Die Geduldsfaden der Bochumer Fans war schon länger überspannt und ist bei einigen spätestens nach der 0:1-Niederlage am Freitagabend beim SC Paderborn gerissen. Mit Abpfiff entlud sich der Frust der mitgereisten Anhänger. Die eigene Mannschaft wurde mit Pfiffen bedacht – nach der vierten Pleite im fünften Ligaspiel mehr als verständlich. Der Saisonstart ist völlig missglückt. Das allein wäre schon dramatisch genug, ist aber nur eine unzureichende Beschreibung der Gesamtsituation. Denn der Negativtrend hält schon deutlich länger an. Seit mehr als einem Jahr befindet sich der VfL im Krisenmodus und hat saisonübergreifend nur sechs von 39 Ligaspielen gewonnen. Auch eine Spielklasse tiefer befindet sich der Revierklub erneut im Abstiegskampf. Eine positive Entwicklung ist nicht zu erkennen.
„Da kommen jetzt die Fragen, die keiner haben will“, stellte Trainer Dieter Hecking an seinem 61. Geburtstag fest. Zum Beispiel, wieso es der VfL weiterhin nicht schafft, gefährliche Torchancen zu kreieren. Ganze drei, die nennenswert sind, gab es gegen Paderborn – viel zu wenig für eine Mannschaft, die mindestens um den Aufstieg mitspielen müsste angesichts der finanziellen Möglichkeiten. „Wir spielen zu umständlich und brauchen zu lange, bis wir zum Abschluss kommen. Das wissen wir und werden das Problem nicht schönreden“, betonte Hecking, der mehrere Gründe für die Torflaute identifiziert hat: die eigene Struktur, die Qualität einzelner Spieler und die anhaltenden Personalsorgen. „Da kommt alles zusammen.“ Und führt zu einer toxischen Mischung, wenn auch die Abwehr nicht sattelfest ist.
Extrem wenig Ballbesitz
Gegen Paderborn hielt sie bis zu 90. Minute die Null – nicht souverän, aber immerhin. Ohne vier zum Teil wichtige Defensivspieler war der VfL nach Paderborn gereist; sie waren verletzt oder krank. Zudem musste Hecking während des Spiels Kevin Vogt und Leandro Morgalla angeschlagen auswechseln. Die Folge: In der Dreierkette verteidigte am Ende Noah Loosli neben dem gerade erst wiedergenesenen Erhan Masovic und Zweitliga-Debütant Daniel Hülsenbusch. Sich nach einer eigenen Standardsituation auskontern zu lassen und doch noch ein spätes Gegentor zu fangen, dürfe dennoch nicht passieren, ärgerte sich nicht nur Hecking. Verdient war die erneute Niederlage trotzdem, vor allem nach einer desolaten ersten Halbzeit mit weniger als 30 Prozent Ballbesitz und wenig Zugriff auf den Gegner.
Erst nach einer Systemumstellung von einem 4-1-4-1 zurück auf ein 5-3-2 wurde der VfL etwas besser, ohne zu überzeugen oder die Partie zu kontrollieren. Junge Spieler wie Kjell Wätjen und Francis Onyeka wirkten überfordert, erfahrene wie Matus Bero und Philipp Hofmann zu sehr mit sich selbst beschäftigt. In dieser Verfassung sind sie keine Stützen für die vielen Talente, die zuletzt sogar noch stabiler wirkten als ihre vermeintlichen Vorbilder. Die einzigen, die in Paderborn überzeugten, waren Kevin Vogt und mit Abstrichen Gerrit Holtmann. Von einem generellen Qualitätsdefizit, Fehlern bei der Kaderplanung oder gar einem Trainerproblem sprach Sportchef Dirk Dufner nach der Partie allerdings nicht; wohl auch, weil er sich damit selber angezählt hätte. „Es gibt keine Zweifel am Trainer“, stellte Dufner klar.
Holtmann verteidigt Hecking
War Kritik an Hecking am Ende der vergangenen Saison noch verpönt, kann es einigen Fans gerade nicht schnell genug gehen mit einem Rauswurf. Unzweifelhaft ist, dass wesentliche Fortschritte derzeit nicht festzustellen und die Probleme Woche für Woche dieselben sind. Von der erhofften Spielkontrolle ist nichts zu sehen, gegen Münster und Paderborn waren die Ballbesitzwerte erschreckend gering. Zudem sind keine Automatismen zu erkennen, die Abstände im Defensivverhalten teils zu groß und die Lauf- und Passwege in der Offensive nicht wirklich klar. Münster und auch Paderborn haben den VfL mit Geschlossenheit, Cleverness, Mut und einem klaren Spielkonzept besiegt, nicht mit individueller Klasse. Wofür Hecking indes nichts kann: für die vielen Ausfälle und wiederkehrende individuelle Fehler.
„Der Trainer ist nicht Schuld, wenn wir uns die Dinger selber einschenken. Der ist am Ende die ärmste Sau“, bekräftigte Holtmann, der bei den Fans den größten Kredit genießt und deshalb zur Kurve ging, um die enttäuschte Menge zu beruhigen. Ansonsten mangelt es an Identifikationsfiguren, die zugleich Leitwölfe und Leistungsträger der Mannschaft sind. Gerade diese Persönlichkeiten sind in schwierigen Phasen aber gefragt. Mindestens vorübergehend befindet sich der VfL im Tabellenkeller der 2. Liga. „Traditionell fängt der Abstiegskampf zu dieser Jahreszeit noch nicht an“, sagte Dufner, „aber wir müssen die Situation extrem ernstnehmen.“ Die Bochumer wären nicht der erste Klub, der mit Aufstiegsambitionen gestartet ist und sich in Wirklichkeit gegen den Absturz in die Drittklassigkeit stemmen muss.
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