Interview

Dufner und Kaenzig: „Wir bunkern kein Geld“

Zwei erfahrene Geschäftsführer sollen den VfL Bochum wieder in die Erfolgsspur führen. Im Doppel-Interview skizzieren Dirk Dufner und Ilja Kaenzig die wirtschaftliche und sportliche Entwicklung. Hinweis vorab: Das Gespräch fand bereits vor dem Saisonstart im Juli statt.

Herr Kaenzig, Sie sind seit der Verpflichtung von Dirk Dufner nicht mehr alleiniger Geschäftsführer des VfL Bochum. Bedauern Sie das oder freuen Sie sich über die zusätzliche Unterstützung für den sportlichen Bereich?

Kaenzig: Ich begrüße das, denn Erfolg ist auch beim VfL Bochum nur gemeinschaftlich möglich, was die Gremien und Mitarbeitenden auf anderer Ebene miteinschließt. Wichtig ist, dass die Stelle des Sport-Geschäftsführers nicht nur geschaffen wurde, sondern mit Seniorität im Sinne der Erfahrung passend besetzt wurde. Dirk und ich verstehen uns praktisch blind, wir befinden uns auf einer Wellenlänge. Mit ihm kommen wir als Organisation schneller voran. Es ist somit keine Überraschung, dass unsere Mannschaft für die neue Saison schon so früh fast fertig zusammengestellt war. Und wir wissen aus der Vergangenheit: Der Saisonverlauf entscheidet sich maßgeblich in der Sommerpause.

Wie sieht die tägliche Zusammenarbeit aus und wie sind die Zuständigkeiten geregelt, Herr Dufner?

Dufner: Aus unseren Aufgabengebieten ergibt sich ein besonderes Zusammenspiel. Ilja ist für das große Ganze, darunter für die Finanzen, zuständig – und ich trage die Gesamtverantwortung für den Sport, bin unter anderem für die Zusammenstellung der Mannschaft verantwortlich. Daraus ergeben sich natürliche Diskrepanzen. Mein Ziel ist es, den bestmöglichen Kader zusammenzustellen. Das möchte Ilja natürlich auch, aber manchmal müssen wir Kompromisse finden, um auszuloten, was umsetzbar ist und was nicht.

Der VfL Bochum spielt nun wieder zweitklassig. Was wird nun aus der Vision, einen Jahresumsatz von 100 Millionen Euro zu erreichen?

Kaenzig: Die 2. Liga ist nicht mehr vergleichbar mit der Liga, die wir vor dem Aufstieg 2021 erlebt haben. Unser Ziel ist es, in dieser Saison auf annähernd 60 Millionen Euro Umsatz zu kommen. Das wäre das Doppelte von dem, was wir damals in der 2. Liga erreicht haben. Stillstand wird bestraft, weil die Konkurrenz auch in dieser Liga immer größer wird. Insofern: Wir spielen zwar in einer anderen Liga, aber der kontinuierliche Wachstumstrend der letzten Jahre muss trotzdem anhalten. Bei einer Bundesliga-Rückkehr wären die 100 Millionen Euro somit perspektivisch wieder realistisch, denn bei über 92 Millionen Euro waren wir bereits. Das muss unser Anspruch und unser Ziel bleiben.

Wo sehen Sie denn trotz des Abstiegs Wachstumspotenzial?

Kaenzig: Das Stadion hat ligaunabhängig Optimierungsbedarf, dieses gemeinsame Großprojekt mit der Stadt ist ja bereits angelaufen. Ein großes Ziel bleibt es zudem, die Transfereinnahmen zu erhöhen, weil diese immer bedeutsamer werden. Und: Wir wollen trotz des Abstiegs weiterhin in allen Bereichen zulegen. Die Faszination für den VfL ist ungebrochen, das spüren wir und das motiviert uns alle enorm.

Dufner: Transfererlöse sind zweifellos ein großer Hebel, allerdings ligaunabhängig. Da helfen uns in erster Linie eigene Talente, denn Spieler, die 27 oder 28 Jahre alt sind, bringen in unserem Bereich meist keine großen Transfererlöse mehr. Zumal: Die Wahrscheinlichkeit, einen Spieler zu entdecken, den sonst keiner gefunden hat, ihn günstig einkaufen, um ihn dann gewinnbringend abzugeben, ist gering. Beim eigenen Nachwuchs, der hier seine ersten Schritte im Profibereich geht und weiterhin Entwicklungspotenzial besitzt, ist das viel realistischer.

Ist der Verkauf von Tim Oermann zu Bayer Leverkusen ein Musterbeispiel dafür, wie es in Zukunft häufiger laufen könnte, oder aufgrund der kolportierten Ablöse eher ein Negativbeispiel?

Dufner: Wir kommentieren keine Zahlen, aber es gibt Faktoren, die die kolportierte Ablöse nach oben treiben können. Insofern können wir von einem guten Deal im Rahmen der Möglichkeiten sprechen. Denn: Tim Oermann hat sich sehr klar festgelegt, zu Bayer Leverkusen wechseln zu wollen, und zu keinem anderen Klub. Das Problem war, dass Leverkusen ihn auch ein Jahr später ablösefrei genommen hätte. Unsere Verhandlungsposition war also denkbar ungünstig, zumal der Spieler – obwohl er in Bochum ausgebildet wurde – eine Vertragsverlängerung offensichtlich von Anfang an abgelehnt hat.

