Die Warnung musste präzisiert werden. Noch am ersten Tag des Bochumer Trainingslagers machten die Fanbetreuer darauf aufmerksam, dass in Scheffau offensichtlich viele Zecken unterwegs sind und sich vorzugsweise für die zahlreich mitgereisten VfL-Anhängern interessieren. Damit waren tatsächlich kleine, fiese Krabbeltiere und nicht etwa Sympathisanten des größeren Reviernachbarn gemeint, auch wenn just an einem Morgen ein BVB-Aufkleber auf dem Bochumer Teambus platziert war. Es war zum Glück das einzig große Ärgernis in der vergangenen Woche, die der VfL erstmals im Schatten des Wilden Kaisers verbracht hat. Viele der rund 250 anwesenden VfL-Fans dachten zwar wehmütig an die Zeit in Gais zurück, doch die Mannschaft und der immer größer werdende Mitarbeiterstab waren rundum zufrieden – und darauf kommt es schließlich an.
Auch Trainer Dieter Hecking fiel im Mediengespräch zum Abschluss des Trainingslagers nichts Negatives ein. Er lobte die Neuzugänge, die Etablierten und die Jungspunde gleichermaßen. „Normalerweise fallen im Trainingslager immer mal einige ab oder man hört Gemurre. Das war in diesem Jahr aber nicht der Fall“, berichtet der erfahrene Fußballlehrer. „Verlierer sind vielleicht Erhan Masovic und Moritz Kwarteng, die verletzt sind und den Teamspirit leider nur durch Hörensagen mitbekommen.“ Das Duo wird dem VfL bis in den Herbst hinein fehlen, Kwarteng wahrscheinlich sogar länger als Masovic, der nach seinem Lungenkollaps auf dem Weg der Besserung ist und die Klinik in Rosenheim in Kürze verlassen soll. Einige Teamkollegen haben ihn während des Trainingslagers besucht.
Intensives Training
Diese Geschichte unterstreicht den Zusammenhalt innerhalb der neu formierten Mannschaft, die aus vielen deutschsprachigen Spielern besteht, was ein expliziter Wunsch der Verantwortlichen war. Neuzugänge aus dem Ausland sollen sich so besser und schneller integrieren. Die gute Stimmung innerhalb des Teams fiel jedenfalls allen Beobachtern gleichermaßen auf. Auch die Trainingsintensität war im Vergleich zum Vorjahr deutlich höher. Seinerzeit beklagten zahlreiche Spieler die lasche Herangehensweise von Trainer Peter Zeidler. Die Folge: Der VfL gehörte in seiner Abstiegssaison zu den laufschwächsten Mannschaften. Dieter Hecking und seine Assistenten haben die Zügel deshalb deutlich angezogen. Mehrere Spieler berichteten, dass sie in der Saisonvorbereitung noch nie so intensiv trainiert hätten.
Kein Wunder also, dass die Beine schwer waren, als zum Abschluss des Trainingslagers ein XXL-Test über 120 Minuten gegen Metalist Charkiw aus der Ukraine torlos und ohne erwähnenswerte Szenen endete. Immerhin kamen die Bochumer Fans schon in den Tagen davor auf ihre Kosten. Das Trainingslager begann mit einem 1:1 gegen Viktoria Pilsen aus Tschechien, ging weiter mit einem 3:2 gegen Drittligist Waldhof Mannheim und fand seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt in einem 5:4 gegen die Young Boys Bern aus der Schweiz. Bemerkenswert war, dass der VfL gegen Mannheim und Bern zunächst klar in Rückstand lag, dann aber aufdrehte und die Spiele noch gewann. Hecking lobte im Anschluss die Mentalität, sah zugleich aber noch Verbesserungsbedarf in der Defensive. „Das gilt für beide Formationen“, betont er.
Dreierkette im Fokus
Hecking lässt in diesen Wochen zwei Spielsysteme einüben. Das in der vergangenen Saison bevorzugte 3-5-2 steht nach wie vor im Fokus. Darauf war zuletzt auch die Kaderplanung ausgerichtet, etwa mit dem Transfer von Kevin Vogt. Dennoch bleibt ein 4-3-3 als Alternative, je nach Gegner und Spielsituation. Beim Saisonauftakt in gut zwei Wochen beim SV Darmstadt 98 wird Hecking zum Beispiel schauen müssen, welche Spieler überhaupt zur Verfügung stehen. Angreifer Philipp Hofmann etwa, der eigentlich fest für die Startformation eingeplant ist, hat noch sicht- und messbaren Trainingsrückstand. Praktisch sicher haben ihren Startelfplatz bislang nur Torhüter Timo Horn, Kevin Vogt und Philipp Strompf in der Abwehr, Maximilian Wittek auf der linken Seite sowie Ibrahima Sissoko und Matus Bero im Mittelfeld, sofern sie denn bleiben.
Auf den übrigen Positionen gibt es zumindest Tendenzen. Von den Neuzugängen drängt Leandro Morgalla ebenso in die Startelf wie Francis Onyeka. Im Angriff zeichnet sich ab, dass der oft verschmähte Moritz Broschinski mindestens für den Moment die erste Wahl sein wird, womöglich zusammen mit Ibrahim Sissoko. Hecking bevorzuge die Kombination aus einem robusten und einem mobilen Angreifer, erklärte er im Laufe der Trainingslager-Woche, in der sich der Eindruck verfestigte, dass die Verantwortlichen mangels Geld, aber auch aus Überzeugung keine größeren Transfers mehr anstreben. „Wenn der Kader so zusammenbleibt, bin ich sehr zufrieden“, sagte Trainer Hecking. Neugierige Anhänger, die etwa beim Fanabend nach weiteren Neuzugängen fragten, erhielten von der Klubführung die gleiche Antwort. Wer noch Skepsis äußerte, blickte in irritierte Gesichter.
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(Foto: Imago / Marco Steinbrenner DeFodi)