dass die Gehaltsspanne, also der Unterschied zwischen einem guten und einem weniger guten Gehalt, bei vielen Klubs größer ist als in Bochum. Punktuell zahlen Mitkonkurrenten für potenzielle Leistungsträger also mehr als der VfL, im Schnitt – also für die gesamte Mannschaft – aber weniger. Andererseits ist nicht ganz klar, was alles in den Spieleretat fällt und was nicht. Bei einigen Klubs sind es fast ausschließlich die Gehälter der Profis, bei anderen zählen auch Mitarbeiter wie Trainer und Betreuer oder gar Reisekosten dazu.

Team hinter dem Team wächst weiter

Dieser Aspekt ist mit Blick auf den VfL Bochum nicht unerheblich, schließlich ist das Team hinter dem Team in den vergangenen Monaten weiter gewachsen. Manche Stellen wurden lediglich neu besetzt, andere trotz des Abstiegs neu geschaffen. Dirk Dufner ist als Sport-Geschäftsführer dazugekommen, begleitet von Johannes Waigand (Direktor Kadermanagement), Chefscout Babacar Wane (Chefscout) und Pablo Thiam (Direktor Talentwerk). Auch die Ex-Profis und Publikumslieblinge Anthony Losilla (Co-Trainer), Cristian Gamboa (Scout) sowie Simon Zoller (Assistent der Geschäftsleitung) arbeiten weiter für den Klub und müssen entlohnt werden. Sie gelten intern zwar noch als Lehrlinge, dürften aber in Summe ungefähr fast so viel kosten wie ein durchaus brauchbarer Zweitligaspieler.


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(Foto: Jens Lukas)

Debatte

VfL-Kolumne: Vierte Leihe? Nachhaltig ist das nicht!

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zweimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Leihspieler.

Wenn Fußballvereine eher knapp bei Kasse sind, die Leistungsfähigkeit ihrer Mannschaft aber steigern wollen, sind Leihspieler oft ein guter Kompromiss. In den vergangenen vier Bundesliga-Jahren hat der VfL Bochum insgesamt 16 von ihnen unter Vertrag genommen. Viele von ihnen waren nicht wesentlich besser oder schlechter als der Durchschnitt. Nur wenige Profis wie Keven Schlotterbeck oder Elvis Rexhbecaj haben sich in die Herzen der Fans gespielt.

Auch zum aktuellen Kader gehören wieder drei Leihspieler: Leandro Morgalla von RB Salzburg, Francis Onyeka von Bayer Leverkusen und Kjell Wätjen von Borussia Dortmund. Das Trio ist noch ziemlich jung und steht erst am Anfang der Karriere. Morgalla hat bei seinen ersten Einsätzen bereits überzeugt. Onyeka könnte gegen Schalke 04 nach seiner Verletzung erstmals im Kader stehen, Wätjen ist hingegen angeschlagen und wird wohl fehlen.

Generell gilt: Leihgeschäfte ergeben nur dann Sinn, wenn sie die Qualität der Mannschaft sofort spürbar erhöhen. Denn die Spieler ziehen nach einem Jahr schon wieder weiter, sofern keine Kaufoption vereinbart wurde. Bei Morgalla soll es eine geben, bei Wätjen und Onyeka war sie utopisch. Leihgeschäfte über zwei Spielzeiten sind gemäß neuer FIFA-Statuten nicht mehr erlaubt.

Womöglich kommt bis zum Transferschluss am 1. September noch ein vierter Leihspieler dazu – als Ersatz für den abgewanderten Moritz Broschinski. Man stelle sich vor, alle vier entwickeln sich zu Stammspielern, sind in der kommenden Saison aber nicht mehr da. Dann fängt der Wiederaufbau von vorne an – schlimmstenfalls ohne eine Ablöse kassiert zu haben. Und auf Transfererlöse ist der VfL mehr denn je angewiesen.

Logisch: Sollte dem VfL in der letzten Transferwoche ein außergewöhnlicher Leihspieler ins Netz gehen und der Kaderplatz ansonsten unbesetzt bleiben, dann wäre es unklug, den Deal abzulehnen. Aber nachhaltig ist eine solche Kaderplanung nicht wirklich. Mit einer Ausnahme: Wenn die Leihspieler so gut sind, dass sie den VfL zurück in die Bundesliga führen.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Viele Baustellen

Viele Verletzte und keine Verstärkung: VfL unter Druck

Das Verletzungspech zieht sich derzeit wie ein roter Faden durch die noch junge Saison beim VfL Bochum. Schon vor dem Trainingslager erlitt Moritz Kwarteng eine schwere Innenbandverletzung, Erhan Masovic gar einen Lungenkollaps. Mehr noch: Kurz vor dem Pflichtspielstart verletzte sich auch Francis Onyeka und verpasste die ersten drei Partien mit muskulären Problemen. Nach dem Pokalspiel gegen den BFC Dynamo zog auch Ibrahima Sissoko ins Bochumer Lazarett ein. Eine Schultereckgelenksprengung samt Operation zwingt den Mittelfeldspieler zu einer mehrmonatigen Pause. Immerhin: Onyeka feierte gegen Schalke mit einem Kurzeinsatz sein Comeback. Außerdem befindet sich Masovic wieder im Mannschaftstraining und darf auf eine Rückkehr in den Kader nach der Länderspielpause hoffen.

