Eigentlich war alles angerichtet für fußballromantische Stunden im Bochumer Ruhrstadion. Das fast sichere 1:0 für RB Leipzig verhinderte Andreas Luthe in seinem ersten Bundesliga-Spiel für seinen Heimatverein nach exakt 5249 Tagen mit einer Glanztat. Die Fans feierten ihn dafür. Für den Bochumer Ersatzkeeper und Publikumsliebling war es möglicherweise der letzte Auftritt auf der großen Fußballbühne, und es hätte ein perfekter Tag werden können mit einer kitschig-schönen Geschichte. Stattdessen musste Luthe in den folgenden 90 Minuten viermal hinter sich greifen, davon gleich dreimal zwischen der 68. und 72. Minute. „Da haben wir das Spiel verloren“, konstatierte Trainer Thomas Letsch nach der Partie. Keiner widersprach ihm.
Zwei Spiele, neun Gegentreffer
Zu naiv, zu nachlässig und zu offen verteidigte der VfL Mitte der zweiten Halbzeit und schenkte einen möglichen Punkt leichtfertig her. Die Leipziger wiederum zeigten ihre Klasse bei Umschaltaktionen und maximale Effizienz vor dem Tor. „In dieser Phase waren wir nicht so kompakt, aggressiv und widerstandsfähig wie sonst“, stellte Sportdirektor Marc Lettau fest. Auf fünf Gegentreffer in Mönchengladbach folgten nun also vier gegen Leipzig – der VfL präsentierte sich zerbrechlicher als in den Wochen davor. Ein Warnsignal? Aus Sicht des Trainers nicht: „Wir haben gegen Leipzig deutlich weniger Chancen zugelassen als gegen Gladbach. Da waren wir schlecht, heute deutlich besser.“ Der VfL war wie gewohnt ein unangenehmer Gegner.
Dass mit Manuel Riemann, Tim Oermann und Patrick Osterhage gleich drei Stammspieler aus der Defensive gesperrt oder verletzt gefehlt haben, war allerdings unübersehbar. Hinzu kamen die Ausfälle von Erhan Masovic und Christopher Antwi-Adjei. Neben Luthe rückten auch Maximilian Wittek und Noah Loosli neu ins Team. Luthe strahlte bei seinem Comeback im VfL-Trikot Ruhe und Sicherheit aus, sah beim 1:2 jedoch unglücklich aus. Wittek brachte den VfL mit einem direkt verwandelten Freistoß zunächst in Führung, bevor Leipzig noch vor der Pause den Ausgleich erzielte. Dieser wie auch alle anderen Gegentreffer fielen über die Seite von Loosli, der insgesamt überfordert schien mit dem Spielniveau und dem Tempo der Leipziger.
Kwarteng fliegt vom Platz
Immer wieder versuchten die Leipziger die offensichtlichste Schwachstelle in der Bochumer Hintermannschaft zu nutzen. Wobei Letsch seinen Verteidiger in Schutz nahm. „Noah hat es über weite Strecken gut gemacht“, sagte der Coach, der den Schweizer deshalb auch über 90 Minuten spielen ließ. Stattdessen wechselte Letsch unter anderem Moritz Kwarteng ein, der kurz vor Schluss nach einem Frustfoul ohne Aussicht auf den Ball die Rote Karte sah – ein unnötiges, unkluges und übermotiviertes Einsteigen des nach wie vor wirkungslosen Neuzugangs. Die achtbare Bochumer Heimserie war zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin schon gebrochen, zum ersten Mal seit Ende September verlor der VfL im eigenen Stadion.
Vier Siege und vier Unentschieden gab es dazwischen, weshalb beim Revierklub nach zwei Niederlagen hintereinander auch noch alle entspannt bleiben. Der Vorsprung auf die Abstiegsränge bleibt weiter komfortabel, zudem hilft ein Blick auf den Spielplan. Gegen fünf der sechs bestplatzierten Mannschaften haben die Bochumer schon zweimal gespielt. Nun folgen Duelle gegen Klubs auf Augenhöhe: nächste Woche daheim gegen Freiburg, danach auswärts in Mainz. „Über das Torverhältnis“, sagte Letsch am Samstagabend, „bleiben wir vermutlich nicht in der Liga. Aber über die Punkte schon.“ Diesen Optimismus speist der Fußballlehrer auch aus der Gewissheit, dass einige seiner Stammkräfte schon bald zurückkehren werden.
Drei Spieler vor Rückkehr
Zumindest Oermann wird gegen Freiburg wohl wieder dabei sein und den Platz von Loosli einnehmen, „bei ihm sind wir sehr optimistisch“, sagte Letsch nach dem Spiel gegen Leipzig. Auf Osterhage und Antwi-Adjei muss Bochums Trainer wahrscheinlich noch eine Woche länger verzichten, dafür kehren auch Masovic und Riemann zurück. Das bedeutet, dass Luthe planmäßig wieder auf der Ersatzbank Platz nehmen wird. Den Empfang und die Erlebnisse an diesem Samstag wird der Routinier aber sicher nicht vergessen. „Ich bin ja schon lange dabei, aber bei den Sprechchören vor dem Spiel musste ich kurz schlucken“, verriet der Schlussmann. Noch mehr Platz für Fußballromantik blieb bei der 1:4-Niederlage allerdings nicht.
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(Foto: Imago / Beautiful Sports)