3:1 nach Verlängerung

Probleme auch im Pokal: Gequältes Siegerlächeln

Die eidgenössische Ruhe wurde Ilja Kaenzig in die Wiege gelegt. Dennoch ist es möglich, dass der kaufmännische Geschäftsführer des VfL Bochum beim Spiel am Samstag gegen den BFC Dynamo ziemlich nervös geworden ist. Denn zwischenzeitlich drohte nicht nur das sportliche Aus im DFB-Pokal, sondern auch ein finanzieller Rückschlag. Der Einzug in die zweite Pokalrunde garantiert einen mittleren sechsstelligen Betrag. Zudem besteht die Aussicht auf deutlich höhere Zusatzeinnahmen. Immerhin: Diese Chance hat der VfL Bochum mit dem äußerst mühsamen 3:1-Erfolg nach Verlängerung gewahrt. Mögliches Kapital hat er dennoch verloren: Verkaufskandidat Ibrahima Sissoko musste bereits in der Anfangsphase mit einer wahrscheinlich schweren Schulterverletzung ausgewechselt werden.

Klare Fehlentscheidungen

Eigentlich hätte es für das entsprechende Foulspiel einen Elfmeter für den VfL geben müssen. Wäre dann alles einfacher geworden? Vielleicht. Dass ein Strafstoß allerdings keine Garantie für ein Tor ist, haben die Bochumer zu Beginn der Verlängerung bewiesen. Da scheiterte Matus Bero vom Punkt. Die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking gewann am Ende trotzdem, weil Samuel Bamba und Bero in der zweiten Hälfte der Verlängerung in deutlicher Überzahl trafen. Die Berliner spielten ab der 80. Minute zu zehnt, seit der 103. Minute sogar nur noch zu neunt, wobei der erste Platzverweis nach einer vermeintlichen Notbremse ein Fehler war. Umgekehrt verweigerte der indisponierte und verunsicherte Schiedsrichter den Bochumern einen weiteren Elfmeter nach einem Foul an Koji Miyoshi.

Der Unparteiische war trotzdem nicht hauptverantwortlich für den langen, aufreibenden Fußballnachmittag. Der VfL wirkte im eigenen Ballbesitz oftmals ratlos, leistete sich viele Ungenauigkeiten und spielte sich nur wenige Torchancen heraus. Spielfreude? Fehlanzeige! Auch in einer 4-3-3-Formation ohne den erkrankten Leandro Morgalla, den angeschlagenen Philipp Strompf sowie den abgewanderten Moritz Broschinski gab es erhebliche Defizite. Noah Loosli, Cajetan Lenz und Philipp Hofmann rückten ebenso ins Team wie Gerrit Holtmann und Miyoshi, die beim 2:0 gegen Elversberg schon in der stärkeren zweiten Halbzeit mitgewirkt haben. Den Schwung mitnehmen konnte der VfL aber nicht. „Wenn man glaubt, mit 80 Prozent einen Viertligisten zu schlagen, dann wird es schwierig“, bemängelte Hecking.

Offensiv lange zu harmlos

Der Fußballlehrer hat vor allem Tempo und eine konsequentere Zweikampfführung vermisste. Das 1:0 für die disziplinierten Berliner direkt nach Wiederanpfiff verkomplizierte die Lage zusätzlich. Loosli brachte den VfL mit seinem späten Tor schließlich in die Verlängerung. Dort nutzte der Zweitligist die Überzahl aus, gewann das Spiel im Sportforum Hohenschönhausen und verhinderte ein erneutes Erstrunden-Aus nach zuletzt zwei Pokalpleiten in Serie. Das Siegerlächeln sah bei vielen Bochumern dennoch eher gequält aus. „Ein Ruhmesblatt war es nicht, aber in der ersten Runde zählt nur das Weiterkommen. Trotzdem müssen wir uns natürlich deutlich steigern, wenn wir irgendwelche Ansprüche anmelden wollen“, bekräftigte Hecking vor dem prestigeträchtigen Derby gegen Schalke 04.

In Berlin kam kein Bochumer an seine Bestleistung heran. Mit kleineren Abstrichen überzeugten Lenz und die übrigen Jungspunde. Grundsätzlicher Natur sind indes die Probleme in der Offensive. Neben fehlenden Abläufen und einer erschreckenden Ideenlosigkeit fallen auch Qualitätsmängel auf. Bereits in der Vorbereitung deutete sich an, dass dem VfL torgefährliche Spieler fehlen, im Angriffszentrum ebenso wie auf den übrigen Positionen. Bezeichnend, dass ausgerechnet Sturmhoffnung Philipp Hofmann die beste Bochumer Chance in der ersten Halbzeit kläglich vergab. Weil Ibrahim Sissoko wegen eines Infekts in Bochum blieb, fehlte eine Alternative. Denn: Der Ersatz für Broschinski ist noch nicht in Sicht. Justin Diehl wird es wohl eher nicht, der VfB Stuttgart möchte ihn aktuell noch nicht verleihen halten.

Geld für einen Neuzugang

Auf einen Leihspieler wird es aber hinauslaufen. Für ablösepflichtige Spieler, die sofort weiterhelfen würden, müsste der VfL ähnlich viel bezahlen wie er nun für Broschinski bekommen hat. Das Ziel des Transfers war es allerdings, die Vereinskasse zu füllen, um eingegangene Risiken zu mindern. Transfereinnahmen waren bei der Etatplanung bereits einkalkuliert. Nur so lässt sich der jetzige Kader überhaupt finanzieren. Der Broschinski-Verkauf für rund zwei Millionen Euro, abzüglich einer Beteiligung des BVB, war also notwendig, erst recht mit dem heutigen Wissen, dass ein Wechsel von Ibrahima Sissoko in diesem Sommer nicht mehr über die Bühne gehen wird. Der Mittelfeldspieler droht lange auszufallen, wurde noch während des Spiels in Berlin nach Bochum transportiert und dort untersucht.

Allerdings war die vom VfL erhoffte Transfereinnahme von rund fünf Millionen selbst mit einem gesunden Sissoko kaum noch realistisch. Kein Verein hat in diesem Sommer ein Angebot abgegeben, das nur ansatzweise in die Nähe der Wunschvorstellung gekommen ist. Auch in der Zukunft wird dieser Betrag sehr wahrscheinlich nicht zu erzielen sein, weil Sissokos potenzieller Wiederverkaufswert mit jedem Jahr abnimmt. Selbst die angebliche 3-Millionen-Offerte vom polnischen Erstligisten Pogon Szczecin – die zufällig vor dem Spiel gegen den befreundeten BFC publik geworden ist – existiert in Wahrheit gar nicht. Bleibt noch die Pokalprämie von etwas mehr als 400.000 Euro, über die sich Kaenzig aber allenfalls kurz gefreut haben dürfte. Denn auch er wird die sportlichen Mängel nicht übersehen haben.


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(Foto: Imago / Jan Huebner)