Präsidiumswahl

Schwammig statt schmutzig: VfL-Mitglieder vertrauen Luthe

Die ganz große Überraschung war es nicht mehr, als Carina Gödecke, die ehemalige Landtagspräsidentin und souveräne Leiterin der Bochumer Mitgliederversammlung, am Samstagnachmittag das Wahlergebnis verkündete. Schon der Applaus in den Stunden zuvor deutete darauf hin, dass das Team um Andreas Luthe und Hans-Peter Villis offensichtlich mehr Anhänger überzeugt hat. Mit 1.234 zu 671 Stimmen fiel das Wahlergebnis recht deutlich aus. Damit ist klar: Villis geht als Gewinner aus dem vereinsinternen Zwist hervor. Das von der Findungskommission zusammengestellte Team mit Uwe Tigges unterlag. Villis führte den Verein bis Anfang 2025, ehe ihn Tigges und weitere Präsidiumsmitglieder als Vorsitzenden abgewählt haben. In geteilten und neu besetzten Teams standen sie sich nun gegenüber.

In der fast vierstündigen Versammlung wehrten Villis und seine neuen Mitstreiter zahlreiche Angriffe clever ab, wirkten freundlicher und souveräner, und verkörperten dank Luthe mehr Aufbruchstimmung. Auch wenn ihre Pläne noch recht vage blieben, gefiel es den meisten der nur knapp 2.000 anwesenden Mitglieder offensichtlich besser, eher schwammig zu bleiben als schmutzig zu werden. Schon in ihren vorbereiteten Reden sprachen Tigges, Karl-Heinz Bauer und Co. vorzugsweise über die Vergangenheit und erklärten, warum sie eine Wiederwahl von Villis verhindern wollen. Sie warfen ihm unter anderem Alleingänge vor, redeten von einer „One-Man-Show“. Weil sich Villis erwartbar wehrte, standen zu vielen Streitfragen zwei konträre Aussagen gegenüber. Wer wirklich Recht hatte, konnten die Mitglieder nicht ermitteln.

Luthe winkt Vorsitz des Vereins

Wirklich Neues kam nach einem kurzen, aber intensiven Wahlkampf ohnehin nicht zur Sprache. Spannend war lediglich zu beobachten, wie sich die Kandidaten präsentierten. Eine erfrischende und substanzreiche Rede hielt Mirja Dorny aus dem Verlierer-Team, die aber ausgepfiffen wurde, weil sie offen damit umging, dass sie in der Vergangenheit privat mal ein BVB-Trikot trug. Bauer, der eigentlich als Vorstandsvorsitzender eingeplant war, gelang es zum Abschluss der Teamvorstellung jedoch nicht, die Wähler auf seine Seite zu ziehen. Der langjährige Mannschaftsarzt wirkte bei der späteren Fragerunde eingeschnappt und verbittert, weil ihm die Mitglieder bei seinen Ausführungen über die Vergangenheit nicht wie erhofft gefolgt sind. Das Gewinner-Team wiederum punktete vor allem mit Luthe als Zugpferd.

Sie fingen die Mitglieder auch emotional ein. Mehrheitlich schenkten sie schließlich ihm, Villis sowie Bettina Stratmann, Christian Stenneken und Till Grönemeyer ihr Vertrauen, die ab sofort das Präsidium des Fußballvereins bilden. Hinzukommen Volker Goldmann, der Vorsitzende des Wirtschaftsrats, Fabian Budde, der neue und gefeierte Fanvertreter, und Jupp Tenhagen, der satzungsgemäß kooptiert werden soll. Wer den Vorsitz übernehmen wird, ist noch offen, vieles deutet aber auf eine Arbeitsteilung hin, verriet Luthe. Demnach wird er sich für die Vereinsspitze anbieten, während Villis den Aufsichtsrat der ausgegliederten Kapitalgesellschaft anführen soll. Erstmals soll dieses Gremium nicht personengleich zum Präsidium besetzt werden. Sicher ist nur, dass Fanvertreter Budde dazugehören wird.

