Besucher des Ruhrstadions sollten besser keine Anschlusstermine haben. 50 Minuten länger als geplant mussten die 26.000 Zuschauer am Sonntagnachmittag in der Kälte ausharren, ehe Schiedsrichter Felix Zwayer die Partie zwischen dem VfL Bochum und Eintracht Frankfurt endlich anpfeifen durfte. Der Veranstalter und die Sicherheitsbehörden hatten ihm dies zuvor verwehrt, weil im Gästeblock mehrere Zaunfahnen über Fluchttoren hingen und damit Rettungswege versperrten. Das Thema ist nicht neu. Bereits im September 2023 und im Januar 2024 gab es ein fast identisches Problem. Wie damals die Anhänger aus Mönchengladbach und Stuttgart zeigten sich auch die mitgereisten Fans aus Frankfurt zunächst nicht einsichtig und waren erst nach langen Diskussionen mit ihren Fanbeauftragten und verschiedenen Verantwortlichen der Eintracht bereit, ihre Fahnen zu entfernen.
Frankfurter Entschuldigung
„Alle Fans und Vereine kennen die Regeln hier in Bochum. Sie wurden uns im Vorfeld kommuniziert und sind nicht verhandelbar“, sagte Eintracht-Geschäftsführer Philipp Reschke nach der Partie und entschuldigte sich ausdrücklich für das Verhalten der Frankfurter Fanszene. Diese war – wie alle Vereine, die in Bochum zu Gast sind – im Vorfeld über die baulichen Besonderheiten im Ruhrstadion informiert worden. Erst als ein Abbruch der Veranstaltung kurz bevorstand, entfernten die Frankfurter Ultras alle Fahnen, auch die ordnungsgemäß angebrachten, setzten auf der Tribüne Gegenstände in Brand und traten noch vor dem Anpfiff die Heimreise an. „Ich habe Verständnis dafür, dass die Fans ihre Banner präsentieren wollen. Aber es wurde klar kommuniziert, dass es um die Sicherheit im Stadion geht. Ich hätte mir eine frühere Einsicht gewünscht“, sagte VfL-Trainer Dieter Hecking später.
Gemeinsam mit seinen Spielern hielt er lange sich in den Katakomben auf, ehe die Partie nach einer erneuten Aufwärmphase und mit erheblicher Verzögerung endlich begann. Immerhin: Geschadet hat dem VfL die lange Pause zunächst nicht. Die Bochumer erwischten den besseren Start und verzeichneten die gefährlicheren Torchancen. Doch es war die Eintracht, die ihre Möglichkeiten besser nutzte. Ein Doppelschlag binnen fünf Minuten brachte den Favoriten in Führung. „Wir haben zwei Geschenke verteilt. Beide Gegentore waren zu verteidigen“, bemängelte Hecking, der noch in der ersten Halbzeit verletzungsbedingt wechseln musste. Tom Krauß verließ das Spielfeld mit muskulären Problemen. Im Vergleich zum viel umjubelten 3:2-Sieg in München hatte Hecking nur den gesperrten Bernardo durch Rückkehrer Ivan Ordets ersetzt. Wobei der Abwehrchef keinen guten Tag erwischte.
Konkurrenz hat gewonnen
Mit dem hohen Tempo der Gäste hatten er und seine Teamkollegen immer wieder Probleme, und sie durften sich vor allem bei Torwart Timo Horn bedanken, dass der VfL im Spiel blieb. Die Bochumer erzielten zwar den Anschlusstreffer durch den eingewechselten Gerrit Holtmann, scheiterten danach aber entweder am starken Frankfurter Keeper Kaua Santos oder am eigenen Unvermögen, ehe die Frankfurter in der Nachspielzeit den Treffer zum 1:3-Endstand erzielten. Insbesondere Moritz Broschinski verpasste den Ausgleich, als er den Ball aus kürzester Entfernung am Tor vorbeischoss. „Den haben wir alle schon drin gesehen“, ärgerte sich Hecking und bilanzierte: „Es wäre ein gerechtes Unentschieden gewesen. Wir haben wieder leidenschaftlich gefightet. Leider hat uns vor dem Tor die Zielstrebigkeit gefehlt. Manchmal hätten wir konsequenter den Abschluss suchen müssen.“
Neu ist der Bochumer Torfluch nicht. Immer wieder verlor der VfL zuletzt Heimspiele gegen nominell stärkere Mannschaften, die nicht unbedingt stärker, aber in den entscheidenden Momenten torgefährlicher waren. „Wir drehen uns da im Kreis“, weiß auch Torschütze Holtmann. „Wir haben gegen Frankfurt nicht gesehen, dass da der Drittletzte gegen ein Team aus Europa spielt. Aber dann müssen wir die Chancen, die wir haben, auch nutzen. Das sind die Nuancen, die in diesen Spielen fehlen.“ Zwölf Tage haben die Bochumer nun Zeit, weiter daran zu arbeiten, ehe das nächste Spiel auswärts beim noch amtierenden Meister in Leverkusen ansteht. Weil St. Pauli und Heidenheim an diesem Wochenende siegreich waren und Union Berlin gegen die Bayern gepunktet hat, ist der Vorsprung aufs rettende Ufer auf fünf Punkte angewachsen und auch der Relegationsplatz wieder gefährdet.
Aufarbeitung der Ereignisse
Das nächste Heimspiel absolviert der VfL derweil erst am 5. April gegen den VfB Stuttgart. Bochums Geschäftsführer Ilja Kaenzig kündigte eine Aufarbeitung der Fahnen-Problematik an, sieht die Lösung aber vor allem in der „Kooperationsbereitschaft“ der Fanszenen, weil sich die Regeln und die bauliche Situation nicht ändern werden. Schon jetzt bietet der Gästeblock im Ligavergleich vergleichsweise viele Möglichkeiten, Zaunfahnen legal anzubringen. „Was hat das mit Fankultur zu tun, wenn ein Spiel so massiv verzögert wird?“, fragt sich Kaenzig, der eine rabiatere Vorgehensweise des Ordnungsdienstes jedoch ablehnt. „Die Fahnen sind das Heiligtum der Gruppen. Wenn da jemand rangeht, droht eine Eskalation.“ Was zu der Schlussfolgerung führt, dass sich ein solcher Vorfall stets wiederholen kann. Stadionbesuchern sei deshalb empfohlen, immer etwas mehr Zeit einzuplanen.
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(Foto: Imago / Beautiful Sports)