Kaenzig: Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, dass es frühzeitig, schon im letzten Jahr, zahlreiche Gespräche mit Tim, seiner Familie und seinem Berater gab. Sie wollten den Vertrag auch zu verbesserten Bezügen nicht verlängern. Was völlig legitim ist, aber nun mal ein Teil der Wahrheit. Und das hat uns, wie Dirk schon sagte, leider in eine schwierige Ausgangslage gebracht.  

Transfererlöse sind für einen Zweitligisten auch deshalb so wichtig, weil die TV-Einnahmen im Vergleich zur Bundesliga deutlich geringer ausfallen. In welchen Bereichen muss der VfL den Gürtel nun enger schnallen?

Kaenzig: Wir planen aktuell mit rund 20 Millionen Euro aus dem TV-Topf. In der Bundesliga war es doppelt so viel. Natürlich schrumpft der Lizenzspieleretat deshalb im branchenüblichen Rahmen, dennoch bleiben wir ambitioniert. Das erwarten die Fans und Mitglieder doch auch von uns. Sie wollen eine wettbewerbsfähige Mannschaft sehen. Somit fließen auch in dieser Saison rund 50 Prozent unserer Einnahmen in den sportlichen Bereich inklusive Nachwuchs. Die Sponsoren haben die gleichen Erwartungen an uns wie zuvor, auch medial bleiben wir genauso im Fokus, und das Stadion wird ebenfalls gut gefüllt sein, was entsprechenden Personaleinsatz erfordert. Ohne eine funktionierende Organisation ist sportlicher Erfolg nicht möglich.

Der Vorwurf, der VfL sei speziell bei Spielerverpflichtungen zu knauserig, hält sich im Umfeld allerdings hartnäckig.

Kaenzig: Es bleibt dabei: Wir bunkern kein Geld, wir geben es aus – und stecken möglichst viel in den Sport. Im Nachwuchs sparen wir gar nicht, sondern sehen das als unabdingbare Investition in die Zukunft. Unsere Zahlen sind transparent für jeden einsehbar. Man muss sie aber auch lesen! Stammtischdiskussionen gehören zum Fußball, es macht die Romantik dieses Sports aus, dass jeder ein Experte ist. Denn es gibt keine Wahrheit, sondern nur Meinungen.

Über die Scoutingabteilung wurde zuletzt besonders intensiv diskutiert, sogar öffentlich angestoßen von Trainer Dieter Hecking. Wieso wurde diese Abteilung in den zurückliegenden Jahren offensichtlich vernachlässigt, Herr Kaenzig? Und was planen Sie nun zur Verbesserung, Herr Dufner?

Kaenzig: Das Scouting war Thema in jeder Mitgliederversammlung und wurde nach und nach von unterschiedlichen Sportverantwortlichen weiterentwickelt. Trotz allem sind wir noch nicht zufrieden, weshalb wir weitere Veränderungen anstreben.

Dufner: Mein Eindruck ist, dass die Kommunikations- und Entscheidungswege optimierungsbedürftig sind und eine neue Führungsstruktur dazu beitragen wird. Es gibt Überarbeitungsbedarf, um Potenziale auszuschöpfen. Vielleicht ist es gar nicht notwendig, die Abteilung zu vergrößern oder personell radikal zu verändern, sondern lediglich besser zu strukturieren. Das werden wir uns gemeinsam mit dem neuen Chefscout anschauen. Klar ist: Wir müssen schneller sein, sowohl bei der Informationsbeschaffung als auch bei der Entscheidungsfindung. Unser Ziel ist es, die Scouting-Abteilung in den kommenden Transferperioden wieder stärker einzubinden als das aktuell der Fall ist.

Wer unterstützt Sie in diesem Sommer bei der Kaderplanung – und worauf legen Sie bei neuen Spielern besonderen Wert?

Dufner: Mit Johannes Waigand haben wir einen Mitarbeiter dazubekommen, der mich als Direktor Kadermanagement in allen Belangen unterstützt. Zudem nutzen wir unsere eigenen Netzwerke. Auch der Trainer bringt sich natürlich mit ein. Gemeinsam haben wir den Kader deutlich verjüngt und Wert auf eine große deutschsprachige Gruppe gelegt, an der sich die anderen Spieler orientieren können und wodurch schon in den ersten Wochen eine gute Gruppendynamik entstanden ist. Wir wollen spüren, dass die Spieler große Lust darauf haben, für den VfL Bochum zu spielen – egal wie alt, egal woher.

Was lief in diesem Sommer anders und besser als im vergangenen, Herr Kaenzig?

Kaenzig: Die Mannschaft war rasch beisammen und ist erstaunlich schnell zusammengewachsen. Die Erfahrung von Dieter Hecking tut uns dabei besonders gut. Er weiß genau, was zu tun ist, und vermeidet Experimente. In dieser Konstellation hätten wir im vergangenen Jahr womöglich einige Fehler nicht gemacht. Auch in dieser Hinsicht hilft uns Dirks und Dieters Seniorität, ich betone es gerne immer wieder, enorm.

