Transfers und mehr

Interview: Lettau über Gerüchte, Geld und Grenzen

Als Sportdirektor verantwortet Marc Lettau die Kaderplanung und Spielertransfers des VfL Bochum. Im nachfolgenden Interview spricht er über die Herausforderungen in den zurückliegenden Monaten und darüber hinaus. Hinweis vorab: Das Interview wurde bereits vor dem Saisonstart geführt und ist zuerst im Bochumer 3satz-Verlag erschienen. Nun wurde es um weitere Aspekte ergänzt.

Herr Lettau, wie oft haben Sie sich während der zurückliegenden Transferperiode eigentlich in den sozialen Netzwerken und Internetforen umgesehen?

Auch auf Grund der intensiven Tagesplanungen eher selten, obwohl es natürlich immer einen gewissen Eindruck über die Stimmungslage gibt. Sobald Themen aber in die lokalen oder überregionalen Medien gelangen, werden sie natürlich präsenter für uns. Warum fragen Sie?

Weil in der Gerüchteküche fast täglich neue Namen von angeblichen Transferkandidaten aufgetaucht sind. Wie hoch war überhaupt die Trefferquote und inwiefern hat es Ihre Arbeit am neuen Kader beeinflusst?

Wenn man alle Plattformen zusammennimmt, war die nicht allzu hoch. Hin und wieder musste ich schmunzeln, wenn ich gelesen oder gehört, welche Spieler mit uns in Verbindung gebracht werden. Aber wir halten es so, dass wir Personalien in der Öffentlichkeit grundsätzlich nicht kommentieren. Bei Top-Spieler-Personalien, die wir durch besonderen Einsatz, Kreativität oder Schnelligkeit für uns gewinnen wollen, kann uns das öffentliche Bekanntwerden allerdings auch mal die Arbeit erschweren. Dann schauen möglicherweise auch andere Klubs nochmal genauer hin, was einen Transfererfolg nicht leichter für uns macht.

Wie gehen Sie generell mit der Erwartungshaltung rund um eine Transferperiode um? Die Wünsche der Anhänger passen ja nicht immer unbedingt zu den Möglichkeiten des VfL Bochum.

Grundsätzlich steht eine gewisse Erwartungshaltung ja auch immer für emotionale Verbundenheit und Ambition. Schlussendlich muss unser eigener Anspruch, der immer am obersten Limit liegt, unsere Triebfeder sein. Wir haben in meinen Augen einen guten Weg gefunden, wie wir unsere Möglichkeiten ideal auf dem Transfermarkt zur Geltung bringen können, um eine bestmögliche Mannschaft zusammenzustellen.

Der VfL Bochum geht in sein viertes Bundesliga-Jahr in Folge. Warum musste sich der VfL auf dem Transfermarkt nach wie vor bremsen und geht mit einem ähnlichen Lizenzspieleretat in die neue Saison wie in die vergangene?

Von „bremsen“ würde ich nicht sprechen. Den VfL hat immer schon eine Seriosität und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Unsere Finanzplanung ist sehr vorausschauend. Ich führe mal beispielhaft die Neuvergabe der TV-Rechte zur Saison 2025/26 an. Wir müssen damit rechnen, dass sich unsere Einnahmen reduzieren werden. Das mussten wir bei Spielern, die wir jetzt für mehrere Jahre unter Vertrag genommen haben oder nehmen wollten, natürlich berücksichtigen.

Wie und wann kann der VfL in die Position kommen, für Neuzugänge nennenswerte Ablösesummen zahlen zu können?

Wachstum ist die Grundvoraussetzung dafür. Ein entscheidender Hebel sind Transfererlöse. Hier müssen wir im Wettbewerbsumfeld nachholen, weshalb es unser Ziel sein muss, regelmäßig substanzielle Transfererträge zu generieren. Diese benötigen wir nicht nur, um zukünftig auch selbst größere Ablösesummen investieren zu können, sondern auch um unseren Lizenzspieleretat generell zu erhöhen. Bis dahin gehen wir – noch – einen anderen Weg. Wir setzen auf ablösefreie Spieler oder erhöhen die Kaderqualität bei Bedarf und Marktchancen auch punktuell um qualitativ hochwertige Leihspieler.

Wie lässt sich das Ziel, Transfereinnahmen zu generieren, mit dem sicher vorhandenen Wunsch nach personeller Kontinuität zusammenführen?

Das eine schließt das andere nicht aus. Sprich: Transfererlöse können zur Kaderstabilität beitragen. Wenn wir einen Spieler verkaufen, kommen wir in die Situation, den Kader mit diesen Mitteln sowohl quantitativ als auch qualitativ zu stärken. Auch erhöht sich dadurch die Wahrscheinlichkeit, andere Spieler länger bei uns zu halten.

Es gab in diesem Sommer nur für den Wechsel von Patrick Osterhage zum SC Freiburg nennenswerte Transfereinnahmen. Warum haben Sie zum Beispiel die Angebote von Union Berlin für Bernardo und Moritz Broschinski abgelehnt?

Ich sagte ja, dass wir Personalien grundsätzlich nicht kommentieren. Das schließt dann auch Spekulationen um Spieler, die bei uns unter Vertrag stehen, mit ein. Grundsätzlich ist es aber so, dass Konstellationen insgesamt passen müssen. Sollten wir eine Nachfrage geweckt haben, indem wir Spieler im Kader haben, die für andere Klubs interessant sind, müssten diese mit einem entsprechenden Angebot auf uns zu kommen. Da treffen in der Regel unterschiedliche Zielvorstellungen aufeinander. Liegen sie zu weit auseinander, kommt der Transfer nicht zustande. Ein weiterer Faktor ist die zeitliche Dimension. Manche Anfragen werden sozusagen auf den letzten Drücker gestellt, was einschränkend auf die Handlungsoptionen wirken kann. Auch dann gibt es in der Regel keinen Transfer.

Trotz der eingeschränkten Möglichkeiten beim VfL ist es Ihnen gelungen, mit Dani de Wit und Ibrahima Sissoko zwei Spieler zu verpflichten, die auch lukrativere Angebote von anderen Klubs vorliegen hatten. Warum sind sie dennoch nach Bochum gewechselt, was waren Ihre Argumente?

Neben der Tradition und Emotionalität des VfL in erster Linie die sportliche Perspektive in der Bundesliga, kombiniert mit einer klaren Spielidee sowie die persönlichen und mannschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten. Für Dani de Wit ist der Wechsel zu uns mit dem Sprung in eine der Top-4-Ligen verbunden. Wir haben uns mit beiden Spielern monatelang beschäftigt und immer wieder mit ihnen gesprochen und auch ich persönlich habe mich sehr intensiv um sie bemüht. Es sind Spieler, um die wir hart kämpfen mussten, weil sie auch andere Optionen hatten. Schnelligkeit und Hartnäckigkeit werden dann am Ende belohnt – nicht immer, aber in diesen Fällen schon.

Die Liste der Abgänge ist lang. Auch einige Stammspieler haben den Verein verlassen, unter anderem Kevin Stöger, Takuma Asano und Keven Schlotterbeck. Warum war in diesen Fällen kein Verbleib zu realisieren, obwohl der VfL an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert war?

Wir haben alles dafür getan, damit sie bleiben. Wir hätten aber in allen drei Fällen finanzielle Grenzen zu deutlich verschieben müssen. So schwer es dann uns fällt, absolute Leistungsträger ziehen zu lassen, gehört auch das zum Wettbewerb dazu.

Vor allem bei Schlotterbeck hätten sich viele Fans eine gewisse Investitionsbereitschaft gewünscht. Warum lag ein Transfer fernab der Bochumer Möglichkeiten?

Das Gesamtpaket, bestehend aus Gehalt und Ablöse, hätte einen zu großen Teil unseres Etats in Anspruch genommen. Wir haben uns deshalb entschieden, die vorhandenen Mittel für mehr als einen Spieler einzusetzen. Anderenfalls hätten wir bei der übrigen Kaderplanung deutliche Abstriche machen müssen.

Die Anzahl der Abgänge ist insgesamt zweistellig. Wie wollen Sie den Qualitätsverlust kompensieren?

Die Anzahl der externen Neuzugänge ist auch zweistellig, von der Qualität der Spieler sind wir überzeugt. Wie auch darin, dass sich andere Spieler aus unserem Kader in dieser Saison zu Stammkräften entwickeln können, zum Beispiel Lukas Daschner oder Noah Loosli. Beide haben wir im vergangenen Sommer verpflichtet und wussten, dass sie sich erst an das Niveau in der Bundesliga gewöhnen müssen. Ihnen trauen wir zu, in dieser Saison eine noch bessere Rolle in unserer Mannschaft einzunehmen.

Die Neuzugänge kamen aus ganz unterschiedlichen Ligen und Ländern. Wo genau schaut sich der VfL um – und mit welcher Personalstärke?

Da wir hier grundsätzlich versuchen, kreativer und schneller zu sein als der Wettbewerb, ist dies natürlich ein sensibles Thema, weshalb ich um Nachsicht darum bitte, dass ich nicht im Detail darüber sprechen kann. Bekannt ist: Wir beschäftigen aktuell sechs hauptamtliche Scouts, dazu zwei Videoscouts. Das ist im Branchenvergleich ein eher kleines Team. Wir haben rund ein Dutzend Länder als Kernmärkte definiert, in denen wir uns besonders intensiv umschauen, sowohl live vor Ort als auch über Videos und Daten. Zu den Kernmärkten zählen unter anderem die meisten Nachbarländer. Grundsätzlich gilt, dass wir neben unserem strukturierten, langfristigen Scouting- und Recruiting-Ansatz bei Marktentwicklungen und -möglichkeiten auch immer mit Flexibilität und Handlungsschnelligkeit kurzfristig agieren müssen, um das Optimum für den VfL zu erreichen. Auch das hat die jüngste Transferperiode gezeigt.

Haben Sie so auch Trainer Peter Zeidler als neuen Trainer gefunden?

Auch der Trainersuche ist ein strukturierter Prozess vorangegangen. Wir haben einen Cheftrainer gesucht, der kommunikativ stark ist, der überzeugend auftreten und Begeisterung wecken kann und den jeder hier und im Umfeld möglichst unvoreingenommen kennenlernen kann. Darüber hinaus war uns eine gewisse Erfahrung wichtig. Von seinem fußballerischen Ansatz haben wir einen Trainer gesucht, der über einen ganzheitlichen Plan für die verschiedenen Spielphasen verfügt, der natürlich auch zur Spielidee der VfL-DNA passen musste. Mit Peter Zeidler haben wir diesen Trainer gefunden. Für ihn ist der Schritt in die Bundesliga trotz seiner Erfahrung ein besonderer und er ist sehr motiviert, diese Herausforderung zu meistern.

Auf der Management-Ebene gab es ebenfalls Veränderungen. Patrick Fabian, der Sie im Dezember 2022 verpflichtet hat, ist nicht mehr als Sport-Geschäftsführer an Bord. Was verändert sich dadurch für Sie?

Im operativen Tagesgeschäft gar nicht so viel. Ich war vorher Sportdirektor und bin es immer noch. Vielleicht war die Struktur und Aufgabenverteilung vorher nicht jedem Außenstehenden ganz klar, aber die Verantwortung für den Lizenzspielerbereich liegt schon länger bei mir. Hinzugekommen sind jetzt ein paar strukturelle Themen im gesamtsportlichen Bereich des Vereins. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit Ilja Kaenzig natürlich auf Grund seiner Gesamtverantwortung anders strukturiert als zuvor mit Patrick Fabian. Generell haben wir eine sehr gute Struktur und Organisation, die uns schnell handlungsfähig macht.


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