Vor dem Derby

Warum BVB-Talente gern und oft nach Bochum wechseln

Dass die Neuzugänge des VfL Bochum aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommen, ist seltener geworden. Die Zeiten, in denen die Talentspäher nur nach Essen, Herne oder allenfalls mal bis nach Münster fahren mussten, um ihren Kader zu verstärken, sind längst vorbei – Jahrzehnte, um genau zu sein. Dennoch wildert der VfL immer noch gerne in der Nachbarschaft. Selten bei Schalke 04, deutlich häufiger bei Borussia Dortmund. In den vergangenen sieben Jahren tauschten insgesamt fünf Spieler das schwarz-gelbe Trikot gegen das blau-weiße vom VfL Bochum ein. Den Anfang machten Jannik Bandowski 2016 und Janni Serra 2018, die allerdings fortgezogen sind, gefolgt von Patrick Osterhage im Sommer 2021 und Moritz Broschinski im Winter 2023. In der neuen Saison wird auch Felix Passlack vom BVB an die Castroper Straße wechseln. Von keinem anderen Klub – mit Ausnahme der TSG Hoffenheim – verpflichtete der VfL Bochum im genannten Zeitraum mehr Spieler. Zufall? Kein Zufall!

Weg zu den Profis ist weit

„Es ist ja nicht so weit nach Dortmund. Natürlich schauen wir da mit Interesse hin“, sagt VfL-Trainer Thomas Letsch, der an sämtlichen Vertragsgesprächen beteiligt ist. Doch geografische Aspekte sind nicht der einzige Grund, warum sich der Blick nach Dortmund lohnt. Der BVB hat traditionell eine sehr gute Jugendabteilung, wurde in den vergangenen acht Jahren viermal Deutscher U19-Meister und verfügt neben dem SC Freiburg über die einzige U23, die in der 3. Liga spielt. Trotzdem ist der Weg zu den Profis weit, nur die Besten setzen sich durch, viele bleiben auf der Strecke – und haben dennoch Bundesliga-Format. Allein aus den letzten sieben U19-Jahrgängen des BVB kicken heute 19 Spieler in der 1. oder 2. Bundesliga. Dass sich gerade der VfL Bochum zu einem beliebten Ziel entwickelt hat, liegt auf der Hand: Die Spieler müssen nicht umziehen, können im gewohnten Umfeld bleiben und sportlich weiter reifen. „Junge Fußballer sind beim VfL gut aufgehoben“, sagt der Spielerberater Klaus Berge.

Trainer-Lob für Broschinski

Der Ex-Profi hat früher selbst in der Bundesliga gespielt. In seiner heutigen Rolle als Berater hat er vor wenigen Monaten Moritz Broschinski nach Bochum gebracht. Auch Felix Passlack zählt zu seinen Klienten. „Die Kommunikation mit dem Trainer, aber auch das Miteinander von jüngeren und älteren Spielern ist in Bochum sicher besonders“, weiß Berge. All das trägt offensichtlich zur schnellen Integration bei. Bestes Beispiel: Sturmtalent Broschinski. Der VfL hat den Angreifer im Januar mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattet, ohne von ihm sofort Höchstleistungen als Stammspieler zu erwarten. Doch der 22-Jährige wurde seit seinem Wechsel schon neunmal eingewechselt und hat zwei Tore erzielt. „Eigentlich sollte Moritz das halbe Jahr bis zum Sommer nutzen, um sich an das Training und die Liga zu gewöhnen. Aber schon jetzt macht er es richtig gut. Er ist ein Torjäger, der immer den Abschluss sucht, der schnell ist und einen guten Körper hat. Er zeigt eine tolle Entwicklung“, sagt Letsch.

Im Sommer folgt Passlack

Patrick Osterhage, der schon seit fast zwei Jahren das VfL-Trikot trägt, ist sogar schon einen Schritt weiter. Der Mittelfeldspieler hat sich einen Platz in der Startelf erkämpft und zuletzt siebenmal in Folge von Beginn an gespielt. Auch gegen seinen Ex-Klub an diesem Freitagabend wird er wahrscheinlich auf dem Platz stehen. „Wir haben mit Patrick Osterhage und Moritz Broschinski bislang gute Erfahrungen gemacht“, sagt Letsch über die beiden Ex-Dortmunder in seinem Kader. Aus dem Duo wird im Sommer sogar ein Trio. Zur neuen Saison schließt sich auch Felix Passlack dem VfL Bochum an. Im Gegensatz zu Osterhage und Broschinski, die beim BVB lediglich in der U23 zum Einsatz kamen, bringt Passlack bereits nennenswerte Profi-Erfahrung mit. 35 Bundesliga-Spiele und 10 Champions-League-Einsätze stehen bislang in der Vita des 24-Jährigen. Beim VfL sollen weitere dazukommen. Wobei er auf sein elftes Champions-League-Spiel wohl noch ein paar Tage warten muss…


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(Foto: Marc Niemeyer)

Streitthema der Liga

40 Millionen Euro für den VfL? Kaenzig will den DFL-Investor

Ilja Kaenzig, Geschäftsführer des VfL Bochum, hat sich klar positioniert. Er befürwortet den Einstieg eines Finanzinvestors bei der DFL. „Wir brauchen das Geld, um Wachstum einzuleiten“, ließ sich Kaenzig kürzlich in der Printausgabe von 11 Freunde zitieren. „Wir sehen darin eine Chance“, betonte er außerdem vor einigen Wochen im Gespräch mit Tief im Westen – Das VfL-Magazin.  