Dies war ein Auszug dem ausführlichen Doppel-Interview mit Dirk Dufner und Ilja Kaenzig, das im neuen VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen ist. Im weiteren Gesprächsverlauf ging es unter anderem um die Zusammenarbeit mit dem neuen Präsidium, die Stärkung der Nachwuchsarbeit und das Saisonziel bei den Profis. Darüber hinaus bietet das Magazin auf insgesamt 100 Seiten weitere Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrund- und Fangeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen.


 

Fehlstart

Reizthema Dreierkette: VfL-Probleme wiederholen sich

Bei den Fans des VfL sorgen bestimmte Begriffe schnell für einen erhöhten Blutdruck. Zum Beispiel: die Dreierkette. Die nämlich hat sich in Bochum über Jahre zum großen Reizthema im Klubumfeld entwickelt. Aber wieso eigentlich? Thomas Reis hatte einst mit einem simplen 4-2-3-1-System, schnellen Flügelspielern und einer sehr mannorientierten Verteidigung beachtliche Erfolge gefeiert. Diese Spielweise haben nicht nur die Fans, sondern auch viele Spieler gemocht. Nachfolger Thomas Letsch wiederum scheiterte daran, beim VfL eine Dreierkette zu implementieren, obwohl der Kader entsprechend umgebaut wurde. Dieter Hecking kam darauf im Abstiegsjahr wieder zurück – ebenfalls ohne nachhaltigen Erfolg. Wobei die Gründe für den Sturz in die Zweitklassigkeit natürlich vielschichtig sind. Denn: Die Dreierkette war und ist nur ein Teil der taktischen und personellen Ausrichtung. So soll die Grundordnung in dieser Saison ähnlich bleiben, der Spielstil aber ein anderer werden, ausgelegt auf mehr Ballbesitz.

Bochum schon wieder nicht startklar

Das Problem: Der Auftritt in Darmstadt hat gezeigt, dass die Spielweise noch nicht ausgereift ist. Gezielt hat Darmstadt die Bochumer Schwächen am vergangenen Samstag ausgenutzt, etwa die großen Abstände zwischen Abwehr und Mittelfeld sowie Schwächen auf den Außenpositionen. Was übrigens kein gutes Zwischenzeugnis für das Bochumer Trainerteam ist. Darmstadts Chefcoach Florian Kohfeldt verriet nach der Partie, dass er die genannten Defizite schon bei der Bochumer Generalprobe gegen Bayer Leverkusen identifiziert habe. Haben Hecking und seine vielen Assistenten diese etwa übersehen? Oder fehlte schlicht der passende Lösungsansatz? Generell muss die Frage erlaubt sein, wie es in Bochum seit einigen Jahren ausnahmlos passieren kann, dass die Mannschaft mit dem, was der Trainer verlangt, offensichtlich nicht zurechtkommt und mit eklatanten Defiziten in die neue Saison startet? In diesem Sommer zieht nicht einmal das Argument, dass der Kader erst spät zusammengestellt wurde.

Passen Kader und Spielidee zusammen?

Denn fast alle Neuzugänge waren schon zum Trainingsauftakt dabei, spätestens aber im Trainingslager. Bei der Ursachenforschung fällt auf, dass die unterschiedlichen Trainer in nur wenigen Wochen oft sehr viel, wahrscheinlich zu viel verändern wollten. Bei Letsch war es der Wechsel zu einer Dreierkette, bei Zeidler die Mittelfeldraute samt intensivem Pressing, und bei Hecking ist es nun die Umstellung von einer defensiven hin zu einer offensiven Ausrichtung. Dass er dafür womöglich gar nicht die passenden Spieler hat, kommt erschwerend hinzu. Denn im Kern besteht der jetzige Kader, zumindest im vorderen Teil, vor allem aus Spielern, die bereits in der vergangenen Saison dabei waren – und schon da große Mühe hatten, Durchschlagskraft zu entwickeln. Das gilt auch für andere Problemzonen der vergangenen Saison. Erneut waren die Bochumer am ersten Spieltag das Team mit dem niedrigsten Laufwert der gesamten Liga. Und erneut waren Standardsituationen eine Schwachstelle.

Keine Abkehr von der Dreierkette

Zwei Gegentreffer in Darmstadt fielen nach Eckbällen, weil die Zuordnung nicht stimmte. Auf der anderen Seite wiederum haben die ruhenden Bälle der Bochumer nur für wenig Gefahr gesorgt. Die Reaktion der Fans: Resignation, Galgenhumor. Damit die aufkeimende Unruhe nicht zu groß wird, ist auch Hecking gefordert. Ein Heimsieg gegen Elversberg am Sonntag ist praktisch Pflicht. Eine Abkehr von der angedachten Spielidee und Systematik ist dabei jedoch nicht zu erwarten. Die von vielen Fans favorisierte Herangehensweise aus der Reis-Ära ist mangels Außenbahnspezialisten ohnehin kaum möglich. Recht eindimensional haben sich die Verantwortlichen bei ihrer Kaderplanung auf ein 3-5-2-System festgelegt. Nur mit etwas Fantasie und wenn alle Offensivspieler fit sind, ist auch eine andere Grundordnung denkbar. Zum Start in die neue Saison hat Hecking derweil auf eine Mischform zwischen Dreier- und Viererkette gesetzt. Wobei das Startpersonal klar auf ein 3-5-2 ausgelegt war.


