2:4-Niederlage beim BVB

90 Minuten sind zu viel: VfL zeigt abermals zwei Gesichter

Die mehr als Zuschauer im Dortmunder Westfalenstadion trauten ihren Augen kaum – auf beiden Seiten. Die BVB-Fans waren irritiert, und die rund 8.000 Bochumer im positiven Sinne überrascht, als Dani de Wit den Ball mühelos zur 2:0-Führung einschob. Der VfL versetzte den vermeintlich übermächtigen Reviernachbarn in eine Schockstarre und ließ seine eigenen Fans Mitte der ersten Halbzeit vom Derbysieg träumen. Nach einer gelungenen Ballstafette vor dem 1:0 durch Matus Bero und einer starken Pressingaktion vor dem Tor von de Wit waren im größten Stadion der Liga nur die Gästefans zu hören. Ihr Wunsch nach einem Auswärtssieg wäre möglicherweise auch wahrgeworden, wenn Myron Boadu die riesengroße Chance zum 3:0 genutzt hätte, als er freistehend vor Torhüter Gregor Kobel daneben zielte. Kurze Zeit später und noch vor der Pause kam der BVB mit dem Anschlusstreffer zurück ins Spiel.

Führung hergeschenkt

Was danach passierte, war so erwartbar wie vermeidbar. Der VfL gab das Spiel aus der Hand, verlor nach einem Elfmetertor, einer gelungenen Dortmunder Kombination und einem Drewes-Patzer mit 2:4 und steht erneut ohne Punkte da. „Es war mehr möglich, das kann man nicht anders sehen“, sagte Trainer Peter Zeidler in seiner ersten Analyse nach der Partie. „Wir haben bewiesen, dass wir Fußball spielen wollen und können.“ Der VfL zeigte erneut zwei Gesichter – wie fast immer in dieser Saison. Auf eine in weiten Strecken überzeugende erste Halbzeit folgte eine deutlich schwächere zweite Hälfte. Das ist nicht neu, die Statistik ist eindeutig: In den ersten 45 Minuten hat der VfL bislang fünf Tore erzielt und nur zwei kassiert, in den zweiten 45 Minuten kein einziges geschossen, aber neun Gegentreffer gefangen.

Mögliches Kräfteproblem

„Die erste Halbzeit muss unser Maßstab sein“, sagte Felix Passlack nach dem Derby und meinte damit gelungene Ballbesitzphasen genauso wie die Kompaktheit in der Defensive und das immer wieder erfolgreiche Pressing. Der Außenverteidiger, der am Freitagabend zu den besten Bochumern gehörte, sah aber auch ein Leistungsgefälle: „Nach der Pause waren unsere Abstände nicht mehr so gut.“ Der VfL bot den schnellen und spielstarken Dortmundern viel zu große Räume und hatte am Ende Glück, nicht noch höher zu verlieren. Während Passlack die Frage nach einem möglichen Konditionsdefizit verneinte, haben Teamkollegen von ihm ein Kräfteproblem bereits offen thematisiert. Die Bochumer Spielweise erfordert ein dauerhaft hohes Tempo, das sich über 90 Minuten nicht aufrechterhalten lässt. Etwas pikiert reagierte Peter Zeidler auf eine entsprechende Nachfrage: „Ich kenne die Statistik. Aber daraus abzulesen, dass wir nicht fit sind, wäre oberflächlich. Ich habe gegen Dortmund keine physischen Unterschiede gesehen.“

Keineswegs chancenlos

Klar ist: Fragen wie diese werden eher zunehmen, solange der VfL unter Zeidlers Leitung nicht gewinnt und im Laufe des Spiels derart einbricht. Der Druck steigt weiter. Im Heimspiel gegen Wolfsburg muss auch für die Stimmung zwingend ein Sieg her, zumal das Folgeprogramm eher keine Erfolgsserie vermuten lässt. Immerhin: Wer dem VfL vor der Partie in Dortmund keine Gewinnchance eingeräumt hatte, sah sich am Ende getäuscht. Und: Allzu viele Wechsel und Umstellungen dürfte es diesmal nicht geben. Eigengewächs Tim Oermann sah beim Anschlusstreffer nicht gut aus, zeigte insgesamt aber eine ordentliche Leistung. Ibrahima Sissoko überzeugte in einer etwas veränderten Rolle, auch Dani de Wit steigerte sich auf der offensiveren Zehner-Position enorm. Peter Zeidler hatte erneut auf die von ihm bevorzugte Raute gesetzt, dafür aber die Startformation umgebaut.

Ohne Masovic und Daschner

Erhan Masovic und Lukas Daschner standen gegen Kiel noch in der Anfangself, in Dortmund gehörten sie beide nicht zum Kader. Masovic hatte sich schon Anfang der Woche vom Training abgemeldet, weil seine Frau das erste gemeinsame Kind erwartet; die allergrößte Motivation, sich nach der extrem frühen und beispiellosen Auswechslung gegen Kiel auf dem Trainingsplatz zu zeigen, hatte der Verteidiger wahrscheinlich ohnehin nicht. Bei Daschner, der gegen Kiel sogar zu den Torschützen zählte, bleibt die Nicht-Nominierung hingegen diffus. Zeidler nannte am Freitag keine genauen Gründe. Er habe anderen Spielern den Vorzug geben wollen, erklärte der Coach. In beiden Fällen kam Zeidlers Entscheidung einer Demontage gleich, und die Mannschaft reagierte so, wie die BVB-Fans nach dem 2:0 für den VfL: irritiert und verwundert zugleich.


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(Foto: Marc Niemeyer)