Boadus Antwort an Hecking: Erster VfL-Hattrick seit 1987

Während sich Myron Boadu noch eine passende Aussage zurechtlegte, schmunzelte er schon. Natürlich habe er mitbekommen, dass ihn Dieter Hecking kürzlich heftig kritisiert hat. Er müsse „endlich mal aus den Puschen kommen“, sagte der Bochumer Trainer sogar öffentlich. Und natürlich sei sein Dreierpack auch als Reaktion darauf zu verstehen, entgegnete der Angreifer des VfL Bochum, der am Dienstag seinen 24. Geburtstag feierte und nun, vier Tage später im Heimspiel gegen RB Leipzig, einen lupenreinen Hattrick erzielte. Damit führte er seine Mannschaft nach einem 0:3-Pausenrückstand doch noch zu einem Erfolgserlebnis. Das 3:3 fühlte sich für den Abstiegskandidaten an wie ein Sieg, zumal die Gäste am Ende einer Entscheidung doch wieder näher kamen als die tapfer kämpfenden Hausherren. 

Wie einst Frank Schulz

„Dieser Punkt ist wertvoller als sonst“, sagte VfL-Verteidiger Bernardo in den Katakomben und bezeichnete den schnellen Anschlusstreffer zu Beginn der zweiten Halbzeit als Schlüsselmoment. „So ist das im Fußball“, meinte der Brasilianer, „ein Tor kann vieles ändern.“ Dass der VfL nach einem 0:3-Rückstand noch gepunktet hat, gelang in der Bundesliga zuletzt 2009 am ersten Spieltag gegen Mönchengladbach, Bochums kommenden Gegner. Wenige Monate zuvor schnürte Stanislav Sestak gegen Hoffenheim den bislang letzten Dreierpack. Wenn es um einen lupenreinen Hattrick geht, müssen sogar Historiker befragt werden. Sie liefern die Antwort: Frank Schulz traf im Mai 1987 gegen Mannheim dreimal in 18 Minuten. Boadu brauchte indes nur 13 Minuten für seine Bundesliga-Treffer drei, vier und fünf. 

Erstmals überhaupt gelangen dem VfL in dieser Saison mehr als zwei Tore. Zudem war es erst der zweite Punkt gegen ein Team aus der oberen Tabellenhälfte. „Dieses Spiel ist eine Botschaft: Wenn wir so weitermachen und kämpfen, können wir es schaffen – in einem einzelnen Spiel, aber auch insgesamt mit Blick auf den Klassenerhalt“, betonte Bernardo. Allzu oft war ein Rückstand in dieser Saison gleichbedeutend mit einer Niederlage. Doch gegen Leipzig erinnerte der Auftritt an die Darbietungen und die viel gelobte Mentalität der vergangenen Jahre. Wie genau Trainer Dieter Hecking seiner Mannschaft neuen Mut zugesprochen hat, bleibt indes das Bochumer „Betriebsgeheimnis“, sagte Gerrit Holtmann, der seinen Platz in der Startelf im Vergleich zum Heimsieg gegen St. Pauli hergeben nusste.

Aufholjagd nach der Pause

Hecking tauschte das Personal auf vier Positionen, darunter drei Offensivkräfte. Doch zunächst traten nur die Leipziger Angreifer in Erscheinung. Viermal zappelte der Ball in den ersten 21 Minuten im Netz, wobei das Schiedsrichtergespann einmal auf Abseits entschied – und beim 0:2 die Rückmeldung vom VAR erhielt, dass die Kameraaufnahmen keine kalibrierte Linie zuließen und eine mögliche Abseitsposition nicht identifiziert werden könne. Wie auch immer: Leipzig spielte den VfL inklusive Torwart Patrick Drewes schwindelig. Hecking reagierte mit einer Systemumstellung und brachte zur Halbzeit Holtmann ins Spiel, der prompt den ersten Treffer von Myron Boadu vorbereitete. Der Niederländer legte nach, das Stadion tobte – erst recht, als der Angreifer per Elfmeter den umjubelten Ausgleich erzielte. 

Obwohl Boadu zwischen Mitte Oktober und Ende Dezember verletzungsbedingt kein einziges Mal zum Einsatz kam, ist er an diesem Wochenende auf Platz eins der internen Torschützenliste gesprungen. Im Schnitt traf der Leihspieler vom AS Monaco bislang alle 92 Minuten – diesen Wert übertreffen in der Bundesliga aktuell nur Harry Kane und Patrik Schick von allen, die mindestens fünfmal trafen. Damit dürfte Boadu beim VfL nun erst einmal gesetzt sein, oder? Festlegen wollte sich Hecking nach der Gala gegen Leipzig nicht, sondern spornte seinen Angreifer erneut dazu an, auch im Training Bestleistungen zu zeigen. Mit der Einsatzbereitschaft seines Spielers war der Fußballlehrer zu Jahresbeginn überhaupt nicht einverstanden. „Wir hatten daraufhin ein gutes, längeres Gespräch“, berichtete Hecking. 

Sprechchöre für Boadu

Schon unmittelbar nach dem Sieg gegen St. Pauli am Mittwochabend, als sich Boadu über den Teamerfolg allenfalls innerlich freute, hat ihm sein Trainer den Startelfeinsatz am Ende der Englischen Woche zugesichert. Boadu nutzte die Chance und wurde von den Bochumer Zuschauern mit Sprechchören bedacht. „Es ist lange her, dass Fans für mich gesungen haben. Heute war es wie im Traum“, erzählte er nach dem Abpfiff freudestrahlend. Die verdiente Anerkennung gab es schließlich auch von seinem Coach: „Myron verfügt über eine Abschlussqualität, die wir sonst nicht hatten, er hat das Näschen, richtig zu stehen. Damit kann er eine Waffe für uns sein.“ Auch das hatte Hecking übrigens schon vor einer Woche gesagt. Da allerdings noch mit einer Einschränkung, die mit dem Hattrick vorerst vergessen sein dürfte.


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(Foto: Imago / pepphoto)