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(Foto: Marc Niemeyer)

1:4-Pleite in Darmstadt

Fehlstart aus Tradition: Eklatante Mängel beim VfL

Kritik oder zumindest Zweifel haben die Verantwortlichen des VfL Bochum in den Wochen der Saisonvorbereitung nur ungern vernommen. Trainer Dieter Hecking schob die Skepsis nicht weniger Anhänger schlicht darauf, dass diese ja gar nicht vor Ort gewesen seien. Wie auch immer: Die einfachste Gelegenheit, die Fans zu beruhigen, hat der Bundesliga-Absteiger verpasst. Zum Start in die neue Zweitliga-Saison hat die Hecking-Elf vielmehr neue Zweifel gesät. Völlig verdient ging der VfL mit 1:4 beim SV Darmstadt 98 unter. Im Grunde war das Spiel bereits nach gut einer Stunde und dem vierten Gegentreffer entschieden. Ein Comeback, wie es dem VfL noch gegen Bern in der Vorbereitung bei gleichem Spielstand gelungen war, deutete sich zu keinem Zeitpunkt an.

Was einmal mehr die These bestätigt, dass die Vorbereitung kaum Rückschlüsse auf die tatsächliche Wettbewerbsfähigkeit zulässt. „Wir haben zu viele Chancen zugelassen. Ich dachte, dass wir im Defensivverhalten schon weiter wären“, entgegnete Hecking auf die Frage, was ihn denn überrascht hat beim Auftritt seiner Mannschaft. Die personell neu besetzte Defensive offenbarte erhebliche Lücken, vor allem zwischen Mittelfeld und Abwehr. Abstimmungsprobleme und Stellungsfehler, aber auch Tempodefizite, leichtsinnige Ballverluste im Spielaufbau und ein naives, inkonsequentes Zweikampfverhalten führten zu vier Gegentreffern – und zu jeder Menge Frust. „Wir sind knallhart auf dem Boden der Tatsachen angekommen und müssen vieles besser machen, um in der 2. Liga zu bestehen. Darmstadt hat es uns vorgemacht“, analysierte Timo Horn.

Nur Broschinski überzeugt

Der Bochumer Torwart musste bereits nach wenigen Minuten hinter sich greifen, als sich seine Teamkollegen mit einfachsten Mitteln düpieren ließen. Nach dem Ausgleichstreffer durch Moritz Broschinski, der als einziger seine gute Form aus der Vorbereitung bestätigte, aber mit einer Wadenverletzung ausgewechselt wurde, folgte noch vor der Halbzeitpause das 1:2. Mit einem Doppelschlag kurz nach dem Seitenwechsel sorgten die Lilien schließlich für klare Verhältnisse. Dass beide Tore in der zweiten Hälfte nach einem Eckball fielen, wirft erneut ein schlechtes Licht auf das Bochumer Abwehrverhalten. „Wir kassieren zwei fast identische Standard-Gegentore. Das ist zu billig und wird auch in der 2. Liga bestraft“, monierte Horn. Fehler dieser Art hat sich der VfL bereits eine Spielklasse höher erlaubt – und sie auch nach dem Abstieg noch nicht abgestellt.

Was vor allem deshalb verwundert, weil Heckings 3-5-2-Formation personell wie taktisch eigentlich klar die Defensive begünstigt. Mit Broschinski und Philipp Hofmann gehörten in Darmstadt lediglich zwei Spieler zur Startelf, die zweifelsfrei als Offensivkräfte einzustufen sind. Trotz dessen verbuchte der VfL immerhin ein halbes Dutzend guter Chancen. Deshalb sei es auch unfair, nun alles schlecht zu reden, sagte Kevin Vogt. Der Routinier wurde seiner Rolle als Abwehrchef noch nicht gerecht und enttäuschte ebenso wie die Neuzugänge Philipp Strompf und Romario Rösch. Das Trio war an gleich mehreren Gegentreffern beteiligt. „Auch wenn sich die Kritiker gerade bestätigt fühlen: Nur weil wir das erste Spiel verloren haben, verliere ich nicht meinen Optimismus“, betonte Vogt mit ruhiger Stimme.

Traditionelle Auftaktpleite

Die Frage ist: Was lässt sich konkret ändern, damit der VfL seine Kritiker ruhigstellt und in der neuen Liga schnellstmöglich ankommt? Die größten Defizite sind identifiziert, müssen aber wohl mit fast identischem Personal behoben werden. Denn allzu viele Möglichkeiten gibt der Kader bei aktuell drei, vier Ausfällen gar nicht her. In der Abwehr wäre Neuzugang Colin Kleine-Bekel eine Alternative, auf der rechten Außenbahn Kacper Koscierski oder Felix Passlack. Theoretisch könnte auch Maximilian Wittek nach innen rücken und Gerrit Holtmann die linke Außenbahn übernehmen. Weiter vorne fehlen indes die Alternativen. Gegen Darmstadt standen nur zwei Ersatzspieler für die Offensive zur Verfügung, Koji Miyoshi und Samuel Bamba mussten daheim bleiben. Was einmal mehr verdeutlicht, dass es in naher Zukunft keine Abkehr von der einstudierten Grundordnung geben wird.