Doch worum geht es überhaupt? Die Liga denkt über eine Finanzspritze nach – und ist womöglich dazu bereit, bis zu 20 Prozent seiner Medienrechte für 20 oder 25 Jahre an eine Investmentgesellschaft zu veräußern. Mehr als zwei Milliarden Euro könnten somit erlöst werden. Mitbestimmungsrechte soll es für die Geldgeber – zumindest auf dem Papier – keine geben. Bis zum 24. April hatten sechs potenzielle Partner die Möglichkeit, ein erstes Angebot abzugeben. Vier davon kommen aus den USA, einer von ihnen hat bereits vergleichbare Deals mit der La Liga in Spanien und der Ligue 1 in Frankreich abgewickelt.

Bundesliga will Schritt halten

Nun könnte die DFL mit der Bundesliga nachziehen, bis zum Sommer soll eine Entscheidung fallen. Doch die 36 Erst- und Zweitligisten, die einem solchen Deal mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen müssten, sprechen längst nicht mit einer Stimme. In beiden Ligen gibt es Befürworter wie Kritiker, wobei vor allem die großen und mächtigen Klubs der Pro-Fraktion angehören. Ihr Hauptargument: Es seien Investitionen nötig, um mit den Ligen aus Spanien, Frankreich und Italien weiter konkurrieren zu können, gerade auch im internationalen Wettbewerb. Es gehe um die „Qualitätssicherung der Bundesliga“, erklärte Ilja Kaenzig jüngst in der SportBild die Perspektive des VfL Bochum. „Es sollte uns gelingen, die größten Talente und besten Spieler einen Tick länger in der Liga zu halten.“

Darüber hinaus gehe es um einen kräftigen Schub bei gemeinsamen DFL-Projekten wie der Auslandsvermarktung oder digitalen Angeboten, ebenso bei der vereinseigenen Infrastruktur. Speziell beim VfL Bochum sei der Investitionsbedarf nach elf Jahren in der 2. Liga „riesig“. Das Nachwuchsleistungszentrum hat im Branchenvergleich an Strahlkraft verloren, selbst zahlreiche Zweitligisten haben mittlerweile bessere Möglichkeiten. Auch das Stadion kommt in der Bundesliga spürbar an seine Grenzen, die lukrativen VIP-Bereiche sind längst ausvermarktet. Zumal die Summe, die der VfL Bochum von einem DFL-Investor erhalten könnte, beträchtlich wäre. Je nach Investitionsvolumen und Verteilungsschlüssel könnte sie zwischen 30 und 50 Millionen Euro liegen, 40 Millionen Euro gelten jedoch als realistisch. Im Abstiegsfall würde die Summe womöglich sinken.

Mehr Geld für gleiche Qualität?

Die Contra-Fraktion warnt jedoch davor, auf zukünftige Erlöse vorzugreifen. Denn sollte sich ein Investor Anteile an den Medienrechten sichern, wandert jährlich ein prozentualer Anteil in dessen Kasse. Das setzt allerdings voraus, dass die Einnahmen stagnieren – die DFL geht hingegen fest von Wachstum aus. Ob das realistisch ist? Der Anstieg der Einnahmen ist zumindest keine Selbstverständlichkeit mehr. Schon der für die Spieljahre 2021 bis 2025 abgeschlossene TV-Vertrag hat im Vergleich zum Zeitraum davor keine Steigerung mehr gebracht, allerdings unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Zudem sind die aktuellen Anbieter, in erster Linie Sky und DAZN, finanziell angeschlagen.

Kritiker befürchten außerdem, dass sich die finanziellen und sportlichen Verhältnisse in Fußball-Deutschland mit der einmaligen Finanzspritze erst recht manifestieren würden. Während Vereine wie der VfL Bochum zukunftsorientiert in ihre Infrastruktur investieren möchten, könnten die Top-Klubs, die bereits über exzellente Trainings- und Ausbildungsmöglichkeiten verfügen, alles in ihre Mannschaft stecken. Insbesondere die Klubs, die aktuell nicht Teil der 1. oder 2. Bundesliga sind, wären hoffnungslos abgehängt. Auch das Argument von Kaenzig, die besten Spieler länger in der Liga halten zu können, kontern sie: Gleiche Qualität würde lediglich teurer werden. Umgekehrt würde die Bundesliga aber wohl auch an Qualität verlieren.