Entspannt hat sich die personelle Lage beim VfL damit aber nicht, im Gegenteil. Für das wichtige Heimspiel gegen Preußen Münster fallen insgesamt sieben Spieler aus. Neben Kwarteng, Masovic und Sissoko müssen auch Kacper Koscierski (Distorsion der Schulter), Philipp Strompf (Muskelverletzung), Koji Miyoshi (Knöchelblessur) und Mats Pannewig (Infekt) pausieren. Zudem droht Kevin Vogt (muskuläre Probleme) auszufallen, ebenso wie Matus Bero (Beckenprellung), der am Donnerstag allerdings wieder mittrainiert hat. „Bei den Namen zucken einige vielleicht zusammen. Aber das ist die Chance für andere. Deshalb haben wir einen großen Kader“, betont Trainer Dieter Hecking. „Wir werden nichtsdestotrotz eine Mannschaft zusammenbekommen, die am Samstag alles versuchen wird.“

Viele Wechsel in der Startelf

Muss sie auch, denn der Ergebnisdruck ist schon spürbar an der Castroper Straße nach zwei Niederlagen in drei Ligaspielen. Gegen Elversberg und auch im DFB-Pokal feierte die Hecking-Elf zwar Erfolgserlebnisse, aber ohne eine überzeugende Leistung zu zeigen, teilweise sogar in Überzahl. Hecking bittet die Anhänger dennoch um Geduld: „Die Unterstützung ist wichtig, ein Grummeln nicht förderlich.“ Zumal der Altersschnitt gegen Münster weiter sinken wird. Der erst 19-jährige Cajetan Lenz, der in Berlin und Schalke überzeugt hat, wird ebenso zur Startelf gehören wie Neuzugang Onyeka. Auch Kjell Wätjen könnte beginnen, Leandro Morgalla sowieso. Der Defensivallrounder ist bislang der einzige von neun externen Neuzugängen, den man nach vier Pflichtspielen zweifelsfrei als Verstärkung bezeichnen darf.

Eine stabile Achse hat sich generell noch nicht herauskristallisiert. Einzig Torwart Timo Horn, Abwehrchef Vogt, Linksverteidiger Maximilian Wittek und Kapitän Bero gehörten bislang ausnahmslos zur Startelf. Im schlimmsten Fall müssen zwei von ihnen gegen Münster pausieren, sodass lediglich Wittek und Horn übrig blieben. Auf allen anderen Positionen musste Hecking bereits verletzungs- oder leistungsbedingt wechseln. Echte Stammspieler gibt es derzeit kaum. Lediglich Gerrit Holtmann hat sich mit seinen zwei Toren gegen Elversberg und Schalke in die Anfangsformation geschossen. Auch Lenz, Morgalla und Philipp Hofmann dürften erst einmal gesetzt sein. Aber reicht das, um der Favoritenrolle gegen mutige Münsteraner und andere Mannschaften gerecht zu werden? Zweifel sind angebracht.

Kabadayi kommt nicht zum VfL

Auch deshalb werden im Umfeld Forderungen nach weiteren Neuzugängen lauter. Rein nominell ist der VfL mit 28 Profis aber schon üppig besetzt. Trotz zahlreicher Ausfälle wird Hecking keine großen Experimente wagen müssen, etwa Spieler positionsfremd einsetzen. An den Transferplänen ändern die Ausfälle, die zum Großteil nur von kurzer Dauer sein sollen, also nichts. Kommen soll allerdings noch ein Ersatz für den verkauften Moritz Broschinski, ein flexibel einsetzbarer Angreifer. Die WAZ vermeldete am Donnerstag sogar schon einen feststehenden Transfer samt Medizincheck, ruderte kurze Zeit später aber zurück. Demnach sollte Yusuf Kabadayi vom FC Augsburg ausgeliehen werden. Interesse bestand tatsächlich, allerdings haben die Bochumer Abstand von einer Verpflichtung genommen.

Der 21-Jährige hätte als schneller, trickreicher Flügelstürmer ins sportliche Anforderungsprofil gepasst. Allerdings soll es von Teilen der Klubführung Zweifel an der charakterlichen Eignung gegeben haben. Anfang des Jahres ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Kabadayi und ordnete kurzzeitig U-Haft an. Näheres zu den Vorwürfen „mit sexuellem Hintergrund“ wurde öffentlich nicht bekannt. Schon während seiner Zeit auf Schalke fiel der Spieler negativ auf, unter anderem mit einem heiklen Instagram-Post zur Lage im Nahen Osten. Zu einem Medizincheck kam es deshalb gar nicht erst, stellte der VfL auf Anfrage klar. Was dennoch verwundert, ist die Tatsache, dass der Spieler überhaupt ein Kandidat war; offensichtlich gab es innerhalb des Klubs unterschiedliche Meinungen. Fest steht: Kabadayi wird nicht zum VfL wechseln. Die Suche nach Verstärkung geht somit weiter. Das Transferfenster schließt am kommenden Montag.


