Vor dem Ligastart

Bochums A-Elf: Schlaflose Nächte und elf Glückliche

Als VfL-Trainer Thomas Letsch seinen Kader für die beiden Testspiele gegen den Diosgyöri VTK sowie den FC Luzern aufteilte, war die Tendenz schon klar erkennbar: Gegen den ungarischen Zweitligisten lief nur die vermeintliche B-Elf auf, gegen den schweizerischen Erstligisten hingegen eine mögliche Startaufstellung für den Bundesliga-Start gegen Hertha BSC. Schon gegen den Grasshopper Club Zürich hatte Letsch auf exakt diese elf Spieler gesetzt – ein klares Indiz dafür, dass der Fußballlehrer sein Team womöglich schon gefunden hat.

Die Spieler, die gegen die Ungarn antraten, waren also besonders gefordert, um den Trainer an seiner Entscheidung zweifeln zu lassen – und enttäuschten auf ganzer Linie. Phasenweise deuteten einzelne Akteure ihr Potenzial an, etwa Neuzugang Pierre Kunde oder Gerrit Holtmann – viel mehr war von den Bochumern aber nicht zu sehen. Die B-Elf hatte ihren Namen an diesem Tag ausnahmsweise verdient. Vorne brachte der VfL kaum einen gefährlichen Angriff zustande, hinten fehlten Ordnung und Zugriff gleichermaßen. „Es ist nur noch eine Woche bis zum Pflichtspielstart. Da muss man zeigen, dass man bereit ist. In dieser Partie haben wir das nicht gezeigt“, ließ sich Thomas Letsch vom kicker zitieren.

Auch mit dem zweiten Test nur wenige Stunden später war er nicht wirklich zufrieden. Denn auch die letzte Siegchance der Vorbereitung konnten die Bochumer nicht nutzen. Vier Testspiele gab es vor Weihnachten, drei weitere nach dem Jahreswechsel – gewonnen hat der Bundesligist keines davon. Zum Abschluss des Trainingslagers gab es zunächst eine 0:3-Niederlage gegen Diosgyöri, dann das 1:1 gegen Luzern. „Das Spiel war okay, aber okay reicht nicht. Wir müssen auf ein höheres Level kommen, um Hertha zu besiegen, gerade vorne zwingender werden“, kritisierte Letsch die in der Vorbereitung insgesamt schwache Offensive, der insgesamt nur fünf Tore gelangen.

Personell viel Auswahl

Dabei hat Bochums Chefcoach dieser Tage so viel Auswahl wie noch nie. 23 Feldspieler gehören derzeit zum Profikader, wenn man Tarsis Bonga und Lys Mousset, die sich einen neuen Verein suchen sollen, nicht dazu zählt. Fünf von ihnen wird Letsch in wenigen Tagen enttäuschen müssen und nur einen Tribünenplatz zuweisen können. „Bis dahin gibt es für mich noch ein paar schlaflose Nächte“, gibt der Coach offen zu. Auf praktisch jeder Position tobt ein interner Konkurrenzkampf; vor allem in der Innenverteidigung, wo sich sechs Spieler um nur zwei Plätze rangeln, oder auf der offensiven Außenbahn mit fünf Kandidaten für zwei Positionen. Letsch spricht folglich von einem „Hauen und Stechen.“

Das aber – mit Blick auf die Startaufstellung – schon mehr oder weniger entschieden ist. Im Tor steht Manuel Riemann, außen verteidigen wohl Saidy Janko und Danilo Soares. Janko, der noch vor wenigen Wochen mit zwei Vereinen aus der Schweiz in Verbindung gebracht wurde, erhielt schon im Dezember ein Sonderlob vom Trainer. Der 27-Jährige war besonders austrainiert aus dem Urlaub zurückgekehrt und hat offenbar auch an seiner Zweikampfschwäche gearbeitet, um den zuvor fast unantastbaren Cristian Gamboa in dessen Verletzungspause zu überholen. „Ganz klar“, betont Letsch, „Saidy hat seine Chance genutzt.“ Beim VfL ist er der große Gewinner des Winters.

Zentral muss Bochums Trainer ebenfalls keine unnötige Spannung aufbauen: Ivan Ordets und Keven Schlotterbeck dürften das neue Innenverteidiger-Duo bilden. Von Ordets‘ Entwicklung ist Letsch schon seit Wochen begeistert, der Ukrainer also gesetzt. Den passenden Partner hat er offensichtlich auch gefunden. Der Wunsch von Freiburg-Leihgabe Keven Schlotterbeck nach mehr Spielpraxis dürfte direkt in Erfüllung gehen. „Es fühlt sich so an, als ob er schon acht Wochen bei uns wäre“, lobt Thomas Letsch den Neuzugang. Die Alternativen – Erhan Masovic, Dominique Heintz, Vasilios Lampropoulos und Tim Oermann – müssen sogar um ihren Platz auf der Ersatzbank fürchten.

Nicht in Stein gemeißelt

Das gilt wahrscheinlich auch für Jacek Goralski, der seinen Trainingsrückstand nach langer Verletzungspause noch nicht gänzlich aufgeholt hat und dabei zusehen muss, wie sich Anthony Losilla, Philipp Förster und Kevin Stöger die drei Plätze im zentralen Mittelfeld vorerst gesichert haben. Pierre Kunde, Bochums zweiter Neuzugang im Januar, hat sein Potenzial – vor allem seine Dynamik und Schussgewalt – zwar schon angedeutet, ihn sieht Letsch aber noch nicht in der Startelf. „Er hat zwar bei der WM gespielt, davor aber nicht so oft. Man sieht, dass er noch nicht ganz im Rhythmus ist.“ Vor allem Philipp Förster müsste, wenn Kunde bei einhundert Prozent angelangt ist, um seinen Platz fürchten.

Auf den offensiven Außenbahnen ist ebenfalls nichts in Stein gemeißelt. Dort hat Christopher Antwi-Adjei gemeinsam mit WM-Teilnehmer Takuma Asano derzeit aber die besten Karten. Antwi-Adjei erkämpfte sich bereits vor der langen Pause einen Platz im Team. Auch Asano blühte gegen Jahresende auf, als er mit der japanischen Nationalmannschaft das DFB-Team ärgerte. Dass er unter Letsch wegen einer Knieverletzung noch kein einziges Spiel absolviert hat, scheint kein Nachteil zu sein. Bochums Trainer schätzt den dynamischen Außenbahnspieler für die rechte Seite sehr. Deshalb müssen sich Gerrit Holtmann, Jordi Osei-Tutu und Simon Zoller zunächst hinten anstellen.

Doch Ende Januar und Anfang Februar stehen gleich zwei englische Wochen an, einiges könnte sich dann schon wieder neu sortieren. Zoller wäre rein theoretisch auch eine Option für das Angriffszentrum, wobei Letsch dort eher einen kantigen Mittelstürmer bevorzugt – also Philipp Hofmann. An ihm kommt Silvere Ganvoula nicht vorbei, weitere Alternativen gibt der Kader nicht her. Sollte der VfL in diesem Winter doch noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden – was allerdings ziemlich unwahrscheinlich ist – dann am ehesten in vorderer Front.

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(Foto: Firo Sportphoto)