Heckings Taktik

„Wir brauchen Tempo“: Bochum reaktiviert die Flügelspieler

Von größerem Verletzungspech ist der VfL Bochum in dieser Saison weitestgehend verschont geblieben. Klar, dass Leistungsträger wie Myron Boadu oder Bernardo teils mehrere Monate gefehlt haben, hat dem Revierklub womöglich sogar Punkte gekostet. Ansonsten aber war das Trainerteam nur selten dazu gezwungen, auf Ausfälle zu reagieren. Vor dem prestigeträchtigen Derby gegen den BVB gestaltet sich die Lage erstmals etwas anders. Neben Boadu fehlen auch der kurzfristig am Auge operierte Felix Passlack sowie der gesperrte Maximilian Wittek. Zudem steht oder stand ein Fragezeichen hinter der Einsatzfähigkeit von Gerrit Holtmann und Georgios Masouras. Kurzum: Dem VfL brechen die defensiven wie offensiven Außenbahnspezialisten weg. Das Problem: Alternativen im Kader sind rar gesät.

Wechselnde Kaderplanung

Für die von Trainer Dieter Hecking zuletzt oft bevorzugte Fünferkette in der Abwehr sind Passlack und Wittek die einzigen beiden Schienenspieler, die der Bochumer Kader hergibt. In der Angriffsreihe sieht es nicht wesentlich anders aus: Holtmann und Masouras haben praktisch keine Konkurrenz. Es sind die Folgen einer nicht stringenten Kaderplanung, die jährlich wechselnd auf unterschiedliche Spielsysteme ausgerichtet war. Bis zum Sommer 2023 war der Kader für ein 4-3-3 mit je zwei defensiven und offensiven Außenbahnspezialisten aufgestellt. Die Kaderplanung von Sebastian Schindzielorz zielte darauf ab, dass möglichst jede Position doppelt und im Rahmen der Bochumer Möglichkeiten annähernd gleichwertig besetzt war. Das änderte sich vor gut anderthalb Jahren jedoch schlagartig.

System ohne Flügelstürmer

Trainer Thomas Letsch bekam von der neuen Sportlichen Leitung den Wunsch erfüllt, auf ein 5-3-2-System mit sogenannten Schienenspieler zu setzen. Sie sollten die Außenbahnen alleine beackern. Offensive Flügelspieler hatten in der Folge einen schweren Stand, der sich mit der Entwicklung von Gerrit Holtmann beispielhaft belegen lässt. Im ersten Jahr nach dem Aufstieg war der Publikumslieblung ununstrittene Stammkraft, bevor er dann mitgeteilt bekam, dass es seine Position nicht mehr geben soll. Diese Denkweise setzte sich nach der Trennung von Letsch zunächst fort. Peter Zeidler setzte bevorzugt auf ein 4-4-2 mit Mittelfeldraute. Die Schienenspieler wurden zu klassischen Außenverteidigern, offensive Flügelspieler gab es nicht. Das änderte sich erst wieder mit der Verpflichtung von Dieter Hecking. 

Holtmann wieder gebraucht

Der erfahrene Fußballlehrer misst vor allem den offensiven Flügelspielern eine deutlich höhere Bedeutung bei als seine Vorgänger. „Es hilft enorm, wenn du schnelle Flügelspieler hast. Wir brauchen Tempo in unserem Spiel, gerade dort“, erklärt Hecking die Reaktivierung von Holtmann und die Verpflichtung von Georgios Masouras. Wie die beiden dem VfL im Zusammenspiel helfen können, haben sie in Kiel bereits angedeutet, Holtmann auch schon in den Wochen davor. Mit seiner enormen Schnelligkeit hat der 29-jährige Linksfuß die eigenen Anhänger von den Sitzen gerissen und die gegnerischen Abwehrreihen immer wieder vor Herausforderungen gestellt, unterstützt von den aufgerückten Schienenspielern. Ähnliches soll nun auch Masouras auf dem rechten Flügel gelingen, unabhängig vom Spielsystem.