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(Foto: Marc Niemeyer)

3:1 nach Verlängerung

Gequältes Siegerlächeln: Viele Mängel, zwei Verletzte

Die eidgenössische Ruhe wurde Ilja Kaenzig in die Wiege gelegt. Dennoch ist es möglich, dass der kaufmännische Geschäftsführer des VfL Bochum beim Spiel am Samstag gegen den BFC Dynamo ziemlich nervös geworden ist. Denn zwischenzeitlich drohte nicht nur das sportliche Aus im DFB-Pokal, sondern auch ein finanzieller Rückschlag. Der Einzug in die zweite Pokalrunde garantiert einen mittleren sechsstelligen Betrag. Zudem besteht die Aussicht auf deutlich höhere Zusatzeinnahmen. Immerhin: Diese Chance hat der VfL Bochum mit dem äußerst mühsamen 3:1-Erfolg nach Verlängerung gewahrt. Mögliches Kapital hat er dennoch verloren: Verkaufskandidat Ibrahima Sissoko musste bereits in der Anfangsphase mit einer wahrscheinlich schweren Schulterverletzung ausgewechselt werden.

Klare Fehlentscheidungen

Eigentlich hätte es für das entsprechende Foulspiel einen Elfmeter für den VfL geben müssen. Wäre dann alles einfacher geworden? Vielleicht. Dass ein Strafstoß allerdings keine Garantie für ein Tor ist, haben die Bochumer zu Beginn der Verlängerung bewiesen. Da scheiterte Matus Bero vom Punkt. Die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking gewann am Ende trotzdem, weil Samuel Bamba und Bero in der zweiten Hälfte der Verlängerung in deutlicher Überzahl trafen. Die Berliner spielten ab der 80. Minute zu zehnt, seit der 103. Minute sogar nur noch zu neunt, wobei der erste Platzverweis ein Fehler war. Umgekehrt verweigerte der indisponierte und verunsicherte Schiedsrichter den Bochumern einen weiteren Elfmeter nach einem Foul an Koji Miyoshi, der sich bei dieser Szene am Knöchel verletzt hat.

Der Unparteiische war trotzdem nicht hauptverantwortlich für den langen, aufreibenden Fußballnachmittag. Der VfL wirkte im eigenen Ballbesitz oftmals ratlos, leistete sich viele Ungenauigkeiten und spielte sich nur wenige Torchancen heraus. Spielfreude? Fehlanzeige! Auch in einer 4-3-3-Formation ohne den erkrankten Leandro Morgalla, den angeschlagenen Philipp Strompf sowie den abgewanderten Moritz Broschinski gab es erhebliche Defizite. Noah Loosli, Cajetan Lenz und Philipp Hofmann rückten ebenso ins Team wie Gerrit Holtmann und Miyoshi, die beim 2:0 gegen Elversberg schon in der stärkeren zweiten Halbzeit mitgewirkt haben. Den Schwung mitnehmen konnte der VfL aber nicht. „Wenn man glaubt, mit 80 Prozent einen Viertligisten zu schlagen, dann wird es schwierig“, bemängelte Hecking.

Offensiv lange zu harmlos

Der Fußballlehrer hat vor allem Tempo und eine konsequentere Zweikampfführung vermisst. Das 1:0 für die disziplinierten Berliner direkt nach Wiederanpfiff verkomplizierte die Lage zusätzlich. Loosli brachte den VfL mit seinem späten Tor schließlich in die Verlängerung. Dort nutzte der Zweitligist die Überzahl aus, gewann das Spiel im Sportforum Hohenschönhausen und verhinderte ein erneutes Erstrunden-Aus nach zuletzt zwei Pokalpleiten in Serie. Das Siegerlächeln sah bei vielen Bochumern dennoch eher gequält aus. „Ein Ruhmesblatt war es nicht, aber in der ersten Runde zählt nur das Weiterkommen. Trotzdem müssen wir uns natürlich deutlich steigern, wenn wir irgendwelche Ansprüche anmelden wollen“, bekräftigte Hecking vor dem prestigeträchtigen Derby gegen Schalke 04.

In Berlin kam kein Bochumer an seine Bestleistung heran. Mit kleineren Abstrichen überzeugten Lenz und die übrigen Jungspunde. Grundsätzlicher Natur sind indes die Probleme in der Offensive. Neben fehlenden Abläufen und einer erschreckenden Ideenlosigkeit fallen auch Qualitätsmängel auf. Bereits in der Vorbereitung deutete sich an, dass dem VfL torgefährliche Spieler fehlen, im Angriffszentrum ebenso wie auf den übrigen Positionen. Bezeichnend, dass ausgerechnet Sturmhoffnung Philipp Hofmann die beste Bochumer Chance in der ersten Halbzeit kläglich vergab. Weil Ibrahim Sissoko wegen eines Infekts in Bochum blieb, fehlte eine Alternative. Denn: Der Ersatz für Broschinski ist noch nicht in Sicht. Justin Diehl wird es wohl eher nicht. Der VfB Stuttgart möchte ihn aktuell noch nicht verleihen.

