Mannschaftsabende haben beim VfL Bochum im Saisonendspurt mittlerweile eine gewisse Tradition. Immer dann, wenn der Revierklub um den Klassenerhalt bangen muss, kommen die Spieler zusammen, um sich gemeinsam auf die letzten Spiele einzuschwören. Mit einem Padel-Turnier und einem gemeinsamen Abendessen begann am Dienstag die Vorbereitung auf das Heimspiel gegen Union Berlin. Diese Partie ist nicht nur aus sportlich-tabellarischer Sicht von besonderer Bedeutung, sondern auch aus emotionalen Gründen. Das 1:1 aus dem Hinspiel wurde bekanntlich von zwei DFB-Instanzen nachträglich in einen Bochumer Sieg umgewandelt, weil ein Anhänger der Berliner ein Feuerzeug auf VfL-Keeper Patrick Drewes geworfen hatte und diesen am Kopf traf. Die Verantwortlichen von Union wollen diese Entscheidung aber nicht akzeptieren und hoffen auf eine Wende durch das Ständige Schiedsgericht der Lizenzligen. Dieses wird sein Urteil aber erst nach dem Rückspiel verkünden, in schriftlicher Form und ohne erneute Verhandlung.
Weniger brisant wird das erneute Aufeinandertreffen dadurch allerdings nicht. Aus einem DFB-Schriftstück von Ende März geht hervor, dass die Berliner eine Verletzung von Drewes und dessen anschließende Spielunfähigkeit nach wie vor in Zweifel ziehen. Zudem kritisieren sie, dass der Feuerzeugwurf ihrem Verein angelastet wird. Dabei war der Täter zum Zeitpunkt des Vergehens sogar Mitglied bei Union Berlin. Präsident Dirk Zingler vermutet hinter den beiden Urteilen ein „politisches Signal“, Sportchef Horst Heldt sprach jüngst sogar von einem „Rachefeldzug“ des Verbandes gegen seine Unioner. Dabei ist die Haftung der Vereine für Fehlverhalten von ihnen zuzurechnenden Personen in den Statuten des DFB eindeutig geregelt. Die Rechtslage im Bereich des DFB entspricht den Rechtsnormen der UEFA für den europäischen Fußball. Diese wurden unter anderem durch den Bundesgerichtshof sowie vom Ständigen Schiedsgericht der Lizenzligen bestätigt. Auch deshalb ist damit zu rechnen, dass das Urteil zum Hinspiel bestehen bleibt.
Bero kehrt ins Team zurück
Alles andere wäre für den VfL auch verheerend, der selbst mit den zwei zusätzlichen Zählern vom Grünen Tisch akut vom Abstieg bedroht ist. Der direkte Klassenerhalt ist bei zehn Punkten Rückstand auf St. Pauli vier Spieltage vor Schluss praktisch ist nicht mehr zu schaffen. Und auch Heidenheim auf dem Relegationsplatz ist immerhin zwei Punkte entfernt. Außerdem haben die Bochumer das schlechteste Torverhältnis aller Bundesligisten – kein Wunder nach fünf Niederlagen in Serie. Aber: „Wir haben immer noch eine riesige Chance in der Liga zu bleiben. Es ist ein Schneckenrennen, die anderen holen auch nicht viele Punkte“, sagt Bochums Sportchef Dirk Dufner, der allerdings auch weiß: „Wir brauchen den Sieg gegen Union Berlin unbedingt.“ Angesichts der zuletzt im Ergebnis enttäuschenden Darbietungen sind personelle wie taktische Veränderungen naheliegend, in der Praxis allerdings kaum umsetzbar, weil der Kader nur wenige Alternativen bietet, vor allem für die Außenpositionen und die harmlose Offensive.
Die in Bremen eingewechselten Spieler – Myron Boadu, Samuel Bamba, Moritz Broschinski, Erhan Masovic und Mats Pannewig – konnten jedenfalls zu keiner Leistungssteigerung beitragen. Einzig Boadu verspricht als aktuell bester Bochumer Torschütze eine höhere Qualität. Dass Dani de Wit, der im Sommer noch als eine Art Königstransfer angepriesen wurde, trotz der Torflaute seit Anfang Februar nicht mehr zur Startelf gehörte und kaum noch eingewechselt wird, verdeutlicht das Personalproblem einmal mehr. Kurzfristig Hoffnung macht allenfalls die Rückkehr von Mittelfeldspieler Matus Bero, der mit seinen vier Saisontreffern immerhin der zweitbeste Bochumer Torschütze ist. Umgekehrt muss Trainer Dieter Hecking allerdings auf den gesperrten Ibrahima Sissoko verzichten, der zuletzt zu den wenigen Lichtblicken im VfL-Team gehörte. Selbst Hoffnungsträger Bernardo schwächelte, was vielleicht daran liegen könnte, dass sich der Defensivallrounder parallel mit einem Vereinswechsel im Sommer beschäftigt.
Bernardo will VfL verlassen
Für den Brasilianer soll es mehrere Interessenten geben, darunter Eintracht Frankfurt und – ausgerechnet – auch Union Berlin. Sportchef Dufner hat bereits angekündigt, dass ein Verbleib von Bernardo in Bochum selbst im Falle des Klassenerhalts fast ausgeschlossen ist. Angesichts seiner grundsätzlichen Leistungsfähigkeit wird er aber wohl bis zum Saisonende im Team bleiben, als linker Innenverteidiger in einer Dreierkette. Um den schwachen Angriff zu stärken, wäre theoretisch eine Systemumstellung denkbar. In einer 3-5-2- bzw. 3-4-3-Formation hat sich die Mannschaft bislang aber wohler gefühlt, sodass eine Abkehr von der gewohnten Systematik im Saisonfinale eher unwahrscheinlich ist. Denkbar sind allenfalls kleinere Anpassungen sowie einzelne Personalwechsel, nur nicht im Tor. Dort bleibt Timo Horn die Nummer eins. Dass er Patrick Drewes verdrängt hat, ist für das Spiel gegen Union wohl auch besser so. Denn in den sozialen Netzwerken wird Drewes von zahlreichen Berliner bis heute beschimpft und als „Schauspieler“ verunglimpft.
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(Foto: Imago / Matthias Koch)