Die Gespräche gehen weiter, viel Zeit bleibt nicht mehr. Spätestens im Monat März, so hat es das Präsidium des VfL Bochum vor einigen Wochen mitgeteilt, soll der neue Sport-Geschäftsführer präsentiert werden. Der erfahrene Bundesliga-Manager Jörg Schmadtke ist – wie bereits in der vergangenen Woche berichtet – einer der Favoriten. Der 61-Jährige kann sich ein Engagement beim VfL Bochum grundsätzlich vorstellen, weshalb beide Seiten die Verhandlungen zuletzt fortgeführt haben. Doch von einer Einigung sind sie noch ein gutes Stück entfernt, weshalb die Klubführung auch andere Optionen prüft. Klar ist nur: Schmadtke oder einem seiner Mitbewerber soll ein Kaderplaner zur Seite gestellt werden. Dieses Modell ist in der Bundesliga längst üblich und gab es bis zum Sommer 2024 auch schon beim VfL.
Großer Unterschied zu Mainz und Augsburg
So oder so: Auf die neuen Sportverantwortlichen wartet jede Menge Arbeit. Es geht darum, den VfL Bochum weiter in der Bundesliga zu etablieren – natürlich vorausgesetzt, dass der Klassenerhalt am Saisonende erneut gelingt. Eine Zitterpartie wie in dieser, in der vergangenen und in der vorletzten Saison soll es nach Möglichkeit nicht mehr in jeder Saison geben. Als Vorbilder dienen vor allem Mainz 05, der FC Augsburg und mit Abstrichen auch Union Berlin, die im Regelfall zwar weiterhin in der unteren Tabellenhälfe anzutreffen sind, aber nicht so akut abstiegsgefährdet sind wie der VfL aus Bochum. Alle drei Klubs spielen bereits länger in der Bundesliga, haben somit einen Anspruch auf höhere Fernsehgelder. Der entscheidende Unterschied aus wirtschaftlicher Sicht sind aber die Transfereinnahmen, erklärt VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig.
„Wir müssen diesem Thema noch deutlich mehr Beachtung beschenken. Transfereinnahmen sind notwendig, um den Lizenzspieleretat auf Sicht deutlich anheben zu können“, betont Kaenzig. Heißt im Umkehrschluss: Durch Spielerverkäufe soll die Mannschaft Jahr für Jahr gestärkt werden. Was paradox klingt, ist längst der Normalfall bei eher kleineren Bundesligisten. Und nicht nur da. „Wo stünde Bayer Leverkusen ohne den Verkauf von Kai Havertz? Dann hätten sie sich ihre Meister-Mannschaft so nicht leisten können“, weiß Kaenzig. „Selbst Heidenheim hat im vergangenen Sommer eine niedrige zweistellige Millionen-Summe allein durch Transfers eingenommen, Vereine wie Mainz und Augsburg noch viel mehr. Bei uns war es „nur“ eine mittlere einstellige Millionen-Summe – genau das macht aktuell den Unterschied aus.“
Der Bochumer Finanzchef weiß: „Wenn wir die Transfereinnahmen mal herausrechnen, sind wir wirtschaftlich schon jetzt stärker als Mainz und Augsburg. Im vierten Bundesliga-Jahr, wohlgemerkt.“ Doch die Transferbilanz verbaut dem VfL die Möglichkeit, bei Angeboten an neue Spieler schon jetzt mit den genannten Klubs mitzuhalten. Dafür genügt ein Blick auf die konkreten Zahlen. Nach Angaben des Branchenportals Transfermarkt hat Mainz 05 allein in dieser Saison und den vergangenen zwei Spielzeiten Transfereinnahmen in Höhe von insgesamt mehr als 87 Millionen Euro erzielt. Beim FC Augsburg waren es in diesem Zeitraum rund 75 Millionen Euro, bei Union Berlin immerhin 61 Millionen Euro. Der VfL Bochum hat lediglich rund 22 Millionen Euro durch Spielerverkäufe eingenommen, den überwiegenden Teil davon im Sommer 2022.
Wenige Verkaufskandidaten im jetzigen Kader
Für Kaenzig ist deshalb klar, dass es nicht nur mehr Abgänge gegen Ablöse braucht, sondern dass auch jeder einzelne Transfer mehr Geld einbringen muss als bislang: „Wenn uns Leistungsträger verlassen, wie das im vergangenen Sommer beispielsweise bei Patrick Osterhage der Fall war, dann sind fünf Millionen Euro in Zukunft nicht mehr ausreichend. Auch ablösefreie Verluste von Stammspielern sind problematisch. Wir brauchen deshalb ein Vertragsmanagement. Talentierte Spieler müssen beispielsweise mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet sein, bevor sie bei uns durchstarten.“ Gemeint ist damit unter anderem U21-Nationalspieler Tim Oermann, dessen Vertrag im Sommer 2026 endet. Verlängert er nicht vorzeitig, besteht in diesem Jahr die letzte Chance, das Eigengewächs gewinnbringend zu verkaufen.
Anderenfalls kann es zu einer Situation kommen wie im vergangenen Sommer, als mehrere Leistungsträger wie Kevin Stöger oder Takuma Asano den VfL ablösefrei verließen und zugleich eine große sportliche Lücke hinterlassen haben. Ebenso geht es darum, nicht den richtigen Moment für einen Verkauf zu verpassen. Für Moritz Broschinski ging Ende August 2024 ein Millionen-Angebot von Union Berlin ein, die Bochumer lehnten es ab. Angesichts seiner Leistungen in dieser Saison dürfte Broschinskis Marktwert seither eher gefallen als gestiegen sein. Das ist ohnehin ein Problem beim VfL und die Folge von zu vielen Fehleinschätzungen. Lukrative Verkaufskandidaten gibt es derzeit kaum. Allenfalls Ibrahima Sissoko verspricht noch eine attraktive Rendite, mit Abstrichen und im Falle einer Vertragsverlängerung womöglich auch Bernardo.
„Wir brauchen erfahrene Korsettstangen, aber eben auch genügend Spieler mit einem Wiederverkaufswert und dahinter ambitionierte Nachwuchskräfte“, gibt Kaenzig den groben Plan für die künftige Kaderplanung vor und betont: „Eine Garantie, dass der VfL Bochum in der Bundesliga bleibt, gibt es nie. Das zeigen ja auch mehrere Absteiger der vergangenen Jahre, die ein deutlich größeres Budget hatten als wir. Wir können allenfalls die Wahrscheinlichkeit des Ligaverbleibs erhöhen. Das wäre der Fall, wenn wir die Marke von 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr knacken, sodass wir den Lizenzspieleretat auf 50 Millionen Euro anheben können. Und dann einen guten Job machen. Das gelingt uns aber nur, wenn wir jedes Jahr Transfereinnahmen erzielen.“ Die intern ausgegebene Zielmarke liegt bei durchschnittlich 11 Millionen Euro pro Saison.
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(Foto: Marc Niemeyer)