Geld für einen Neuzugang

Auf einen Leihspieler wird es aber hinauslaufen. Für ablösepflichtige Spieler, die sofort weiterhelfen würden, müsste der VfL ähnlich viel bezahlen wie er nun für Broschinski bekommen hat. Das Ziel des Transfers war es allerdings, die Vereinskasse zu füllen, um eingegangene Risiken zu mindern. Transfereinnahmen waren bei der Etatplanung bereits einkalkuliert. Nur so lässt sich der jetzige Kader überhaupt finanzieren. Der Broschinski-Verkauf für rund zwei Millionen Euro, abzüglich einer Beteiligung des BVB, war also notwendig, erst recht mit dem heutigen Wissen, dass ein Wechsel von Ibrahima Sissoko in diesem Sommer nicht mehr über die Bühne gehen wird. Der Mittelfeldspieler droht lange auszufallen, wurde noch während des Spiels in Berlin nach Bochum transportiert und dort untersucht.

Allerdings war die vom VfL erhoffte Transfereinnahme von rund fünf Millionen selbst mit einem gesunden Sissoko kaum noch realistisch. Kein Verein hat in diesem Sommer ein Angebot abgegeben, das nur ansatzweise in die Nähe der Wunschvorstellung gekommen ist. Auch in der Zukunft wird dieser Betrag sehr wahrscheinlich nicht zu erzielen sein, weil Sissokos potenzieller Wiederverkaufswert mit jedem Jahr abnimmt. Selbst die angebliche 3-Millionen-Offerte vom polnischen Erstligisten Pogon Szczecin – die zufällig vor dem Spiel gegen den befreundeten BFC publik geworden ist – existiert in Wahrheit gar nicht. Bleibt noch die Pokalprämie von etwas mehr als 400.000 Euro, über die sich Kaenzig aber allenfalls kurz gefreut haben dürfte. Denn auch er wird die sportlichen Mängel nicht übersehen haben.

Update am Sonntagmittag: Ibrahima Sissoko hat sich gestern eine Schultereckgelenksprengung zugezogen. Er wird heute in Bochum operiert und nach Vereinsangaben „mehrere Wochen“, eher sogar Monate fehlen.


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(Foto: Imago / Jan Huebner)



Wechsel

Ablöse und Nachfolger: Der Broschinski-Verkauf im Detail

Noch vor gut einer Woche hatte sich Dieter Hecking zur Personalie Moritz Broschinski eindeutig positioniert. Der Fußballlehrer sprach sich klar für einen Verbleib des Angreifers aus. Logisch, denn Broschinski war nach einer guten Saisonvorbereitung und seinem Tor in Darmstadt plötzlich Stürmer Nummer eins beim VfL. Nun aber muss Hecking umplanen. Broschinski schließt sich dem FC Basel an. Der amtierende Schweizer Meister und mögliche Champions-League-Teilnehmer hat sich die Dienste des Angreifers gesichert. Auch der FC St. Gallen und Sturm Graz bekundeten in den vergangenen Wochen Interesse an einer Verpflichtung, gaben aber kein passendes Angebot ab. Basel wiederum hat nicht nur den Spieler mit einem Vierjahresvertrag überzeugt, sondern auch die Bochumer Verantwortlichen.

„Wir haben betont, dass kein Spieler von uns unverkäuflich ist und wir bei jedem potenziellen Transfer den sportlichen Wert gegen den wirtschaftlichen abwägen müssen. Moritz Broschinski hat sich in der Vorbereitung in einer guten Verfassung präsentiert und diesen Eindruck zu Saisonbeginn bestätigt. Allerdings ging er nun in sein letztes Vertragsjahr, eine Perspektive auf Verlängerung besaßen wir nicht“, erklärt Sport-Geschäftsführer Dirk Dufner die Entscheidung für einen sofortigen Verkauf. „In dieser Konstellation hat das außergewöhnliche Angebot des FC Basel bei uns die Abwägung eindeutig in Richtung Wirtschaftlichkeit verschoben. Wir werden selbstverständlich den Markt weiterhin beobachten und sondieren, welche neuen Möglichkeiten sich durch seinen Abgang ergeben.“

Von eigenen Fans verschmäht

Die Sockelablöse ohne mögliche Bonuszahlungen soll bei knapp zwei Millionen Euro liegen, abzüglich einer niedrig sechsstelligen Transferbeteiligung für den BVB, bei dem Broschinski vor seinem Wechsel im Januar 2023 zum VfL gespielt hat. In Bochum pendelte er seither zwischen Startelf und Ersatzbank, erzielte sechs Tore in 76 Pflichtspielen. Erst in dieser Saison stieg Broschinski zum Stammspieler auf. Hecking wollte ihn deshalb unbedingt halten, muss sich nun aber den wirtschaftlichen Zwängen des Klubs beugen. Anderenfalls hätte Broschinski den Verein im kommenden Sommer ablösefrei verlassen dürfen. Bereits im vergangenen Jahr hätte es für Broschinski die Möglichkeit gegeben, den VfL zu verlassen. Seinerzeit war Union Berlin an einer Verpflichtung des Spielers interessiert.

