Wenn es sportlich nicht läuft, dann geraten häufig all jene Spieler in den Fokus, die verletzungsbedingt pausieren müssen. Sie sind der Strohhalm, nach dem viele greifen. Beim VfL Bochum kommt dieser Strohhalm aus Brasilien, heißt Bernardo und gehörte in der vergangenen Saison zu den wenigen Leistungsträgern. Achillessehnenprobleme und eine Knieverletzung setzten den 29-Jährigen seit dem Trainingslager außer Gefecht. Nach Wechselgerüchten und einer Reha in Sao Paolo ist der Verteidiger nun aber wieder einsatzfähig. Beim Auswärtsspiel in Stuttgart feierte Bernardo sein Comeback; zwar nur als Joker, aber früher als es viele Beobachter erwartet haben. Natürlich ohne Spielpraxis, aber in einem erstaunlich fitten Zustand ist der Linksfuß Anfang November aus seinem Heimatland zurückgekehrt.
Seit Januar nicht mehr ohne Gegentor
In dieser Verfassung soll er nun schnellstmöglichst auch in die Startformation zurückkehren und die Defensive stärken. Es genügt ein Blick auf die Tabelle und die Anzahl der Gegentreffer, um eine der Hauptursachen für die Bochumer Erfolglosigkeit zu identifizieren. Nach elf Spielen steht der VfL bereits bei 32 Gegentreffern – kein Team in der Bundesliga ist noch schlechter. Das letzte Mal zu Null spielte der VfL Ende Mai im Rückspiel der Relegation bei Fortuna Düsseldorf. In der Bundesliga kassierten die Bochumer bereits 27 Spiele in Folge mindestens einen Gegentreffer. Ohne Einschlag ins eigene Tor blieb der VfL zuletzt im Januar beim 1:0-Heimerfolg gegen den VfB Stuttgart. Zur Anfangself gehörte seinerzeit unter anderem Bernardo, der als linker Außenverteidiger in einer Viererkette zum Einsatz kam.
Bernardo ist hinten flexibel einsetzbar
„Es ist wichtig, dass er wieder da ist“, sagte Trainer Dieter Hecking am vergangenen Samstag. „Man hat in den 25 Minuten nach seiner Einwechslung gesehen, dass Bernardo für die Zeit bereit war und er hat zeigen können, dass er für uns sehr wertvoll werden wird.“ Hecking wird zunächst die Systemfrage beantworten müssen: Bleibt er der in Bochum lange Zeit verschmähten, zuletzt aber stabileren Fünferkette treu? Oder kehrt er gegen nominell schwächere Mannschaften zur Viererkette zurück, um die blasse Offensive zu stärken? Ganz gleich, wofür sich Hecking entscheidet: Bernardo fühlt sich in beiden Systemen wohl. In einer Fünferreihe kann der zweikampfstarke und agile Abwerrecke die Aufgaben des linken Innenverteidigers übernehmen, in einer Viererreihe sowohl innen als auch außen verteidigen.
Sechs Innenverteidiger im VfL-Kader
Hecking steht nun vor der Qual der Wahl, wenn um die Besetzung der Abwehr geht. Insgesamt sechs Innenverteidiger stehen dem erfahrenen Coach zur Verfügung, zuletzt funktionierte er außerdem noch Maximilian Wittek zum zentralen Abwehrspieler um. Neben ihm begannen in Stuttgart Jakob Medic und Tim Oermann, auf dessen Tempo Hecking ungern verzichten möchte und in dem er großes Potenzial sieht. Für Bernardo, aber auch für Ivan Ordets und Erhan Masovic blieb nur ein Platz auf der Bank. Die beiden Defensivkräfte haben ihren Stammplatz vorerst verloren. Für Noah Loosli, der beim bislang letzten Zu-Null-Auftritt im Januar zur Startelf gehörte, muss die Spiele bereits seit Wochen von der Tribüne oder der heimischen Couch aus verfolgen. Er ist einer von mehreren Wechselkandidaten in diesem Winter.
Automatische Vertragsverlängerung
Auch Ordets und Masovic werden sich mit der Reservistenrolle nicht zufrieden geben. Das wiederum wird Hecking freuen. Denn je größer der Konkurrenkampf ist, desto weniger können sich einzelne Spieler ausruhen. Zumal keineswegs sicher ist, dass Bernardo länger zur Verfügung steht. Der Spieler schaut sich bereits seit dem Sommer nach einem neuem Verein um. Sollte im Dezember oder Januar ein finanziell attraktives Angebot beim VfL eingehen, wäre ein Wechsel alles andere als unwahrscheinlich. Der Vertrag des Brasilianers verlängert sich zwar nach 17 Saisoneinsätzen automatisch bis 2026, doch ob diese Marke erreichen wird, ist ungewiss. Womöglich taugt Bernardo also nur als Hoffnungsträger auf Zeit. Aber immerhin ist es ein Strohhalm, nach dem die sieglosen Bochumer greifen können.
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(Foto: Marc Niemeyer)