Nicht nur Fußballer sind abergläubisch, viele ihrer Anhänger ganz genauso. Im Mai vor einem Jahr gelang dem VfL Bochum der Klassenerhalt zu Hause gegen Leverkusen. Die Spielplanmacher ermöglichten an diesem Sonntag eine Wiederholung, und die Fans taten dafür alles, dass sich die Erfolgsgeschichte wiederholt. Mehrere tausend von ihnen marschierten vor dem Spiel also wieder zu Fuß vom Rathaus zum Ruhrstadion in der Hoffnung auf einen unvergesslichen Fußballabend. Alles war angerichtet für die große Party. Nur ein Punkt fehlt(e) dem VfL noch, um sich ein weiteres Jahr in der Bundesliga zu sichern. Die Konkurrenz hatte am Samstag die Vorlage geliefert. Zwar gewann Mainz 05 mühelos gegen wenig motivierte Dortmunder und verhinderte damit Bochumer Feierlichkeiten auf der Couch, doch Union Berlin patzte beim 1. FC Köln und steht weiter drei Punkte hinter dem VfL. Angesichts dieser Ausgangslage beunruhigte viele Bochumer nicht einmal die Tatsache, dass ausgerechnet der neue Deutsche Meister als möglicher Partycrasher ins Ruhrstadion kam. Schließlich war es doch der VfL, der Leverkusen vor ziemlich genau einem Jahr die bis heute letzte Pflichtspielniederlage bescherte.
Früher Platzverweis
Doch schon eine Viertelstunde nach dem Anpfiff schwand die Hoffnung. Die Bochumer begannen stark, waren zunächst die bessere Mannschaft. Doch dann sah Felix Passlack nach einer Notbremse die Rote Karte, und Leverkusen ging noch vor der Pause mit 2:0 in Führung. Schon da glaubte beim VfL offensichtlich niemand mehr an ein Fußballwunder. Linksverteidiger Bernardo, einer der besten Bochumer in dieser Saison, wurde vorsorglich ausgewechselt, weil er im Falle einer Gelben Karten für das Spiel in Bremen gesperrt gewesen wäre. Gegen ein Team der höchsten Güteklasse „muss alles perfekt laufen“, sagte Mittelfeldspieler Patrick Osterhage später im Interview, und das sei nicht der Fall gewesen. In Unterzahl 75 Minuten das Unentschieden zu verteidigen, war praktisch unmöglich, obwohl die Leverkusener auf zahlreiche Leistungsträger verzichteten. Der Platzverweis entwickelte sich zur Schlüsselszene, mit 0:5 ging der VfL schließlich unter. Gegenwehr war am Ende nur noch eingeschränkt vorhanden, auch die Fans gaben auf und verschwanden schon vor dem Abpfiff in Scharen. Die, die blieben, heizten die Mannschaft bei ihrer Ehrenrunde auf das Saisonfinale in Bremen ein.
Nur ein Punkt fehlt noch
Eine Woche länger müssen Fans, Spieler und Verantwortliche nun bangen, ob der Klassenerhalt gelingt oder doch noch eine Teilnahme an der ungeliebten Relegation droht. Der Druck steigt, und wahrscheinlich ist nichts im Fußball so kompliziert wie den letzten noch fehlenden Punkt einzufahren. „Die Ausgangssituation ist immer noch okay“, meint Osterhage vor seinem womöglich letzten Spiel im VfL-Trikot, „wir haben alles in der eigenen Hand.“ Gegen Bremen nur ein Remis zu sichern, werde aber sicher nicht die Marschroute sein. „Das wäre der falsche Ansatz“, sagte der künftige Freiburger. Zwar möchten sich die Bochumer ungern auf andere verlassen, sein neuer Arbeitgeber kann dem VfL beim Erreichen des großen Ziels aber helfen. Sollten die Breisgauer, für die es immerhin noch um die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb geht, am kommenden Samstag auswärts bei Union Berlin punkten, wäre Bochum in jedem Fall gerettet. „Ich werde mit ein paar Nachrichten versuchen, dass das klappt“, kündigte der aus Freiburg ausgeliehene Keven Schlotterbeck an, wohlwissend, dass sein Einfluss begrenzt ist. Sein in Dortmund spielender Bruder hatte „110 Prozent Einsatz“ gegen Mainz versprochen – das Ende ist bekannt.
Drei Chancen für Bochum
Auch der VfL Wolfsburg könnte den Bochumern im Zweifel noch helfen. Sollte Berlin gegen Freiburg gewinnen und Bochum in Bremen verlieren, würde für den Ligaverbleib des VfL auch ein Sieg des namensgleichen Klubs aus Wolfsburg gegen Mainz reichen. Drei Chancen auf drei Fußballplätzen hat der VfL also am letzten Bundesliga-Spieltag, und plant bis dahin „nichts Außergewöhnliches“ mehr, verriet Sportdirektor Marc Lettau. Die Mannschaft sei intakt und werde sich von der deutlichen Niederlage gegen den seit 50 Pflichtspielen ungeschlagenen Meister nicht aus der Bahn werfen lassen. Ob sich die Fans noch einmal etwas Besonderes ausdenken, ist zur Stunde nicht überliefert. Die Ultras hatten bereits vor dem Spiel in Berlin zum Besuch des Abschlusstrainings aufgerufen und vor der Partie gegen Leverkusen einen Fanmarsch organisiert, parallel noch eine aufwendige Choreografie gestaltet. Einzig der permanente Einsatz von Pyrotechnik während des gesamten Spiels kam bei zahlreichen Zuschauern nicht so gut an. „Ultras raus“ riefen sie zwischendurch, die Atmosphäre im Stadion litt merklich unter den Differenzen. Wobei der Spielverlauf natürlich der größte Stimmungskiller war.
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(Foto: Marc Niemeyer)