2:2 gegen Kiel

Nicht erstligareif: Beim VfL ist keine Entwicklung erkennbar

Auch die Stadion-Regie hat in dieser Saison Anlaufschwierigkeiten. Schon beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach begann die Bochum-Hymne mit Verzögerung, gegen Holstein Kiel sogar noch wesentlich später. Der Doppelpass, mit dem der VfL jeden Gegner nass macht, konnte folglich nicht besungen werden, denn die Lautsprecher müssen mit Anpfiff ausgestellt werden – auch wenn der Höhepunkt der Hymne noch nicht erreicht ist. Die Stadion-Regie ist mit ihrem Problem aber nicht allein. Schließlich fanden die Bochumer Fußballer ebenfalls mit Verspätung ins so wichtige Heimspiel gegen Holstein Kiel. Die Erwartung im Vorfeld der Partie war klar: Nach vier Pflichtspielniederlagen zum Start musste gegen den Bundesliga-Neuling ein Sieg her. Doch es war der Aufsteiger, der die Anfangsphase dominierte.

Der VfL präsentierte sich unsortiert und fehlerhaft, mutlos und ohne Zugriff. Die Kieler nutzten die reichlich vorhandenen Räume für das frühe 0:1, als der unentschlossene Patrick Drewes nur das Ende einer Fehlerkette bildete. Trainer Peter Zeidler zog erstaunlich schnell personelle Konsequenzen, tauschte den abermals pomadig auftretenden Erhan Masovic wegen Missachtung taktischer Vorgaben bereits nach einer Viertelstunde aus, beorderte Ibrahima Sissoko erstmals in die Abwehr und brachte Kapitän Anthony Losilla in die Partie. Das brachte aber nur bedingt Struktur ins Bochumer Spiel. Kiel gewann in der ersten Halbzeit 78 Prozent aller Zweikämpfe. Und der VfL? Überzeugte immerhin mit maximal möglicher Effizienz, blieb spielerisch aber äußerst schwach.

Weiter sieglos

Zweimal initiiert von Myron Boadu, dem bislang stärksten und auffälligsten Sommerneuzugang, traf erst Matus Bero und dann äußerst sehenswert auch Lukas Daschner, der gemeinsam mit Philipp Hofmann in die Startformation zurückgekehrt war. Eine klare Linie bei der Personalauswahl fehlt bislang, und das zeigt sich auch auf dem Platz. Nur die Führung stimmte die Fans zur Halbzeit zuversichtlich. Denn die Leistung war keineswegs bundesligatauglich, und wurde sie auch im zweiten Durchgang nicht. Bis zur 68. Minute blieb der passive VfL ohne weitere Torchance und ließ auf der anderen Seite immer wieder Strafraumaktionen zu. Kiel drückte und belohnte sich. Weil sich Moritz Kwarteng und Matus Bero nicht einig waren, entwischte Holsteins Steven Skrzybski bei einem indirekten Freistoß, dessen Hereingabe verwertete der völlig freistehende Shuto Machino zum 2:2.

Ein Gegentor, das absehbar und hochverdient war. Auch wenn es den ersten Punkt in der noch jungen Saison gab, das Unentschieden gegen Kiel fühlt sich an wie eine Niederlage. Viele Fans fragen sich: Wenn wir nicht zu Hause gegen einen Aufsteiger gewinnen, gegen wen dann? Die Frage liegt ja auf der Hand, zumal die kommenden Gegner noch wesentlich stärker sind. Sechs der kommenden sieben Mannschaften nehmen an einem europäischen Wettbewerb teil, am kommenden Freitag reist der VfL zum Derby nach Dortmund. Noch viel schlimmer aber ist die Tatsache, dass bislang keine nennenswerte Entwicklung erkennbar ist. Dass sich Trainer Peter Zeidler, der verbliebene Teil der letztjährigen Mannschaft und die zehn Neuzugänge erst finden müssen, war absehbar. Nach fast drei Monaten gemeinsamer Arbeit müsste die Tendenz nun eigentlich nach oben zeigen. Das ist aber nicht der Fall.

Zeidler unzufrieden

Einiges erinnert an die vergangenen beiden Jahre, als der VfL bis Oktober (2022) und sogar bis November (2023) auf den ersten Sieg in der Bundesliga warten musste. „Wir kennen es nicht anders“, sagt Vize-Kapitän Philipp Hofmann; glücklich wirkt er mit der Situation freilich nicht, zumal seine Mannschaft im vergangenen Jahr zum gleichen Zeitpunkt zwei Punkte mehr auf dem Konto hatte. Speziell Trainer Peter Zeidler ist gefordert, Lösungen zu finden. In der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Kiel wich er bei konkreten Nachfragen mehrfach aus, brachte lediglich seine Unzufriedenheit zum Ausdruck. „Wir haben den Ball nicht schnell genug nach vorne gebracht. Das ist nicht unsere Idee“, bemängelte Zeidler. Die Frage ist: Will er – ähnlich wie Vorgänger Thomas Letsch – zu sehr seine eigene Formation durchdrücken?

Letsch setzte auf eine Dreierkette in der Abwehr, Zeidler favorisiert eine Raute im Mittelfeld, in der wenig zusammenpasst. „Vielleicht ist der Unterschied zu dem, wie sie vorher gespielt haben, zu groß“, merkte Zeidler nach dem Spiel gegen Kiel selbstkritisch an, wobei er damit die gesamte Herangehensweise meinte. Vielleicht fehlt stellenweise auch die nötige Qualität. Königstransfer Dani de Wit ist bislang noch keine Verstärkung; womöglich spielt er auf der falschen, auf einer zu defensiven Position. In der Innenverteidigung werden Ivan Ordets und Bernardo schmerzlich vermisst. Zumindest gegen Kiel war auch die Rechtsverteidigerposition wieder eine Schwachstelle. Einige Fans quittierten den Auftritt nach dem Spiel sogar mit Pfiffen, die Geduld lässt im vierten Bundesliga-Jahr merklich nach. Von einem funktionierenden Doppelpass ist der VfL gerade weit entfernt. Nicht nur vor, sondern auch nach dem Anpfiff.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)