Hoffen auf Rückkehr

Kompromiss ohne Klausel? Hecking plant mit Bernardo

Unmittelbar nach Spielende Interviews zu führen, ist für alle Beteiligten oftmals anstrengend. Für die erschöpften Spieler, weil sie meist nicht wissen, was sie sagen oder antworten sollen, aber auch für die Journalisten, die dann längst bekannte Phrasen hören. Zu den seltenen wie positiven Ausnahmen zählt VfL-Verteidiger Bernardo. Der Brasilianer stellt sich nicht nur bereitwillig den Fragen, er hört auch aufmerksam zu und hakt höflich nach, wenn er sich nicht sicher ist, ob er alles richtig verstanden hat. Zweifellos: Der 29-Jährige gehört zu den freundlichsten, angenehmsten und womöglich auch ehrlichsten Gesprächspartnern aus der aktuellen Bochumer Bundesliga-Mannschaft.

Insofern überrascht das Gerede in der Branche, dass der Defensivallrounder auf einen ablösefreien Wechsel im Sommer dränge. Brisant daran ist, dass sich Bernardos auslaufender Vertrag bei drei weiteren Einsätzen über mindestens 45 Minuten um ein weiteres Jahr verlängern würde, sofern der VfL erstklassig bleibt. In diesem Fall wäre ein Abgang nicht so einfach möglich, und für den Spieler und seine Berater auch nicht so lukrativ. Der Spieler weist Spekulationen, dass er absichtlich pausiere, weit von sich. Ein Vertreter von Bernardo soll allerdings schon mit der Vertragsfreiheit seines Spielers ab Juli geworben haben. In verschiedenen Medienberichten wurde Bernardo zuletzt mit mehreren Bundesligisten, aber auch mit Klubs aus dem Ausland in Verbindung gebracht.

Befeuert werden diese Gerüchte dadurch, dass Bernardo zuletzt drei Spiele verpasst hat. Erst hat die Achillessehne Probleme bereitet, dann das Knie. Zuletzt kam Bernardo beim 3:2-Erfolg gegen Bayern München zum Einsatz. Seit dieser Woche befindet sich der Linksfuß aber wieder im Mannschaftstraining und soll im Heimspiel gegen den FC Augsburg an diesem Samstag wieder zur Verfügung stehen. „Ich hoffe, dass Bernardo dabei sein kann“, sagte Trainer Dieter Hecking am vergangenen Wochenende nach der herben Pleite gegen den VfB Stuttgart. Die fehlende defensive Ordnung an einem einzigen Ausfall festzumachen, sei „zu billig“, bekräftigte Hecking ungefragt, bezeichnete den linken Innenverteidiger aber als „wichtigen Faktor. Wir verlieren Stabilität, wenn er nicht spielt.“ Zu Bernardos großen Stärken zählen seine Zweikampfstärke, sein Stellungsspiel und seine Schnelligkeit.

All dies haben die Bochumer schon zu Saisonbeginn schmerzlich vermisst, als Bernardo aus ähnlichen Gründen die ersten zehn Ligaspiele verpasste. Der messbare Unterschied ist frappierend: Wenn Bernardo über 90 Minuten zum Einsatz kam, hat der VfL im Schnitt rund 1,4 Punkte pro Spiel geholt. Ohne ihn hat der Tabellenvorletzte in 15 Anläufen wiederum kein einziges Spiel gewonnen. Logisch also, dass vor allem Trainer Hecking im Saisonendspurt nicht auf seinen Schützling verzichten möchte: „Er ist ein guter Junge, der uns unbedingt helfen will und sich ärgert, dass er das zuletzt nicht konnte. Alle, die glauben, dass er kein Spiel mehr machen wird, kann ich beruhigen. Ich gehe fest davon aus, wenn sein Knie mitmacht, dass er uns im Endspurt zur Verfügung stehen wird.“

Offen ist allerdings, zu welchen Bedingungen. Gespräche, Bernardo mit einem neuen, längerfristigen Vertrag auszustatten, um in jedem Fall eine Ablöse zu kassieren, haben bislang nicht zum Erfolg geführt. Der Spieler und seine Berater hoffen auf sportlich und finanziell attraktivere Angebote. Bernardos Wunsch ist es, sich noch einmal auf der internationalen Bühne zu präsentieren. Das hat er bereits im vergangenen Sommer erzählt. Ein auslaufender Vertrag in Bochum wäre somit die optimale Gelegenheit für einen Vereinswechsel. Eine automatische Verlängerung per Klausel bei drei weiteren Einsätzen würde einen Abgang hingegen erschweren. Um einer möglichen Verweigerungshaltung im Endspurt vorzubeugen, wäre auch ein Kompromiss denkbar: Der VfL streicht die erwähnte Klausel, der Spieler kann bedenkenlos spielen und im Sommer ablösefrei gehen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