Kritiker aus Politik und Belegschaft

Zum Unterstützerkreis des gewählten Teams zählen auch Vertreter der lokalen und überregionalen Wirtschaft. Hubertus Fiege von der ortsansässigen Brauerei gilt als Kandidat für den Aufsichtsrat, genauso wie Benedikt Steffen, Geschäftsführer von Opta Data, einem deutschlandweit agierenden Digital-Konzern im Gesundheitswesen. Es sind viele neue Gesichter in der VfL-Welt nach zuletzt nur punktuellen Veränderungen an der Spitze. Zu den Ideengebern gehört auch ein gut vernetzter Agenturinhaber, der VfL-Mitglied ist, der aber aufgrund von FIFA-Regularien keinen Posten übernehmen soll und darf. Über ihn hat die Gegenseite in der Versammlung mehrfach gesprochen. Zu den Befürwortern des Mitgliedervotums zählt zudem die Spitze von Vonovia, dem Bochumer Haupt- und Stadionsponsor.

Kritiker gibt es gleichwohl auch. Auf sie werden Luthe, Villis und Co. in den kommenden Tagen und Wochen besonders zugehen müssen, um die Spaltung des Vereins zu überwinden. Zahlreiche Vertreter der Lokalpolitik haben sich hinter vorgehaltener Hand gegen eine Wiederwahl von Villis ausgesprochen. Auch in der VfL-Belegschaft genießt der langjährige Vorsitzende keinen guten Ruf. Dass Luthe für die anstehende Woche eine Art Mitarbeiterversammlung angekündigt hat, könnte und soll die Wogen etwas glätten: „Wir haben eine interne ‚Roadmap 2029‘ entwickelt. Darin stehen konkrete Maßnahmen, die wir umsetzen wollen“, erklärt Luthe. „Dafür werden wir uns Anfang der Woche auf der Geschäftsstelle vorstellen und uns gemeinsam darauf einschwören, in welche Richtung wir gehen möchten.“

Austausch mit Kaenzig und Dufner

Die Strategie des neuen Präsidiums muss natürlich auch kompatibel mit den Vorstellungen der Geschäftsführung sein. „Wir werden uns so schnell wie möglich mit Ilja Kaenzig und Dirk Dufner zusammensetzen, um einen gemeinsamen Wissensstand zu haben und auf dessen Basis wir entscheiden, wie wir in die Zukunft gehen werden“, betont Luthe. Vorgänger Uwe Tigges sprach von konkreten Zielvereinbarungen mit Dufner hinsichtlich des Vertragsmanagements und des Scoutings. Unklar ist, ob das neue Präsidium diese übernehmen wird. Zwar sagte Luthe mehrfach, dem Führungstrio inklusive Trainer Dieter Hecking voll zu vertrauen, gleichzeitig bestand zwischen den beiden Gruppen der größte Unterschied darin, dass sich das nun gewählte Team intensiver mit der Geschäftsführung austauschen möchte.

Die Frage wird sein: Sehen Kaenzig und Dufner das eher als Bereicherung oder als Hindernis? Vor allem passt der von Luthe immer wieder erwähnte Einsatz von neuen Technologien nur sehr eingeschränkt zur eher traditionellen Arbeitsweise des genannten Trios. „Wir müssen im Idealfall moderne Daten mit dem Expertenauge verbinden“, kündigte Luthe an, der bei diesen Themen auch seine Gremiumskollegen mitnehmen muss. Stratmann, Stenneken, Grönemeyer und Budde kennen den Fußball bislang nur aus der Fanperspektive. Wobei die im Gremium künftig ebenfalls eine Rolle spielen soll. Grönemeyer kündigte die Wiedereinführung von Mitgliederforen an. „Bei uns geht es um die beste Idee und nicht darum, von wem sie kommt“, betonte Luthe. Auch das unterlegene Team sei aufgerufen, sich einzubringen.


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(Foto: Imago / Revierfoto)