Karriereende

„Mehr erreicht als gedacht“: Luthe-Abschied im Ruhrstadion

Einen schöneren, einen würdigeren und emotionaleren Abgang hätte es nicht geben können. Die Karriere von Andreas Luthe als Torhüter endete am Abend des 27. Mai 2024, als Düsseldorfs Takashi Uchino seinen Elfmeter über das Bochumer Tor setzte – und der VfL nach einem beispiellosen Relegationsdrama doch noch in der Bundesliga blieb. Sichtlich gerührt feierte Luthe anschließend erst vor der Bochumer Fankurve und später mit den Teamkollegen und Mitarbeitern des VfL im Bermuda-Dreieck.

Da flossen selbst bei dem sonst so gelassenen Familienvater ein paar Freudentränen, und ganz Bochum freute sich mit ihm. Kurze Zeit später bestätigte Luthe das, was längst klar, nur noch nicht öffentlich ausgesprochen war. „Das war heute mein letztes Spiel im Profifußball“, sagte er unmittelbar nach dem sensationellen Erfolg des VfL in Düsseldorf. „Ich habe eine tolle Karriere hinter mir. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um Danke zu sagen. Jetzt freue ich mich auf alles, was danach kommt.“

Dass Luthe das letzte Spiel seiner Karriere im Trikot seines Jugendklubs bestreiten würde, war Anfang des Jahres gewiss nicht abzusehen, entwickelte sich dann aber zu einer fast schon kitschigen Fußball-Geschichte. Ende Januar wechselte der 37-Jährige vom 1. FC Kaiserslautern zurück nach Bochum, weil sich Ersatzkeeper Michael Esser verletzt hatte. Mit Luthe war klar vereinbart, dass er nur der Ersatz für den jungen Niclas Thiede sein würde, und die gemeinsame Zeit vier Monate später schon wieder enden soll. Luthe hatte damit kein Problem, für ihn stand die Rückkehr zu seinem Heimat- und Herzensverein im Vordergrund, ganz im Spätherbst seiner Karriere. Pläne für die Zeit danach hatte er längst in der Tasche.

Doch dann kam alles ganz anders. Schon im März gegen Leipzig musste Luthe einmal einspringen. Er vertrat den gesperrten Manuel Riemann und den verletzten Niclas Thiede. Luthe genoss seinen mutmaßlich letzten Auftritt im Bochumer Ruhrstadion sehr: „Jeder, der mich kennt, weiß, was mir das bedeutet hat. Ich bin ein gestandener Mann, aber als ich zum Aufwärmen aus der Kabine gekommen bin und die Fans meinen Namen gerufen haben, musste ich kurz schlucken.“ Luthe rechnete fest damit, dass dieses Spiel sein letztes bleiben würde.


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Der Krach zwischen Riemann, der Mannschaft und den Verantwortlichen führte allerdings dazu, dass Luthe auch in der Relegation wieder das Bochumer Tor hüten musste. Nach dem Hinspiel sah es so aus, als würde er als Absteiger abtreten müssen. Doch vier Tage später trug Luthe im Rückspiel entscheidend dazu bei, den VfL Bochum in der Bundesliga zu halten – im Elfmeterschießen. „Danach war ich einfach nur erleichtert. Die Phase nach dem Hinspiel war nicht leicht. Mein Plan, die Karriere zu beenden, stand längst fest. Allerdings war ein Abstieg mit meinem Herzensverein gewiss nicht eingeplant. Da habe ich mir schon die Frage gestellt, ob der Abstieg wirklich meinen Abschied prägen soll“, erzählt er in seinem ersten exklusiven Interview als ehemaliger Fußballprofi. „Glücklicherweise kam es anders. Ich habe jede Sekunde mit dem Team und den Anhängern genossen.“

Hinter Luthe liegen 15 Profijahre mit 91 Erst- und 187 Zweitliga-Einsätzen für den VfL Bochum, den FC Augsburg, Union Berlin und den 1. FC Kaiserslautern. „Ich habe mehr erreicht, als ich mir jemals hätte vorstellen können“, blickt Luthe zufrieden zurück. Bereits im Alter von 14 Jahren trug der Schlussmann erstmals das VfL-Trikot. 2009 debütierte er beim VfL in der Bundesliga. Sieben Jahre später endete seine Zeit an der Castroper Straße – vorerst. „Ich habe in Düsseldorf noch auf dem Rasen unserem Torwarttrainer Peter Greiber für alles gedankt. Ohne ihn wäre ich niemals Profi geworden. Ich war nie das ganz große Talent. Seine Beharrlichkeit hat dafür gesorgt, dass ich aus mir das Maximum herausholen konnte“, sagt Luthe.

Mittlerweile ist Luthe in seine Wahlheimat nach Augsburg zurückgekehrt. Dort hat er sich parallel zu seiner Profikarriere eine Existenz als Experte für Change-Prozesse aufgebaut. Er arbeitet mit Einzelpersonen, Teams oder ganzen Unternehmen zusammen. „Ich möchte die Erfahrungen meiner sportlichen Karriere mit den Methoden der Wirtschaftspsychologie verknüpfen“, erzählt er. Parallel zu Training und Wettbewerb hat Luthe mehrere Studienabschlüsse erworben, unter anderem einen Master in Wirtschaftspsychologie und Coaching. „Dadurch wollte ich mich früh unabhängig machen vom Erfolgsdruck im Sport. Deshalb hatte meine akademische Laufbahn auch immer einen hohen Stellenwert für mich. Der Fußball hat mir tolle Momente ermöglicht. Aber er war nie alles für mich.“

Ganz möchte er dem Sport aber noch nicht den Rücken zuwenden: „Auch wenn ich mich gerade Themen außerhalb des Fußballs widme, möchte ich nicht ausschließen, dass ich irgendwann zurückkehre. Auch im Fußball gibt es spannende Aufgaben, die mich interessieren würden. Für den Moment genieße ich aber die Distanz zum Sport.“ Auch dem VfL wird er natürlich treu bleiben: „Ich werde als Vereinsmitglied meinem Klub weiterhin an jedem Wochenende die Daumen drücken. Die Spiele hier im Süden werde ich nach Möglichkeit im Stadion verfolgen.“ Mindestens einmal wird er aber noch ins Ruhrstadion zurückkehren. An diesem Samstag kehrt Luthe heim und wird vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach offiziell verabschiedet.

Der Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen. Auf mehr als 130 Seiten bietet das Magazin viele Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.