Brauerei-Besuch

Fiege und der VfL: Bochum-Fans trinken gegen den Trend

Der VfL Bochum ist nicht dafür bekannt, in der Bundesliga Spitzenpositionen zu belegen. In einer Statistik allerdings steht der Revierklub mit seinen Fans sehr weit oben: beim Pro-Kopf-Bierkonsum im eigenen Stadion. Das mag einerseits an den sportlichen Darbietungen liegen, die wechselnd für Frust oder Faszination sorgen, andererseits aber auch an der Beliebtheit des ausgeschenkten Bieres, das seit gut 25 Jahren durch die Zapfhähne fließt – und selbstverständlich in Bochum gebraut wird.

Wobei: Selbstverständlich ist das keineswegs. „Nur bei uns in Bochum und in Augsburg kommt das Bier in einem Bundesliga-Stadion noch von einer vor Ort ansässigen Familienbrauerei“, berichtet Carla Fiege stolz. Gemeinsam mit ihrem Cousin Hubertus Fiege bildet sie seit Anfang 2023 die Geschäftsführung der Privatbrauerei Moritz Fiege. Die beiden führen das Unternehmen bereits in sechster Generation. In gut vier Jahren wurden sie innerhalb des Betriebs darauf vorbereitet und lösten anschließend ihre Väter Jürgen und Hugo Fiege an der Spitze ab. „Wir haben uns beide frei entwickelt, studiert und vorab in anderen Unternehmen gearbeitet und bewiesen. Das war die Maßgabe unserer Väter. Sie hatten natürlich die Hoffnung, dass wir den Betrieb übernehmen, aber ohne Druck auf uns auszuüben“, berichtet Hubertus Fiege, dem nicht nur die Verantwortung für rund 60 Mitarbeitende, sondern auch die Fußball-Leidenschaft übertragen wurde.

Seit seiner Kindheit verfolgt er die Spiele des VfL, bevorzugt im Stadion; anfangs in der Ostkurve oder in Block A, mittlerweile meistens im VIP-Bereich. „Ich bin in Stadionnähe aufgewachsen, und aus den Fenstern unserer Brauerei sind die Flutlichtmasten des Stadions zu sehen. Der VfL war schon immer sehr präsent. Es gab viele prägende Momente mit diesem wunderbaren Verein. Und wenn es nun ein Teil meines Jobs ist, am Wochenende beruflich zum VfL zu gehen, dann macht mich das sehr glücklich“, berichtet Hubertus Fiege, dessen Beziehung zum Bundesligisten sich über die Jahre natürlich ein wenig verändert hat. „Als Partner des Klubs bin ich ruhiger geworden bei den Spielen. Zumindest äußerlich“, erzählt er mit einem Schmunzeln.

Auch Carla Fiege hat früh ihre Vorliebe für den Fußball an der Castroper Straße entdeckt. „Früher stand ich in der Ostkurve hinter den Trommlern“, berichtet sie begeistert. Dabei hat sie sich über einen Fangesang immer ganz besonders gefreut: „Wenn unsere Fans im Stadion die Vereinshymne singen und dann rufen ‚Mein Herz schlägt nur für dich – und für Fiege‘, dann bekam ich jedes Mal Gänsehaut. Das ist noch heute so. Daran merkt man, dass wir nicht nur bloß ein Sponsor sind.“ Die Beziehung zwischen der Brauerei und dem Fußballklub ist seit ihrem Bestehen eine ganz besondere. Sie aufzubrechen, hätte einen Schwall der Entrüstung zur Folge. In etwa so wie im Jahr 2016, als der VfL kurz davorstand, das Angebot einer Großbrauerei anzunehmen und einen lukrativeren Werbevertrag abzuschließen.  


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Doch die Fanproteste waren seinerzeit so groß, dass der damalige Finanzvorstand Wilken Engelbracht auf der Zielgeraden der Verhandlungen umschwenkte. „Auch ein Finanzverantwortlicher muss manchmal erkennen, dass im Fußball Geld nicht alles ist“, sagte er bei der Bekanntgabe der Vertragsverlängerung mit der Fiege-Brauerei. Der Vertrag wurde zwischendurch erneut verlängert und läuft aktuell noch bis mindestens 2026. „Es wird immer Brauereien geben, die mehr bieten können“, weiß Carla Fiege. „Wir sind den Fans dankbar dafür, dass sie sich für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit eingesetzt haben. Nur durch diese besondere Beziehung und Verbundenheit ist eine so lange Partnerschaft überhaupt möglich. Für uns ist es die mit Abstand größte Marketingmaßnahme, für die wir uns jedes Mal strecken müssen.“