Aus unterschiedlichen Gründen blieb Broschinski jedoch in Bochum, überzeugte sportlich aber nur selten. In der zurückliegenden Saison gelang ihm bei 33 Bundesliga-Einsätzen nur ein Tor. Zeitweise wurde er sogar von den eigenen Fans verschmäht. Auch deshalb waren sich Klub und Spieler nach dem Bundesliga-Abstieg einig, dass ein Wechsel für beide Seiten die beste Lösung sei, um einen Neuanfang zu starten. Weil Broschinski dann aber in den Testspielen zuverlässig traf, Philipp Hofmann nach seinem Lungenkollaps länger ausfiel und Neuzugang Ibrahim Sissoko Anpassungsschwierigkeiten hatte, war der 24-Jährige plötzlich gesetzt – zumal Hecking derzeit eine Doppelspitze bevorzugt und der agile Broschinski der passende Nebenmann für einen typischen Wandspieler war.

VfL benötigt agilen Angreifer

Die naheliegende Frage, wie Broschinski ersetzt werden soll, wird vor allem Sportchef Dufner mit der Hilfe von Kadermanager Johannes Waigand und Chefscout Babacar Wane beantworten müssen. Aufgrund ähnlicher Stärken und Schwächen sollen Hofmann und Sissoko nach Möglichkeit eher nicht gemeinsam stürmen. Benötigt wird neben einem kantigen Mittelstürmer also noch ein dynamischer Angreifer. Für diese Rolle steht aktuell einzig Mathis Clairicia zur Verfügung. Der Neuzugang aus der dritten französischen Liga überzeugt zwar mit viel Fleiß, großem Ehrgeiz und reichlich Tempo, muss technisch wie taktisch aber noch zulegen. Auch wenn ihm die Verantwortlichen Großes zutrauen: Ob er dem VfL schon in absehbarer Zeit entscheidend weiterhelfen wird, darf zumindest bezweifelt werden.

Auch deshalb wäre es nur allzu logisch, den Kaderplatz von Broschinski neu zu besetzen. Diesen Plan verfolgen auch die Verantwortlichen beim VfL und fahnden bereits nach einer passenden Lösung. Vor allem die Abgangskandidaten verschiedener Bundesligisten könnten ins Raster passen. Einer der Kandidaten ist in jedem Fall Justin Diehl vom VfB Stuttgart. Der 20-Jährige ist ein etwas anderer Spielertyp als Broschinski: eher klein und flink, dribbelstark und kann in der Offensive flexibel eingesetzt werden – bevorzugt auf der Außenbahn, aber auch als zweite Spitze neben Hofmann oder Sissoko. Klar ist: Bei Diehl käme einzig ein Leihgeschäft ohne Kaufoption in Betracht, weil Stuttgart langfristig mit ihm plant. Bis zum 1. September müsste eine Einigung erzielt werden. Dann endet hierzulande die Transferperiode.


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(Foto: Marc Niemeyer)

2:0 gegen Elversberg

Aufschwung über die Außen: VfL im Transferdilemma

Es braucht nicht viel, um die Fans im Bochumer Ruhrstadion zu begeistern und von den Sitzen zu reißen. Als Gerrit Holtmann direkt nach der Halbzeitpause über die linke Außenbahn flitzte und Koji Miyoshi in der Mitte mustergültig bediente, dieser aber knapp vergab, wurde es an der Castroper Straße am Sonntagnachmittag gegen die SV Elversberg zum ersten Mal so richtig laut. Nach einer äußerst zähen ersten Halbzeit, in der der VfL trotz Überzahl keine Torgefahr entwickelte, zeigten die Hausherren mit verändertem Personal eine klare Leistungssteigerung und verdienten sich den ersten Saisonsieg. Ibrahima Sissoko brachte den Revierklub in Führung, Holtmann sorgte später für die Entscheidung. Die Erleichterung nach dem Schlusspfiff war spürbar. Die Auftaktpleite ist zwar nicht vergessen, aber verdrängt.

Leidige Systemdebatte

Der VfL präsentierte sich defensiv klar verbessert und überzeugte auch bei Standardsituationen. Der Führungstreffer resultierte aus einem Eckball. Dass der VfL seit der sechsten Minute in Überzahl spielte, nachdem der Ex-Bochumer Jan Gyamerah eine überzogene Ampelkarte sah, half nicht sofort, im weiteren Spielverlauf aber sehr wohl. In der ersten Halbzeit fiel auf, dass sich der VfL in der von Hecking aktuell bevorzugten 3-5-2-Formation im eigenen Offensivspiel ziemlich schwer tat. Es fehlten Überraschungsmomente. Erst mit der Hereinnahme von Holtmann und Miyoshi, also mit mehr Tempo, einem zusätzlichen Offensivspieler und einer Stärkung der Flügel, entfachten die Bochumer Druck auf das Elversberger Tor. „Sie haben das Spiel über die Außen sehr belebt“, lobte Torwart Timo Horn seine Teamkollegen.