VfL-Investor wäre weniger wichtig

Um einen Kompromiss zu finden, schwebt der DFL deshalb eine dreigeteilte Ausschüttung vor. Sie soll übermäßigen Konsum in der Gegenwart verhindern und den Fokus auf strategische Investitionen legen. Die Idee: Etwa 750 Millionen Euro – also rund ein Drittel der möglichen Einnahmen – sollen für Digitalisierungs- und Internationalisierungsprojekte der gesamten Liga genutzt werden. Einen weiteren Topf soll es für Infrastrukturmaßnahmen der Vereine geben, einen dritten Topf zur freien Verwendung. Womit aber noch nicht geklärt wäre, wie genau das Geld unter den Klubs verteilt werden soll.

In der Bochumer Fanszene ist das Thema trotz seiner Tragweite bislang kaum Gegenstand von Diskussionen, lediglich die Ultras haben sich im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart mit einem Plakat wenig überraschend gegen einen Investoreneinstieg positioniert. Dabei hätte ein Milliarden-Deal der DFL für den VfL Bochum einen durchaus angenehmen Nebeneffekt: Die eigene Investorensuche würde vorerst in den Hintergrund rücken. Frisches Geld für Zukunftsprojekte käme somit vom Partner der Liga. Das bestätigt indirekt auch Ilja Kaenzig. „Den Auftrag der Mitgliederversammlung werden wir weiterverfolgen und die Investorensuche deshalb nicht einstellen“, betont er im Gespräch im Tief im Westen – Das VfL-Magazin. „Aber es würde uns den Druck nehmen und wir hätten mehr Zeit, den Richtigen zu finden.“


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(Foto: Imago / Team 2)

 

1:5 gegen Wolfsburg

Letsch verzockt sich: Defensiv desolat – und trotzdem gefeiert

Eigentlich wusste es Thomas Letsch doch besser. Auf die Frage, ob Jordi Osei-Tutu ein Verteidiger oder doch ein angreifender Flügelspieler sei, gab er eine klare Antwort: „Ich sehe ihn eher in der Offensive.“ Letsch ignorierte diese Erkenntnis bei seiner Aufstellung allerdings und setzte Osei-Tutu erneut als Abwehrspieler ein. Für den VfL Bochum hatte das gravierende Folgen: Osei-Tutu war mit einem Doppel-Fehler am ersten Gegentor beteiligt und leitete das 1:5-Debakel gegen den VfL Wolfsburg entscheidend mit ein. Auch ansonsten war er heillos überfordert.

Außenverteidiger besonders schwach

Allerdings wäre es viel zu einfach, die zweithöchste Saisonniederlage nur Osei-Tutu oder Letsch in die Schuhe zu schieben. Die gesamte Mannschaft hat große Schwächen gezeigt, vor allem defensiv. Danilo Soares erwischte ebenfalls einen rabenschwarzen Tag, hatte mit dem agilen Patrick Wimmer große Probleme, wirkte von Beginn an unkonzentriert und traf häufig die falschen Entscheidungen. Manuel Riemann patzte erneut, das 0:4 ging eindeutig auf die Kappe des Torwarts. Selbst erfahrene Kräfte wie Kevin Stöger oder Anthony Losilla gingen gemeinsam mit ihren Teamkollegen unter. Lichtblicke gab es nur wenige. Moritz Broschinski, der das Tor zum 1:4 erzielt hat, machte einen deutlich agileren Eindruck als der erkrankte Philipp Hofmann, der zur Pause in der Kabine blieb.

Schon während der ersten Hälfte korrigierte Letsch einen Fehler, nahm Osei-Tutu vom Feld und brachte Cristian Gamboa. „Jordi hatte große Probleme und hat nicht das auf den Platz gebracht, was wir vorher besprochen hatten. Deshalb haben wir reagiert“, erklärte Letsch, der sich mit seiner ursprünglichen Idee klassisch verzockt hat. Dass er trotz Alternativen – mit Gamboa und Konstantinos Stafylidis saßen zwei defensivstarke Außenverteidiger auf der Bank – erneut auf Osei-Tutu gesetzt hat, begründete er später so: „Wir wollten den Gegner spiegeln, ähnlich wie in Berlin. Da hat es Jordi ordentlich gemacht. Außerdem war Cristian Gamboa noch nicht bereit für 90 Minuten.“

Sechsmal mindestens vier Gegentore

Auch die Startelfnominierung von Simon Zoller für den angeschlagenen Takuma Asano hatte keinen positiven Effekt. Zwar ist Zoller überaus eifrig beim Anlaufen und Attackieren, doch seine brauchbaren Offensivaktionen halten sich seit geraumer Zeit in Grenzen, ein echter Flügelstürmer ist er ohnehin nicht. Der erhoffte Nebeneffekt, dass sich seine mitreißende Art auf die Mitspieler überträgt, blieb gegen Wolfsburg ebenfalls aus. Vor allem in den ersten 45 Minuten verweigerte der VfL in vielen entscheidenden Situationen eine konsequente Zweikampfführung, leistete sich haarsträubende Ballverluste, bot den Wolfsburgern viel zu große Räume an und gewährte beim zweiten und dritten Gegentreffer allenfalls Geleitschutz. Teilweise kam noch Slapstick hinzu.

