Sollte Karl Lauterbach als Fußballfan noch einen Lieblingsverein suchen, müsste er sich eigentlich für den VfL Bochum entscheiden. Vorbildlich lenken die Verantwortlichen und Mitarbeiter den Klub durch die Corona-Pandemie. Ihr Handeln war stets von Vorsicht und Vernunft geprägt, Infektionsketten innerhalb der Mannschaft gab es nicht. Die Vorgaben der Stadt, des Landes und der DFL wurden praktisch nie infragestellt, sondern umgesetzt, teils übererfüllt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, der großen Lockerungsstimmung im Land zum Trotz.
Das Kontrastprogramm zur Fußball-EM könnte kaum größer sein. Die UEFA drängt darauf, die Stadien zu füllen, auf den Tribünen liegen sich tausende Fans ohne Masken oder Abstände in den Armen, und anschließend reisen sie quer durch Europa. Und der VfL? Der Bundesligist hat zum Trainingsauftakt immerhin bis zu 200 Fans Zutritt zum Gelände gewährt, allerdings nur mit Maske und einem Impf- oder Testnachweis. Letzteres wurde genau kontrolliert. Bei den Testspielen gegen Verl und Bonn dürfen nun ebenfalls 200 Anhänger dabei sein.
Sorge vor Superspreading-Event
Klar ist: Noch ist der VfL Bochum weit entfernt von der altbekannten Normalität. Für diese Vorgehensweise gibt es aber gute Gründe. Offen ist etwa, welche Auswirkungen die Delta-Variante auf das weitere Infektionsgeschehen haben wird, sie ist ansteckender. Und: Die Quote der Zweitimpfungen liegt in NRW noch deutlich unter 50 Prozent. Der VfL möchte ungern mit Neuansteckungen in Verbindungen gebracht werden. Tatsächlich haben die unkontrollierten Aufstiegsfeierlichkeiten nach Recherchen des Bochumer Gesundheitsamtes vereinzelt zu Infektionen geführt.
Dass Fußballspiele auch an der frischen Luft zum Superspreading-Event werden können, zeigt ein Beispiel aus St. Petersburg: Beim EM-Spiel zwischen Finnland und Belgien kam es zu knapp 300 Neuansteckungen. Nur: Wenn nicht jetzt – bei deutschlandweit sehr niedrigen Infektionszahlen – der Versuch unternommen wird, die Stadionrückkehr von Fans zu ermöglichen, wann dann? Spätestens bis zum Saisonstart, insbesondere bis zum ersten Heimspiel gegen Mainz Ende August, dürfte jeder Fan vollständig geimpft sein, so er denn möchte.
Bundesliga-Start vor Publikum
Der VfL wird aber auch schon vorher wieder vor größerem Publikum spielen, zumindest auswärts. Beim Testspiel an diesem Mittwoch in Velbert sind 1.000 Fans zugelassen, beim Vorbereitungsturnier in Duisburg sogar knapp 10.000. Das haben die jeweiligen Gastgeber so entschieden und die Gesundheitsbehörden erlaubt. Der Unterschied: Während in Duisburg in der großen Arena gespielt wird, kann der VfL zurzeit nur den Leichtathletikplatz ohne Zuschauerränge nutzen. Im Ruhrstadion wird nämlich ein neuer Rasen verlegt.
Parallel arbeitet auch der VfL an einer Stadionöffnung für mehrere tausend Menschen. Mit dem neuen Hygienekonzept der DFL und der Corona-Schutzverordnung des Landes könnte ein Bundesliga-Start vor Zuschauern möglich sein. Aktuellen Beschlüssen zufolge dürfte der VfL bei einer Inzidenz von unter 35 jeden zweiten Platz nutzen, also maximal 13.500. In der Praxis werden es wegen der vielen Stehplätze aber deutlich weniger sein. Die Tickets werden wohl nur an geimpfte, genesene oder getestete Dauerkarteninhaber gehen, denn 11.000 Stammplätze sind bereits vergeben.
Auswärtsfahrten auf der Kippe
Noch unklar ist, ob auch Karten für Auswärtsspiele verkauft werden. Drei von vier Partien absolviert der VfL zu Saisonbeginn in der Fremde: in Wuppertal, Wolfsburg und Köln. Eine Entscheidung, ob Gästefans in die Stadien dürfen, steht noch aus. Das gilt ebenso für den Trainingsbesuch unter der Woche. Aktuell ist das Vereinsgelände noch abgeriegelt, Ordner kontrollieren den Zugang. Doch es gibt Überlegungen, auch hier wieder mehr zu ermöglichen. Fans könnten dann aus sicherer Entfernung zuschauen. Selbst Karl Lauterbach dürfte nichts dagegen haben.
(Foto: Imago / Beautiful Sports)