1:3 gegen Hertha

Ein Spiel, das der VfL Bochum nicht verlieren darf

Zu Beginn der zweiten Halbzeit wurden sie immer lauter. Obwohl ihre Mannschaft mit 0:2 zurücklag, feierten die Fans des VfL Bochum ihre Spieler, als hätte die Stadionregie die beiden Ziffern auf der Anzeigetafel vertauscht. Jeder Ballgewinn wurde beklatscht, jede gute Aktion frenetisch bejubelt. Spieler und Fans spornten sich gegenseitig an, dabei war nur jeder zweite Platz besetzt. 14.000 Zuschauer verwandelten das Bochumer Ruhrstadion am frühen Sonntagabend in einen echten Hexenkessel.

Forsch und frech

In dieser Hinsicht ist der VfL in jedem Fall eine Bereicherung für die Bundesliga. Sportlich muss er das noch nachhaltig unter Beweis stellen. Gegen keinesfalls starke Berliner verloren die Bochumer mit 1:3, weil die Gäste aus drei Chancen drei Tore machten. „Die Niederlage ist extrem bitter. Von der Leidenschaft her kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf machen“, sagte Trainer Thomas Reis nach einer Partie, die der VfL nicht hätte verlieren dürfen. Zumal es in dieser Saison wohl kaum noch Gegner geben wird, die schwächer und passiver sind als diese Hertha zu diesem Zeitpunkt.

Dabei machte der VfL zunächst vieles richtig: Er begann forsch und attackierte früh, teilweise schon am gegnerischen Strafraum. Die Hausherren waren die aktivere und somit überlegene Mannschaft, am Ende hatte sie sogar 67 Prozent Ballbesitz. Nur der letzte oder vorletzte Pass kam meistens nicht an, spätestens im Strafraum fehlte die Genauigkeit. Auch die Flanken waren nicht gut, Zielspieler Sebastian Polter blieb weitgehend unsichtbar. Echte Chancen waren in der ersten Halbzeit also Mangelware, mal abgesehen von einem Flugkopfball des nimmermüden Simon Zoller. Etwas besser wurde es erst im zweiten Durchgang, doch auch da fehlte bei aller Dominanz in vielen Szenen die Präzision. Hinzu kam, dass die erhoffte Standardstärke durch Eduard Löwen ausblieb. Die Leihgabe aus der Hauptstadt wirkte etwas übermotiviert, versuchte es immer wieder, aber ohne Erfolg.

Schlafmützig und stümperhaft

Dass der VfL nach vier Spielen weiter bei drei Punkten steht, lag aber auch an einer teils stümperhaften Abwehrleistung. Beim ersten Gegentreffer verlor Anthony Losilla nach einem Abschlag von Manuel Riemann den Ball an der Mittellinie, Suat Serdar durfte anschließend unbedrängt durch die Bochumer Hälfte marschieren und hatte gegen Rexhbecaj, Stafylidis sowie Lampropoulos leichtes Spiel, denn keiner griff konsequent an. Serdar schnürte sogar den Doppelpack: Nach einem Einwurf herrschte Unordnung in der Bochumer Abwehr. Armel Bella Kotchap traf den Ball nicht, auch Lampropoulos, der leicht gehalten wurde, kam nicht dran und der Ex-Schalker legte nach. Slapstick beim VfL.

Unglücklicher hätten die letzten Minuten der ersten Halbzeit nicht laufen können. Doch der Aufsteiger ließ die Köpfe nicht hängen und rannte nach der Pause weiter an, mit einem Willen, der durchaus bemerkenswert war. Und der VfL belohnte sich dafür. Gerrit Holtmann setzt, fast schon wie gegen Mainz, zum Solo an. Drei Gegenspieler ließ er stehen, seinen Schuss konnte Herthas Alexander Schwolow noch entschärfen, doch bei Simon Zollers Nachschuss war der Torwart machtlos. Der Anschlusstreffer war hochverdient.

Verloren und verletzt

Von der Hertha war in dieser Phase nichts zu sehen, die Gäste stellten ihre Offensivbemühungen nach dem Seitenwechsel komplett ein, das Spiel fand nur noch in einer Hälfte statt. Das Team von Thomas Reis blieb überlegen, schnupperte am Ausgleich und wurde doch kalt erwischt. Herthas erster Angriff im zweiten Durchgang mündete in der Entscheidung. Wieder ließ der VfL die Gäste gewähren, Myziane Maolida bekam nur Geleitschutz von der Bochumer Abwehr und traf ins untere Eck. Hätte der VfL die Zuschauerzahl an diesem Abend durchgesagt, dann hätte er so manchen Verteidiger dazuzählen müssen – erneut war Vasilios Lampropoulos zu zögerlich, aber auch Elvis Rexhbecaj und Armel Bella Kotchap, die es beide verpassten, ein taktisches Foul zu begehen.

Das 1:3 brachte selbst die stimmgewaltigsten Anhänger zum Schweigen. Besonders bitter: Bella Kotchap verletzte sich noch und humpelte vom Feld. Eine Diagnose steht noch aus. Müsste Reis seine Abwehr ausgerechnet gegen die Bayern am kommenden Samstag umbauen, wäre das eine erhebliche Schwächung – zumal auch Maxim Leitsch erneut ausfallen könnte. Hoffnung machte gegen die Hauptstädter immerhin ein Startelfdebütant: Konstantinos Stafylidis erhielt auf der rechten Seite etwas überraschend den Vorzug vor Herbert Bockhorn und zeigte ein ordentliches Spiel, zumindest defensiv. „Ich wollte Mentalität und Power in der Mannschaft haben“, erklärte Reis seine Maßnahme. Ebenfalls erwähnenswert: Robert Tesche nahm zunächst nur auf der Bank Platz, Danny Blum und Silvere Ganvoula fehlten komplett.

(Foto: Imago / RHR-Foto)