Auch Hecking würdigte das Duo in seiner Analyse. Ihr überzeugender Auftritt wirft wieder einmal die Grundsatzfrage auf, ob sich die Spieler beim VfL in einem 4-3-3-System vielleicht doch etwas wohler fühlen. „Unser System ist nicht in Stein gemeißelt. Wir müssen flexibel sein“, betonte Horn. Vordermann Kevin Vogt sah das ähnlich und lobte den Auftritt generell, fernab der leidigen Grundordnungsdebatte: „Das war die Reaktion, die wir zeigen mussten. Wir sind sehr erwachsen aufgetreten.“ Hecking wiederum kann die Systemfrage längst nicht mehr hören. Er kritisierte in den vergangenen Tagen mehrfach öffentlich die Analysen von Fans und Medien – auch die von Tief im Westen – Das VfL-Magazin – und machte deutlich, dass er sich bei Aufstellungsfragen ungern von außen hineinreden lässt.

Kein Geld für Zugänge

In den sozialen Netzwerken, wo sich auch viele Stadiongänger tummeln, hat Hecking mit seinen Äußerungen eher nicht gepunktet. Trotz seiner Erfahrung sei er überraschend unsouverän, belehrend und werte andere Meinungen schnell ab, heißt es in vielen Kommentaren von Fans, verbunden mit der Feststellung, dass sich Hecking damit selber unter Druck gesetzt hat. Mit dem Sieg gegen Elversberg dürfte dieser vorerst abnehmen, wenngleich nun zwei prestigeträchtige Partien auf den VfL warten: erst im DFB-Pokal beim BFC Dynamo, dann in der Liga bei Schalke 04. Weitere Enttäuschungen sollte sich die Hecking-Elf gerade nicht erlauben. Immerhin: Der VfL ist besser gestartet als Fortuna Düsseldorf, Hertha BSC und Holstein Kiel; allesamt potenzielle und noch sieglose Mitbewerber um den Aufstieg.

Ob der VfL Bochum wirklich oben mitspielen wird, entscheidet sich auch noch auf dem Transfermarkt. Nach wie vor ist offen, ob Ibrahima Sissoko und Matus Bero über den 1. September hinaus in Bochum bleiben; aktuell liegen allerdings keine nennenswerten Offerten für sie vor. Gleiches gilt für Moritz Broschinski, den Hecking genauso gern halten würde wie Miyoshi. Der Japaner gilt klubintern nach wie vor als Abgangskandidat, weil er für einen Einwechselspieler eigentlich zu teuer ist. Interesse an einer Verpflichtung zeigen die Blackburn Rovers aus England, allerdings noch ohne passendes Angebot. Das Dilemma: Ohne einen Abgang wird der VfL nach jetzigem Stand keine Neuverpflichtung mehr tätigen können. Auch eine zusätzliche Pokalprämie bei einem Weiterkommen in Berlin würde daran nichts ändern.

Historische Kartenflut

Dass Hecking einen breiten Kader durchaus nutzen würde, hat er gegen Elversberg bewiesen. Neuzugang Mathis Clairicia und Eigengewächs Kacper Koscierski feierten ihr Startelfdebüt, blieben aus taktischen Gründen aber schon zur Pause in der Kabine. Felix Passlack und Colin Kleine-Bekel schafften es indes gar nicht erst in den Spieltagskader. „Das kann nächste Woche schon wieder ganz anders aussehen“, erklärte Hecking, wohlwissend, dass irgendwann neue Verletzungen oder Sperren dazukommen werden. Gegen Elversberg blieb der VfL von Letzterem noch verschont, trotz insgesamt zwölf gelber Karten in einer keineswegs überharten Partie. Neun davon kassierte der VfL, eine ging an Hecking. Mit dieser Kartenzahl hat Schiedsrichter Lukas Benen den bisherigen Zweitligarekord eingestellt.


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(Foto: Imago / DeFodi Images)

Interview

Dufner und Kaenzig: „Wir bunkern kein Geld“

Zwei erfahrene Geschäftsführer sollen den VfL Bochum wieder in die Erfolgsspur führen. Im Doppel-Interview skizzieren Dirk Dufner und Ilja Kaenzig die wirtschaftliche und sportliche Entwicklung. Hinweis vorab: Das Gespräch fand bereits vor dem Saisonstart im Juli statt.

Herr Kaenzig, Sie sind seit der Verpflichtung von Dirk Dufner nicht mehr alleiniger Geschäftsführer des VfL Bochum. Bedauern Sie das oder freuen Sie sich über die zusätzliche Unterstützung für den sportlichen Bereich?