Umbau gegen Dortmund

Hecking bevorzugt ein 5-2-3 oder 4-3-3, je nach Personalsituation. „Die Viererkette ist jederzeit eine Option“, bekräftigt der Trainer. In der Defensive sind Passlack und Wittek mangels Alternativen im Grunde gesetzt. Fallen sie aus, so wie jetzt gegen Dortmund, ist Improvisation erforderlich und ein Wechsel zur Viererkette wahrscheinlich. Rechts könnte Tim Oermann verteidigen, links Bernardo, also zwei Innenverteidiger. Denkbar ist auch, dass Cristian Gamboa erstmals unter Dieter Hecking beginnt, oder gar U19-Talent und Rechtsverteidiger Kacper Koscierski, dem er „ohne Bedenken“ einen Bundesliga-Einsatz zutraut. Theoretisch könnte Hecking auch bei einer Fünferkette bleiben und Holtmann zurückziehen. Dann aber wäre eine offensive Dreierreihe mit schnellen Flügelspielern praktisch nicht mehr umsetzbar.


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(Foto: Imago / Nordphoto)

2:2 in Kiel

Genetzt und verletzt: VfL bangt um Boadu und den Klassenerhalt

So richtig warm werden konnten die Bochumer im frostigen Holstein-Stadion an der Kieler Förde ohnehin nicht. Doch schon nach einer Spielminute wurden sie besonders kalt erwischt. Nach einer kurz ausgeführten Ecke wehrte Felix Passlack eine Hereingabe mit dem Arm ab. Schiedsrichter Felix Zwayer zögerte keinen Moment und zeigte auf den Elfmeterpunkt. Steven Skrzybski bewies starke Nerven und schoss seine Kieler früh in Führung. Schlechter hätte das eminent wichtige Kellerduell für den VfL Bochum nicht starten können. Allerdings: Wesentlich besser hätte das Spiel zunächst auch nicht weitergehen können. Denn die Mannschaft von Trainer Dieter Hecking ließ die Köpfe nicht hängen und sorgte noch vor der Halbzeitpause für freudige Momente, als Myron Boadu innerhalb von nur drei Minuten doppelt traf und sein Team nach einer dominanten und chancenreichen Spielphase hochverdient in Führung brachte.

Zwei verletzungsbedingte Wechsel

Die Bochumer Gefühlsachterbahn endete am späten Sonntaganachmittag dennoch nur mit einem 2:2 und einer Punkteteilung. Nachdem der starke Boadu und der ebenso wichtige Gerrit Holtmann nach der ersten Hälfte mit muskulären Problemen ausgewechselt werden mussten, verlor der VfL die Spielkontrolle, fing sich schnell nach Wiederanpfiff den Ausgleich und hatte am Ende sogar Glück, weil das vermeintliche Siegtor durch Lewis Holtby aberkannt wurde. Holtby hatte Bochums Tom Krauß zuvor im Gesicht erwischt, Schiedsrichter Zwayer nahm den Treffer nach einem Hinweis des Video-Assistenten und einem Gang zum Bildschirm zurück. „Ich habe zwar ein bisschen Kopfschmerzen“, sagte Krauß, der deswegen sogar ausgewechselt werden musste. Doch nach Ansicht der TV-Bilder stellte der Neuzugang fest, dass der Unparteiische seine Entscheidung nicht zwingend hätte revidieren müssen.

Bochum bleibt Tabellenletzter

Knifflige Szenen dieser Art gab es einige, wobei die Bochumer in Summe nicht benachteiligt wurden. Der Elfmeter gegen Passlack war unstrittig. Auch der Kieler Marco Komenda bekam den Ball im Strafraum an den Arm, doch Zwayer und der VAR sahen keinen Grund für einen Elfmeterpfiff – allenfalls diskutabel, aber nicht falsch. Gleiches gilt für ein vermeintliches Strafraumfoul von Ivan Ordets an Holtby. Die Ursachen für den verspielten ersten Auswärtssieg sind folglich an anderer Stelle zu suchen. „Wir müssen in der ersten Halbzeit das dritte Tor machen. In der zweiten Hälfte haben wir leider nicht mehr so viele Zweikämpfe gewonnen“, bemängelte Krauß, der bei seinem Startelfdebüt eine gute Leistung zeigte und weiß: „Wir müssen langsam anfangen, Spiele zu gewinnen.“ Bochum bleibt auch nach dem Kellerduell Tabellenletzter mit zwei Punkten Rückstand auf Kiel sowie drei auf Heidenheim und den Relegationsplatz.