Dass der VfL in beiden Halbzeiten zumindest nach Standardsituationen mehrere gute Chancen hatte, und trotz des 0:3-Pausenrückstands mit Elan und Mut aus der Kabine gekommen war, ist am Ende allenfalls eine Randnotiz wert. Spätestens mit dem vierten Gegentor war das Spiel entschieden. „Wir haben es dem Gegner bei allen fünf Toren viel zu leicht gemacht. Das ärgert mich, weil wir schon gezeigt haben, dass wir uns eigentlich verbessert haben“, sagte Letsch. Fakt ist aber auch: Bereits sechsmal in dieser Saison kassierte der VfL mindestens vier Gegentreffer – eine besorgniserregende Bilanz. Zumal als nächstes der neue Tabellenführer im Ruhrstadion gastiert.

Jetzt kommt Tabellenführer Dortmund

Bereits am kommenden Freitag kommt es zum brisanten Aufeinandertreffen mit dem BVB. Doch was macht dem VfL für das Derby gegen Dortmund Mut? Vielleicht die Tatsache, dass die Mannschaft in dieser Saison schon mehrfach (unerwartet) positiv auf einen herben Dämpfer reagiert hat. Oder dass viele Fans ihre Mannschaft trotz der 1:5-Pleite noch minutenlang gefeiert haben, was einige Spieler offenbar schwer beeindruckt hat. „Alle im Stadion brennen dafür, dass wir in der Liga bleiben. Das zeichnet Bochum aus“, stellte Thomas Letsch beeindruckt fest, nachdem er seine Spieler auch deswegen noch einmal in der Kabine versammelt hatte. Schließlich ist trotz der Niederlage gegen Wolfsburg nichts Gravierendes passiert. Ja, der VfL hat eine große Chance vergeben.

Doch Konkurrenten wie Hertha oder Hoffenheim haben ebenfalls gepatzt, Stuttgart als womöglich gefährlichster Verfolger nur einen Punkt geholt. Bedeutet also: Der VfL hat den Klassenerhalt fünf Spieltage vor Schluss weiter in der eigenen Hand, notfalls über die ungeliebte Relegation. Ein Problem allerdings: Ausgerechnet im Endspurt scheint die Heimstärke abhandenzukommen. Erst gab es fünf Siege in Folge, nun vier Niederlagen in fünf Partien. Trotzdem bleibt das Ruhrstadion im Abstiegskampf ein wichtiger Ort für womöglich entscheidende Momente.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Umgang mit Ehemaligen

Applaus oder Pfiffe: Nicht jeder Ex-Bochumer wird gefeiert

Gibt es einen Fußballgott? Die Fans von Union Berlin würden antworten: Nein, es gibt nicht nur einen, sondern ganz viele. Ob Keven Schlotterbeck, Dominique Heintz oder Marc Lettau – sie alle wurden am vergangenen Sonntag beim Gastspiel des VfL überaus freundlich in der Alten Försterei begrüßt. Schlotterbeck trug in der Saison 2019/20 das Trikot der Eisernen. Heintz wechselte im Winter 2022 nach Köpenick, acht Monate später wurde er nach Bochum verliehen. Lettau war vier Jahre Assistent von Manager Oliver Ruhnert. Als der Stadionsprecher vor dem Spiel ihre Namen verlas, gab es einen warmen, unüberhörbaren Applaus. Das war bei der Behandlungspause von Schlotterbeck und Einwechslung von Heintz nicht anders.

Im Berliner Stadtbezirk Köpenick ist das eine Selbstverständlichkeit und hat sich längst zum weichen Standortfaktor entwickelt. Wer dort das Trikot trägt, wird zum „Fußballgott“ ernannt. Und diesen Status verliert er auch nicht mehr. Selbst dann nicht, wenn die Verbindung zwischen Spieler und Fans auf eine harte Probe gestellt wird. Sebastian Polter zum Beispiel hatte sich besonders in die Herzen der Berliner Anhänger gespielt. Als er zu Beginn der Corona-Pandemie einen Gehaltsverzicht nicht mittragen wollte, gab es Knatsch zwischen ihm und den Bossen – wenige Monate später folgte die Trennung. Trotzdem wurde Polter zwei Jahre später, als er mit dem VfL in die Alte Försterei zurückgekehrt war, feierlich begrüßt. Vom Verein wie von den Fans.

Applaus für Leitsch, Pfiffe gegen Pantovic

In Bochum ist dagegen selten klar, was Ehemalige bei ihrer Rückkehr ins Ruhrstadion erwartet. In dieser Saison wurde der Kontrast besonders deutlich: Als Maxim Leitsch im August mit Mainz 05 zu Gast war, wurde das Bochumer Eigengewächs mit Applaus bedacht. Zwei Monate später hingegen, als Milos Pantovic im Trikot von Union Berlin an die Castroper Straße zurückkam, gab es Pfiffe. Das verwundert, denn: Sowohl Leitsch als auch Pantovic waren fester Bestandteil der Aufstiegsmannschaft und maßgeblich am Klassenerhalt in der Bundesliga beteiligt. Beide haben stets mit offenen Karten gespielt und einen möglichen Wechsel frühzeitig angedeutet – und doch fiel der Empfang ganz unterschiedlich aus. Rational erklärbar ist das nicht.

Lediglich bei Sebastian Polter im Hinspiel gegen Schalke und bei Ex-Trainer Thomas Reis im Rückspiel war schon im Vorfeld mit Unruhe zu rechnen. Und die Verärgerung zumindest in der Sache nachvollziehbar. Beide hatten sich im Frühling des vergangenen Jahres noch mit einprägsamen Worten zum VfL bekannt. Dass sie nur kurze Zeit später ausgerechnet mit Schalke 04 verhandelt haben, verstanden in Bochum nur wenige. Weitere Aussagen, als sie bereits beim Reviernachbarn unter Vertrag standen, brachten viele VfL-Fans endgültig auf die Palme. Die Folge: Zum Teil wüste Beschimpfungen. Reis musste sogar von Sicherheitskräften geschützt werden, der Abschnitt zwischen Mittellinie und Ostkurve wurde für ihn zur Tabu-Zone.

Schindzielorz-Rückkehr nach Bochum

Das wird bei der Rückkehr von Sebastian Schindzielorz zum Glück nicht notwendig sein. Trotzdem ist ungewiss, wie der Sportdirektor des VfL Wolfsburg an diesem Samstag empfangen wird. Als Jugendspieler und Fußballprofi hat Schindzielorz insgesamt 15 Jahre beim VfL verbracht. Später kehrte er als Chefscout zurück und stieg 2018 zum Sport-Geschäftsführer auf, bevor er den Verein im August 2022 auf eigenen Wunsch verließ. Nur wenige Wochen nach seinem letzten Arbeitstag in Bochum unterzeichnete der 44-Jährige einen neuen Vertrag in Wolfsburg. Der Unterschied: Im Gegensatz zu Reis hat sich Schindzielorz in der Öffentlichkeit stets zurückgehalten, nicht mehr gesagt als nötig und sich dem Klub gegenüber loyal verhalten.

Das Positive überwiegt also, sportlich ohnehin. Schindzielorz baute mit bescheidenen Mitteln den Kader, der den VfL nach elf Jahren zurück in die Bundesliga führte, den Klassenerhalt schaffte und auch in dieser Saison gut im Rennen liegt. All das, sollte man annehmen, haben die Fans in Bochum nicht vergessen und bedanken sich. Sicher ist das allerdings nicht. Einige Anhänger sind unzufrieden mit seinen letzten Transfers, andere sehen hinter dem Wechsel nach Wolfsburg ein abgekartetes Spiel. Sie behaupten, dass Schindzielorz schon zum Zeitpunkt seiner Kündigung gewusst habe, dass er in die Autostadt geht, obwohl es dafür bis heute keine Belege gibt. Wie auch immer: Applaus, Pfiffe oder Gleichgültigkeit – alles scheint möglich.

Ehemaligenmanagement beim VfL

Dabei hat zumindest der Verein längst erkannt, wie wichtig es ist, die Beziehung zu seinen früheren Angestellten zu pflegen. Von Ilja Kaenzig und Schindzielorz noch selbst angeschoben, hat der VfL eine Strategie entwickelt, wie er Ex-Bochumer nach ihrer Karriere wieder in das Vereinsleben integrieren kann – das sogenannte Ehemaligenmanagement ist entstanden. Der Fanbeauftragte Dirk Michalowski und Mitarbeiter Stefan Folke haben dafür mehr als 600 Kontakte zu Spielern und früheren Mitarbeitern gesammelt. Immer wieder gibt es Treffen der Ehemaligen. Das Ziel: Sie sollen Botschafter des Klubs sein und immer gerne nach Bochum zurückkommen. Es muss ja nicht jeder gleich zum Fußballgott ernannt werden.


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(Foto: Imago / Defodi)

1:1 in Berlin

VfL ärgert Union – doch „einige Spieler sind stinkig“

Vor der Partie in der Alten Försterei hätten wahrscheinlich alle Bochumer ein Unentschieden unterschrieben. Nach Abpfiff hingegen waren nicht alle glücklich mit dem 1:1. Ähnlich wie vor drei Wochen in Frankfurt haderten einige Spieler mit dem Ergebnis. Der VfL war knapp 30 Minuten in Überzahl und bestimmte am Ende das Geschehen. „Einige Spieler sind stinkig, dass wir nicht mehr ins Risiko gegangen sind“, erzählte Trainer Thomas Letsch kurz nach Abpfiff. Doch Abwehrspieler Dominique Heintz erinnerte flugs an die Ausgangssituation: „Union ist ein Spitzenteam. Deshalb freue ich mich über den Punkt.“ Heintz war schon früh für Keven Schlotterbeck ins Spiel gekommen. Der Innenverteidiger hatte sich eine tiefe Fleischwunde am Oberschenkel zugezogen und musste in der Kabine getackert werden.

Doch ganz gleich, mit welchem Personal der VfL den Berlinern entgegentrat: Die Hintermannschaft blieb stabil. Thomas Letsch hatte sich für Erhan Masovic als Ersatz für den gesperrten Anthony Losilla entschieden, vor allem um fehlende Kopfballstärke und die Defensive insgesamt zu stärken. Der Kapitän war trotzdem mit nach Berlin gereist, saß unmittelbar hinter der Trainerbank und spornte seine Teamkollegen immer wieder an. Weil auch Konstantinos Stafylidis mit einem Infekt ausfiel, Saidy Janko ebenfalls daheim blieb und Cristian Gamboa noch nicht wieder in Vollbesitz seiner Kräfte war, durfte Jordi Osei-Tutu rechts verteidigen – und löste diese Aufgabe mit Bravour. „Wir haben wieder als Mannschaft verteidigt, sind füreinander marschiert“, lobte Union-Leihgabe Heintz seine Mitspieler.

Konkurrenz punktet auch

Nach einer extrem ereignisarmen ersten Halbzeit, in der beide Mannschaften keine Ideen und Lösungen im Vorwärtsgang fanden, die Berliner aber mit einem sehenswerten Freistoßtor in Führung gingen, steigerte sich der VfL auch offensiv; es mangelte jedoch an Torgefahr. „In der ersten Halbzeit haben wir im eigenen Ballbesitz schlecht gespielt. In der zweiten Hälfte waren wir mutiger, taktisch variabler und hatten einen anderen Spielaufbau“, lobte Trainer Thomas Letsch und freute sich über Kevin Stögers verwandelten Foulelfmeter. Als der VfL nach einem Platzverweis gegen Paul Jaeckel sogar in Überzahl weitermachen durfte, musste Letsch abwägen: Angreifen oder sichern? „Eine Niederlage in Unterzahl wäre verheerend gewesen“, betonte Letsch und wählte eher die Sicherheitsvariante.

„Ich weiß, wir hatten Möglichkeiten, das Spiel auch zu gewinnen. Doch wenn ich an die Kopfballchance von Kevin Behrens und an das knappe Abseitstor denke, machen wir einen Haken dran und nehmen den Punkt gerne mit. Der kann für uns am Ende sehr wichtig sein.“ In der Tat. Die unmittelbare Konkurrenz hat am Wochenende ebenfalls gepunktet, Schalke am Freitag sogar dreifach. Eine interessante Parallele: Hoffenheim, Stuttgart und Bochum holten jeweils einen Zähler gegen die Top drei der Liga. Was mal wieder beweist, dass der Abstiegskampf nicht berechenbar ist. Zumal der VfL gerade diverse Gesetzmäßigkeiten dieser Saison durchbricht: Nach 18 Partien unter Letsch, in denen es nur Siege oder Niederlagen gab, gehören plötzlich auch Unentschieden zum Bochumer Reportoire.

Jetzt zwei Heimspiele

In Berlin gelang darüber hinaus der erste Punkt nach einem Rückstand. Mehr noch: 2023 erhielt der VfL mehr Elfmeter als er selbst verursachte; bis zum Winter war die Bilanz mit 0 zu 11 noch verheerend. Die Bochumer punkten zudem auch auswärts wieder, zuletzt dreimal in Serie. Dass vier der letzten sechs Saisonspiele im eigenen Stadion stattfinden, dürfte dennoch kein Nachteil sein, im Gegenteil. Am Samstag gastiert zunächst Ex-VfL-Manager Sebastian Schindzielorz mit Wolfsburg an der Castroper Straße, sechs Tage später folgt das brisante Derby gegen Dortmund, ebenfalls daheim. „Ich hoffe, dass unsere Fans – egal wie das Spiel läuft – uns toll unterstützen“, wünscht sich Letsch eine besondere Heimspiel-Atmosphäre – und wird dann sicher auch mehr wollen als ein Unentschieden. 


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(Foto: Andreas Gora)

Kaderplanung

Zehn VfL-Verträge laufen aus: Wer gehen wird und bleiben soll

Der Saisonendspurt ist längst eingeläutet. Auf dem Platz werden wichtige Weichen gestellt – hinter den Kulissen allerdings auch. Seit Wochen arbeiten der derzeit krankgeschriebene Geschäftsführer Patrick Fabian, Interims-Sportchef Marc Lettau und die personell verstärkte Scouting-Abteilung daran, den Kader für die kommende Saison zusammenzustellen. Dabei müssen sie immer noch zweigleisig planen. Das betrifft auch diejenigen, deren Verträge in diesem Sommer enden. Und die Liste ist lang: Zehn Spieler sind nur noch bis zum 30. Juni 2023 an den VfL Bochum gebunden. Darunter auch zwei Leistungsträger: Ivan Ordets und Konstantinos Stafylidis.

Sonderregel bei Ordets

Die beiden Defensivspezialisten gehören aktuell zur Stammformation von Trainer Thomas Letsch – und sollen nach Möglichkeit noch länger bleiben. In beiden Fällen wäre dies aber nur dann möglich, wenn der VfL weiter in der Bundesliga spielt. Und selbst dann gibt es noch Unwägbarkeiten, vor allem bei Ivan Ordets. Der Ukrainer steht eigentlich noch bis 2024 beim russischen Top-Klub Dinamo Moskau unter Vertrag. Nur dank einer Ausnahmeregelung der FIFA wegen des Krieges durfte er sich für die aktuelle Saison einen neuen Verein suchen. Diese Regelung endet – Stand heute – aber in wenigen Monaten. Ordets müsste also nach Moskau zurückkehren.

Dass er das als ukrainischer Staatsbürger kaum möchte, liegt auf der Hand. Der 30-Jährige hat jüngst seine Frau und seine zwei Kinder nach Deutschland geholt, scheint also in Bochum sesshaft werden zu wollen. Ein Verbleib von Ordets hätte für den VfL Bochum auch den Vorteil, dass er seine Abwehr nicht erneut im großen Stil umbauen müsste. Denn die Verträge von Keven Schlotterbeck, Dominique Heintz und Vasilios Lampropoulos laufen ebenfalls aus. Schlotterbeck und Heintz sind nur ausgeliehen. In beiden Fällen gäbe es wahrscheinlich Möglichkeiten, sie länger zu verpflichten, denn ihre Stammvereine planen längst auf einem anderen Niveau.

Doch sportliche Zweifel bleiben auch in Bochum: Schlotterbeck, der im Winter als Hoffnungsträger für die Abwehr verpflichtet wurde, hat seinen Platz in der Startelf schnell wieder verloren. Und Heintz, der zuletzt als Linksverteidiger ausgeholfen hat, kam monatelang fast gar nicht zum Einsatz. Vor allem bei ihm, aber insbesondere bei Vasilios Lampropoulos deutet vieles auf einen Abgang hin. Der im Winter 2020 verpflichtete Innenverteidiger kommt zwar immerhin auf 13 Saisoneinsätze, doch die Verantwortlichen wollen den Kader allmählich verjüngen. Mit Noah Loosli vom Grasshopper Club Zürich steht der erste Neuzugang für die Hintermannschaft bereits fest.

Ganvoula wird gehen

Von einem Verbleib in Bochum ist Silvere Ganvoula ebenfalls weit entfernt. Nachdem der Angreifer unter Thomas Letsch zunächst wieder in den Spieltagskader zurückgekehrt war und als Joker auch regelmäßig zum Einsatz kam, blieb ihm zuletzt nur noch ein Platz auf der Tribüne. Seit fast zwei Jahren wartet der Mittelstürmer nun auf ein Pflichtspieltor. Nach einer erstaunlich langen Zeit beim VfL – Ganvoula wurde bereits 2018 verpflichtet – werden sich die Wege im Sommer endgültig trennen. Dass er im blau-weißen Trikot sogar mal zweistellig traf, als Hoffnungsträger galt und es Angebote in Millionenhöhe gab, ist längst Vergangenheit und fast schon vergessen.

Spätestens im Mai wird es für ihn den obligatorischen Blumenstrauß geben – und sicher auch für weitere Spieler. Dass der VfL die Kaufoption für Rechtsverteidiger Saidy Janko ziehen wird, ist angesichts enttäuschender Leistungen fast ausgeschlossen. Auch von Winterneuzugang Pierre Kunde haben sich die Verantwortlichen deutlich mehr erhofft. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin verfügt der VfL zwar auch bei ihm über eine Kaufmöglichkeit, verpflichtend ist die Weiterverpflichtung allerdings nicht. Griechische Medien hatten im Winter behauptet, Kunde würde im Falle des Klassenerhalts für zwei Millionen Euro fest zum VfL wechseln müssen.