Für Trainer und Spieler kommt eine Grundsatzdebatte ohnehin zu früh. „Ich bleibe dabei, dass wir eine gute Vorbereitung hatten, die uns im Saisonverlauf noch helfen wird“, bekräftigte Vize-Kapitän Horn und lobte die mitgereisten Fans, die sich trotz der fast schon obligatorischen Enttäuschung mit Kritik zurückhielten – zumindest vor Ort, zumindest für den Moment. Auftaktniederlagen sind sie schließlich gewohnt: Zuletzt gelang dem VfL im Jahr 2016 ein Sieg am ersten Spieltag. Das 1:4 in Darmstadt war seither die achte Pleite in neun Anläufen. Ob der erneute Fehlstart nun absehbar war oder nicht, bleibt Ansichtssache. Gewiss ist nur: Der Geduldsfaden vieler Bochumer ist zwar lang, aber nicht endlos. Besonders wenn sie das Gefühl haben, mit ihren Bedenken nicht ernst genommen zu werden.


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Debatte

VfL-Kolumne: Mutmacher und Bedenken vor dem Start

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Zwei- bis dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Saisonprognose.

Bin ich zu kritisch? Geprägt aus dem vergangenen Jahr? Oder warum teile ich den Optimismus der Verantwortlichen des VfL Bochum vor der anstehenden Saison noch nicht in Gänze? Womöglich straft mich die Mannschaft ab Samstag ja Lügen. Ich hätte nichts dagegen.

Gründe, zuversichtlich zu sein, gibt es in jedem Fall. Der Teamgeist ist gut, das Fitness-Problemchen der Vorsaison behoben, und die Mannschaft konnte sich dank früher Transfers schnell einspielen. Optimistisch stimmt mich zudem die Besetzung von Abwehr und Mittelfeld. Hinten sind Kevin Vogt und Leandro Morgalla echte Verstärkungen, davor agieren Ibrahima Sissoko und Matus Bero auf gewohnt hohem Niveau. Beide Mannschaftsteile sind in der Lage, höchsten Zweitliga-Ansprüchen zu genügen, immer vorausgesetzt, dass Sissoko und Bero dem VfL erhalten bleiben. Zudem: Die vielen Nachwuchskräfte sind echte Talente. Allein im Zentrum konkurrieren vier Spieler um nur einen Platz: Der ballsichere Francis Onyeka, der laufstarke Kjell Wätjen, der omnipräsente Mats Pannewig und der aufstrebende Cajetan Lenz. Von den insgesamt elf Profis unter 21 wird die Mehrheit schon bald in der Bundesliga spielen. Entweder mit dem VfL oder einem anderen Klub.

Skeptisch bleibe ich bei der Offensivbesetzung, allein wegen der favorisierten Grundordnung. Die Außenbahnen nur von sogenannten Schienenspieler beackern zu lassen, kann höchstens dann gelingen, wenn diese Positionen überdurchschnittlich gut besetzt sind. Das ist beim VfL aber nicht der Fall. Ich meine: Ohne funktionierendes Flügelspiel ist die Mannschaft zu ausrechenbar. Hinzu kommen weitere Fragezeichen: Wer tritt endlich gute Standards, um die vielen großgewachsenen Spieler zu füttern? Wer traut sich mal ein Dribbling zu? Und wer zählt überhaupt zum Kreis der regelmäßigen Torschützen? Derzeit gibt der Bochumer Kader nur wenige Spieler her, die in ihrer bisherigen Karriere mit besonders vielen Scorer-Punkten aufgefallen wären. Mal schauen, ob es gelingt, all diese Fragen zu beantworten und Restzweifel auszuräumen. Dann nämlich stünde der VfL vor einer erfolgsversprechenden Saison.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Sissoko, Broschinski und Co.

Sechs Abgangskandidaten: VfL hofft auf Transfererlöse

Immer wieder betonen Trainer Dieter Hecking und Manager Dirk Dufner dieser Tage, wie froh sie darüber sind, dass die Kaderplanung des VfL Bochum im Grunde abgeschlossen ist. Doch die beiden sind lang genug im Fußballgeschäft tätig, um zu wissen, dass sich dieses Gefühl schnell wieder ändern kann. Das Transferfenster ist noch bis zum 1. September geöffnet, und nicht jeder VfL-Profi ist fest entschlossen, die bevorstehende Zweitliga-Saison wirklich an der Castroper Straße zu verbringen. Insbesondere Moritz Broschinski, Ibrahima Sissoko und Matus Bero zählen zu den Abgangskandidaten. Aber auch Koji Miyoshi und Samuel Bamba könnten den Verein noch verlassen. Wie ist der aktuelle Stand? Ein Überblick.