Ohne Wittek gegen Dortmund

Der erhoffte emotionale Befreiungsschlag gelang wieder nicht. Am kommenden Samstag empfängt der VfL den derzeit schwächelnden BVB. Offen ist, ob Boadu und Holtmann bis dahin wieder fit sind. Fehlen wird in jedem Fall Maximilian Wittek, der in Kiel seine fünfte gelbe Karte sah. Dafür kehrt Sissoko ins Team zurück, der in Kiel gesperrt aussetzen musste. Hecking veränderte seine Mannschaft im Vergleich zur Heimniederlage gegen Freiburg auf insgesamt vier Positionen. Zudem wechselte der Fußballlehrer das System, indem er in der Abwehr zu einer Fünferkette zurückkehrte und in der Offensive auf ein schnelles Angriffstrio setzte, das der Mannschaft sichtbar gut tat. Flügelstürmer Georgios Masouras feierte ein gelungenes Bundesliga-Debüt. Weichen mussten die zuletzt erfolglosen Dani de Wit, Moritz Broschinski und Philipp Hofmann, wobei die beiden Letztgenannten früh wieder eingewechselt wurden.

Boadus starke Trefferquote

Der Qualitätsunterschied zu Boadu und Holtmann war nicht zu übersehen. Die beiden ungeplanten Wechsel nach der ersten Halbzeit brachten den VfL merklich aus dem Rhythmus, die Abschlüsse wurden ungenauer, die Angriffsaktionen unkontrollierter. Vor allem Boadu ist derzeit nicht zu ersetzen. Dem Niederländer attestierte Hecking gute Trainingsleistungen, weshalb der 24-Jährige in die Startformation zurückkehrte. Boadu vereint eine gute Technik mit hoher Geschwindigkeit und einem Instinkt für torgefährliche Situationen. Er braucht im Schnitt nur 85 Minuten pro Tor – eine Quote, die in der Bundesliga nur Spieler wie Harry Kane oder Patrik Schick übertreffen, wenn man mindestens drei Saisontreffer als Grundlage nimmt. Bereits siebenmal traf Boadu für den VfL in dieser Saison bei nur sieben Startelfeinsätzen, fünf Tore davon erzielte er im Jahr 2025. Ein längerer Ausfall würde die Bochumer hart treffen.


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(Foto: Imago / Eibner)

Zweiter Geschäftsführer

Zeitplan, Hürden, Namen: Kaenzig sucht neuen Sportchef

Seit Monaten arbeitet VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig nahe an der Belastungsgrenze oder sehr wahrscheinlich darüber hinaus. Neben seinen üblichen Aufgaben musste der 51-Jährige in den zurückliegenden Wochen auch die Wintertransfers abwickeln. Neuland betrat der Tausendsassa aus der Schweiz damit nicht, war er doch schon in Leverkusen und Hannover für den Sport zuständig. Doch konnte er sich wirklich mit ganzer Kraft den Transfergeschäften widmen? Oder wäre mit personeller Unterstützung noch mehr möglich gewesen? Klar ist nur: Seine Doppelfunktion soll möglichst bald enden. Das ist auch der Wunsch von Kaenzig, dem einige VfL-Anhänger immer wieder vorwerfen, zu viel Macht an sich reißen zu wollen. Dabei hat Kaenzig nie darauf gedrängt.

Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian, also Kaenzigs Mitstreiter, verließ den Klub bereits im Mai 2024. Das Präsidium entschied sich gegen eine Nachbesetzung und machte Kaenzig stattdessen zum alleinigen Geschäftsführer mit einer Vertragslaufzeit bis 2029. Sportdirektor Marc Lettau rückte dadurch noch mehr in den Fokus, musste im Oktober allerdings ebenfalls gehen. Warum er zunächst bleiben durfte, obwohl ihm mehrere Mitglieder der Vereinsführung schon im vergangenen Sommer nicht mehr vertraut haben, bleibt wie vieles ein Rätsel. Naheliegend ist allerdings die Annahme, dass es keinen schnell umsetzbaren Plan B gab. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Mehr als 100 Tage sind seit der Trennung von Lettau vergangen, ohne dass der VfL einen Nachfolger präsentiert hat. 

Entscheidung bis März

Nach Abschluss der Transferperiode soll das Thema nun endlich angegangen werden. Der Zeitpunkt liegt auch darin begründet, dass Kaenzig an diesem Prozess beteiligt ist. Dem Präsidium mangelt es nicht nur an Geschlossenheit, es fehlen auch das Netzwerk und die Marktkenntnis. Die letzte externe Suche nach einem Sportchef liegt mehr als zehn Jahre zurück. Anschließend hat sich das Gemium stets innerhalb des eigenen Klubs bedient, was mangels Kandidaten derzeit aber nicht möglich ist. Kaenzig wiederum verfügt über die nötigen Kontakte und übernimmt deshalb die Suche in Abstimmung mit dem Präsidium, das aber die finale Entscheidung treffen wird. Kaenzig um Hilfe zu bitten, ist einerseits vernünftig, andererseits aber auch ein Eigenständnis des Gremiums, überfordert zu sein.

Denn: Geklärt ist mittlerweile, dass Kaenzig keinen Sportdirektor, sondern einen zweiten Geschäftsführer suchen soll – eine Aufgabe, für die qua Satzung eigentlich nur das Präsidium zuständig wäre. Spätestens im März soll der neue Mann gefunden sein, damit die Kaderplanung für die neue Saison zügig voranschreiten kann. Wobei Kaenzig bereits im Januar klar betont hat: „Viel wichtiger als der Zeitpunkt ist der Umstand, dass es inhaltlich und menschlich passen muss. Unsere Vorstellungen von der Gesamtentwicklung des Klubs und die Strategie des Sports müssen kompatibel sein.“ Kaenzig plädiert für eine „engere Verzahnung“ aller Abteilungen. „Niemand möchte, hat oder wird den Sportverantwortlichen in ihre Arbeit hineinreden“, aber: „Wir dürfen nicht siloartig denken und arbeiten.“ Beispielhaft nennt Kaenzig die Erhöhung der Transfereinnahmen oder die Wiedereinführung der U21.

Beide Ideen sollen gemeinschaftlich mit Leben gefüllt werden. „Denn eine Person allein wird uns keine deutlich besseren Ergebnisse bescheren. Es geht schließlich nicht nur um Transfers. Es braucht ein gutes Team, etwa im Scouting und im Staff, aber auch eine gute Stimmung und gute Arbeitsbedingungen“, weiß Kaenzig, der grundsätzlich einen anderen Stil befürwortet als ihn beispielsweise Marc Lettau praktiziert hat. Während unter dessen Regie bei der Spielerauswahl ein starker Fokus auf datenbasierte Informationen gelegt wurde, stehen Kaenzig und Trainer Dieter Hecking eher für eine klassische Art des Scoutings und der Kaderzusammenstellung. Dass der neue Sportchef diametral anders tickt als die beiden, ist unwahrscheinlich.