Weitere Leihverträge

Neben Kunde, Janko und Co. besitzt auch Ersatztorwart Marko Johansson nur einen Leihvertrag. Der Schlussmann wurde im Sommer vom Hamburger SV geholt – inklusive Kaufoption. Ob ihn der VfL halten möchte, ist bislang nicht bekannt. Aktuell ist der Schwede lediglich die Nummer drei in Bochum; vor ihm Stammkeeper Manuel Riemann und Routinier Michael Esser, der möglicherweise in seine letzte Saison gehen wird. Einen weiteren Torhüter braucht der VfL in jedem Fall, denn der Vertrag mit Paul Grave läuft ebenfalls aus. Nach mehr als drei Jahren ohne Pflichtspieleinsatz sehnt sich das Bochumer Eigengewächs nach Wettkampfpraxis.  

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(Hinweis: Durch die Mehrfachnennung ist die Prozentangabe irritierend und nicht korrekt. Die Stimmen werden jedoch richtig gezählt. Tief im Westen – Das VfL-Magazin bemüht sich in nächster Zeit um ein angepasstes Umfrage-Tool.)

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(Foto: Imago / Eibner)

Mehr Anstand und Respekt

Kommentar: Fußballer wie Riemann sind kein Freiwild

Fußballer sind kein Freiwild. Nur weil sie viel Geld verdienen, das die Fans Woche für Woche zum Verein tragen, müssen sie sich nicht beschimpfen oder beleidigen lassen. Weder im Internet noch im Stadion. Auch sie sind Menschen, auch sie haben Gefühle. Und wer an dieser Stelle widerspricht, dem fehlen Anstand und Respekt. Da ist es auch zweitrangig, welcher Wortlaut genau der Anlass dafür war, dass Manuel Riemann am Sonntag nach der Niederlage gegen Stuttgart so ausgetickt und auf einen Fan zugestürmt ist. Die Hemmschwelle sinkt.

Trotzdem muss sich der Torwart natürlich halbwegs im Griff haben und sollte sich nicht provozieren lassen. Dass Riemann im Überschwang der Emotionen kaum zu kontrollieren ist, hat er schon des Öfteren bewiesen. Bestes Beispiel: Wie er nach dem Schlusspfiff auf Schiedsrichter Frank Willenborg zulief, ihm wütend in die Augen sah und anbrüllte, hat mit Respekt ebenfalls wenig zu tun – obgleich auf einer anderen Ebene. Ruhe zu bewahren statt den Nahkampf zu suchen, gehört zum Profi-Dasein durchaus dazu, hier wie dort.

Verbissenheit beim Fußball

Doch mal grundsätzlicher gefragt: Warum entsteht gerade der Eindruck, dass in Fußball-Bochum stellenweise das Gemeinschaftsgefühl abhandenkommt? Das Verhältnis zwischen Mannschaft und Teilen der Fans ist angeknackst. Dass es schon nach der Derbypleite gegen Schalke Beleidigungen zuhauf gab, kam in der Kabine gar nicht gut an. Beim Sieg in Köln hielt die Mannschaft merklich Abstand zur Kurve. Die Theorie, dass es nur Einzeltäter sind, zieht auch nicht mehr: Wutausbrüche mit Beschimpfungen oder obszöne Gesten gibt es ständig.

Geht es um die Ursachenforschung, könnte dieser Kommentar gar nicht lang genug sein. Was aber auf Anhieb auffällt: Die gestiegene Erwartungshaltung und die (zunehmende) Verbissenheit bei vielen Anhängern. Es soll Menschen geben, deren Laune hängt tagelang maßgeblich vom Abschneiden ihrer Fußballmannschaft ab, gerade bei „wichtigen Spielen“. Jeder setzt im Leben andere Prioritäten – aber manchmal gerät in Vergessenheit, dass der Fußball nur ein Freizeitvergnügen ist. Stattdessen wird ihm allzu oft eine übertriebene Bedeutung beigemessen.

Das führt logischerweise zu extremen Stimmungsschwankungen auf den Tribünen, die Fußballprofis kaum nachvollziehen können. Auch hierfür gibt es ein aktuelles Beispiel: Zwischen dem Abgesang nach der Pleite gegen Schalke und dem Loblied auf den Sieg in Köln lagen nur wenige Tage. Diese Ausschläge sind im Fußball nicht neu. Aber motivierend sind sie immer noch nicht. Oder wird ein Spieler, der bei einer Niederlage mit Beschimpfungen rechnen muss, plötzlich zum leistungsstarken Vollblut-Bochumer mit einer emotionalen Nähe zum Klub? Eher im Gegenteil.

Den Austausch fördern

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Spieler und Fans kaum noch kennen und begegnen, die Entfremdung zunimmt. Die Profis nehmen in den meisten Fällen nur noch selten am übrigen Stadt- und Vereinsleben teil, der VfL fordert dies auch nur halbherzig ein. Überspitzt formuliert und ohne das Verhalten rechtfertigen zu wollen: Wer mit den Spielern kommunizieren will, muss brüllen oder mit Gesten auf sich aufmerksam machen. Plattformen für einen sachlichen Austausch existieren kaum. Dabei fördern sie das Miteinander, sorgen für Verständnis und Respekt füreinander.

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(Foto: Imago / RHR-Foto)