Moritz Broschinski: Seit Anfang 2023 trägt er das Trikot des VfL Bochum, sein Vertrag endet im kommenden Sommer. Womöglich verlässt Broschinski den Revierklub schon früher. Trotz einer guten Saisonvorbereitung mit zahlreichen Toren und Lob von Trainer Hecking denkt der 24-Jährige nach wie vor über einen Vereinswechsel nach. Auch der aktuell sichere Platz in der Startelf scheint Broschinski nicht zu überzeugen. Der VfL wäre bereit, den von vielen Fans verschmähten Angreifer abzugeben, allerdings nur gegen eine entsprechende Ablöse. Diese soll zumindest im niedrigen siebenstelligen Bereich liegen. Hauptinteressent ist aktuell der FC St. Gallen, allerdings liegen die Vorstellungen der beiden Klubs noch weit auseinander. Eine schnelle Einigung ist nicht zu erwarten. Der Erstligist aus der Schweiz wird von Enrico Maaßen trainiert. Broschinski und Maaßen kennen sich bereits aus Dortmund. Der VfL müsste im Falle eines Abgangs schnell Ersatz beschaffen, ansonsten stünden für den Doppelsturm lediglich Philipp Hofmann sowie die beiden Neuzugänge Ibrahim Sissoko und Mathis Clairicia zur Verfügung.

Ibrahima Sissoko: In seinem ersten Bundesliga-Jahr hat der Franzose auf Anhieb bewiesen, dass er auf höchstem Niveau mithalten kann. Er gehörte zu den besten Spielern im Bochumer Abstiegskader. Logisch also, dass Sissoko gerne in der Beletage des deutschen Fußballs bleiben würde. Doch es mangelt an passenden Angeboten für den 27-Jährigen. Nach Informationen aus Vereinskreisen zeigten immerhin der FC Augsburg und der FC Toulouse aus Frankreich Interesse an einer Verpflichtung des Mittelfeldspielers, konkretisiert hat sich diese Spur bei Recherchen bislang aber nicht. Die Ablöseerwartung des VfL liegt im mittleren siebenstelligen Bereich. Eine derartige Transfereinnahme könnte sich der Klub trotz eines bis 2027 laufenden Vertrags nicht entgehen lassen. Infolge des Bundesliga-Abstiegs sind vor allem die TV-Einnahmen massiv gesunken, während die Kosten in vielen Bereichen unverändert bleiben. Das Dilemma: Vermutlich würde ein Sissoko-Abgang die Aufstiegswahrscheinlichkeit spürbar senken.

Matus Bero: In der vergangenen Woche haben ihn die Teamkollegen zum neuen Mannschaftskapitän gewählt und damit ein klares Signal gesendet: Sie möchten, dass Bero in Bochum bleibt. Schon seit Wochen liebäugelt der 29-Jährige, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, mit einem Vereinswechsel; ein klares Bekenntnis zum VfL hat er bislang nicht abgegeben. Ein Transfer ist mit der Wahl zum Kapitän nicht automatisch vom Tisch, derzeit aber nicht in Sicht. Auch in seinem Fall erwartet der VfL eine Ablöse im niedrigen siebenstelligen Bereich. Diese ist aktuell aber kein Verein bereit zu zahlen, unter anderem deshalb, weil Bero aufgrund seines Alters kein Wiederverkaufspotenzial hat. Würde der zentrale Mittelfeldspieler in Bochum bleiben, wäre er als Leistungsträger und Führungsspieler fest eingeplant.

Koji Miyoshi: Noch im Mai äußerte sich Hecking hoffnungsvoll und traute dem kleinen Japaner eine wichtige Rolle in der neuen Liga zu. Mittlerweile ist der Trainer etwas zurückhaltender. Zwar lobt Hecking Miyoshi immer wieder für ein Engagement und sieht, dass er ein feiner Fußballer ist, doch der Ertrag ist nach wie vor zu gering. Miyoshi kreiiert zu wenige Torchancen und findet selten den Abschluss. Körperlich ist er zumeist deutlich unterlegen. Die Folge: Ein Platz in der Startelf ist aktuell weit weg, in der Generalprobe gegen Leverkusen durfte Miyoshi nur kurz spielen. Sein Vertrag beim VfL läuft noch bis 2028. Würde sich ein Abnehmer finden, dann dürfte er den Klub wohl verlassen. Die frei werdenden Mittel könnte der VfL in einen anderen Offensivspieler stecken.

Samuel Bamba: In seinem ersten Jahr an der Castroper Straße hat sich das Dortmunder Eigengewächs nicht wie erhofft durchsetzen können. Bamba war nicht richtig fit, mitunter ließ er auch zu schnell den Kopf hängen. Eine Spielklasse tiefer darf er einen neuen Anlauf nehmen. Doch am Ende der Saisonvorbereitung zeichnet sich ab, dass er keine tragende Rolle einnehmen wird. Gegen Leverkusen kam er gar nicht zum Einsatz. Selbst ein Platz im Spieltagskader ist somit nicht sicher. Bamba könnte im August noch wechseln. Im Winter platzte eine Leihe zu Standard Lüttich auf den letzten Metern. Auch jetzt wäre wieder ein Leihgeschäft möglich. Bambas Vertrag endet erst 2027.

Niklas Jahn: Der defensive Mittelfeldspieler hat bei den VfL-Profis derzeit keine Chance, auch perspektivisch schaut es nicht gut aus. Dieter Hecking hat Jahn bereits im Winter zur U21 geschickt. Genug ist ihm das aber nicht. Ein Probetraining beim FC Emmen in den Niederlanden brachte nicht den gewünschten Erfolg. Der Zweitligist nahm Abstand von einer Verpflichtung. Bei einem noch bis 2027 laufenden Vertrag wäre auch ein Leihgeschäft denkbar.