Schindzielorz keine Option

Doch wer genau passt dann ins Beuteschema? Dass der erfahrene Bundesliga-Manager Jörg Schmadtke erst kürzlich auf der VIP-Tribüne im Bochumer Ruhrstadion saß, war eher dem Zufall geschuldet. Hecking und er sind freundschaftlich miteinander verbunden, konkrete Anzeichen für eine erneute Zusammenarbeit gibt es derzeit aber keine. Schmadtke wäre ohnehin nicht bezahlbar, sollte der VfL im Branchenvergleich weiterhin ein unterdurchschnittliches Gehalt bieten. Zudem muss der künftige Sport-Geschäftsführer damit zurechtkommen, dass wohl bis Mai unklar bleibt, in welcher Liga der VfL künftig spielt. Dass nur einen Monat später das Präsidium – und damit seine Vorgesetzten – neu gewählt wird, ist eine weitere Hürde, die nicht zu unterschätzen ist. 

Auch deshalb ist es aktuell ausgeschlossen, Sebastian Schindzielorz zu einer Rückkehr nach Bochum zu bewegen. Der ehemalige VfL-Profi, der das Amt des Sport-Geschäftsführers bereits von 2018 bis 2022 inne hatte und in dieser Zeit maßgeblich zur erfolgreichen Entwicklung des Klubs beigetragen hat, hat den VfL vor gut zweieinhalb Jahren verlassen, weil es keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Präsidium gab. Suchen muss Kaenzig folglich woanders, etwa eine Liga tiefer. Dort haben sich zum Beispiel Benjamin Weber aus Paderborn oder Nils-Ole Book aus Elversberg auch die Grenzen der eigenen Stadt hinaus einen Namen gemacht. Wobei es angesichts der Gemengelage in Bochum eher unrealistisch ist, einen Manager zu überzeugen, der aktuell woanders unter Vertrag steht.


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(Foto: Marc Niemeyer)

VfL-Kolumne zu Wintertransfers: Hohe Erwartung kaum erfüllbar

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Dreimal im Monat gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Wintertransfers.

Ilja Kaenzig hat weder etwas Falsches gesagt noch Versprechungen abgegeben, aber er hat unweigerlich die Erwartungen der Fans in die Höhe getrieben. Der VfL müsse die Wintertransferperiode „nahezu perfekt“ nutzen, sagte der Geschäftsführer des VfL Bochum bereits im November. „Mit 08/15-Lösungen werden wir den Verein nicht retten“, fügte er im Dezember hinzu. Enttäuschung und Kritik nach Abschluss der Transferperiode sind fast die logische Folge.

Nun: Wenn wir die Tabellensituation, die Finanzen, die Marktlage und die klubinternen Umstände berücksichtigen, dann ist die Transferperiode weder optimal noch enttäuschend verlaufen. Mit Tom Krauß und Georgios Masouras hat der VfL seinen Kader zwar spät, aber im Rahmen seiner Möglichkeiten verstärkt. Der Wunsch, noch ein weiteres Mal nachzulegen, ging jedoch nicht in Erfüllung. Auch wenn der Bedarf, etwa auf der Rechtsverteidiger-Position oder im offensiven Mittelfeld, unübersehbar bleibt.

Allerdings es ist ein Trugschluss, dass neue Spieler automatisch besser sind als die vorhandenen. Die Wintertransferperiode ist traditionell schwierig. Viele Spieler sind gar nicht verfügbar, wiederum andere zwar wechselwillig, aber nicht bezahlbar oder bereit, sich dem Tabellenletzten anzuschließen. Der von einigen Fans geäußerte Vorwurf der Untätigkeit ist unfair, das zeigt das Beispiel Masouras. Erste Gespräche gab es schon vor einigen Wochen, aber Piräus hat den Spieler erst am Ende der Transferperiode freigegeben.

Immerhin: Dass es den Bochumern gelingen würde, gleich sechs Reservisten loszuwerden, war Anfang Januar nicht zu erwarten. Zwei von ihnen (Riemann, Balde) haben den Klub zum Glück endgültig verlassen, vier weitere (Loosli, Elezi, Daschner, Kwarteng) wurden verliehen, teils mit Kaufoption (Daschner, Kwarteng). Dass fünf der sechs Genannten erst in den Jahren 2023 oder 2024 verpflichtet wurden, ist ein weiterer Beleg dafür, dass beim VfL in der jüngeren Vergangenheit zu viel falsch gelaufen ist. Das alles lässt sich in einem Winter nicht korrigieren. Angesichts der strukturellen Defizite – ohne Sportdirektor oder eine starke Scouting-Abteilung – erst recht nicht.


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(Foto: Marc Niemeyer)

VfL-Podcast: Über Transfers, die Klubspitze und Abstiegskampf

Langweilig wird es beim VfL Bochum nie. Die Winter-Transferperiode ist abgeschlossen, die Suche nach einem neuen Sportchef läuft noch und die Lage im Tabellenkeller spitzt sich zu. Über diese Themen sprechen Claudio Gentile vom Bochumer Fan-Blog Einsachtvieracht und Philipp Rentsch von Tief im Westen – Das VfL-Magazin in einer Podcast-Sonderfolge. Viel Spaß beim Hören!


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(Foto: Marc Niemeyer)

Neuzugang sieht Niederlage: Bochum hofft auf die Relegation

In der Theorie war der Weg auf das Spielfeld nicht weit. Der griechische Nationalspieler Georgios Masouras saß bei der Bochumer 0:1-Niederlage gegen den SC Freiburg am Samstagnachmittag bereits auf der Tribüne des Ruhrstadions. Schon am Freitagabend kursierten Bilder von ihm mit einem VfL-Trikot in der Hand. Doch es fehlten noch Unterschriften von seinem bisherigen Klub aus Piräus. Erst nach dem Spiel meldete der VfL Vollzug. „Wir haben gehofft, es schon vor dem Spiel hinzubekommen. Aber Wintertransfers sind kein Wunschkonzert. Wir wussten, dass wir einen langen Atem benötigen“, erklärte Trainer Dieter Hecking. Masouras soll dabei helfen, das anhaltende Offensivproblem zu lösen. Auch gegen Freiburg blieb der VfL ohne eigenen Treffer – zum bereits neunten Mal in dieser Saison. 

Masouras-Leihe bis Juni

Hecking beschreibt den 31-Jährigen als „erfahrenen Stürmer, der uns mit seiner Qualität und Vielseitigkeit helfen kann.“ Masouras könnte als zweite Sturmspitze im oft bevorzugten 5-3-2-System zum Einsatz kommen, aber auch in einer 4-3-3-Formation starten, auf die Hecking gegen Freiburg und in den vergangenen Wochen immer gestezt hat. Flügelspieler waren und sind im Bochumer Kader jedoch Mangelware. Mit der Leihe von Masouras bis zum Saisonende erweitert der VfL seine Möglichkeiten auf den Außenbahnen, um die dringend benötigte Durchschlagskraft zu erhöhen. „Wir stehen da unten, weil wir zu wenige Tore erzielen“, weiß Hecking. Gegen Freiburg kam seine Mannschaft zwar immer wieder in Tornähe, hat Umschaltmomente aber nicht richtig genutzt oder überhastet abgeschlossen. 

Gegentor nach einer Ecke

Den besten Eindruck hinterließ erneut Gerrit Holtmann, der mit seiner Schnelligkeit regelmäßig Lücken in die Freiburger Abwehr riss und in der ersten Halbzeit zumindest die Torlatte traf. Dani de Wit, Moritz Broschinski oder Philipp Hofmann enttäuschten hingegen, Myron Boadu wurde nur eingewechselt. Der VfL präsentierte sich gegenüber dem schwachen Auftritt in Mönchengladbach insgesamt verbessert, aber immer noch auf einem bescheidenen Spielniveau. Weil Felix Passlack kurzfristig wegen einer Krankheit ausfiel, veränderte sich auch die Besetzung der Defensive. Die Bochumer Viererkette hatte den Freiburger Angriff über weite Strecken aber im Griff, nur nicht beim 0:1 durch Kiliann Sildillia, der nach einem Eckstoß einköpfen durfte. „Das war total unnötig und vermeidbar“, ärgerte sich Hecking.

Ohne Sissoko gegen Kiel

Das Gute immerhin: Kiel und Heidenheim haben parallel ebenfalls verloren, sodass der Rückstand auf den Relegationsplatz mit vier Punkten moderat bleibt. „Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass es ein Dreikampf um den Relegationsplatz wird“, sagte Hecking. Gerrit Holtmann pflichtete ihm bei und formulierte sogleich die Marschroute bis Mai: „Platz 16 ist unser Ziel.“ Die Mannschaften oberhalb des Relegationsrangs sind vorerst enteilt. Entsprechend bedeutsam ist das kommende Spiel für die Bochumer. Am nächsten Sonntag gastiert die Hecking-Elf bei Holstein Kiel. Dass der VfL in dieser Saison bei zehn Anläufen erst einen Auswärtspunkt eingefahren hat und auf den dann gesperrten Ibrahima Sissoko verzichten muss, führt eher zu Sorgenfalten denn zu großem Optimismus.

Zwei weitere Abgänge

Trotzdem: „Wir wollen und müssen auswärts ein anderes Gesicht zeigen. Das war bislang unwürdig. Dieses Spiel müssen wir ziehen – egal wie“, fordert Holtmann. Neben Masouras könnte dann auch Neuzugang Tom Krauß starten, der den Platz von Sissoko einnehmen dürfte. Krauß wurde gegen Freiburg eingewechselt, konnte nach nur einer gemeinsamen Trainingseinheit aber logischerweise noch nicht glänzen. Denkbar ist zudem, dass bis zum Transferende am Montagabend doch noch ein weiterer Spieler dazukommt. Weil sich Lukas Daschner auf dem Weg zum FC St. Gallen befindet und Samuel Bamba zu einem belgischen Verein wechseln will, dessen Name in Bochum seit September 2004 auf dem Index steht, könnte der VfL seinerseits ein drittes Mal auf dem Transfermarkt aktiv werden. 


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(Foto: Marc Niemeyer)

Krauß, Masouras, Daschner: Der VfL-Plan im Transfer-Endspurt

So früh wie möglich wollte der VfL Bochum in diesem Winter auf dem Transfermarkt aktiv werden, hatte VfL-Geschäftsführer Ilja Kaenzig im Dezember gesagt. Bis zum 30. Januar mussten sich die Fans und auch Trainer Dieter Hecking gedulden, ehe der Tabellenletzte der Bundesliga Tom Krauß als ersten Neuzugang präsentierte. Der 23-Jährige wird bis zum Saisonende das blau-weiße Trikot tragen. Krauß wurde ohne Kaufoption vom FSV Mainz 05 ausgeliehen. Bis zuletzt lief der Mittelfeldspieler regelmäßig für Luton Town auf. Weil Krauß aber unbedingt wieder nach Deutschland und in die Bundesliga zurückkehren wollte, wurde die Leihe mit dem englischen Zweitligisten vorzeitig abgebrochen.

„Ich bin froh, wieder in Deutschland zu sein, näher bei meiner Familie. Das ist mir wichtig. Ich habe lange mit Trainer Dieter Hecking gesprochen, den ich schon seit meiner Zeit in Nürnberg kenne. Er hat mich davon überzeugt, dass der Schritt zum VfL Bochum der richtige ist“, berichtet Krauß. Am Tag vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg hat er seine erste Trainingseinheit im VfL-Dress absolviert und wird beim Duell gegen die Breisgauer mindestens schon zum Kader, womöglich sogar zur Startelf gehören. Passenderweise erzielte Krauß sein bislang letztes Bundesliga-Tor ausgerechnet im Ruhrstadion. Im Herbst 2023 traf er für Mainz in der Nachspielzeit zum 2:2-Ausgleich.

Krauß ist kein Spielgestalter

Für den noch jungen Tom Krauß ist der VfL bereits die sechste Profistation. Für den Transfer nach Nürnberg war seinerzeit Dieter Hecking verantwortlich. Das hat jetzt zweifellos geholfen, wobei Krauß auch ansonsten alle Kriterien erfüllt, die der VfL aufgestellt hat. Er verfügt nach 63 Einsätzen für RB Leipzig, Schalke 04 und Mainz 05 über nennenswerte Bundesliga-Erfahrung und weiß aus eigener Erfahrung, was Abstiegskampf bedeutet. Krauß gilt als laufstarker und resoluter Balleroberer mit guter Technik und Spielintelligenz. „Mit seiner Art, wie er auftritt, passt er zum VfL“, sagt Hecking, für den klar war, dass ein Transfer nur infrage kommt, „wenn ein Spieler unsere Qualität erhöht.“

Krauß kommt bevorzugt als Sechser oder Achter zum Einsatz und soll beim VfL die personellen und taktischen Möglichkeiten im Mittelfeld erweitern. Der von zahlreichen Fans geforderte Spielgestalter ist er nicht; einen solchen haben die Verantwortlichen in den zurückliegenden Wochen aber auch gar nicht gesucht. Bevorzugt wurde ein anderer Spielertyp. Auch Florian Neuhaus hätte in dieses Beuteschema gepasst, war aber schlicht zu teuer. Der Ex-Nationalspieler verdient bei Borussia Mönchengladbach in etwa das Dreifache von dem, was ein Leistungsträger in Bochum erhält. Zudem war Neuhaus nicht von einem Wechsel zum Bundesliga-Schlusslicht überzeugt.

Anders als Krauß, mit dem nun auch ein 4-3-3-System als Alternative zum bislang bevorzugten 5-3-2 denkbar wäre. Für die rechte Seite fehlt den Bochumern allerdings noch ein schneller und zugleich torgefährlicher Flügelspieler. Koji Miyoshi und Moritz Broschinski können dort zwar spielen, Optimallösungen sind sie nicht. Schon seit Wochen laufen Gespräche mit verschiedenen Kandidaten, zum Erfolg geführt haben sie bislang aber nicht. „Einige Türen sind leider zugegangen“, berichtet Hecking. „Wintertransfers sind komplex. Wir müssen schauen, wer überhaupt verfügbar und bezahlbar ist, und wer uns wirklich weiterhilft.“ Reinen Aktionismus werde es mit ihm nicht geben, ergänzt Hecking.

Kommt Masouras nun doch?

Gesucht wird im Endspurt der Transferperiode vor allem noch ein Offensivspieler, der ähnlich wie der im Sommer abgewanderte Takuma Asano agieren kann. Wunschkandidat ist erneut der griechische Nationalspieler Georgios Masouras. Er wäre der zweite und wahrscheinlich letzte Neuzugang in diesem Winter, sofern sich nicht noch überraschend eine Handlungsoption für eine andere Position ergibt. Mit dem Angreifer von Olympiakos Piräus haben die Bochumer bereits während der vergangenen und vor der laufenden Saison über einen Wechsel verhandelt, doch Masouras blieb zunächst in seiner Heimat. Dort hat er in dieser Saison allerdings seinen Stammplatz verloren.

Kaenzig und Hecking wollen den 31-Jährigen bis zum Saisonende ausleihen. Das wird nun auch klappen, der Deal steht kurz vor dem Abschluss. Das Transferfenster schließt am 3. Februar. Bis dahin sind auch noch Abgänge möglich, wobei sich der VfL bereits von fünf Spielern getrennt hat. In dieser Woche wurde Innenverteidiger Noah Loosli zum Zweitligisten Greuther Fürth verliehen. Als Abgangskandidat gilt außerdem Lukas Daschner, an dem Hannover 96 interessiert ist. Für das Freiburg-Spiel hat ihn Hecking aus dem Kader gestrichen und diese Maßnahme mit deutlichen Worten begründet: „Ich kann keinen Spieler gebrauchen, der nicht mit 100 Prozent bei der Sache ist.“

Transparenzhinweis: Dieser Text ist erstmals am Freitagmorgen erschienen und wurde nach der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Freiburg um neue Aspekte ergänzt.


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