Neuer Trainer

VfL-Rettung mit Dieter Hecking? „Kann ich nicht versprechen“

Trainervorstellungen werden in Bochum allmählich zur Routine. Dieter Hecking war am Dienstag bereits der fünfte Fußballlehrer in diesem Kalenderjahr, der im Medienzentrum des VfL Platz nahm und erklären sollte, wie er den traditionsreichen Revierklub wieder in die Spur bringen möchte. Bis Anfang April versuchte es Thomas Letsch, es folgten Heiko Butscher, Peter Zeidler und Interimstrainer Markus Feldhoff. Nun darf sich Hecking daran versuchen, die krisengeschüttelte Mannschaft doch noch zum Klassenerhalt zu führen. Das zu schaffen, wäre das nächste Bochumer Fußballwunder. Nach neun Partien hat der VfL erst einen Punkt auf dem Konto und in Kombination mit seinem Torverhältnis den schlechtesten Start der gesamten Bundesliga-Geschichte hingelegt. Nie war ein Klub zu diesem Zeitpunkt schlechter als dieser VfL.

Sehr viel Bundesliga-Erfahrung

Da liegt die Frage nicht fern, warum sich Hecking diese Aufgabe überhaupt antut. Immerhin stand der 60-Jährige bereits in 418 Bundesliga-Partien an der Seitenlinie, womit er der erfahrenste aller aktuell beschäftigen Trainer ist. „Das haben mich auch Menschen aus meinem Umfeld gefragt“, verriet er am Dienstag und lieferte die Antwort gleich mit: „Ich liebe Herausforderungen.“ Dass Hecking das ernst meint, beweist die Tatsache, dass er alle Vertragsparameter akzeptiert hat, etwa eine Laufzeit nur bis zum Ende der Saison, natürlich inklusive Retterprämie. Hecking ist bereit, zunächst mit exakt diesen Spielern und diesem Trainerteam zu arbeiten und das Bestmögliche aus ihnen herauszuholen. Friedhelm Funkel, der vom VfL ebenfalls kontaktiert worden war, soll andere Vorstellungen gehabt haben; deshalb kam eine erneute Zusammenarbeit nicht zustande.

Kaenzig für Trainersuche zuständig

Hecking wiederum soll sich in den Gesprächen mit der Vereinsführung uneitel und sehr pragmatisch präsentiert haben. Ganz gezielt hat sich VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig auf die Suche nach einem erfahrenen und souveränen Trainer begeben, der vor harten Entscheidungen nicht zurückschreckt, gleichzeitig aber auch eine empathische Art mitbringt. Wählerisch konnte Kaenzig angesichts der Rahmenbedingungen und der sportlichen Lage ohnehin nicht sein. Vor diesem Hintergrund ist die Verpflichtung von Hecking mehr als respektabel – ein großer Name mit nachgewiesenen Erfolgen und großer Branchenkenntnis. Seine längste Zeit verbrachte Hecking beim VfL Wolfsburg, mit dem er 2015 den DFB-Pokal gewann. In der Bundesliga stand er außerdem für Borussia Mönchengladbach, den 1. FC Nürnberg, Hannover 96 und Alemannia Aachen an der Seitenlinie.

Keine Doppelrolle für Hecking

Der fünffache Familienvater, der aus Bochums Nachbarstadt Castrop-Rauxel stammt, in Soest aufgewachsen ist und später in Niedersachsen heimisch wurde, war zuletzt allerdings nicht mehr als Trainer, sondern als Manager tätig. Für den Club aus Nürnberg schlüpfte Hecking von 2020 bis Mai 2024 erstmals auch in die Rolle des Sport-Vorstandes. Eine Doppelfunktion in Bochum kommt allerdings nicht in Frage. Hecking soll sich ganz auf die Trainingsarbeit konzentrieren. „Damit habe ich genug zu tun“, sagte er in seiner ersten Pressekonferenz. Die Suche nach einem neuen Sportchef läuft unterdessen weiter. Mit einer schnellen Entscheidung sei eher nicht zu rechnen, erklärte Geschäftsführer Ilja Kaenzig. Womöglich erst im neuen Jahr soll die Stelle besetzt werden. Bis dahin entscheiden vor allem Kaenzig und auch Hecking über mögliche Transfers.

Losilla lobt den neuen Trainer

Doch bevor es im Winter zu moderaten Veränderungen kommen könnte, möchte der neue Trainer seine Spieler zunächst kennenlernen. In der Kabine hielt Hecking am Dienstagmorgen eine kurze Ansprache, im Tagesverlauf ging es zweimal auf den Trainingsplatz. „Seine Vita sorgt bei allen für Respekt. Er hat Charisma und weiß, was zu tun ist“, sagte Kapitän Anthony Losilla, der sich mit Hecking einig ist: Die Bochumer Mannschaft muss schleunigst zusammenwachsen. „Den VfL hat immer ausgezeichnet, eine Einheit zu sein. Ich kann dabei unterstützen, aber in erster Linie ist die Mannschaft dafür selber verantwortlich“, betonte Hecking, der viele Vorgeschichten zwar kennt, sich aber nun ein eigenes Bild machen möchte. Eines ist für Hecking klar: „Ich gebe die Linie vor. Und wenn mir etwas nicht passt, ist meine Schnauze schnell auf.“

Aktuell nicht bundesligareif

Heckings erster öffentlicher Auftritt war geprägt von klaren Aussagen und viel Realismus. Dass am Saisonende in jedem Fall der Klassenerhalt stehen wird, wollte er nicht zusichern: „Das kann ich nicht versprechen. Ich bin kein Messias, kein Zauberer. Im Moment sind wir nicht bundesligareif. Die Tabelle lügt nicht. Meine Aufgabe ist es, dieses Urteil zu revidieren.“ Die grundsätzliche Qualität sei zwar vorhanden, ein homogenes Gebilde aber noch nicht zu erkennen: „Wir sind nicht schlechter besetzt als fünf, sechs andere Mannschaften“. Die bisherigen Saisonspiele hätten das zumindest phasenweise bewiesen. Aber: „Das wird nicht reichen. Bislang war es oft so, dass etwas Unvorhergesehenes zu einem Bruch im Spiel geführt hat.“ Hecking muss die Defensive stabilisieren, aber auch das Spiel im eigenen Ballbesitz verbessern.

Feldhoff ist nicht mehr dabei

Hecking deutete an, seine Spieler vor allem auf ihren Lieblingspositionen einzusetzen. Auf eine Grundordnung wollte er sich noch nicht festlegen. Womöglich wird er darüber auch noch mit seinen Trainerkollegen sprechen. Wobei das Team stark dezimiert ist. Interimscoach Markus Feldhoff, der die Partien gegen Bayern München und Eintracht Frankfurt verantworten durfte, wird dem Trainerstab der Profis „im Sinne eines Neuanfangs“ nicht mehr angehören und soll im Verein eine andere Aufgabe erhalten. Murat Ural bleibt hingegen der wichtigste Zuarbeiter des Cheftrainers. Ob Hecking einen eigenen Assistenten installieren darf, soll zeitnah geklärt werden. Theoretisch denkbar wäre auch eine Rückkehr vonMaxime Antonilli. Der Vertraute von Ex-Trainer Peter Zeidler ist zurzeit auf Widerruf beurlaubt. Das bedeutet, Hecking könnte ihn in sein Team zurückholen.


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(Foto: Marc Niemeyer)