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Kapitän

Losilla-Nachfolge: Hecking wagt mehr Demokratie

Eine Kapitänswahl war beim VfL Bochum vor den vergangenen Spielzeiten nie nötig. Ganz selbstverständlich bekam Anthony Losilla die Binde, ganz gleich, wer gerade Trainer war. Sechs Jahre war das Bochumer Urgestein unumstrittener Spielführer. Seine Teamkameraden schätzten ihn ebenso wie die Anhänger. Auf und neben dem Platz ging der Franzose als Vorbild voran, war stets ein wichtiger Ansprechpartner und das Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainerteam und Fans. Kein Wunder also, dass der 39-Jährige direkt nach seinem Karriereende als Assistenzcoach ins Trainerteam von Dieter Hecking gewechselt ist, um sich vorrangig um die vielen Talente zu kümmern. Am 6. September, bei seinem Abschiedsspiel im Ruhrstadion, wird Losilla ein letztes Mal die Kapitänsbinde tragen. Der VfL trommelt hierfür zahlreiche Weggefährten zusammen und hofft auf eine stattliche Kulisse.

Spieler dürfen wählen

Womöglich wird auch Losillas Nachfolger mitkicken. Für Trainer Dieter Hecking ist klar: Der neue Leader soll von der Mannschaft bestimmt werden. „Da haben wir Demokratie beim VfL Bochum. Vor dem Darmstadt-Spiel werde ich den Mannschaftsrat und einen Kapitän wählen lassen. Damit fühle ich mich wohler“, erklärt Hecking. Er fände es „blöd“, den Kapitän selbst zu bestimmen – eine Vorgehensweise, die in vielen Vereine durchaus üblich ist. „Es handelt sich um den Vertreter der Mannschaft“, betont der 60-Jährige, „die Gruppe soll hinter ihm stehen.“ Gerade für Situationen, wenn die Mannschaft ein Anliegen gegenüber dem Trainer oder der Geschäftsführung formulieren möchte, sei das wichtig. Lediglich ein Mitglied im Mannschaftsrat möchte Hecking selbst bestimmen. „Ich hätte gerne einen von den jüngeren Spielern dabei“, sagt Hecking.

Rolle für Youngster

Naheliegend wäre es, wenn Mats Pannewig diese Rolle übernehmen würde. Er ist der älteste von den vielen Eigengewächsen und zugleich der einzige mit etwas Profi-Erfahrung. Für die übrigen vier Plätze kommen indes viele Spieler infrage. Die logischen Kandidaten für das Kapitänsamt sind Angreifer Philipp Hofmann und Linksverteidiger Maximilian Wittek. Die beiden haben Losilla bereits in der vergangenen Saison vertreten, als dieser nur noch unregelmäßig zum Einsatz kam. Weil Hofmann den ersten Teil der Saisonvorbereitung verpasst hat, trug in den Testspielen vor allem Wittek die Binde, ansonsten Matus Bero. Der Mittelfeldspieler dürfte bei der Kapitänswahl indes nur Außenseiterchancen haben. Zum einen liebäugelt Bero noch mit einem Vereinswechsel, zum anderen beherrscht er die deutsche Sprache kaum.

Viele Kandidaten

Gemessen an ihrer Erfahrung, kämen auch Timo Horn und Kevin Vogt als Anführer in Betracht. Ob mit oder ohne offizielles Amt: Sie sollen in jedem Fall Verantwortung übernehmen. Torhüter Horn kommt auf mehr als 300 Profispiele, Verteidiger und Rückkehrer Vogt sogar auf mehr als 400. Damit zählen sie zu den erfahrensten und auch ältesten Akteuren im verjüngten VfL-Kader. „Seine Erfahrung ist ein echtes Faustpfand für unsere Mannschaft“, sagt VfL-Manager Dirk Dufner über Horn und nimmt Vogt ebenso in die Pflicht: „Wir erwarten, dass er als Führungsspieler vorangeht.“ Trainer Hecking erweitert die Liste der Kandidaten sogar noch: „Vielleicht kommen auch Ibrahima Sissoko oder Felix Passlack in Betracht.“ Dienstältester VfL-Profi ist derweil Gerrit Holtmann. Er pflegt einen besonders engen Draht zu den Fans. Die Kapitänsbinde wird er deshalb aber nicht bekommen.

Update: Die Wahl ist mittlerweile erfolgt. Matus Bero ist neuer VfL-Kapitän, Timo Horn sein Stellvertreter. Den Mannschaftsrat komplettieren Maximilian Wittek, Philipp Hofmann, Kevin Vogt und Mats Pannewig.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Fazit aus Scheffau

Zecken und Zusammenhalt: Tendenzen nach Trainingslager

Die Warnung musste präzisiert werden. Noch am ersten Tag des Bochumer Trainingslagers machten die Fanbetreuer darauf aufmerksam, dass in Scheffau offensichtlich viele Zecken unterwegs sind und sich vorzugsweise für die zahlreich mitgereisten VfL-Anhängern interessieren. Damit waren tatsächlich kleine, fiese Krabbeltiere und nicht etwa Sympathisanten des größeren Reviernachbarn gemeint, auch wenn just an einem Morgen ein BVB-Aufkleber auf dem Bochumer Teambus platziert war. Es war zum Glück das einzig große Ärgernis in der vergangenen Woche, die der VfL erstmals im Schatten des Wilden Kaisers verbracht hat. Viele der rund 250 anwesenden VfL-Fans dachten zwar wehmütig an die Zeit in Gais zurück, doch die Mannschaft und der immer größer werdende Mitarbeiterstab waren rundum zufrieden – und darauf kommt es schließlich an.