Der Wunsch vieler Anhänger, dass das Fiege-Logo eines Tages die Bochumer Trikotbrust zieren wird, bleibt deshalb ein unerfüllter Traum. „So gern wir das machen würden, aber die Größenordnungen einer solchen Kooperation sind für uns unvorstellbar“, sagt Hubertus Fiege. Immerhin ist es in der vergangenen Saison gelungen, dass die Fiege-Brauerei als Ärmelsponsor im DFB-Pokal in Erscheinung getreten ist. Die Shirts waren schnell verkauft, ein Teil der Verkaufserlöse haben die Brauerei und der Verein für den guten Zweck gespendet. Nur der sportliche Erfolg war mäßig: Der VfL schied bereits in der ersten Runde aus. Hubertus Fiege erinnert sich trotzdem gern an die Idee und die Umsetzung zurück: „Das sind besondere Momente im Geschäftsleben, die natürlich in Erinnerung bleiben. Man darf es nicht zu sehr vermengen, aber da schlägt auch das Fanherz wieder höher.“ Seit dieser Saison wirbt Fiege zudem auf dem Ärmel der erfolgreichen VfL-Frauen. „Wir wollen die tolle Entwicklung dort unterstützen und honorieren und verstehen das auch als klares Statement“, erklärt Carla Fiege, die hofft, dass sich weitere Unternehmen aus der Stadt anschließen.

An der Moritz-Fiege-Straße unweit des Hauptbahnhofs werden derweil neue Ideen für die eigene Partnerschaft geschmiedet. „Wir wollen den Fans gemeinsam mit dem VfL immer wieder etwas Neues, etwas Besonderes bieten. In dieser Saison ist zum Beispiel unsere neue, gemeinsame Fan-Kollektion erschienen“, berichtet Carla Fiege und ist sich sicher: „So etwas würde es mit anderen Unternehmen sicher nicht geben.“ Auch der alljährliche Fiege-Fanclubabend im Brauhof während des OpenAir-Kinos ist mittlerweile zur Tradition geworden. „Der Austausch mit den wechselnden Verantwortlichen beim VfL ist seit vielen Jahren sehr vertrauensvoll. Das ist nicht selbstverständlich in dieser Branche und eine schöne Konstante.“

Die Zeiten sind schließlich schon herausfordernd genug, vor allem im alltäglichen Geschäft. „Als mittelständische Familienbrauerei ist es aktuell nicht immer ganz leicht“, gibt Hubertus Fiege unumwunden zu und führt die wesentlichen Gründe dafür an: „Wir befinden uns seit Mitte der 90er-Jahre in einem rückläufigen Markt. Der Pro-Kopf-Konsum von Bier geht, anders als im Stadion, stetig zurück. Das führt zu einem Verdrängungswettbewerb.“ Die gestiegenen Energiekosten und die Folgen der Corona-Krise haben auch die Fiege-Brauerei getroffen. Das Ziel bleibt jedoch unverändert: „Wir möchten in unserer Nische mit Qualität und Regionalität überzeugen. Im Grunde ist es wie beim VfL. Ich greife gerne die Worte von Ilja Kaenzig auf. Auch wir müssen Effizienz-Meister sein.“ Mit neuen Produkten, zum Beispiel dem Sommer- und Holunderhopfen als Biermischgetränke oder alkoholfreien Varianten, möchte die Brauerei auf Trends reagieren und weitere Zielgruppen ansprechen.

Vielleicht ja sogar die Profis des VfL? Ein von Ex-Trainer Peter Zeidler aufgestelltes Bier- und Alkoholverbot hatte im Herbst für reichlich Diskussionen bei den Spielern und Fans gesorgt, wurde anschließend aber wieder gelockert. „Wir freuen uns natürlich, wenn es einen Anlass zum Feiern gibt und unser Bier zum Einsatz kommt. Am liebsten natürlich bei der nächsten Klassenerhaltsfeier im Mai“, hofft Hubertus Fiege auf einen positiven Ausgang der Saison. Nach einer anstrengenden Saison dürften nicht nur die Spieler, sondern auch die Fans wieder ziemlich durstig sein…

Der Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen und wurde durch aktuelle Informationen ergänzt. Auf 100 Seiten bietet das Magazin viele Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.

(Foto: Privatbrauerei Moritz Fiege)