Kaenzig: Ich begrüße das, denn Erfolg ist auch beim VfL Bochum nur gemeinschaftlich möglich, was die Gremien und Mitarbeitenden auf anderer Ebene miteinschließt. Wichtig ist, dass die Stelle des Sport-Geschäftsführers nicht nur geschaffen wurde, sondern mit Seniorität im Sinne der Erfahrung passend besetzt wurde. Dirk und ich verstehen uns praktisch blind, wir befinden uns auf einer Wellenlänge. Mit ihm kommen wir als Organisation schneller voran. Es ist somit keine Überraschung, dass unsere Mannschaft für die neue Saison schon so früh fast fertig zusammengestellt war. Und wir wissen aus der Vergangenheit: Der Saisonverlauf entscheidet sich maßgeblich in der Sommerpause.

Wie sieht die tägliche Zusammenarbeit aus und wie sind die Zuständigkeiten geregelt, Herr Dufner?

Dufner: Aus unseren Aufgabengebieten ergibt sich ein besonderes Zusammenspiel. Ilja ist für das große Ganze, darunter für die Finanzen, zuständig – und ich trage die Gesamtverantwortung für den Sport, bin unter anderem für die Zusammenstellung der Mannschaft verantwortlich. Daraus ergeben sich natürliche Diskrepanzen. Mein Ziel ist es, den bestmöglichen Kader zusammenzustellen. Das möchte Ilja natürlich auch, aber manchmal müssen wir Kompromisse finden, um auszuloten, was umsetzbar ist und was nicht.

Der VfL Bochum spielt nun wieder zweitklassig. Was wird nun aus der Vision, einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro zu erreichen?

Kaenzig: Die 2. Liga ist nicht mehr vergleichbar mit der Liga, die wir vor dem Aufstieg 2021 erlebt haben. Unser Ziel ist es, in dieser Saison auf annähernd 60 Millionen Euro Umsatz zu kommen. Das wäre das Doppelte von dem, was wir damals in der 2. Liga erreicht haben. Stillstand wird bestraft, weil die Konkurrenz auch in dieser Liga immer größer wird. Insofern: Wir spielen zwar in einer anderen Liga, aber der kontinuierliche Wachstumstrend der letzten Jahre muss trotzdem anhalten. Bei einer Bundesliga-Rückkehr wären die 100 Millionen Euro somit perspektivisch wieder realistisch, denn bei über 92 Millionen Euro waren wir bereits. Das muss unser Anspruch und unser Ziel bleiben.

Wo sehen Sie denn trotz des Abstiegs Wachstumspotenzial?

Kaenzig: Das Stadion hat ligaunabhängig Optimierungsbedarf, dieses gemeinsame Großprojekt mit der Stadt ist ja bereits angelaufen. Ein großes Ziel bleibt es zudem, die Transfereinnahmen zu erhöhen, weil diese immer bedeutsamer werden. Und: Wir wollen trotz des Abstiegs weiterhin in allen Bereichen zulegen. Die Faszination für den VfL ist ungebrochen, das spüren wir und das motiviert uns alle enorm.

Dufner: Transfererlöse sind zweifellos ein großer Hebel, allerdings ligaunabhängig. Da helfen uns in erster Linie eigene Talente, denn Spieler, die 27 oder 28 Jahre alt sind, bringen in unserem Bereich meist keine großen Transfererlöse mehr. Zumal: Die Wahrscheinlichkeit, einen Spieler zu entdecken, den sonst keiner gefunden hat, ihn günstig einkaufen, um ihn dann gewinnbringend abzugeben, ist gering. Beim eigenen Nachwuchs, der hier seine ersten Schritte im Profibereich geht und weiterhin Entwicklungspotenzial besitzt, ist das viel realistischer.

Ist der Verkauf von Tim Oermann zu Bayer Leverkusen ein Musterbeispiel dafür, wie es in Zukunft häufiger laufen könnte, oder aufgrund der kolportierten Ablöse eher ein Negativbeispiel?

Dufner: Wir kommentieren keine Zahlen, aber es gibt Faktoren, die die kolportierte Ablöse nach oben treiben können. Insofern können wir von einem guten Deal im Rahmen der Möglichkeiten sprechen. Denn: Tim Oermann hat sich sehr klar festgelegt, zu Bayer Leverkusen wechseln zu wollen, und zu keinem anderen Klub. Das Problem war, dass Leverkusen ihn auch ein Jahr später ablösefrei genommen hätte. Unsere Verhandlungsposition war also denkbar ungünstig, zumal der Spieler – obwohl er in Bochum ausgebildet wurde – eine Vertragsverlängerung offensichtlich von Anfang an abgelehnt hat.

Kaenzig: Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, dass es frühzeitig, schon im letzten Jahr, zahlreiche Gespräche mit Tim, seiner Familie und seinem Berater gab. Sie wollten den Vertrag auch zu verbesserten Bezügen nicht verlängern. Was völlig legitim ist, aber nun mal ein Teil der Wahrheit. Und das hat uns, wie Dirk schon sagte, leider in eine schwierige Ausgangslage gebracht.  