1:2 gegen Augsburg

Ruhrstadion keine Festung mehr: Letzte Hoffnung Relegation

Kein Bochumer Heimspiel vergeht ohne ein Lob des Gegners für die Stimmung im Ruhrstadion. An diesem Samstagnachmittag war es Torhüter Finn Dahmen, der sich von der Kulisse beeindruckt zeigte. Nutzen ziehen die Gastgeber daraus in dieser Saison aber nur selten. Das 1:2 gegen den FC Augsburg war bereits die neunte Heimniederlage des VfL in dieser Saison. So oft haben die Bochumer an der Castroper Straße zuletzt in der Abstiegssaison 2009/10 verloren. Das Ruhrstadion ist längst keine Festung mehr. „Es war jetzt das fünfte Heimspiel, in dem wir mindestens gleichwertig waren, aber trotzdem verloren haben. Deshalb stehen wir auch da, wo wir stehen“, weiß Trainer Dieter Hecking. Die Fans trifft keine Schuld: Sie feuern ihre Mannschaft unentwegt an, haben auch gegen Augsburg für eine prächtige und erstklassige Stadion-Atmosphäre gesorgt. Sportlich ließ der VfL die Bundesligatauglichkeit jedoch stellenweise vermissen und muss mehr denn je um den Ligaverbleib bangen. Zumindest in der ersten Halbzeit lieferte das Team von Trainer Dieter Hecking keine Argumente für den erneuten Klassenerhalt.

Niederlage trotz Überzahl

Ganz so unterirdisch wie am Wochenende zuvor gegen Stuttgart präsentierten sich die Bochumer zwar nicht, wesentlich besser allerdings auch nicht. Die Augsburger kontrollierten das Spiel, zeigten sich deutlich ballsicherer als der VfL, der in der ersten Halbzeit lediglich zwei nennenswerte Torchancen verbuchen konnte. Folgerichtig gingen die Gäste durch einen abgefälschten Schuss in Führung, nachdem sich mehrere Bochumer mit einfachsten Mitteln überrumpeln ließen. Erst nach der Halbzeitpause zeigte der VfL eine ansprechende Leistung und dominierte sogar das Geschehen. „Da haben wir den Druck entfacht, den es braucht und wir hatten eine Vielzahl guter Möglichkeiten“, analysierte Hecking nach der Partie. Durch den Ausgleich von Philipp Hofmann nach gut einer Stunde und der Roten Karte gegen Augsburgs Arne Maier zehn Minuten vor dem regulären Ende hatte der VfL das Momentum eigentlich auf seiner Seite. Doch ein schwerer Abwehrfehler, als die Bochumer den Siegtorschützen Mert Kömür trotz Überzahl komplett aus den Augen verloren, begünstigte den späten Augsburger Siegtreffer.

Platz 15 fast unerreichbar

Dieser fiel in einer Phase, in der sowohl die Mannschaft als auch die Anhänger sicht- und hörbar an den Heimsieg glaubten. Das Bild nach dem Schlusspfiff war indes ein anderes. Viele Spieler sackten zu Boden, erfahrene Recken waren um emotionale Aufbauarbeit bemüht. „Wenn wir nur negativ bleiben, dann ist es Scheiße, dann schaffen wir es nicht“, sagte Verteidiger Bernardo nach seinem Comeback. „Wir müssen daran glauben. Ganz ehrlich, wenn ich sehe, wie dominant wir spielen, dann sind wir kein Absteiger.“ Bernardo erinnerte an die vergangene Saison, als sich der VfL über die Relegation doch noch gerettet hat: „Wir spielen jetzt eine kleine Bundesliga mit drei Vereinen. Die müssen wir gewinnen, um wieder in die Relegation zu kommen.“ In diesem Jahr sind die beiden Duelle gegen den Zweitliga-Dritten sogar schon im April die letzte Hoffnung. Denn St. Pauli auf dem ersten direkten Nicht-Abstiegsrang ist bereits neun Punkte entfernt, zudem haben die Kiezkicker das deutlich bessere Torverhältnis. Bei noch fünf ausstehenden Partien „ist es unrealistisch, noch an Platz 15 zu denken“, weiß auch Trainer Hecking.

Wieder Ärger mit Boadu

Bochums Trainer hat als nächstes vor allem das Auswärtsspiel bei Werder Bremen im Kopf. Dort wird er auf Ivan Ordets und Matus Bero verzichten müssen, die beide gelbgesperrt sind. Dafür könnte Myron Boadu wieder eine Option sein. Hecking hat seinen Top-Torjäger gegen Augsburg nach einem Vorfall im Abschlusstraining nicht berücksichtigt. „Wenn einer meint, seinen Ärger zur Schau zu stellen, weil er nicht in der A-Elf ist, trägt das nicht dazu bei, dass man erfolgreich ist. Ich ärgere mich sehr über das Verhalten. Er hätte uns sicher gutgetan, aber da steht der Mannschaftssport über allem“, erklärte Hecking die disziplinarische Maßnahme und ermahnte Boadu damit nicht zum ersten Mal. Eine weitere Chance erhält er dennoch. Boadu soll dabei mitzuhelfen, die auf dem Relegationsplatz stehenden Heidenheimer abzufangen. Das ist sogar aus eigener Kraft möglich. Anfang Mai kommt es zum direkten Duell, aktuell sind es nur zwei Punkte Rückstand – sofern das Urteil zur Spielwertung Union Berlin gegen den VfL Bochum bestehen bleibt, was sehr wahrscheinlich ist. Das Schiedsgericht der Lizenzligen möchte seine Entscheidung noch vor Ostern schriftlich mitteilen.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Als Funktionär

Zoller, Losilla, Gamboa: VfL will Fanlieblinge neu einbinden

Fußballer, die sich mit ihrem Arbeitgeber vollauf identifizieren, sind seltener geworden. Vereinswechsel nehmen zu, die emotionale Bindung nimmt ab. Die wenigen Ausnahmen stechen folglich besonders hervor. Im aktuellen Kader des VfL Bochum sind es vor allem Kapitän Anthony Losilla und Cristian Gamboa, die sich nicht nur für das nächste Spiel, sondern auch für die Interessen der Fans und die Entwicklung des Klubs interessieren. Mehr noch: Sie halten die Mannschaft zusammen, motivieren ihre Mitspieler in schwierigen Phasen, kümmern sich bei der Integration von Neuzugängen und stehen bei Problemen mit Rat und Tat zur Seite. Nicht nur Trainer Dieter Hecking weiß: „Sie sind extrem wichtig für die Kabine. Auf sie ist immer Verlass. Sie tragen den Verein im Herzen und ordnen sich für den Erfolg unter.“ 

Auch deshalb sollen sie dem VfL noch länger erhalten bleiben, allerdings in anderer Funktion. Vieles deutet derzeit darauf hin, dass Losilla, der vor einem Monat 39 Jahre alt wurde, und der dreieinhalb Jahre jüngere Gamboa in wenigen Monaten ihre Fußballschuhe an den Nagel hängen werden. Die finale Entscheidung wird der neue Geschäftsführer Sport Dirk Dufner treffen. Womöglich geht es dabei auch schon um die genaue Aufgabenverteilung für Losilla und Gamboa. Vor allem Losilla, der seit 2014 für den VfL Bochum spielt und mittlerweile auf Platz fünf der Rekordspieler des Klubs steht, möchte die ersten Schritte nach seiner Profikarriere unbedingt in Bochum gehen. „Ich habe beim VfL einen Anschlussvertrag und würde mich sehr freuen, hier zu bleiben. Was ich dann genau mache, müssen wir noch sehen. Das würde ich aber gerne so früh wie möglich klären“, sagte Losilla bereits im vergangenen Sommer. Konkrete Vorstellungen hat Losilla bereits. „Am liebsten würde ich als Trainer oder Co-Trainer weitermachen. Vor einigen Jahren hätte ich noch gesagt, eher im Jugendbereich. Heute bin ich für alles offen, auch für einen Seitenwechsel bei den Profis. Vielleicht muss ich aber auch beides mal probieren, um zu sehen, was mir besser gefällt“, erzählt Losilla, der bereits erste Trainerscheine erworben sowie Fortbildungen zum Sportmanager absolviert hat. 

Letzterem hat sich auch Cristian Gamboa gewidmet. Auch er möchte gerne beim VfL bleiben, sieht sich in Zukunft aber eher nicht als Trainer, sondern als Scout und Talentespäher – bevorzugt in Bochum. Eine grundsätzliche Übereinkunft, dass Gamboa in die Vereinsarbeit einbezogen werden soll, gibt es bereits. Trainer Dieter Hecking hätte jedenfalls nichts gegen eine weitere Zusammenarbeit: „Anthony Losilla und Cristian Gamboa sind herausragende Charaktere, die man sich als Trainer und für den gesamten Klub nur wünschen kann. Sie geben auch nach außen ein Bild ab, das den Verein sympathisch dastehen lässt.“ 

Komplettiert werden soll das Gespann der verdienstvollen Ex-Profis und Aufstiegshelden von 2021 um Simon Zoller, der insgesamt viereinhalb Jahre für den VfL gespielt hat und in dieser Zeit zum Publikumsliebling avanciert ist. Zoller steht noch bis zum Sommer beim FC St. Pauli unter Vertrag, wird seine Karriere anschließend aber beenden, wie er an diesem Samstag verkündete. In Bochum soll er ab der kommenden Saison als Bindeglied zwischen der Vereinsführung, dem Trainerteam und der Mannschaft fungieren. Der Job als „Leiter Lizenz“ ist ähnlich angelegt wie der, den Patrick Fabian nach seiner Karriere als Fußballprofi und vor seiner Beförderung zum Geschäftsführer ausgeübt hat. Zoller soll sich als ständiger Ansprechpartner unter anderem um alle organisatorischen Angelegenheiten kümmern, aber auch beim Scouting unterstützen. Als Ex-Profi soll er den Spielern zudem bei sportlichen und außersportlichen Themen helfen. Diese Personalie wurde bereits vor der Verpflichtung von Dirk Dufner in die Wege geleitet.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Neuer Sportchef

Im Trio mit Dufner: VfL setzt auf Harmonie und alte Schule

Die erste persönliche Begegnung zwischen Ilja Kaenzig und Dirk Dufner liegt genau ein Vierteljahrhundert zurück. Beim Bundesliga-Spiel zwischen 1860 München und Bayer Leverkusen am 1. April 2000 trat Dufner gerade seinen Dienst als Sportdirektor bei den Löwen an. „Er kam nach dem Spiel in den VIP-Raum und beklagte sich, dass wir ihm sein Debüt versaut haben“, erinnert sich Kaenzig, der zu diesem Zeitpunkt bei der Werkself beschäftigt war. 25 Jahre später führen sie nun gemeinsam und gleichberechtigt die Geschäfte des VfL Bochum. Dufner als Verantwortlicher für den Sport, Kaenzig für alles andere. Das neue Führungstrio will allerdings deutlich enger zusammenarbeiten als es beim VfL in der Vergangenheit der Fall war. „Die Verzahnung zwischen dem wirtschaftlichen und dem sportlichen Bereich wird immer wichtiger. Wir müssen Hand in Hand arbeiten“, betonte Kaenzig bei der Vorstellung von Dufner am Donnerstag. Seinen neuen Compagnon bezeichnete er als „Urgestein der Bundesliga, bestens vernetzt und empathisch.“ Der Findungsprozess war auf Harmonie ausgelegt, nicht auf Revolution.

Klare Vorgaben

Zudem war Erfahrung explizit ein Suchkriterium. „Wir haben einen Geschäftsführer gesucht, der eine Malocher-Mentalität mitbringt, aber auch eine Anschlussfähigkeit zum Klub und zu Ilja“, berichtete Uwe Tigges, der Vorsitzende des Präsidiums. Das erklärt auch die Tatsache, dass das erste Sondierungstreffen Mitte März nicht zwischen Tigges und Dufner, sondern zwischen Kaenzig und Dufner stattfand. Dufner durfte in den weiteren Gesprächen zunächst seine eigenen Ideen erläutern, anschließend wurden sie mit den Vorstellungen der übrigen Verantwortlichen abgeglichen. Beispiel: „Wir haben mit allen Kandidaten für diesen Posten erörtert, dass wir mit Dieter Hecking als Trainer weitermachen wollen“, erklärte Kaenzig bereits in der vergangenen Woche. In der Endauswahl befanden sich neben Dufner Peter Knäbel sowie Jörg Schmadtke, der allerdings ein eigenes und teils abweichendes Ideenpaket samt Personal mit nach Bochum gebracht hätte. Dufner wiederum akzeptierte die Bedingungen in Gänze. Er soll bereits angestoßene Projekte fortführen, aber logischerweise auch eigene Akzente setzen.

Mangel an Zeit

Bei seiner Antrittsvorstellung betonte Dufner mehrfach, dass es sein „Hauptziel“ sei, eigene Talente zu fördern: „Wir können uns keine Top-Spieler leisten, aber wir können sie selber entwickeln.“ Dass es ohne externe Verpflichtungen nicht funktionieren wird, ist dem 57-Jährigen natürlich bewusst. „Wir müssen zweigleisig die neue Saison planen. Wenn ich sehe, wann ein mögliches Relegationsspiel (22. und 26.5.) und unser Trainingslager (12. bis 20.7.) angesetzt sind, kann man erahnen, dass wir Vollgas geben müssen.“ Zunächst wird Dufner daran mit dem vorhandenen Mitarbeiterstab arbeiten. Möglich aber, dass irgendwann noch ein Kaderplaner dazukommt. Klar ist zudem, dass sich Dufner mit Hecking abstimmen wird. Der Trainer komplettiert das erfahrene Führungstrio und wird im Falle des Klassenerhalts beim VfL bleiben. Bereits einige Tage vor der Verpflichtung von Dufner legte sich Hecking fest. „Ich mache Entscheidungen nicht von anderen Personen abhängig“, bekräftigte der Coach, der sich zwar über eine erneute Zusammenarbeit mit Schmadtke gefreut hätte, Dufner aber ebenso zugewandt ist.

Viel Erfahrung

Hecking, Dufner und Kaenzig eint zufällig eine Vergangenheit bei Hannover 96, wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Inhaltlich liegt das Trio dennoch nah beieinander. Sie vertrauen eigenen Erfahrungen und Einschätzungen mehr als objektiv messbaren Werten. Mit einem markanten Spruch – „Ich habe DI, Dieters Intelligenz“ – hat Hecking zuletzt treffend beschrieben, wie er arbeitet. Kaenzig wie Dufner denken sehr ähnlich. „Die Persönlichkeit der Spieler ist von zentraler Bedeutung. Ein Spieler, dessen Daten interessant sind, der aber menschlich nicht zu uns passt, ist nicht die richtige Wahl für uns“, sagte Kaenzig schon Anfang des Jahres im Gespräch mit Tief im Westen – das VfL-Magazin. Dufner stimmt ihm zu: „Ich bin kein Vertreter des rein datenorientierten Scoutings und eher ‚old school‘ unterwegs. Im Idealfall sollte ein Spieler von mehreren Personen mehrfach live vor Ort gesichtet werden.“ Auch die Teamfähigkeit und der Integrationswille seien elementar. Dufner weiß, wovon er spricht. Der VfL ist sein fünfter Verein in der Bundesliga, und er hofft, dass sein Einstand besser verläuft als vor 25 Jahren.


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(Foto: Imago / Sven Simon)

Debatte

VfL-Kolumne: Der Optimismus schlägt die Zweifel

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zwei- bis dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Das Restprogramm.

Fußballer und ihre Fans sind oftmals abergläubisch. Insofern ist es fast alarmierend, dass der VfL Bochum in dieser wie auch in der vergangenen Saison einen Sieg gegen Bayern München errungen hat. Im Frühjahr 2024 folgte auf den Sensationserfolg gegen den Rekordmeister eine längere Durststrecke. Das darf sich in dieser Saison nicht wiederholen. Nach drei Niederlagen in Folge muss der VfL schnellstmöglich die Wende einleiten.

Wer vor gut einem Monat allerdings deutlich mehr als drei Punkte aus den Spielen gegen die Bayern, Frankfurt, Leverkusen und Stuttgart erwartet hat, war vermutlich einfach zu optimistisch. Das Gute: Dieser „Vierer-Block“ ist nun vollständig absolviert. Stuttgart war bereits der nominell stärkste Gegner aus dem Restprogramm von Anfang April bis Mitte Mai. Der unausgewogene Spielplan bietet nun die Chance für eine Aufholjagd. Denn es folgen sechs Gegner, mit denen sich der VfL auf Augenhöhe messen kann: fünf davon kommen aus der unteren Tabellenhälfte, nur Mainz steht weiter oben.

Heidenheim wiederum, Bochums wahrscheinlichster Duellant um den Relegationsplatz, muss nun nacheinander gegen Frankfurt, die Bayern und Stuttgart spielen. Der VfL hat nur zwei Punkte Rückstand und damit gute Chancen, sich bereits vor dem direkten Duell am 2. Mai vor die Schwaben zu schieben – und dort mit einem Sieg davonzuziehen. So oder so: Der VfL kann Heidenheim aus eigener Kraft von Platz 16 verdrängen und somit über die Relegation den Klassenerhalt schaffen. Der Optimismus schlägt die Zweifel!

Wie so oft im Fußball ist die Wahrnehmung aber vom letzten Spiel, von der noch frischen Emotion geprägt. Ja, der Auftritt gegen Stuttgart war wirklich unterirdisch. So würde der Klassenerhalt niemals gelingen. Aber singuläre Ereignisse können nicht der Maßstab für eine faire Bewertung sein. Anderenfalls hätte der VfL nach dem Sieg in München Europapokal-Ambitionen anmelden können. Oder Arminia Bielefeld einen Tausch der Spielklasse. Der Drittligist hat in dieser Saison vier Erstligisten zu Hause geschlagen – der VfL nur drei. Noch bleibt Zeit, auch diese Bilanz zu korrigieren. Am besten schon diesen Samstag im Heimspiel gegen Augsburg.


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(Foto: Marc Niemeyer)

0:4 gegen Stuttgart

Überraschend unterirdisch: Bochum enttäuscht im Kollektiv

Die Wahrheit tut manchmal so sehr weh, dass sie lieber ausgeblendet wird. Wer beim Bochumer Heimspiel am Samstag gegen den VfB Stuttgart ein paar Minuten zu spät aus der Halbzeitpause kam, stieg womöglich noch hoffnungsvoll die Stadiontreppen hinauf. Noch prangte das Zwischenergebnis von 0:2 auf den Anzeigetafeln. Dabei war die Lage in Wirklichkeit schon schlimmer. Die Stadionregie brauchte nämlich einige Minuten, ehe sie das richtige Ergebnis präsentierte. Es waren erst wenige Augenblicke nach Wiederanpfiff vergangen, als der Ball zum dritten Mal im Tornetz des VfL zappelte. Der Ablauf erinnerte an die unterirdische erste Hälfte: Die Bochumer kamen nicht in die Zweikämpfe, hielten großzügig Abstand von ihren Gegenspielern und liefen nur noch hinterher. So schwach und so emotionslos hat sich der abstiegsbedrohte Revierklub in einem Heimspiel unter Trainer Dieter Hecking noch nie präsentiert.

Kein Spieler in Normalform

„Wir haben alles vermissen lassen, was uns zuletzt ausgezeichnet hat: Pressing, Zweikampfhärte, defensive Stabilität und Laufstärke. So können wir kein Bundesliga-Spiel gewinnen und haben auch in der Höhe verdient verloren“, legte Timo Horn, der schuldlose Schlussmann, den Finger direkt in die Wunde. Mit 0:4 ging der VfL am Ende unter und hat sein ohnehin mieses Torverhältnis weiter verschlechtert. Auch das kann im Zweifel über den Saisonausgang entscheiden. „Das können wir uns nicht noch einmal erlauben“, betonte Angreifer Philipp Hofmann, für den der desolate Auftritt gegen Stuttgart „völlig unerwartet“ kam und „unerklärlich“ sei. Jeder habe „sein eigenes Ding“ gemacht. Trotzdem hat der VfL im Kollektiv versagt. Kein Spieler erreichte seine Normalform, einige enttäuschten besonders.

Myron Boadu zum Beispiel, der zum ersten Mal seit Februar in der Startelf stand, meckerte häufiger mit seinen Kollegen als er nennenswerte Ballaktionen verzeichnete. Auch Ivan Ordets, der das hohe Tempo der Stuttgarter nicht mitgehen konnte und an mehreren Gegentreffern beteiligt war. Oder Tim Oermann und Felix Passlack, die mit ihrer halbherzigen Herangehensweise immer wieder wichtige Zweikämpfe verloren. Vollständig ist die Aufzählung nicht. Hecking hatte schon früh über personelle Veränderungen nachgedacht, diese Idee aber verworfen. Auch deshalb nahm er sich nach der Partie mit in die Verantwortung: „Wir haben von der ersten Sekunde an nicht stattgefunden. Der Zusammenhalt hat gefehlt, das war eine kollektive Nicht-Leistung. Da beziehe ich mich mit ein.“

Bereits nach elf Minuten lag der VfL mit 0:2 in Rückstand und ließ in der Folge nie das Gefühl aufkommen, die Partie noch zu drehen wie gegen Leipzig oder Bayern München. Denn auch offensiv enttäuschte der VfL in allen Belangen. Erwähnenswerte Spielzüge oder Torchancen? Fehlanzeige! Kein Wunder also, dass sich die Tribünen schon weit vor dem Schlusspfiff erkennbar leerten. Die Enttäuschung bei vielen Anhängern war groß, verbunden mit der Sorge, dass der Klassenerhalt im vierten Erstliga-Jahr nicht mehr gelingen wird. Trainer Hecking kann das sicher verstehen, möchte aber keine Grundsatzdebatte über die Leistungsfähigkeit führen: „Ich bin lange genug dabei. So ein Spiel kann im Abstiegskampf immer passieren, vor allem dann, wenn gewisse Dinge schon unter der Woche nicht gut waren.“

Auch Heidenheim verliert

Details wollte der Fußballlehrer nicht nennen. Was aber auffiel: Während die Spieler beteuerten, dass sich ein derart desolater Auftritt keineswegs abgezeichnet habe, war Hecking nicht völlig entsetzt. Wobei er auch betonte, dass seine Mannschaft zuletzt zwar nicht gepunktet, gegen mehrere Top-Teams aber mehr als ordentlich gespielt habe. „Wir haben jetzt gegen vier sehr schwere Gegner gespielt und immer noch eine realistische Chance auf den Klassenerhalt. Das hätten wir vorher alle unterschrieben“, bekräftigte der Coach. Tabellarisch hat sich durch die Niederlage von Heidenheim im Parallelspiel gegen Leverkusen nichts verändert, der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt zwei Punkte. Zur Wahrheit gehört aber auch: In den letzten fünf Heimspielen hat der VfL viermal verloren und nur drei Tore erzielt. Und: In der Rückrunde gelangen lediglich zwei Siege in elf Partien. Auch diese Bilanz sollte nicht ausgeblendet werden. 


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Heimspiele

Ärger um Zaunfahnen: VfL hofft endlich auf Einsicht

Einsicht sieht anders aus. Mit einem zynischen Banner reagierten die Ultras von Eintracht Frankfurt am vergangenen Wochenende auf die Vorkommnisse beim Auswärtsspiel in Bochum. Dort hatten ihre Zaunfahnen mehrere Fluchttore versperrt. Das Spiel begann mit 50 Minuten Verzögerung, weil sich die Gäste lange weigerten, ihre Fahnen umzuhängen und im Sinne aller Zuschauer nachzugeben. Wirklich verstanden, dass gesetzlich vorgeschriebene Fluchtwege freizuhalten sind und die Haftung für den Katastrophenfall beim Veranstalter liegt, haben die Frankfurter offensichtlich immer noch nicht. „Wir gedenken der Verletzten und Toten von Bochum“ stand auf einem Banner vor der Fankurve im Waldstadion beim Heimspiel gegen Stuttgart. Auch die Ultras des VfL protestierten am Wochenende, allerdings gegen Materialbestimmungen beim Auswärtsspiel in Leverkusen. Diese hat Bayer 04 erlassen, weil die Bochumer Ultras beim letzten Gastspiel Pyrotechnik eingesetzt haben. Die Mitgereisten widersetzten sich der Auflage und warfen während der ersten Halbzeit aufblasbare Bälle aus dem Gästeblock.

Nächster Gast: Ausgerechnet Stuttgart

Beide Fälle zeigen: Ultras generell leisten spürbaren Widerstand, wenn ihnen Regeln nicht gefallen oder sie Willkür vermuten. Allein wegen der Zaunfahnen-Problematik im Gästeblock des Ruhrstadion gab in den vergangenen anderthalb Jahren drei erhebliche Spielverzögerungen zu Lasten der Spieler und der übrigen Zuschauer. Ihr Verständnis für die Thematik nimmt spürbar ab. Das belegen zahlreiche Zuschriften und Kommentare, die Tief im Westen – Das VfL-Magazin erreicht haben. Im Fokus der Kritik stehen Gästefans wie die aus Frankfurt, aber auch die Bochumer Ultras, die sich mit den Anhängern der Eintracht verbündeten und ihren organisierten Support einstellten. Immerhin: Die bekannteste Bochumer Ultra-Gruppe UB99 hat sich inzwischen zu den Vorkommnissen vor gut zwei Wochen geäußert. Tenor: „Wir haben Verständnis dafür, dass das Fordern von bedingungslosem Support für die meisten Fans in der Ostkurve im Widerspruch zu dem steht, was am Sonntag passiert ist.“

