Torgefahr

Flanken, Ecken und mehr: Was Reis verbessern will

Irgendwas ist immer. Vor dem Heimspiel gegen Stuttgart musste Thomas Reis viele Fragen zur Defensivleistung beantworten. Sieben Gegentore gab es in München, drei gegen Hertha und zwei in Köln. Reis reagierte, auch personell, und wurde belohnt: Gegen Stuttgart spielte der VfL zu Null. Ein eigenes Tor erzielte sein Team allerdings auch nicht. Vor dem schweren Auswärtsspiel in Leipzig gerät also die Offensive in den Fokus. Bochums Trainer versteht das und sieht es ähnlich: „Hinten gut zu stehen, ist die Basis. Gegen Stuttgart haben wir die Ordnung gehalten. Jetzt gilt es, den nächsten Baustein zu setzen.“

Zu überhastet

Flanken, Ecken, Freistöße, natürlich auch Abschlüsse – all das, was zu Toren führen kann, gilt es zu verbessern. „Wir waren ja nicht schlecht nach vorne, aber im letzten Moment nicht zielstrebig genug oder haben die falschen Entscheidungen getroffen“, analysiert Reis, der weiß: „In der Bundesliga ist alles schwerer.“ Weil die Gegner aufmerksamer sind, früher stören und die Räume enger werden. Weniger klare Torchancen sind die Folge. In dieser Statistik steht der VfL nach sechs Spielen auf Platz 16. „Gegen Stuttgart war auch das schon besser“, sagt der Trainer, der jedoch sah, dass in Strafraumnähe oft die Ruhe fehlte: „Manche Aktionen wirkten überhastet.“

Reis setzt in dieser Saison noch mehr auf schnelle Außenspieler, gegen Stuttgart waren es Christopher Antwi-Adjei und Gerrit Holtmann, unterstützt von Herbert Bockhorn und Danilo Soares. „Sie setzen sich gut durch, aber die Hereingaben müssen besser werden“, bemängelt Reis. Auch in der Mitte, wo der oder die Abnehmer lauern, gibt es Steigerungsbedarf. Angreifer Sebastian Polter agierte gegen Stuttgart eher unglücklich, war am Ende auch platt. Doch von Polters Form, der mangels Alternativen quasi gesetzt ist, hängt viel ab. Silvere Ganvoula ist für Reis offenbar keine ernsthafte Option, gegen Stuttgart blieb er 90 Minuten auf der Bank.

Zu ungenau

Als spielentscheidendes Element hat Bochums Trainer auch Standardsituationen wie Ecken und Freistöße identifiziert. Die waren bisher eher mangelhaft. Als Schützen hat der VfL nun Neuzugang Eduard Löwen ausgewählt, doch die Präzision fehlt noch. „Im Training kommen sie auf den Punkt“, versichert Reis. Doch warum nicht im Spiel? „Mehr Druck, weniger Ruhe, vielleicht ein bisschen Nervosität“, mutmaßt der Fußballlehrer, der aber betont, dass Standardsituationen weiter auf dem Trainingsplan stehen. Je nach Aufstellung wäre auch Danny Blum ein Kandidat für Freistöße oder Ecken. Der Linksfuß ist ebenso wieder fit wie Takuma Asano.

Beide sind vorerst nur Joker, drängen aber ins Team und wären Alternativen zu Antwi-Adjei und Holtmann, die in punkto Torgefahr ebenfalls noch zulegen müssen. Sie alle sollen und müssen auch den Ausfall von Simon Zoller kompensieren, der bislang an allen vier Saisontreffern beteiligt war. Der Angreifer wurde am Montag erfolgreich am linken Knie operiert. In Kürze wird er seine Reha beginnen, doch in dieser Saison wird der Publikumsliebling wohl eher keine Rolle mehr spielen. Über einen weiteren Transfer haben die Verantwortlichen kurz nach seiner Verletzung sogar nachgedacht, diese Idee aber schnell wieder verworfen.

Zu kompliziert

„Wir könnten momentan ja nur auf vertragslose Spieler zurückgreifen. Und die haben seit Mai kein Spiel mehr bestritten“, sagt Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz. „Es bräuchte also Wochen, bis der neue Mann spielfit wäre.“ Frühestens im Januar, wenn die zweite Transferperiode beginnt, könnte es sein, dass der VfL nachbessert, auch in der Offensive. Bis dahin setzt der Manager auf das Kollektiv: „Als kleinerer Verein in der Bundesliga können wir nicht jeden Stammspieler, der fehlt, gleichwertig ersetzen.“ Die Tore in Leipzig und in den Spielen danach müssen also die schießen, die schon da sind.

(Foto: Imago / Eibner)

Kommentar

Bochums 0:0 – zu wenig, wenn man ehrgeizig ist

Anthony Losilla brachte es nach dem 0:0 gegen den VfB Stuttgart auf den Punkt. Bei einem Blick auf die Tabelle sagte der Kapaitän: „Vier Punkte sind noch nicht so viel.“ Aber: „Ich bin davon überzeugt, dass wir noch einige Punkte holen werden, wenn wir immer dieses Gesicht zeigen.“ Damit meint der Routinier vor allem die Darbietungen im eigenen Stadion. Auch wenn der VfL zu Hause bislang eher leichtere Gegner erwischt hat: Es fällt auf, dass die Bochumer im Ruhrstadion deutlich besser sind als in der Fremde; mental stabiler, auch leidenschaftlicher.

Nach vorne zu harmlos

Im Grunde ist eine Punkteteilung gegen Stuttgart respektabel und erst einmal völlig in Ordnung. Trotzdem ist die bisherige Ausbeute angesichts vorzeigbarer, teilweise auch guter Leistungen im Ruhrstadion eher unbefriedigend. Gegen Mainz gab es den bislang einzigen Saisonsieg, gegen Hertha eine Niederlage und nun das Unentschieden gegen Stuttgart. Wenn man anspruchsvoll und ehrgeizig ist, hätte der VfL aus diesen Spielen mindestens sieben Punkte holen können, vielleicht sogar müssen. Hertha und Stuttgart waren an diesen Tagen definitiv schlagbar.

Bochum überzeugte an diesem Sonntag mit klugem Pressing und einem guten Zweikampfverhalten, ließ nur wenige Chancen zu und machte keine großen Fehler. Auch war es richtig, beide Flügelpositionen mit echten Flügelspielern zu besetzen, somit für mehr Tempo zu sorgen. Richtige Chancen blieben trotzdem Mangelware. Zwingend wurde der VfL nur selten. Zu ungenau und zu überhastet waren die wenigen Abschlüsse. In der Vorwärtsbewegung erinnerte vieles an das Heimspiel gegen Hertha: Gefällig und bemüht, aber nicht mehr.

Riemann schonungslos ehrlich

Die entscheidende Frage ist nun: Spielt der VfL schon am Limit oder ist in den kommenden Wochen noch eine weitere Leistungssteigerung möglich, auch auswärts oder zu Hause gegen stärkere Teams? Denn: Viel schwächere Gegner als eine angeschlagene und ängstliche Hertha oder der ersatzgeschwächte und kriselnde VfB werden in dieser Saison nicht mehr ins Ruhrstadion kommen. Oder um es mit den Worten von Torhüter Manuel Riemann zu sagen: „Bei aller Liebe: Wenn wir diese Spiele nicht gewinnen, wo sollen wir dann die Punkte holen?“

(Foto: Imago / Eibner)

Bochums Zentrum

Drei aus vier im Mittelfeld – oder eine Überraschung

Als blinden Aktionismus will Thomas Reis seine Planänderung nicht verstanden wissen. Der 47-Jährige hat nun aber auf das 0:7-Debakel beim FC Bayern und die beiden Niederlagen gegen Hertha und Köln reagiert. In dieser Woche gibt es zusätzliche Trainingseinheiten. Reis möchte an den offensichtlichen Defiziten arbeiten.

Sowohl in der Defensive als auch in der Offensive sind die Mängel beim Aufsteiger unübersehbar. Hinten wie vorne fehlt dem VfL die Konsequenz. Hauptansatzpunkt ist insbesondere die Verteidigung, die dringend verbessert werden muss, wollen die Bochumer wieder punkten. Reis spricht von teils „naivem Zweikampfverhalten“, Manager Sebastian Schindzielorz sieht „zu viele Chancen, die wir zulassen.“ Zu oft haben die Bochumer in den ersten fünf Partien dieser Saison nur zugeschaut statt beherzt einzugreifen. „Wir müssen eklig sein“, betont Thomas Reis immer wieder, wohlwissend, dass dies noch zu selten der Fall ist. Gegen den VfB Stuttgart am Sonntag will er vor heimischen Publikum deutliche Verbesserungen sehen.

Losilla und Rexhbecaj

Als Teil der Defensive, aber auch als Bindeglied zur Offensive, kommt dem Dreier-Mittelfeld dabei eine zentrale Bedeutung zu. Reis setzt in dieser Saison in der Regel auf einen Sechser und zwei Achter, wahlweise auch auf zwei Sechser und einen Zehner. Für diese drei Positionen gibt es mindestens vier Kandidaten: Kapitän Anthony Losilla, Routinier Robert Tesche, sowie die beiden Neuzugänge Elvis Rexhbecaj und Eduard Löwen. Gegen Mainz und Köln hat auch Milos Pantovic im zentralen Mittelfeld gespielt, aber nicht wirklich überzeugen können. Eine feste Formation hat Reis noch nicht gefunden, auch deshalb, weil Tesche nach seinem Platzverweis in Wolfsburg gesperrt und Löwen noch nicht fit war. Losilla und Rexhbecaj gehörten hingegen fünfmal zur Startformation.

Und jetzt gegen Stuttgart? Losilla ist auf der Sechs und der Acht einsetzbar, bei Bedarf sogar in der zuletzt wackeligen Innenverteidigung. Er ist Kapitän, ihn wird Reis wohl kaum auf die Bank setzen, wozu es – abgesehen vom mangelnden Tempo – auch keinen wirklichen Grund gibt. Rexhbecaj hat sich ebenso festgespielt, er kann auf der Sechs, der Acht und der Zehn agieren. Gegen die Bayern patzte er aber beim ersten Gegentreffer, als er die Freistoßmauer verließ; gegen die Hertha war er beim 0:1 und 1:3 zu passiv. Sicher ist ihm sein Platz auch nicht mehr.

Tesche und Löwen

Bleibt die Frage, wie Reis mit Tesche und Löwen plant. Tesche flog in Wolfsburg früh vom Platz, verpasste dann zwei Spiele, saß gegen Hertha nur auf der Bank und enttäuschte in München – wie alle anderen auch. Tesches Vorteil ist, dass er der einzige Spieler mit Startelfpotenzial ist, den Reis als „kontrollierenden Sechser“ bezeichnet, heißt übersetzt: Der, der am besten absichert. Er ist aber auch der, der das hohe Tempo am wenigsten mitgehen kann. Löwen punktet dagegen mit seiner grundsätzlich vorhandenen Standardstärke, die er bislang aber noch nicht auf den Platz bringen konnte. Reis mag dessen Spielweise aber und will ihn unbedingt als Leistungsträger aufbauen – vielleicht beginnt er damit schon gegen Stuttgart. Löwen kann im zentralen Mittelfeld ebenfalls alle Positionen bekleiden.

Je nach Verlauf der Trainingswoche ist aber auch eine Überraschung und ein Bundesliga-Debüt möglich. Sommerneuzugang Patrick Osterhage, der aus der Reserve des BVB nach Bochum gewechselt ist, hat bislang noch nicht spielen dürfen. Doch im Training und den Testspielen hinterlässt der Linksfuß einen guten Eindruck, ist fleißig, zeigt sein Talent. Reis will ihn behutsam ans Team heranführen, doch ist das in der Bundesliga überhaupt möglich? Einen perfekten Zeitpunkt für den ersten Einsatz dürfte es in dieser Saison wohl ohnehin nicht geben.

(Foto: Firo Sportphoto)

Härtetest in München

Ausfälle in der VfL-Abwehr schmerzen besonders

Einmal hat er Robert Lewandowski schon aus dem Spiel genommen. An diesem Samstag soll es ihm erneut gelingen. Armel Bella Kotchap wird gegen den Rekordmeister wieder zur Bochumer Startformation gehören. Im Heimspiel gegen Hertha BSC hat er sich zum Glück nicht schwerer verletzt. Es war nur ein Krampf in der Wade, der den U21-Nationalspieler in der Schlussphase stoppte und zur Auswechslung zwang.

Auch wenn ihm Cheftrainer Thomas Reis bisweilen noch etwas Naivität unterstellt – was sicher richtig ist – so ist der 19-Jährige schon jetzt nicht mehr aus der VfL-Abwehr wegzudenken. Gegen Mainz und Köln gehörte Bella Kotchap jeweils zu den Besten auf Bochumer Seite. Gegen Hertha war er jedoch an zwei Gegentreffern beteiligt: Beim zweiten, als er den Ball nicht richtig traf, und zum dritten, weil er im angeschlagenen Zustand nicht mehr so recht wusste, ob er nun angreifen soll oder nicht, und auch auf ein taktisches Foul verzichtete.  

Abwehr noch nicht sattelfest

„Im Prinzip macht er ja keine schlechten Spiele“, wurde Thomas Reis zu Wochenbeginn im ‚kicker‘ zitiert, „aber in einigen Situationen ist er noch zu unerfahren. Das ist ja auch nachvollziehbar.“ Insgesamt war Reis nach dem Spiel gegen Berlin mit der Defensivleistung nicht einverstanden. Auch gegen Köln und Wolfsburg waren seine Spieler in wichtigen Abwehraktionen zu zögerlich. Diese Fehler werden in der Bundesliga jedoch schnell bestraft, was der VfL am Sonntag zu spüren bekam. Dass nun ausgerechnet die wohl schwierigste Aufgabe der Saison – das Auswärtsspiel bei den Bayern – wartet, lässt den Übungsleiter jedoch nicht unruhig werden.

Obgleich er in der Abwehr erneut schauen muss, wer überhaupt zu Verfügung steht. Maxim Leitsch, neben Bella Kotchap eigentlich gesetzt, fällt weiter aus, muskuläre Probleme verhindern seinen Einsatz. Also muss sich Thomas Reis zwischen Saulo Decarli und Vasilios Lampropoulos entscheiden. Für den Griechen spricht, dass er in dieser Saison noch kein Spiel verpasste und in allen Partien (fast) über 90 Minuten auf dem Rasen stand, mit den Abläufen also bestens vertraut ist. Gegen ihn spricht allerdings, dass er in Köln und auch gegen die Hertha an (fast) allen Gegentreffern beteiligt war. Der 31-Jährige müht sich nach Kräften, muss sich aber ordentlich strecken, um in der Bundesliga dauerhaft mithalten zu können – vor allem, wenn es gegen Top-Gegner wie den FC Bayern geht.

Lampropoulos oder Decarli?

Zu vermuten ist, dass Lampropoulos auch an diesem Samstag zur Startformation gehören wird. Vielleicht erinnert sich Reis aber auch an das Pokalspiel im Oktober 2019 zurück, als der VfL die Sensation gegen das Starensemble aus München nur knapp verpasste. Da verteidigte der damals erst 17-jährige Bella Kotchap im Zentrum zusammen mit Saulo Decarli. Der Schweizer steht zur Verfügung, allerdings fehlt ihm die Spielpraxis.

So oder so: Der VfL hat sich in der Abwehr noch nicht ganz gefunden. Grundsätzlich gibt es ja eine Wunschbesetzung, doch noch haben Bella Kotchap und Leitsch in dieser Saison nicht zusammengespielt, von der ersten Halbzeit in Wuppertal einmal abgesehen. Beide haben großes Potenzial und schon jetzt ein gutes Spielniveau, sind aber noch jung und unerfahren in der Bundesliga. Fällt einer von ihnen aus, wird die Leistungslücke dahinter offensichtlich. In der Abwehr schmerzen Ausfälle derzeit besonders und können weniger gut ausgeglichen werden als etwa auf der offensiven Außenbahn, wo gleich, vier, fünf Spieler auf einem ähnlichen Niveau miteinander konkurrieren. Für einen Aufsteiger ist das aber nicht ungewöhnlich.

Stafylidis bleibt Rechtsverteidiger

Thomas Reis musste schließlich auch schon auf den Außenpositionen improvisieren. Links ist Danilo Soares zwar vorerst gesetzt, rechts durften sich in dieser Saison aber schon drei Spieler versuchen, allerdings gezwungermaßen. Cristian Gamboa, der in Wolfsburg erhebliche Probleme offenbarte, gegen Mainz aber ein gutes Spiel machte, fällt nach einer Arm-OP noch für einige Wochen aus. Herbert Bockhorn ersetzte ihn gegen Köln, wirklich vertreten konnte er Gamboa aber nicht. Reis reagierte und setzte gegen Hertha auf Konstantinos Stafylidis, eigentlich ja Linksverteidiger. Defensiv zeigte der Leihspieler aus Hoffenheim eine ordentliche Leistung, in der Vorwärtsbewegung blieb er jedoch blass. In München wird er die Chance erhalten, es (noch) besser zu machen und sich mit den Besten der Liga zu messen.

(Foto: Imago / Sven Simon)

0:7 in München

Historische VfL-Pleite: „Ich schäme mich“

Mehr als 1.500 Bochumer waren mit nach München gereist. Weil sie die Zeit in der Bundesliga genießen wollen, weil das Spiel beim FC Bayern einen besonderen Reiz hat – und natürlich, weil sie auf ein historisches Resultat hofften. Das war dann auch der Fall, nur ganz anders als gewünscht. Mit 0:7 unterlag der VfL beim Rekordmeister. Es war die höchste Niederlage der Vereinsgeschichte. Die Fans im Gästeblock nahmen es mit Humor. „Wir sind besser als der S04“, sangen sie am Ende. Schalke hatte in der Vorsaison mit 0:8 in der Allianz-Arena verloren.

„Die einzigen, die heute performt haben, waren unsere Fans“, bedankte sich Angreifer Sebastian Polter stellvertretend für die Mannschaft. Viel mehr sagte er nicht, das Ergebnis sprach für sich. Der VfL Bochum war in allen Bereichen unterlegen und an diesem Tag, in diesem Spiel nicht bundesligatauglich. „Die erste Viertelstunde war noch ganz in Ordnung“, sagte Trainer Thomas Reis in seiner Spielanalyse. „Doch dann geraten wir durch einen Freistoß ins Hintertreffen und die Dinge nehmen ihren Lauf.“ 

Nur noch halbherzig verteidigt

Ein abgefälschter Schuss führte zum 0:2, ein Konter zum dritten und ein Eigentor von Vasilios Lampropoulos zum vierten Gegentreffer, alles noch vor der Pause. Die Bayern waren stets einen Schritt schneller, in den Köpfen und mit den Beinen. Der VfL verteidigte mit zunehmender Spieldauer nur noch halbherzig, die Mannschaft ergab sich ihrem Schicksal. Beim 0:5 und 0:6 konnten die Münchner im Strafraum ungestört kombinieren, und auch beim siebten Streich hielten alle Bochumer die Abstandsregeln vorbildlich ein. 

„Wenn man die Gegentore im zweiten Durchgang sieht, können wir froh sein, dass wir nur sieben Stück bekommen haben“, sagte Reis. Am Mikrofon von Sky wurde er besonders deutlich: „Ich bin maßlos enttäuscht und schäme mich auch, für die höchste Niederlage der Vereinsgeschichte mitverantwortlich zu sein.“ Ein 0:6 gab es schon dreimal, zuletzt 2006, ein 1:7 genau einmal, 1994 gegen Mönchengladbach. Mit 0:7 hatte der VfL aber noch nie verloren. Die schlimmsten Befürchtungen, dass der Aufsteiger in München untergehen könnte, bewahrheiteten sich.

Defizite vorne wie hinten

Dass quasi jeder Spieler, der nach der historischen Pleite ein Interview gab, betonte, dass man „aus den Fehlern lernen“ müsse, ist zwar richtig, wiederholt sich nun aber Woche für Woche. „Wir müssen lernen, viel konsequenter zu sein. Das bedeutet: Im eigenen Sechzehner konsequenter zu verteidigen, aber auch vorne die Chancen konsequenter zu nutzen“, sagte etwa Manuel Riemann. Auch wenn das Spiel in München nicht der Maßstab sein darf, sind einige Defizite nach fünf Spieltagen unübersehbar, die Fehler ähneln sich. Das gilt, wie Riemann andeutet, für alle Mannschaftsteile.

Der Torhüter ist einer der wenigen, der durchweg gute Leistungen zeigt. Nach dem Spiel in München verbietet sich fast eine Einzelkritik, doch speziell in der Abwehr muss Reis dringend an den Schwächen arbeiten. Das Problem: Andere Spieler hat er nicht, außer Maxim Leitsch, so er denn bald zurückkommt. Möglicherweise war es ein Fehler, dass im Sommer zwar acht Neue kamen, aber nur ein einziger Verteidiger verpflichtet wurde. Auch im Mittelfeld hat Reis die optimale Formation noch nicht gefunden. Und im Angriff wird noch ein Ersatz für den verletzten Simon Zoller gesucht. 

Heimspiel gegen Stuttgart

Intern trauen die Verantwortlichen diese Rolle am ehesten Takuma Asano zu, der zum Heimspiel am kommenden Sonntag wieder dabei sein soll. Er könnte auf der rechten Außenbahn starten. Aber auch Christopher Antwi-Adjei, den Reis bislang nur selten einsetzt, könnte beginnen. War die Niederlage in München noch irgendwie verzeihlich – wenn auch nicht in dieser Höhe – wird der VfL gegen Stuttgart fast schon punkten müssen, um neue Zuversicht zu verbreiten. Denn so ähnlich wie auf Schalke soll diese Saison nicht weitergehen, das ist auch den Fans ein Anliegen.

(Foto: Imago / Nordphoto)

Hiobsbotschaft

Zollers Kreuzbandriss: Bitter? Mehr als das!

Vier Spielernamen nannte Jens Fricke, als er in der Pressekonferenz am Donnerstagmittag die Verletzten für das Auswärtsspiel beim FC Bayern München aufzählte. Die beiden Nachwuchskräfte Paul Grave und Luis Hartwig fallen ebenso aus wie die beiden Stammspieler Cristian Gamboa und Maxim Leitsch. Zu diesem Zeitpunkt ahnte wohl weder Fricke noch Cheftrainer Thomas Reis, dass sich nur wenige Stunden später ein weiterer Spieler hinzugesellen würde, verbunden mit einer echten Hiobsbotschaft.

An allen Toren beteiligt

Simon Zoller, der sich im Training am Mittwoch verletzt hatte, ließ sich am Donnerstag näher untersuchen. Danach bekam er die Schock-Diagnose, die sich kein Sportler wünscht: Der Publikumsliebling hat sich einen Kreuzbandriss im linken Knie zugezogen. Er wird monatelang fehlen, womöglich bis zum Saisonende. Das ist für den 30-Jährigen ein ähnlich herber Rückschlag wie für seinen Klub. Zoller ist unumstrittene Stammkraft und Leistungsträger, Laufwunder und Motivator, Führungsspieler und Top-Scorer. In der Aufstiegssaison war er an 25 Treffern beteiligt, in dieser Spielzeit an allen vier. Erst vor knapp drei Wochen hat er seinen Vertrag bis 2023 verlängert. Zoller wird in Kürze operiert und danach die Reha beginnen.

Alternativen gesucht

„Das ist natürlich sehr bitter“, sagt VfL-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz. „Simon ist ein wesentlicher Faktor in unserem Spiel und hat sich auch in dieser Saison in sehr guter Form präsentiert.“ Zoller kam zuletzt entweder in der Sturmspitze oder auf dem rechten Flügel zum Einsatz. Wie er nun ersetzt werden soll, ist noch offen. Als Mittelstürmer mit Bundesligaformat verbleibt Neuzugang Sebastian Polter, je nach Bereitschaft und Tagesform auch Silvere Ganvoula. Auf der Außenbahn gibt es mehr Alternativen: Christopher Antwi-Adjei kann dort spielen, ebenso wie Danny Blum und Takuma Asano, die beide wieder fit sind und nun gefordert sind. Womöglich lässt sich der Ausfall von Zoller nur im Kollektiv kompensieren, wenn überhaupt. 

Viel Zuspruch für Zoller

Am Abend meldete sich der Verletzte auch persönlich zu Wort. Via Instagram gab Zoller einen Einblick in seine Gefühlswelt. Er sei traurig, „einerseits, weil ich mich im Moment sehr gut gefühlt habe und andererseits, weil ich meiner Mannschaft und dem Verein nicht helfen kann […] die Liga zu halten.“ Doch schon wenige Stunden nach der Diagnose zeigte sich der Angreifer kämpferisch: „Wer mich kennt weiß: Ich komme wieder.“ Mehrere hundert Fans reagierten und sprachen ihm Mut zu.

(Foto: VfL Bochum 1848)

15.500 Zuschauer gegen Stuttgart

VfL Bochum darf lockern, Fans zögern aber

Hamburg und Bremen machen den Anfang. Die beiden Stadtstaaten erlauben erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder eine Vollauslastung ihrer Sportstätten. Die Voraussetzung: Alle Zuschauer müssen geimpft oder genesen sein. Es gilt die 2G-Regel. Wollen die Vereine auch getestete Fans empfangen, gelten weiter Einschränkungen.

In Nordrhein-Westfalen ist ein solches Optionsmodell noch nicht Teil der Corona-Schutzverordnung. Aber auch hierzulande werden die Regeln gelockert, wovon der VfL Bochum profitiert. Zum Heimspiel gegen den VfB Stuttgart dürfen 15.500 Zuschauer ins Stadion kommen. Der Verein darf also mehr als 50 Prozent der Kapazität nutzen. Neu ist, dass jetzt 4.000 statt nur 2.500 Fans auf die Osttribüne dürfen. Das Gesundheitsamt hat dafür die Genehmigung erteilt. Der Verein hatte vor dem Spiel gegen Hertha BSC noch damit gedroht, dass künftig weniger Fans auf die Osttribüne dürfen, wenn die Maskenpflicht nicht eingehalten wird. Sie wurde von vielen Anhängern auch nicht beachtet, Konsequenzen hat das aber keine. Sogar ganz im Gegenteil.

Infektionszahlen sinken

Stadt und Verein begründen die Lockerungen damit, dass die Infektionszahlen in Bochum deutlich rückläufig sind und dass die ersten beiden Spiele keinen nachweisbaren, negativen Effekt auf die Inzidenz hatten. Außerdem sei die Impfquote unter den VfL-Fans überdurchschnittlich hoch. Anonyme Stichproben hätten ergeben, dass mehr als 90 Prozent der Stadionbesucher bereits geimpft seien. Damit ist die Impfquote unter den VfL-Fans nicht nur höher als in der allgemeinen Bevölkerung, sondern auch höher als in anderen Stadien.

Die Menschen dürfen auf den Stehplätzen also wieder enger zusammenrücken, was auf den Sitzplätzen ja schon länger der Fall ist. Doch ganz geheuer ist das einigen Anhängern offenbar nicht. Rund 7.000 Dauerkarten hat der VfL vor der Saison für die Ostkurve verkauft, doch nur 3.200 von ihnen haben für das Spiel gegen Stuttgart auch ein Stehplatzticket gebucht. Seit Montag waren die Karten zu haben, doch am Donnerstag waren immer noch welche übrig und sind schließlich in den freien Verkauf gegangen.

Probleme bei Vollauslastung

Hieße das im Umkehrschluss auch, dass eine Erlaubnis zur Vollauslastung in absehbarer Zeit noch gar nicht zu vollen Stadien führen würde? Genau das vermutet der Präsident des FC St. Pauli, Oke Göttlich, der sich mit einem solchen Szenario bereits konkret auseinandersetzen darf: „Wir wissen nicht, ob es den Menschen überhaupt jetzt schon genehm ist, mit wahnsinnig vielen Zuschauerinnen und Zuschauern eng an eng zu stehen.“

Für den VfL Bochum würden sich in einem solchen Fall auch neue organisatorische Herausforderungen ergeben. Schon jetzt ist jedes Heimspiel mit einem hohen logistischen Aufwand verbunden. Beim Auftakt gegen Mainz 05 im August hatte es noch Anlaufschwierigkeiten gegeben, etwa Verzögerungen beim Einlass. Einige Fans berichteten auch, dass kurz vor dem Anpfiff die Impfausweise nur noch flüchtig kontrolliert worden seien. Gegen Hertha lief es schon deutlich besser, weil der VfL zum Beispiel mehr Eingänge und sogenannte Vorkontrollen für den 3G-Status eingerichtet hat. Müssten noch deutlich mehr Impfausweise kontrolliert werden, wären weitere Anpassungen nötig.

Kritik der Dauerkarteninhaber

Mit einer möglichen Vollauslastung wäre ein anderes Problem jedoch gelöst. Einige Dauerkarteninhaber kritisieren, dass sie bei der Buchung von Tickets für die einzelnen Spiele nicht ein exklusives Zugriffsrecht auf ihren Platz erhalten. Der VfL begründet das damit, dass er die Dauerkarteninhaber der Ostkurve nicht benachteiligen möchte. Diese müssten je nach zugelassener Zuschauerzahl um einen Platz kämpfen, während Sitzplatzkunden ihren Platz sicher hätten. Wobei dieses Argument angesichts der Zurückhaltung vieler Fans beim Kartenkauf auch bald hinfällig ist.

(Foto: Imago / Beautiful Sports)