Transfererlöse sind für einen Zweitligisten auch deshalb so wichtig, weil die TV-Einnahmen im Vergleich zur Bundesliga deutlich geringer ausfallen. In welchen Bereichen muss der VfL den Gürtel nun enger schnallen?

Kaenzig: Wir planen aktuell mit rund 20 Millionen Euro aus dem TV-Topf. In der Bundesliga war es doppelt so viel. Natürlich schrumpft der Lizenzspieleretat deshalb im branchenüblichen Rahmen, dennoch bleiben wir ambitioniert. Das erwarten die Fans und Mitglieder doch auch von uns. Sie wollen eine wettbewerbsfähige Mannschaft sehen. Somit fließen auch in dieser Saison rund 50 Prozent unserer Einnahmen in den sportlichen Bereich inklusive Nachwuchs. Die Sponsoren haben die gleichen Erwartungen an uns wie zuvor, auch medial bleiben wir genauso im Fokus, und das Stadion wird ebenfalls gut gefüllt sein, was entsprechenden Personaleinsatz erfordert. Ohne eine funktionierende Organisation ist sportlicher Erfolg nicht möglich.

Der Vorwurf, der VfL sei speziell bei Spielerverpflichtungen zu knauserig, hält sich im Umfeld allerdings hartnäckig.

Kaenzig: Es bleibt dabei: Wir bunkern kein Geld, wir geben es aus – und stecken möglichst viel in den Sport. Im Nachwuchs sparen wir gar nicht, sondern sehen das als unabdingbare Investition in die Zukunft. Unsere Zahlen sind transparent für jeden einsehbar. Man muss sie aber auch lesen! Stammtischdiskussionen gehören zum Fußball, es macht die Romantik dieses Sports aus, dass jeder ein Experte ist. Denn es gibt keine Wahrheit, sondern nur Meinungen.

Über die Scoutingabteilung wurde zuletzt besonders intensiv diskutiert, sogar öffentlich angestoßen von Trainer Dieter Hecking. Wieso wurde diese Abteilung in den zurückliegenden Jahren offensichtlich vernachlässigt, Herr Kaenzig? Und was planen Sie nun zur Verbesserung, Herr Dufner?

Kaenzig: Das Scouting war Thema in jeder Mitgliederversammlung und wurde nach und nach von unterschiedlichen Sportverantwortlichen weiterentwickelt. Trotz allem sind wir noch nicht zufrieden, weshalb wir weitere Veränderungen anstreben.

Dufner: Mein Eindruck ist, dass die Kommunikations- und Entscheidungswege optimierungsbedürftig sind und eine neue Führungsstruktur dazu beitragen wird. Es gibt Überarbeitungsbedarf, um Potenziale auszuschöpfen. Vielleicht ist es gar nicht notwendig, die Abteilung zu vergrößern oder personell radikal zu verändern, sondern lediglich besser zu strukturieren. Das werden wir uns gemeinsam mit dem neuen Chefscout anschauen. Klar ist: Wir müssen schneller sein, sowohl bei der Informationsbeschaffung als auch bei der Entscheidungsfindung. Unser Ziel ist es, die Scouting-Abteilung in den kommenden Transferperioden wieder stärker einzubinden als das aktuell der Fall ist.

Wer unterstützt Sie in diesem Sommer bei der Kaderplanung – und worauf legen Sie bei neuen Spielern besonderen Wert?

Dufner: Mit Johannes Waigand haben wir einen Mitarbeiter dazubekommen, der mich als Direktor Kadermanagement in allen Belangen unterstützt. Zudem nutzen wir unsere eigenen Netzwerke. Auch der Trainer bringt sich natürlich mit ein. Gemeinsam haben wir den Kader deutlich verjüngt und Wert auf eine große deutschsprachige Gruppe gelegt, an der sich die anderen Spieler orientieren können und wodurch schon in den ersten Wochen eine gute Gruppendynamik entstanden ist. Wir wollen spüren, dass die Spieler große Lust darauf haben, für den VfL Bochum zu spielen – egal wie alt, egal woher.

Was lief in diesem Sommer anders und besser als im vergangenen, Herr Kaenzig?

Kaenzig: Die Mannschaft war rasch beisammen und ist erstaunlich schnell zusammengewachsen. Die Erfahrung von Dieter Hecking tut uns dabei besonders gut. Er weiß genau, was zu tun ist, und vermeidet Experimente. In dieser Konstellation hätten wir im vergangenen Jahr womöglich einige Fehler nicht gemacht. Auch in dieser Hinsicht hilft uns Dirks und Dieters Seniorität, ich betone es gerne immer wieder, enorm.

Dies war ein Auszug dem ausführlichen Doppel-Interview mit Dirk Dufner und Ilja Kaenzig, das im neuen VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen ist. Im weiteren Gesprächsverlauf ging es unter anderem um die Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidium, die Stärkung der Nachwuchsarbeit und das Saisonziel bei den Profis. Darüber hinaus bietet das Magazin auf insgesamt 100 Seiten weitere Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrund- und Fangeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen.