Vertrag läuft aus

Die Konkurrenz lockt: Warum Stöger schwer zu halten ist

Auf Kevin Stöger möchte Thomas Letsch nicht mehr verzichten. Nur ein einziges Mal, nämlich bei seinem Debüt im Oktober 2022, setzt der Fußballlehrer den Österreicher aus freien Stücken auf die Ersatzbank. Wenn Stöger fit und nicht gesperrt war, gehörte er anschließend ausnahmslos zur Bochumer Startelf. Neulich erst sprach Letsch seinem Spielgestalter quasi eine Einsatzgarantie aus. „Kevin ist für uns ein ganz, ganz wichtiger Spieler. Er fordert immer den Ball. Das ist seine große Stärke, und genau das tut uns gut“, lobte Letsch den 30-Jährigen und geriet fast ins Schwärmen. „Er sorgt für eine Balance in unserem Spiel, hat ein gutes Gespür, coacht die Spieler um sich herum. Kevin ist aktuell in unserer Mannschaft gesetzt.“ Für Letsch, der sich zu Personalfragen ansonsten eher zurückhaltend äußert, sind das außergewöhnliche Worte.

Vertrag läuft im Sommer aus

Doch Wertschätzung dieser Art macht Profifußballer allein nicht glücklich. Der VfL Bochum wird folglich weitere Argumente liefern müssen, um den Mittelfeldspieler über das Saisonende hinaus zu binden. Stögers Vertrag läuft im Sommer aus, Stand jetzt droht der ablösefreie Abgang eines absoluten Leistungsträgers. „Ich habe zunächst mit dem VfL gesprochen. Ich habe aber auch klar kommuniziert, dass ich mir andere Sachen anhöre“, sagte Stöger jüngst der österreichischen Kronen-Zeitung. Ungewöhnlich und branchenunüblich ist dabei, dass der frischgebackene Familienvater ohne einen Berater in die Verhandlungen geht. „Ich weiß, was ich will, also führe ich die Gespräche allein“, erklärte Stöger im Oktober gegenüber Tief im Westen – Das VfL-Magazin. „Trotzdem bin ich natürlich im Austausch mit Leuten, die mir einen Rat geben.“

Union war im Winter interessiert

Doch welcher wird das sein? Interessant ist Stögers Transferhistorie. Nie blieb der Österreicher als Profi länger als zwei Jahre bei einem Klub. Für den VfL Bochum spielte der Linksfuß bereits von 2016 bis 2018, bevor er 2022 an die Castroper Straße zurückkehrte. Mit fünf Saisontreffern sowie sechs direkten Torvorlagen ist er aktuell der Top-Scorer im Team des VfL. Im zentralen Mittelfeld ist Stöger der Denker und Lenker des Bochumer Spiels. Das bleibt selbstverständlich auch anderen Klubs nicht verborgen. Im Januar, also erst vor wenigen Wochen, erkundigte sich Liga-Konkurrent Union Berlin nach den Möglichkeiten eines Transfers. Der Tabellennachbar gab sogar ein konkretes Angebot ab. Doch der VfL entschied sich gegen die lukrative Offerte – weil die Verantwortlichen im Winter keinen Leistungsträger verlieren wollten.

Stögers letzter großer Vertrag

Das unterstreicht einerseits, welch hohen Stellenwert Stöger beim VfL genießt, andererseits zeigt es aber auch, dass die Vertragsverhandlungen aus Bochumer Sicht kompliziert werden. Sollte Union Berlin erneut ein Angebot vorlegen, oder ein anderer etablierter Bundesligist, dann ist der Spieler für den VfL wahrscheinlich nicht zu halten. Die Köpenicker sind den Bochumern wirtschaftlich überlegen und wären wohl selbst dann in der Pole Position, wenn der Spielmacher beim VfL zum Top-Verdiener aufsteigen würde. Erschwerend kommt hinzu, dass Stöger wohl den letzten großen Vertrag seiner Karriere abschließen wird. Der Edel-Techniker wird im August 31 Jahre alt. Ob ihn auch Argumente abseits des Zahlenwerks – ein gewohntes Umfeld, ein sicherer Stammplatz und womöglich sogar die Kapitänsbinde – überzeugen werden, steht in den Sternen.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

Kolumne: Auch ohne Investor wird sich die Liga verändern

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Der gestoppte Investoreneinstieg.

Ilja Kaenzig hat es in der vergangenen Woche treffend formuliert. Die DFL-Idee, die Bundesliga mit Investorengeld zukunftsfähig aufzustellen, habe „kulturell“ nicht gepasst. Noch nie zuvor waren die Fanproteste in den Stadien so heftig und so wirkungsvoll.

Der Profifußball lebt von der Hingabe seiner Fans. Ohne sie würde nur noch das reine Spiel bleiben. Keine Ticketeinnahmen. Keine Sponsoren. Keine TV-Gelder. Die Fans sind die mächtigste Gruppe in diesem Geschäft. Viele Entwicklungen auf dem Weg der Kommerzialisierung haben sie zähneknirschend mitgetragen. Den geplanten Investoreneinstieg und den möglichen Bruch der 50+1-Regel bei der entscheidenden Abstimmung wollten sie nicht akzeptieren.

Der Wunsch nach Wachstum bleibt bei den Klubs natürlich bestehen. Über eine Streamingplattform und Auslandsreisen möchten sie die Einnahmen steigern. Doch dafür braucht es gewissermaßen Startkapital. Nur welche Geldquellen soll die DFL jetzt anzapfen? Sich mit Krediten verschulden? Oder den Klubs Teile ihrer TV-Einnahmen nehmen? Die Folge wären Wettbewerbsprobleme auf dem globalisierten Transfermarkt – oder etwa steigende Ticketpreise, um die Verluste auszugleichen. Denn schon jetzt sind die Budgets vielerorts extrem auf Kante genäht.

Von außen betrachtet sind das Luxusprobleme. Es ist ja nicht so, dass es im Fußball an Geld fehlen würde. Es fließt nur mehrheitlich in immer höhere Spielergehälter oder Beraterhonorare, um mit anderen Ligen und Ländern mithalten zu können. Weniger mit England, das Mutterland des Fußballs ist ohnehin enteilt. Sondern mit Spanien, Italien oder Frankreich.

Die Grundsatzfrage lautet: Welchen Fußball möchte die Mehrheit der Fans? Option eins: Die Liga soll international wettbewerbsfähig bleiben. Dann braucht es eine Strategie zur Gewinnmaximierung, inklusive unpopulärer Finanzierungswege. Option zwei: Ein Ende der fortschreitenden Kommerzialisierung, gleichbedeutend mit einem Verlust guter Spieler. Klar ist: Wer glaubt, mit dem geplatzten Investoreneinstieg würde alles so bleiben wie es ist, der irrt. Der Streit um die Zukunft der Bundesliga hat gerade erst begonnen.


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(Foto: Imago / osnapix)

2:5 in Gladbach

VfL-Tag zum Vergessen: Schiri, Schnapper, Schienenverkehr

Wenigstens haben sie nichts Besonderes verpasst. Für knapp 1.000 Bochumer Fans endete der Wochenendausflug nach Mönchengladbach bereits am Bahnhof in Viersen. Zwei Streckensperrungen sorgten dafür, dass der Sonderzug aus Bochum nie sein Ziel erreichte. Im Gästeblock waren deutliche Lücken zu sehen, die Partie begann zehn Minuten später – was allerdings wenig brachte. Immerhin: Eine deutliche Niederlage mit fünf Gegentreffern ist ihnen somit erspart geblieben. Denn auch aus sportlicher Sicht war es für den VfL Bochum ein gebrauchter Tag. Mit 2:5 ging das Team von Trainer Thomas Letsch beim Tabellennachbarn unter. „Wir haben den Gegner zu den Toren eingeladen“, monierte Letsch, dessen Mannschaft sich vor allem in der Defensive unaufmerksam und unsortiert präsentierte. Ein Eigentor von Cristian Gamboa und ein verwandelter Elfmeter von Julian Weigl ließen die Fohlenelf bereits in der ersten Halbzeit jubeln. Drei weitere Einschläge ins Bochumer Tor folgten in der Schlussphase der Partie.

Mehrere Ausfälle

Dass Philipp Hofmann erstmals nach mehr als zehn Monaten wieder ein Pflichtspieltor erzielte, geriet zur Randnotiz, ebenso wie der zwischenzeitliche Anschlusstreffer von Keven Schlotterbeck zum 2:4. Doch warum konnte der VfL gegen die angeschlagene Borussia nicht an den 3:2-Erfolg gegen die Bayern anknüpfen? Insgesamt vier Ausfälle in der Startelf machten sich spürbar bemerkbar, vor allem in der Defensive. Kapitän Anthony Losilla war gesperrt, Patrick Osterhage, Tim Oermann und Christopher Antwi-Adjei plagten muskuläre Probleme. Vor allem Cristian Gamboa enttäuschte als Ersatz, hatte die rechte Abwehrseite nie im Griff. Aber auch im Mittelfeld klafften große Lücken. „Wir reden immer von einem ausgeglichenen Kader“, sagte Trainer Letsch nach der Partie. „Aber wenn mit Losilla und Osterhage zwei so wichtige Mittelfeldspieler fehlen, ist das schwer zu kompensieren.“ Hinzu kamen fragwürdige Schiedsrichterentscheidungen. Gleich mehrfach stand Sven Jablonski im Mittelpunkt des Geschehens.

Strittige Szenen

Dass der Unparteiische Bernardos frühes Führungstor zurücknahm, war unstrittig, weil der Ball vor der Torerzielung nicht an den Arm gehen darf, auch nicht unabsichtlich. Richtig war auch, dass Jablonski das vermeintliche 3:0 durch Florian Neuhaus wegen eines Trikotzupfers bei Ivan Ordets zurücknahm. Bei dessen Einsteigen gegen Manu Kone auf Elfmeter zu entscheiden, war hart, das heftige Einsteigen von Neuhaus gegen Kevin Stöger lediglich mit Gelb statt mit Rot zu ahnden, mindestens grenzwertig; wobei Stöger, der Neuhaus anschließend umstieß, mit Gelb ebenfalls gut bedient war. Einige Bochumer sahen zudem eine Abseitsposition von Rocco Reitz vor dem 4:1, doch Bernardo stand auf gleicher Höhe. „Spielentscheidend war die Schiedsrichter-Leistung nicht“, sagte VfL-Verteidiger Bernardo später in den Katakomben, allerhöchstens mitentscheidend. Letsch sah das ähnlich: „Wenn wir 2:5 verlieren, müssen wir vor allem über unsere Leistung sprechen.“ Zumal die Bochumer Mannschaft nicht den gewohnten Zusammenhalt demonstrierte. 

Riemamn gesperrt

Abermals forderte Torhüter Manuel Riemann vom Trainerteam personelle Veränderungen, diesmal schon während der ersten Halbzeit. Riemann brüllte und gestikulierte, Letsch wies ihn zurück. Eine Grenzüberschreitung? „Es ist nicht die Aufgabe von Spielern, Trainer-Entscheidungen zu kommentieren“, hatte Letsch schon neulich gesagt, als sich Riemann ähnlich verhielt. Bochums Schnapper hat nun genügend Zeit, sich wieder zu beruhigen. Wegen Meckerns in einer anderen Szene sah er die fünfte Verwarnung. Er ist der erste Bundesliga-Torhüter seit elf Jahren, der eine Gelbsperre absitzen muss. Riemann wird folglich im Heimspiel gegen Leipzig fehlen, vieles deutet auf ein Comeback von Andreas Luthe hin. Auch Erhan Masovic ist dann gesperrt. Ungewiss ist noch, ob einer der Verletzten zurückkehren wird. Zumindest Losilla steht wieder zur Verfügung. „Mit ihm zu spielen, ist besser für uns“, meinte Bernardo nach der Pleite in Mönchengladbach. Und wenn die Bochumer Fankurve komplett gefüllt ist, sicher auch.


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Investor & Fanproteste

So reagiert die VfL-Spitze auf den gescheiterten DFL-Plan

Als am vergangenen Sonntag beim Bochumer Heimsieg gegen den FC Bayern erneut Tennisbälle auf das Spielfeld flogen, blickte Torhüter Manuel Riemann mit wenig Verständnis in Richtung Osttribüne. Zum ersten Mal musste auch ein Spiel des VfL Bochum länger unterbrochen werden, in Summe knapp zwanzig Minuten. Zwischenzeitlich stand die Partie sogar kurz vor dem Abbruch. Schiedsrichter Daniel Schlager unternahm einen letzten Versuch, die Partie fortzusetzen. Kapitän Anthony Losilla half schließlich mit einer Ansage an die Ultras dabei mit, ein vorzeitiges Ende zu verhindern. Wie genervt vor allem die Akteure auf dem Platz von den Protesten gegen die Investorenpläne der DFL waren, zeigte Keven Schlotterbeck nach dem Spiel: „So geht es nicht weiter“, sagte der Abwehrrecke.

Friedlicher und kreativer Protest

Wird es auch nicht. Die DFL verkündete am Mittwoch, dass sie ihre Investorenpläne zurück in die Schublade legen wird. Der vehemente Protest, vor allem ausgehend von den Ultras, aber auch unterstützt von anderen Fangruppen, hat Wirkung gezeigt. „Eine erfolgreiche Fortführung des Prozesses scheint in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr möglich“, schreibt das DFL-Präsidium unter der Leitung von Hans-Joachim Watzke und begründet diese Entscheidung: „Der deutsche Profifußball steht inmitten einer Zerreißprobe, […] die mit zunehmender Vehemenz den Spielbetrieb, konkrete Spielverläufe und damit die Integrität des Wettbewerbs gefährden.“ Die Proteste dürften damit bereits enden. Ihr Erfolg unterstreicht eindrucksvoll, wie mächtig die Fans im Zweifel sein können.

Ilja Kaenzig, Geschäftsführer des VfL Bochum, war jedenfalls überrascht von der plötzlichen Kehrtwende des Ligaverbandes. „Fußball ist Volkssport. Und das Volk hat friedlich und kreativ Kritik geäußert. Die DFL-Idee hat kulturell nicht gepasst. Das muss man akzeptieren“, sagte Kaenzig am Mittwochabend bei einer schon länger geplanten Podiumsdiskussion an der Ruhr Universität Bochum, organisiert vom Deutschen Fußballmuseum. Vor knapp 100 Zuhörern und im Gespräch mit Tief im Westen – Das VfL-Magazin ordnete Kaenzig die Entscheidung aus VfL-Sicht ein: „Wir waren überzeugt von den Plänen. Aber der Deal ist auch an der Kommunikation gescheitert.“ Es sei zum Beispiel nicht gelungen zu vermitteln, dass alle Klubs von einer internationalen Konkurrenzfähigkeit der Liga profitieren.

Fragwürdiges Abstimmungsergebnis

Rückblick: Im Dezember 2023 haben sich die 36 DFL-Klubs darauf verständigt, dass der Ligaverband Verhandlungen mit Investoren führen darf. Eine ausgewählte Kapitalbeteiligungsgesellschaft sollte einen kleinen Teil der lukrativen Medienrechte für die nächsten 20 Jahre erwerben, um der Liga damit auf einen Schlag frisches Geld bereitzustellen. Von rund einer Milliarde Euro war die Rede. Die DFL wollte das Geld nutzen, um neue Märkte zu erschließen und somit Wachstum zu generieren. Geplant war (oder ist) unter anderem eine eigene Streamingplattform, auch Auslandsreisen der Klubs zu Vermarktungszwecken sollten unterstützt werden. Der VfL Bochum und 23 andere Klubs haben sich für dieses Modell ausgesprochen. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit war damit ganz knapp erreicht.

Allerdings gibt es den Verdacht, dass Martin Kind als Vertreter von Hannover 96 entgegen der Weisung seines Vereins in geheimer Wahl für statt gegen die Investorenpläne gestimmt haben soll. Angesichts der knappen Mehrheit war es womöglich die entscheidende Stimme. Die Fanszenen im Land und einige Klubs forderten deshalb „eine offene Neuabstimmung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit unter Einhaltung der 50+1-Regel“. Dazu kommt es jetzt nicht mehr, das Thema einer Investorenbeteiligung ist vom Tisch. Doch wie geht es für die DFL und ihre 36 Mitglieder weiter? „Der Fußball nimmt dadurch keinen Schaden, weil das Spiel von der Entscheidung unberührt bleibt“, sagte Kaenzig am Mittwochabend. „Trotzdem müssen wir natürlich schauen, wie wir die Liga in die Zukunft führen können.“

Binnenfinanzierung als Alternative

Die Liga müsse in ihr Geschäftsmodell investieren. Das Produkt sei stellenweise rückständig im Vergleich zu anderen Ligen. „Ohne Wachstumskapital wird es keine Steigerung der TV-Gelder geben, eher im Gegenteil“, prognostiziert der Geschäftsführer des VfL. Kaenzig befürchtet mittelfristig sogar sinkende TV-Einnahmen, weil etwa eine zeitgemäße Streamingplattform oder ein konsequentes Vorgehen gegen Lizenzverstöße bei illegalen Übertragungen fehle. „Besonders den mittleren und kleineren Klubs würde das weh tun, weil dort der Anteil der TV-Gelder am Gesamtetat größer ist als bei den Großen.“ Deshalb habe sich der VfL für einen Investorendeal ausgesprochen. Das Geld müsse nun anderweitig aufgetrieben werden, betonte Kaenzig. Möglicherweise sei eine Binnenfinanzierung das Mittel der Wahl.

Das würde bedeuten, dass alle Klubs in einem festgelegten Zeitraum auf rund zehn Prozent ihrer TV-Einnahmen verzichten müssten. „Wenn es dazu käme, dann wäre auch das eher ein Nachteil für uns und nicht für die Top-Klubs“, erklärte Kaenzig, der in seinen Ausführungen Unterstützung von Christina Reinhardt erhielt. Die Kanzlerin der Ruhr Uni ist seit Ende 2022 Mitglied des Bochumer Präsidiums. Aus ihrer Sicht sei es nicht gelungen, die Hintergründe der DFL-Pläne zu erläutern und im Dialog mit den Fans die Sorge vor „Schreckensszenarien“ zu nehmen. „Deshalb finde ich es richtig, die Investorenpläne zu stoppen“, sagte sie am Mittwochabend. Auch die Spieler dürften die Entscheidung der DFL begrüßen. So wird sich auch Manuel Riemann wieder ausschließlich auf Fußbälle konzentrieren können.


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(Foto: Tim Kramer)

3:2-Sieg gegen Bayern

Bochumer Triumph: Momente, für die wir ins Stadion gehen

Kein Eventmanager dieser Welt käme auf die Idee, die größte Party des Jahres auf einen Sonntagabend zu legen, wenn die Gäste am nächsten Morgen wieder arbeiten müssen. Doch im Fußball muss man die Feste so feiern, wie sie fallen – beim VfL Bochum erst recht. „Ein Gläschen Wein sei uns gegönnt“, sagte Sportdirektor Marc Lettau nach dem furiosen 3:2-Triumph seiner Bochumer im Heimspiel gegen den FC Bayern zur Getränkeauswahl. Torschütze Keven Schlotterbeck bevorzugte dagegen „ein Bier in der Kabine“, während Trainer Thomas Letsch in der Pressekonferenz nach dem Spiel noch bei einem Glas Wasser blieb. „Aber im Laufe des Abends ist sicher noch was anderes drin“, sagte Letsch mit einem Lächeln im Gesicht.

Zwei lange Spielunterbrechungen

Weit mehr als zwei Stunden mussten die Fans und Zuschauer im nasskalten Bochumer Ruhrstadion ausharren, ehe sie den fünften Saisonsieg bejubeln durften. Erneut protestierten die Fans aus beiden Lagern gegen die Investorenpläne der DFL, von beiden Seiten flogen etliche Tennisbälle aufs Feld. Rund zwölf Minuten war die Partie in der ersten Halbzeit unterbrochen, weitere acht im zweiten Durchgang. Die Partie stand zu diesem Zeitpunkt kurz vor dem Abbruch, ehe VfL-Kapitän Anthony Losilla zu den eigenen Ultras lief und genau darauf hinwies. Einen Abbruch wollte in Bochum schließlich niemand. Denn schon da kündigte sich Historisches an. Der VfL führte mit 2:1 und alle spürten: Hier und heute ist Außergewöhnliches möglich.

Die Spieler waren zwar sichtlich genervt von den Unterbrechungen, doch die Bochumer profitierten auch davon. Die Bayern führten verdient mit 1:0, drängten den VfL tief in die eigene Hälfte und hatten durch Harry Kane mindestens eine vorzügliche Gelegenheit, bereits früh für eine mögliche Vorentscheidung zu sorgen. Die dann folgende Pause, an der Heim- und Gästefans gleichermaßen beteiligt waren, half in erster Linie dem Underdog. Thomas Letsch nutzte die Zeit und nahm taktische Korrekturen vor. „Ein bisschen hat uns die Pause geholfen“, gab Schlotterbeck später zähneknirschend zu. Der Verteidiger brachte den VfL nach einer Ecke in Führung, kurz davor erzielte Takuma Asano nach einem Konter den Ausgleich.

Bayern weiter in die Krise gestürzt

Das 0:7 aus dem Hinspiel? Längst vergessen. Die Bochumer sind widerstandsfähiger geworden. Bereits gegen Stuttgart steckten sie eine längere Unterbrechung problemlos weg, schon in Frankfurt und Dortmund kamen sie nach einem Rückstand postwendend zurück. An diesem Sonntagabend lief es noch besser: Zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren, seit dem furiosen 4:2-Erfolg gegen die Bayern, drehte und gewann der VfL ein Heimspiel nach einem Rückstand. „Die Magie des Ruhrstadions hilft immer“, schwärmte Schlotterbeck nach der Partie. „Hier kannst du zurückliegen und weißt: Da geht noch was.“ Leidenschaftlich warf sich der VfL in jeden Ball, blieb bei seiner mutigen Vorwärtsverteidigung und war mit drei Treffern so effektiv wie lange nicht mehr. 

Spätestens mit dem Elfmetertor durch Kevin Stöger und dem Platzverweis gegen Dayot Upamecano setzte an der Castroper Straße die große Feierstimmung ein. Dass die Bayern kurz vor Schluss noch den Anschlusstreffer erzielten, blieb aus Bochumer Sicht zum Glück eine Randnotiz. Manuel Riemann parierte die letzten Angriffsversuche glänzend und stürzte die Bayern noch tiefer in die Krise. Vor allem die Art und Weise, wie der VfL das Starensemble niederrang, begeisterte die Massen. Selbst den kurzfristigen Ausfall von Patrick Osterhage, den muskuläre Probleme plagten, steckte die Mannschaft mühelos weg. Erinnerungen wurden wach an das historische und in dieser Form auch immer einmalige 4:2 gegen die Bayern im Februar 2022.

Zu Hause nur einmal geschlagen

Schon da war der Erfolg gegen den Rekordmeister die Grundlage für den Klassenerhalt. Wiederholt sich die Geschichte? Gut möglich. Neun Punkte beträgt momentan der Vorsprung auf den Relegationsplatz, seinerzeit waren es nur sechs – jeweils nach dem 22. Spieltag. Die Parallele: Der VfL stand damals und steht auch heute auf Platz elf. Vor allem zu Hause sind die Bochumer eine Macht: Von elf Heimspielen in dieser Saison ging nur eines verloren. Die Magie des Ruhrstadions lässt sich also auch in Zahlen ausdrücken – genauso wie die Vorliebe für Festtage zu Beginn des Jahres. Dreimal hat der VfL die Bayern in diesem Jahrtausend geschlagen, dreimal Mitte Februar. Für diese Momente gehen Fußballfans ins Stadion.


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(Foto: Imago / Eibner)

Fangemeinde

Bavaria Bochum: Das ist der VfL-Fanclub in München

Die Corona-Pandemie hat persönliche Zusammenkünfte erschwert. Für die Fans des VfL Bochum in München hatte sie indes auch etwas Gutes. Denn wer weiß, ob Alexander Lüdiger, Christian Struckmann, Sebastian Türk und Lucas Konstanty sonst so schnell aufeinandergetroffen wären.

Die vier treuen VfL-Anhänger haben im Oktober 2021 den Fanclub „Bavaria Bochum“ gegründet – weil sie sich zum Teil bei einem Online-Tasting der Fiege-Brauerei kennengelernt haben. „Lucas und ich sind dabei ins Gespräch gekommen und haben festgestellt, dass wir beide aus München kommen und VfL-Fans sind“, berichtet Sebastian, der seit 2010 aus beruflichen Gründen in der bayrischen Landeshauptstadt lebt, eigentlich aber aus dem Ruhrgebiet stammt. „Über Moppel, den Bochumer Fanbeauftragten, haben wir dann zueinander gefunden, weil auch Alex und Chris andere VfLer in München gesucht haben. Wir haben uns sofort sehr gut verstanden.“ Während Christian gebürtig aus Bayern stammt, ist Alexander 2015 für sein Referendariat dorthin gezogen. „Eigentlich wollten wir schon früher einen Fanclub gründen, haben uns aber schwergetan, weitere Bochumer in Bayern zu finden“, berichten die beiden.

Exil-Bochumer in Bayern

Nach dem ersten Treffen der vier leidenschaftlichen VfL-Anhänger ging dann alles ganz schnell. „Wir haben unseren Fanclub quasi auf einem Bierdeckel in einem Irish Pub an der Frauenkirche gegründet. Auf dem Bierdeckel war König Ludwig I. aus Bayern abgebildet, dessen Regentschaft passenderweise 1848 endete – also im Entstehungsjahr des VfL“, berichtet Alexander. 29 Mitglieder gehören mittlerweile zu Bavaria Bochum, „größtenteils Exil-Bochumer“, die es meist aus beruflichen Gründen nach München verschlagen hat.


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Nun will der noch junge Fanclub natürlich noch wachsen. Vom bisherigen Konzept wollen die Gründer dabei aber nicht abweichen. „Wir haben zwei klare Aufnahmekriterium. Wer bei uns Mitglied werden möchte, muss in Bayern wohnen. Außerdem wollen wir nur VfL-Fans, keine Bayern-Anhänger. Wenn Bochum gegen Bayern spielt, dann muss klar sein, wen man anfeuert“, stellt der Fanclub-Vorsitzende klar. Seit mehr als 50 Jahren pflegen die beiden Fanlager ein freundschaftliches Verhältnis zueinander. „Wir sind also kein Fanfreundschafts-Fanclub, sondern der bayrische Fanclub für VfL-Fans. Wir wollen für alle Neu-Münchner aus Bochum eine Anlaufstelle sein, um ihnen die ersten Schritte in der Stadt zu erleichtern und die Leidenschaft für den VfL mit uns zu teilen.“

Gemeinsam zu den Spielen

Als Vorbild dient die Bochumer Botschaft aus Berlin. In der Hauptstadt ist der aktuell mitgliederstärkste Fanclub des VfL vertreten. Dort können Anhänger im Junction Cafe jedes Heim- und Auswärtsspiel live unter Gleichgesinnten verfolgen. „Das ist auch unser Ziel“, betont Alexander. „Wer in München weilt, aus welchen Gründen auch immer, soll wie selbstverständlich zu uns kommen und das Spiel verfolgen können.“ Allerdings sind die Gaststätten, die Live-Fußball anbieten, begehrt und begrenzt. Aktuell treffen sich die VfL-Fans in München im Cafe Sax (Hans-Sachs-Str. 5, 80469 München), das sich im beliebten Glockenbachviertel befindet und damit nur rund 15 Gehminuten vom Marienplatz entfernt liegt. „Eigentlich sind da in erster Linie die Fans des VfB Stuttgart beheimatet, aber je größer unser Fanclub wird, desto relevanter sind wir. Aktuell dürfen wir meistens die zweite Leinwand nutzen, zumal wir schon jetzt sehr umsatzstark sind“, erzählt Sebastian mit einem Augenzwinkern. Als Gründungsmitglied ist er stolz auf die Gemeinschaft und die gewachsenen Freundschaften: „Wir haben als Fanclub zum Beispiel schon mehrere Umzüge über die Bühne gebracht. Und im Oktober waren wir zusammen auf der Bochumer Hütte in Kitzbühel.“

Im Mittelpunkt steht natürlich der Fußball. Gemeinsam reisen die Mitglieder von Bavaria Bochum vor allem im Süden der Republik zu den Spielen ihres VfL. „Die Partie in München ist natürlich unser Heimspiel“, sagt Alexander. Aber auch in Augsburg, Heidenheim oder Stuttgart haben sie ihr Team in der Hinrunde angefeuert. „Man vergisst schnell, wie groß das Bundesland Bayern eigentlich ist. Die Fahrt nach Heidenheim, das in Baden-Württemberg liegt, ist für uns kürzer als zum Beispiel nach Nürnberg oder Fürth, sollten die mal wieder aufsteigen“, berichtet Alexander, der für die Spiele seines Vereins allerdings keine Mühen scheut. „Einige Mitglieder von uns haben sogar eine Dauerkarte fürs Ruhrstadion und fahren so oft es geht nach Bochum. Ich gehöre auch dazu.“

Anfang Februar gegen Augsburg folgte die erste gemeinsam organisierte Fanclub-Fahrt zu einem Heimspiel nach Bochum. Auswärtsspiele im Süden gibt es in der Rückrunde hingegen keine mehr. Die werden gemeinsam im Cafe Sax verfolgt.