Auch Trainer Dieter Hecking fiel im Mediengespräch zum Abschluss des Trainingslagers nichts Negatives ein. Er lobte die Neuzugänge, die Etablierten und die Jungspunde gleichermaßen. „Normalerweise fallen im Trainingslager immer mal einige ab oder man hört Gemurre. Das war in diesem Jahr aber nicht der Fall“, berichtet der erfahrene Fußballlehrer. „Verlierer sind vielleicht Erhan Masovic und Moritz Kwarteng, die verletzt sind und den Teamspirit leider nur durch Hörensagen mitbekommen.“ Das Duo wird dem VfL bis in den Herbst hinein fehlen, Kwarteng wahrscheinlich sogar länger als Masovic, der nach seinem Lungenkollaps auf dem Weg der Besserung ist und die Klinik in Rosenheim in Kürze verlassen soll. Einige Teamkollegen haben ihn während des Trainingslagers besucht.

Intensives Training

Diese Geschichte unterstreicht den Zusammenhalt innerhalb der neu formierten Mannschaft, die aus vielen deutschsprachigen Spielern besteht, was ein expliziter Wunsch der Verantwortlichen war. Neuzugänge aus dem Ausland sollen sich so besser und schneller integrieren. Die gute Stimmung innerhalb des Teams fiel jedenfalls allen Beobachtern gleichermaßen auf. Auch die Trainingsintensität war im Vergleich zum Vorjahr deutlich höher. Seinerzeit beklagten zahlreiche Spieler die lasche Herangehensweise von Trainer Peter Zeidler. Die Folge: Der VfL gehörte in seiner Abstiegssaison zu den laufschwächsten Mannschaften. Dieter Hecking und seine Assistenten haben die Zügel deshalb deutlich angezogen. Mehrere Spieler berichteten, dass sie in der Saisonvorbereitung noch nie so intensiv trainiert hätten.

Kein Wunder also, dass die Beine schwer waren, als zum Abschluss des Trainingslagers ein XXL-Test über 120 Minuten gegen Metalist Charkiw aus der Ukraine torlos und ohne erwähnenswerte Szenen endete. Immerhin kamen die Bochumer Fans schon in den Tagen davor auf ihre Kosten. Das Trainingslager begann mit einem 1:1 gegen Viktoria Pilsen aus Tschechien, ging weiter mit einem 3:2 gegen Drittligist Waldhof Mannheim und fand seinen zwischenzeitlichen Höhepunkt in einem 5:4 gegen die Young Boys Bern aus der Schweiz. Bemerkenswert war, dass der VfL gegen Mannheim und Bern zunächst klar in Rückstand lag, dann aber aufdrehte und die Spiele noch gewann. Hecking lobte im Anschluss die Mentalität, sah zugleich aber noch Verbesserungsbedarf in der Defensive. „Das gilt für beide Formationen“, betont er.

Dreierkette im Fokus

Hecking lässt in diesen Wochen zwei Spielsysteme einüben. Das in der vergangenen Saison bevorzugte 3-5-2 steht nach wie vor im Fokus. Darauf war zuletzt auch die Kaderplanung ausgerichtet, etwa mit dem Transfer von Kevin Vogt. Dennoch bleibt ein 4-3-3 als Alternative, je nach Gegner und Spielsituation. Beim Saisonauftakt in gut zwei Wochen beim SV Darmstadt 98 wird Hecking zum Beispiel schauen müssen, welche Spieler überhaupt zur Verfügung stehen. Angreifer Philipp Hofmann etwa, der eigentlich fest für die Startformation eingeplant ist, hat noch sicht- und messbaren Trainingsrückstand. Praktisch sicher haben ihren Startelfplatz bislang nur Torhüter Timo Horn, Kevin Vogt und Philipp Strompf in der Abwehr, Maximilian Wittek auf der linken Seite sowie Ibrahima Sissoko und Matus Bero im Mittelfeld, sofern sie denn bleiben.

Auf den übrigen Positionen gibt es zumindest Tendenzen. Von den Neuzugängen drängt Leandro Morgalla ebenso in die Startelf wie Francis Onyeka. Im Angriff zeichnet sich ab, dass der oft verschmähte Moritz Broschinski mindestens für den Moment die erste Wahl sein wird, womöglich zusammen mit Ibrahim Sissoko. Hecking bevorzuge die Kombination aus einem robusten und einem mobilen Angreifer, erklärte er im Laufe der Trainingslager-Woche, in der sich der Eindruck verfestigte, dass die Verantwortlichen mangels Geld, aber auch aus Überzeugung keine größeren Transfers mehr anstreben. „Wenn der Kader so zusammenbleibt, bin ich sehr zufrieden“, sagte Trainer Hecking. Neugierige Anhänger, die etwa beim Fanabend nach weiteren Neuzugängen fragten, erhielten von der Klubführung die gleiche Antwort. Wer noch Skepsis äußerte, blickte in irritierte Gesichter.


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(Foto: Imago / Marco Steinbrenner DeFodi)