Knapp eine Stunde nach Abpfiff kam es in Bremen plötzlich zu einem Wintereinbruch. Dicke Schneeflocken gingen über der Hansestadt hernieder. Einige VfL-Fans, die gerade auf dem Nachhauseweg waren, wurden kalt erwischt – ähnlich wie ihre Mannschaft zwischen 15.30 Uhr und 17.25 Uhr auf dem grünen Rasen. Das Erschreckende: Der SV Werder musste nicht einmal an sein Leistungslimit gehen, um die Gäste aus Bochum verdient und deutlich mit 3:0 zu schlagen. Das ist ein alarmierendes Signal für den neuen Tabellenvorletzten, der im Kampf um den Klassenerhalt zwar weiter alle Chancen hat, in diesem Kalenderjahr aber fünf von sieben Bundesligapartien verloren hat.
Auch Fabian schwer enttäuscht
Ausnahmsweise konnte auch Trainer Thomas Letsch nach dem Spiel in Bremen nichts Positives benennen – es gab einfach nichts. Sein Team enttäuschte auf ganzer Linie. Eine halbe Stunde lang hielt die neu formierte Fünferkette zwar dicht, dann mutierte sie aber zur Fehlerkette und lud Werder noch vor der Pause zweimal zum Toreschießen ein. Auf einfachste Art und Weise gingen die Bremer in Führung. Ein Freistoß in der zweiten Halbzeit brachte die Entscheidung, wobei der VfL nie das Gefühl vermittelte, die Wende noch schaffen zu können. Hinten zu naiv, vorne ohne Ideen und insgesamt kaum Gegenwehr – in dieser Verfassung ist der VfL Bochum nicht bundesligatauglich.
Das wissen auch die Verantwortlichen. Geschäftsführer Patrick Fabian sprach nach der Partie deshalb Klartext: „So geht es nicht. Wir drehen uns auswärts leider im Kreis.“ Dass der VfL elf von zwölf Partien in der Fremde verloren hat, „ist auch für mich nicht erklärbar. So etwas habe ich noch nie erlebt. Wir setzen uns damit für die Heimspiele immer wieder selbst unter Druck.“ Das Spiel in Bremen sticht aus der langen Reihe der Auswärtsniederlagen sogar noch ein bisschen hervor. „Ich habe positive Emotionen und die Intensität vermisst, die uns normalerweise auszeichnen und die wir brauchen, um in dieser Liga zu bleiben“, sagte Fabian mit ruhiger Stimme, aber trotzdem voller Enttäuschung.
Ohne zahlreiche Stammkräfte
Thomas Letsch erging es nicht anders und fand auffallend kritische Worte: „Wir können diesen Auftritt nicht schönreden. Wir haben wieder drei Gegentreffer kassiert, vorne keine zwingenden Aktionen herausgearbeitet und es nicht geschafft, die Tugenden auf den Platz zu bringen, die uns normalerweise auszeichnen. Das ist aber die Grundvoraussetzung, wenn wir den Klassenerhalt schaffen wollen.“ Letsch wollte bei seiner Spielanalyse auch nicht die Ausrede gelten lassen, dass mehrere Stammkräfte gefehlt haben. Dennoch: Neben Kapitän Anthony Losilla und Simon Zoller fielen kurzfristig auch Ivan Ordets und Danilo Soares erkrankt aus – offensichtlich zu viel für diese Mannschaft.
Verbergen ließ sich ihr Ausfall jedenfalls nicht, vor allem die Defensive war fast komplett neu besetzt. Dass Letsch zusätzlich das System umstellte, war mit Blick auf den Gegner und das eigene Personal zwar nachvollziehbar, blieb aber nicht zum ersten Mal ohne den gewünschten Effekt. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass die Rolle rückwärts in der Pause keine Besserung brachte. Mehr als 4.000 VfL-Fans wurden abermals bitter enttäuscht. Die Verantwortlichen im Klub hoffen deshalb auf eine möglichst schnelle Rückkehr von Ordets und Soares als Leistungsträger in der Abwehr. Auch Cristian Gamboa könnte im brisanten Aufeinandertreffen gegen Schalke wieder zur Verfügung stehen.
Viel zu viele Gegentreffer
Denn ohne eine halbwegs stabile Defensive wird der Klassenerhalt kaum gelingen, weder auf direktem Weg noch über die ungeliebte, aber Hoffnung stiftende Relegation. Das belegen die Zahlen mehr als deutlich: Schon jetzt nach 22 Spielen hat der VfL mehr Gegentreffer kassiert als in der gesamten letzten Saison. Seinerzeit waren es 52, nun sind es bereits 54. Kein Team in der Bundesliga ist anfälliger. Doch auch auf der anderen Seite muss sich die Mannschaft von Thomas Letsch steigern. In fast der Hälfte aller Begegungen hat der VfL kein eigenes Tor erzielt. All das muss im Derby besser werden. Sonst könnte es auch in Bochum frostig-kalt werden – zumindest im übertragenen Sinne.
(Foto: Firo Sportphoto)