Sogar Trainer Dieter Hecking brachte zuletzt sein Missfallen zum Ausdruck: „Das Verhalten der Ultra-Szene gegen Frankfurt hat mir nicht gefallen.“ Gesetzmäßigkeiten innerhalb der Szene seien ihm zwar bekannt, „aber wir als Verein brauchen auch Zusammenhalt auf allen Ebenen.“ Den Ultras sind ihre Prinzipien aber mindestens genauso wichtig, gleiches gilt für nachvollziehbare Regeln. Sie sprechen von „undurchsichtigen Repressionen der Sicherheitsbehörden“ und bemängeln, dass diese einen Dialog verweigern würden. Die Verantwortlichen des VfL werden indes für ihre transparente Kommunikation gelobt. Vor einiger Zeit gab es sogar eigens eine gemeinsame Stadionbegehung, um Unklarheiten auszuräumen. „Uns ist klar, dass Fluchttore elementar für die Sicherheit im Stadion sind, auch wenn sich eine Zaunfahne sicherlich in kurzer Zeit entfernen lässt“, schreiben die UItras. Das sehen die Verantwortlichen in Bochum jedoch anders, weil im Notfall jede Sekunde zählt.

Erst im Zuge des Stadionumbaus ab 2026 könnte sich die Situation insofern ändern, als dass es Pläne gibt, die Fluchtwege zu verändern, wodurch Zaunfahnen ungehindert Platz hätten. Doch bis dahin wird noch Zeit vergehen. Viele VfL-Fans beschäftigen sich deshalb mit der Frage, ob sich die Bochumer Ultras bei einem erneuten Streit um Zaunfahnen wieder mit dem Gästeanhang solidarisieren würden. Die Frage ist naheliegend, denn: Am kommenden Samstag gastiert der VfB Stuttgart in Bochum. Dessen Anhänger haben bereits im Januar 2024 für Ärger gesorgt, als sie mit einem falsch platzierten Transparent den Beginn der zweiten Halbzeit erheblich verzögerten. Die Bochumer Ultras kündigten bereits an, Kontakt zu den Stuttgartern aufzunehmen, um sie für die Lage in Bochum zu sensibilisieren. Ein altes und traditionsreiches Stadion würde eben auch Kompromissbereitschaft verlangen – zumal die Gesamtfläche für Zaunfahnen im Ruhrstadion ligaweit eine der größten ist.

VfL sagt: Regeln sind nicht verhandelbar

Auch der VfL hat den VfB noch einmal eindringlich auf die Gegebenheiten hingewiesen. „Durch die erneuten bundesweiten Schlagzeilen wird nun endgültig niemand mehr auf der Gästeseite behaupten können, man wisse nicht um die besondere Entfluchtungssituation im Vonovia Ruhrstadion“, teilte der VfL auf Anfrage mit. „Die Gästefans werden weit im Vorfeld bereits darauf hingewiesen, wo und wie sie Fahnen und Banner anbringen können. Das mutwillige Blockieren von Flucht- und Rettungswegen ist nicht verhandelbar. Die Konsequenzen sind dem Gastverein im Vorfeld übermittelt worden und von ihm zu tragen.“ Der VfL verzichtet auf ein generelles Zaunfahnen-Verbot und bleibt nach einer internen Lage-Analyse bei seiner bisherigen Herangehensweise: „Es wird wie schon mehrfach beschrieben aus Deeskalationsgründen von Seiten des Veranstalters keine Hand an Fahnen oder Banner gelegt. Sobald Fans gegen die Regeln verstoßen, werden sie unter anderem vom Ordnungsdienst oder durch unsere Fanbetreuer darauf hingewiesen.“ Damit setzt der VfL weiterhin auf Vernunft – und endlich auf Einsicht.

Anmerkung: Die Protestaktion der Bochumer Ultras in Leverkusen galt ausschließlich den dort geltenden Auflagen. Diese Textpassage wurde nach der Veröffentlichung präzisiert.


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