Nach 70 Minuten wurde Manuel Riemann zum Einpeitscher. Er drehte sich zur Südseite des Bochumer Stadions und gestikulierte. Seine Botschaft an die Fans war eindeutig: Aufstehen und anfeuern. Riemann bewies ein gutes Gespür. Nur wenige Sekunden später flog der Ball ins Frankfurter Tor. Philipp Hofmann hatte einen Eckstoß von Philipp Förster per Kopf zur Bochumer Führung verwandelt. Spätestens da hielt es keinen Zuschauer mehr auf seinem Sitz.
Auch den Rest des Spiels erlebten sie überwiegend im Stehen. Denn die Bochumer Fans spürten: Hier ist was möglich. Der erste Saisonsieg lag in der Luft. Als Frankfurts Evan Ndicka schließlich ins eigene Tor traf und der oft kritisierte Philipp Förster erfolgreich den linken Torwinkel anvisierte, war klar: Ausgerechnet an dem Tag, an dem vielleicht die wenigsten Fans an eine Trendwende glaubten, ist der VfL mit einem klaren 3:0-Sieg wieder zum Leben erwacht.
Rückkehr zur Viererkette
„Alle haben lange auf den ersten Sieg gewartet. Jetzt ist es passiert, das tut einfach gut. Ich hoffe, dass das erst der Anfang ist“, zeigte sich Kapitän Anthony Losilla erleichtert. „Wir haben gezeigt, dass wir in der Bundesliga mithalten können. Wir waren kompakt und haben viele Zweikämpfe gewonnen. Das war der Schlüssel zu diesem verdienten Sieg“, war auch Trainer Thomas Letsch zufrieden mit dem Auftritt gegen müde, aber hochkarätig besetzte Frankfurter.
Er half der Mannschaft, indem er zur gewohnten Viererkette zurückkehrte. Die Grundordnung sei zweitrangig, sagte Letsch vor dem Spiel, viel wichtiger seien andere taktische Vorgaben. Dennoch habe er frühzeitig entschieden, in der Abwehr wieder von einer Dreier- auf eine Viererkette umzustellen. „So fühlen wir uns wahrscheinlich wohler“, bestätigte Losilla den Eindruck von außen, „das hat der Trainer erkannt und verändert. Das ist eine Stärke von ihm.“
Förster ist Spieler des Spiels
Als hilfreich erwies sich ebenfalls die Hereinnahme von Hofmann und Förster. Die Offensive glänzte lange nicht, erspielte sich kaum Chancen. Doch in der Schlussphase bereitete Förster zwei Treffer vor, das dritte Tor erzielte er selbst. Ob der Neuzugang auch dann gespielt hätte, wenn Kevin Stöger nicht an Corona erkrankt wäre? „Natürlich“, lautete die kurze Antwort von Letsch, der auch persönlich froh sein dürfte, die 0:4-Pleite in Leipzig abhaken zu können.
Auf die schlechteste Saisonleistung folgte binnen einer Woche die beste – weil sich die Mannschaft an die Tugenden der vergangenen Saison zurückerinnerte: Kompakt zu verteidigen und jedem Ball hinterherzurennen, stets aufmerksam und präsent zu sein. Der VfL ließ nur wenige zwingende Torchancen zu, hielt bis zum Ende die Null – zum ersten Mal seit dem 29. Spieltag der Vorsaison. „Auch das war für den Kopf wichtig“, sagte Letsch nach der Partie.
Nächste Woche in Stuttgart
Der Trainer hofft – wie alle anderen im Klub – dass der erste Sieg neue Kräfte freisetzt, eine Art Erweckungserlebnis ist. Aussichtslos ist die Lage im Tabellenkeller bei weitem noch nicht. Der VfL bleibt zwar Letzter, doch Schalke 04 hat zum Beispiel nur zwei Punkte mehr auf dem Konto. Und der VfB Stuttgart, Bochums nächster Gegner, hat nur einen Zähler mehr. Das kommende Spiel bietet also die Möglichkeit, die rote Laterne weiterzureichen…
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