Dieser Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen. Auf mehr als 100 Seiten bietet das Magazin ausführliche Interviews, viele Porträts und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend steht das Magazin auch als PDF-Download bereit.

Personalie

Oermann setzt sich durch: Freude für Fußballromantiker

Im Dezember sahen die Pläne noch ganz anders aus. Die Verantwortlichen des VfL Bochum wollten Tim Oermann ein weiteres Mal verleihen. Der 20-Jährige sollte bei einem anderen Klub Spielpraxis sammeln. Doch Trainer Thomas Letsch funkte dazwischen. Er wollte, dass der junge Innenverteidiger an der Castroper Straße bleibt. Allerdings in ungewohnter Rolle. „Wir hatten die Fantasie, dass er auch auf der rechten Seite verteidigen könnte“, verrät Letsch. „Das konkretisierte sich dann in den folgenden Wochen. Denn Tim ist schnell und bringt auch fußballerische Qualitäten mit.“ Eine ähnliche Idee war mit dem Brasilianer Bernardo bereits auf der linken Seite der Viererkette aufgegangen. Hinzu kam: Sommerneugang Felix Passlack überzeugte auf der rechte Abwehrseite bislang gar nicht, Cristian Gamboa nur mit Abstrichen.

Gamboas Sperre genutzt

Aus der Theorie wurde in der kurzen Winterpause also ein konkreter Plan. Oermann durfte sich im Testspiel gegen den niederländischen Zweitligisten aus Groningen als Rechtsverteidiger beweisen, Letsch war mit der Darbietung zufrieden. Als Bochums Cheftrainer nur zwei Wochen später einen Vertreter für den gesperrten Gamboa suchte, fiel die Wahl auf das Bochumer Eigengewächs. Mut, der belohnt wurde. Denn Oermann erledigte seinen Job gegen Stuttgarts Chris Führich, einen der Shootingstars dieser Saison, mit Bravour – und blieb im Team. Obwohl Gamboa für das Derby in Dortmund wieder bereitstand, blieb Oermann in der Startelf. Sein Gegenspieler: Jadon Sancho. „Für den Start waren das sicher nicht die einfachsten Aufgaben“, bilanziert Letsch und lobt seinen Schützling: „Tim hat die Sperre von Cristian Gamboa genutzt.“

In Bochum geboren

Vor allem Fußballromantiker dürften sich an der Entwicklung von Oermann erfreuen. Der Defensivspezialist kam in Bochum zur Welt, trägt seit seinem neunten Lebensjahr das Trikot des VfL und ist nun mit einem Profivertrag bis 2026 ausgestattet. „Es freut uns, wenn ein Eigengewächs eine solche Entwicklung nimmt“, sagt Letsch. Damit ist Oermann auf den Spuren von Maxim Leitsch und Armel Bella Kotchap unterwegs, die auch in der eigenen Talentschmiede groß und bei den Profis des VfL erwachsen geworden sind. Wobei Oermann einen kleinen Umweg nahm. In der Rückrunde der vergangenen Saison spielte der Youngster auf Leihbasis für den österreichischen Erstligisten Wolfsberger AC. „Tim kam mit Selbstbewusstsein und Spielpraxis auf hohem Niveau zurück. Dieses halbe Jahr hat ihm extrem gutgetan“, betont Letsch.

Doch keine Leihe

Doch zurück in Bochum, war Oermann wieder nur Reservist. Ende August platzte eine Leihe zum Drittligisten Rot-Weiss Essen. „Mit insgesamt sechs Innenverteidigern war es eine schwierige Konstellation für ihn“, weiß Trainer Letsch, der den Jungprofi zu Saisonbeginn oft gar nicht für den Kader berücksichtigen konnte. „Tim hat aber immer Gas gegeben und sich in der Phase, in der es Ausfälle und Engpässe gab, in die Mannschaft gespielt.“ Meistens jedoch als Joker. Auch deshalb bekräftigten die Verantwortlichen noch im Dezember, ihren zweitjüngsten Spieler erneut verleihen zu wollen. Doch dann kam alles ganz anders. Viermal in Folge gehörte Tim Oermann nun zur Bochumer Startelf – und darf sich am Wochenende erneut auf höchstem Niveau beweisen. Dann wird er es nämlich mit Leroy Sane oder Jamal Musiala zu tun bekommen.


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(Foto: Marc Niemeyer)