Seit Monaten arbeitet VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig nahe an der Belastungsgrenze oder sehr wahrscheinlich darüber hinaus. Neben seinen üblichen Aufgaben musste der 51-Jährige in den zurückliegenden Wochen auch die Wintertransfers abwickeln. Neuland betrat der Tausendsassa aus der Schweiz damit nicht, war er doch schon in Leverkusen und Hannover für den Sport zuständig. Doch konnte er sich wirklich mit ganzer Kraft den Transfergeschäften widmen? Oder wäre mit personeller Unterstützung noch mehr möglich gewesen? Klar ist nur: Seine Doppelfunktion soll möglichst bald enden. Das ist auch der Wunsch von Kaenzig, dem einige VfL-Anhänger immer wieder vorwerfen, zu viel Macht an sich reißen zu wollen. Dabei hat Kaenzig nie darauf gedrängt.
Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian, also Kaenzigs Mitstreiter, verließ den Klub bereits im Mai 2024. Das Präsidium entschied sich gegen eine Nachbesetzung und machte Kaenzig stattdessen zum alleinigen Geschäftsführer mit einer Vertragslaufzeit bis 2029. Sportdirektor Marc Lettau rückte dadurch noch mehr in den Fokus, musste im Oktober allerdings ebenfalls gehen. Warum er zunächst bleiben durfte, obwohl ihm mehrere Mitglieder der Vereinsführung schon im vergangenen Sommer nicht mehr vertraut haben, bleibt wie vieles ein Rätsel. Naheliegend ist allerdings die Annahme, dass es keinen schnell umsetzbaren Plan B gab. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mehr als 100 Tage sind seit der Trennung von Lettau vergangen, ohne dass der VfL einen Nachfolger präsentiert hat.
Entscheidung bis März
Nach Abschluss der Transferperiode soll das Thema nun endlich angegangen werden. Der Zeitpunkt liegt auch darin begründet, dass Kaenzig an diesem Prozess beteiligt ist. Dem Präsidium mangelt es nicht nur an Geschlossenheit, es fehlen auch das Netzwerk und die Marktkenntnis. Die letzte externe Suche nach einem Sportchef liegt mehr als zehn Jahre zurück. Anschließend hat sich das Gemium stets innerhalb des eigenen Klubs bedient, was mangels Kandidaten derzeit aber nicht möglich ist. Kaenzig wiederum verfügt über die nötigen Kontakte und übernimmt deshalb die Suche in Abstimmung mit dem Präsidium, das aber die finale Entscheidung treffen wird. Kaenzig um Hilfe zu bitten, ist einerseits vernünftig, andererseits aber auch ein Eigenständnis des Gremiums, überfordert zu sein.
Denn: Geklärt ist mittlerweile, dass Kaenzig keinen Sportdirektor, sondern einen zweiten Geschäftsführer suchen soll – eine Aufgabe, für die qua Satzung eigentlich nur das Präsidium zuständig wäre. Spätestens im März soll der neue Mann gefunden sein, damit die Kaderplanung für die neue Saison zügig voranschreiten kann. Wobei Kaenzig bereits im Januar klar betont hat: „Viel wichtiger als der Zeitpunkt ist der Umstand, dass es inhaltlich und menschlich passen muss. Unsere Vorstellungen von der Gesamtentwicklung des Klubs und die Strategie des Sports müssen kompatibel sein.“ Kaenzig plädiert für eine „engere Verzahnung“ aller Abteilungen. „Niemand möchte, hat oder wird den Sportverantwortlichen in ihre Arbeit hineinreden“, aber: „Wir dürfen nicht siloartig denken und arbeiten.“ Beispielhaft nennt Kaenzig die Erhöhung der Transfereinnahmen oder die Wiedereinführung der U21.
Beide Ideen sollen gemeinschaftlich mit Leben gefüllt werden. „Denn eine Person allein wird uns keine deutlich besseren Ergebnisse bescheren. Es geht schließlich nicht nur um Transfers. Es braucht ein gutes Team, etwa im Scouting und im Staff, aber auch eine gute Stimmung und gute Arbeitsbedingungen“, weiß Kaenzig, der grundsätzlich einen anderen Stil befürwortet als ihn beispielsweise Marc Lettau praktiziert hat. Während unter dessen Regie bei der Spielerauswahl ein starker Fokus auf datenbasierte Informationen gelegt wurde, stehen Kaenzig und Trainer Dieter Hecking eher für eine klassische Art des Scoutings und der Kaderzusammenstellung. Dass der neue Sportchef diametral anders tickt als die beiden, ist unwahrscheinlich.
Schindzielorz keine Option
Doch wer genau passt dann ins Beuteschema? Dass der erfahrene Bundesliga-Manager Jörg Schmadtke erst kürzlich auf der VIP-Tribüne im Bochumer Ruhrstadion saß, war eher dem Zufall geschuldet. Hecking und er sind freundschaftlich miteinander verbunden, konkrete Anzeichen für eine erneute Zusammenarbeit gibt es derzeit aber keine. Schmadtke wäre ohnehin nicht bezahlbar, sollte der VfL im Branchenvergleich weiterhin ein unterdurchschnittliches Gehalt bieten. Zudem muss der künftige Sport-Geschäftsführer damit zurechtkommen, dass wohl bis Mai unklar bleibt, in welcher Liga der VfL künftig spielt. Dass nur einen Monat später das Präsidium – und damit seine Vorgesetzten – neu gewählt wird, ist eine weitere Hürde, die nicht zu unterschätzen ist.
Auch deshalb ist es aktuell ausgeschlossen, Sebastian Schindzielorz zu einer Rückkehr nach Bochum zu bewegen. Der ehemalige VfL-Profi, der das Amt des Sport-Geschäftsführers bereits von 2018 bis 2022 inne hatte und in dieser Zeit maßgeblich zur erfolgreichen Entwicklung des Klubs beigetragen hat, hat den VfL vor gut zweieinhalb Jahren verlassen, weil es keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Präsidium gab. Suchen muss Kaenzig folglich woanders, etwa eine Liga tiefer. Dort haben sich zum Beispiel Benjamin Weber aus Paderborn oder Nils-Ole Book aus Elversberg auch die Grenzen der eigenen Stadt hinaus einen Namen gemacht. Wobei es angesichts der Gemengelage in Bochum eher unrealistisch ist, einen Manager zu überzeugen, der aktuell woanders unter Vertrag steht.
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(Foto: Marc Niemeyer)