3:2 in München

VfL feiert Sensationssieg: „Moment für die Ewigkeit“

Auswärtsfahrten nach München sind für die Fans des VfL Bochum meist nur aus touristischer Sicht ein Highlight. Bei frühlingshaften Temperaturen und Sonnenschein schlenderten etliche Bochumer am Samstagmorgen über den Marienplatz oder Viktualienmarkt, trafen sich zu Hunderten im Glockenbachviertel beim in München ansässigen Fanclub Bavaria Bochum oder feierten die seit Jahrzehnten bestehende Freundschaft mit den Anhängern des FC Bayern. Da ahnten sie noch nicht, dass sie nur wenige Stunden später Zeuge eines Sensationssiegs werden sollten. Mit 3:2 gewann der VfL in der Allianz-Arena, obwohl die Bochumer schon recht früh mit 0:2 in Rückstand lagen. Nach zwei 0:7-Pleiten in den vergangenen drei Jahren schwante den rund 5.000 mitgereisten VfL-Fans schon Böses.

Doch ihre Mannschaft kämpfte sich zurück. „Wir sind zu Beginn fast nur hinterhergelaufen“, merkte Trainer Dieter Hecking kritisch an. „Aber nach dem Anschlusstreffer und dem Platzverweis war der Glaube zurück.“ Die Bayern waren durch einen Doppelpack von Raphael Guerreiro in Führung gegangen, und wäre der Elfmeter von Serge Gnabry nicht am Pfosten, sondern im Tor gelandet, dann hätten die Bochumer wohl nur noch Schadensbegrenzung betreiben können. Weil Jakov Medic den Rückstand aber prompt verkürzte, keimte beim VfL wieder Hoffnung auf, die umso größer wurde, als Joao Palhinha nach seinem Foul gegen Georgios Masouras die Rote Karte sah. Die Bochumer kamen mit neuem Mut aus der Kabine, und glaubten spätestens nach dem Ausgleich durch Ibrahima Sissoko an einen Punktgewinn.

Zuletzt 1991 in München gewonnen

Dass Matus Bero die Partie in der 71. Spielminute sogar komplett drehte, sorgte für Verwunderung bei den erfolgsverwöhnten Bayern und für Ekstase bei den Bochumern. Doch bis zum Abpfiff war es da noch weit. Die Bayern, die zwischen den Champions-League-Duellen gegen Leverkusen im Grunde ihre B-Elf ins Rennen geschickt haben, wechselten bereits nach dem 2:2 ihre Top-Stars ein. Aber für echte Torgefahr konnten auch Harry Kane oder Jamal Musiala nur selten sorgen. Eher waren es die Bochumer, die mit zwei, drei gefährlichen Kontersituationen sogar an einer Vorentscheidung schnupperten. „Für meine Nerven hätten wir gerne das vierte Tor erzielen dürfen“, beklagte sich Hecking mit einem Schmunzeln, lobte aber zugleich die leidenschaftlich-disziplinierte Defensivleistung.

Das oft zitierte Bayern-Glück blieb aus, der VfL brachte das Ergebnis über die Zeit und bejubelte einen gefühlt einmaligen Erfolg. „Wir haben gerade nachgeguckt, wann der VfL zuletzt bei den Bayern gewonnen hat“, verriet Torhüter Timo Horn kurz nach dem Abpfiff. Vor 34 Jahren, 1991, gewann der VfL das bislang einzige Mal beim Rekordmeister. „Da waren die meisten von uns noch gar nicht geboren. Auch deshalb ist das ein Moment für die Ewigkeit“, betonte Horn, der nach seinem Patzer gegen Hoffenheim eine gute Leistung zeigte. Hecking schickte diesselbe Startelf ins Rennen, und sie zahlte das Vertrauen zurück. Kleiner Wermutstropfen: Bernardo sah die fünfte Gelbe Karte und wird am kommenden Sonntag gegen Frankfurt fehlen. Dafür könnten Ivan Ordets und Myron Boadu zurückkehren.

Erster Auswärtssieg der Saison

So oder so: Der VfL hat längst ein Faible für die Duelle gegen Top-Teams entwickelt. Gegen Leverkusen und Leipzig gelang jeweils ein Unentschieden, gegen Dortmund und nun auch gegen die Bayern sogar ein Sieg. „Ich weiß, was solche Momente im Abstiegskampf bedeuten“, sagte Bayerns Trainer Vincent Kompany voller Anerkennung. Der erste Auswärtssieg der Saison im 13. Anlauf ist doppelt hilfreich, emotional wie tabellarisch. „Alle sind glückselig“, stellte Hecking nach einem Kabinenbesuch mit einer kurzen Ansprache fest. „In München ein Spiel zu drehen und zu gewinnen, ist herausragend. Das ist Balsam für die Seele, für uns Spieler wie für die Fans. Es fühlt sich so an, als gäbe es für diesen Sieg zehn Punkte“, scherzte Horn. Aber auch die errungenen drei helfen dem Revierklub ungemein.

Nur noch zwei Zähler beträgt der Abstand auf den ersten Nicht-Abstiegsrang. „St. Pauli ist in Sichtweite, wir haben den direkten Klassenerhalt in der eigenen Hand“, betonte Hecking, dessen Freude aber zwischenzeitlich ein wenig getrübt wurde. Während der ersten Halbzeit musste ein junger VfL-Fan im Gästeblock reanimiert werden. Beide Fanlager stellten daraufhin ihren Support ein. Am Abend teilte der Verein mit, dass der Anhänger wieder stabil und ansprechbar sei. Die Erleichterung im Bochumer Fanlager war spürbar, und sie ließ auch wieder Feierstimmung aufkommen. Denn es ist die Hoffnung auf einen seltenen Tag wie diesen, die tausende Anhänger antreibt, ihrer Mannschaft Jahr für Jahr nach München zu folgen. Diesmal hatte die Reise nicht nur touristischen, sondern auch historischen Wert.


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(Foto: Imago / MIS)