0:2-Niederlage in Mainz

Bochumer Abstiegssorgen: Zwischen Komfort und Krise 

Es hätte für den VfL Bochum ein recht entspannter Endspurt werden können. Mit einem Sieg beim direkten Konkurrenten in Mainz wäre der Revierklub fast uneinholbar enteilt. Bei zwölf Punkten Vorsprung auf den ersten direkten Abstiegsplatz hätten die Verantwortlichen schon für das vierte Bundesliga-Jahr in Folge planen können. Stattdessen sind die Abstiegssorgen nach der 0:2-Pleite in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt wieder größer geworden – in erster Linie selbstverschuldet. Denn erneut war die Leistung nicht ausreichend für einen Punktgewinn. Der VfL ließ vor allem in der Offensive die Bundesliga-Reife vermissen. „Die Problematik ist nicht neu“, stellte Trainer Thomas Letsch hinterher fest. Nur äußerst selten kamen die Bochumer überhaupt in den Mainzer Strafraum, die biederen Gastgeber umgekehrt allerdings auch nicht. Dass sie trotzdem als Sieger vom Platz gingen, hatten sie einem höchst umstrittenen Elfmeter und einer schläfrig verteidigten Ecke zu verdanken.

Wieder Schiri-Ärger

Zum wiederholten Male echauffierten sich die Bochumer während und nach der Partie über die Entscheidungen des Unparteiischen. Sie fühlten sich benachteiligt. Matthias Jöllenbeck hatte nach einem Fußkontakt von Bernardo an Jae-sung Lee auf den Elfmeterpunkt gezeigt. Allerdings war Bochums Linksverteidiger mindestens gleichzeitig, vermutlich sogar etwas eher am Ball. „Es ist müßig, wieder darüber zu diskutieren“, sagte Sportdirektor Marc Lettau, der während des Spiels die gelbe Karte sah, weil er vehement einen Video-Check forderte. Der aber blieb aus, weil es aus Sicht des VAR keine klare Fehlentscheidung war. „Ich glaube, im Kölner Keller gab es um 15.30 Uhr Kaffee und Kuchen“, beschwerte sich VfL-Verteidiger Keven Schlotterbeck, der allerdings zugeben musste, dass die eigene Mannschaftsleistung (ebenso) unzureichend war. Im eminent wichtigen Kellerduell setzte es die vierte Niederlage in Folge. Der VfL steckt in einer Frühjahrskrise – und wieder mittendrin im Abstiegskampf.

Vorsprung schmilzt

Der Vorsprung auf Mainz und den Relegationsplatz ist auf sechs Punkte geschmolzen, die Ausgangsposition nur noch bedingt komfortabel. „Letzte Woche waren es noch neun, jetzt sind es sechs Punkte Abstand nach unten. Und wenn wir nicht aufpassen, sind es bald drei“, mahnt Bernardo zur erhöhten Wachsamkeit, während Trainer Letsch beruhigt: „Sechs Punkte Vorsprung zu diesem Zeitpunkt hätten vor der Saison vermutlich alle genommen.“ Geschäftsführer Patrick Fabian sieht das ähnlich: „Wir haben 25 Punkte, wir sind nicht kurz vor dem Abgrund. Aber wir müssen den Trend erkennen.“ Die nun anstehende Länderspielpause kommt jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt, auch mit Blick auf die Verletztenliste. „Ein, zwei Spieler könnten gegen Darmstadt zurückkehren, die uns in der Offensive weiterhelfen“, stellt Lettau in Aussicht. Flügelstürmer Christopher Antwi-Adjei sollte bis dahin wieder fit sein, vielleicht auch Mittelfeldspieler Matus Bero und Defensivallrounder Tim Oermann.

Spieler außer Form

Ob das allerdings reicht? Die Startelf für das Spiel in Mainz kam der sonst üblichen Formation bereits ziemlich nahe. Das Problem: Auf einigen Positionen – speziell hinten rechts und im Angriff – fehlt merklich Qualität; erst recht, wenn Stammspieler fehlen. Hinzu kommt, dass Leistungsträger wie Takuma Asano, Kevin Stöger oder Ivan Ordets aktuell nicht in Form sind. Auch Trainer Thomas Letsch muss sich Kritik gefallen lassen. Das Bochumer Angriffsspiel konzentriert sich in dieser Saison sehr aufs Zentrum, die Flügel werden nur selten bespielt – dadurch ist der VfL leicht ausrechenbar. Großartige Änderungen sind knapp zwei Monate vor dem Saisonende nicht zu erwarten, Letsch setzt im Endspurt auf einfache Lösungen. Als Beispiel nennt der Fußballlehrer Standardsituationen, „die wir besser ausspielen müssen.“ Wenn auch das nicht klappt, „müssen wir hinten wenigstens die Null halten.“ Das ist dem VfL zuletzt im Januar gelungen. Seitdem wackelt auch die Defensive wieder.


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



(Foto: Imago / Jan Huebner)

Debatte

VfL-Kolumne: Nicht zu sehr auf Schiri-Leistung fokussieren

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Schiedsrichter-Entscheidungen.

Thomas Letsch macht es genau richtig. Er ärgert sich zwar über mangelhafte Schiedsrichter-Leistungen, rückt aber die Fehler der eigenen Mannschaft in den Mittelpunkt. Das ist gleich doppelt sinnvoll. Zum einen, weil Letsch die Entscheidungen der Unparteiischen ohnehin nicht beeinflussen kann. Zum anderen, weil man oftmals eigene Versäumnisse übersieht, wenn man die Schuld nur bei anderen sucht. Eine leichtfertig vergebene Torchance oder eine verpasste Abwehraktion wiegen häufig ebenso schwer wie ein nicht gegebener Foulelfmeter.

Eine Verteidigungsrede für das deutsche Schiedsrichterwesen soll diese Kolumne allerdings nicht sein. Der VfL Bochum hatte in dieser Saison mehrmals Pech bei den Entscheidungen der Unparteiischen. Das ist selbst dann der Fall, wenn man nur die Szenen miteinbezieht, die auch ohne blau-weiße Brille als klare Fehlentscheidungen zu identifizieren sind. Hinzu kommen Situationen aus der Grauzone, die fast immer gegen den VfL entschieden wurden. Nur selten wurden die Bochumer zu Unrecht bevorteilt.

Das Problem beim DFB ist, dass die Schiedsrichter insbesondere bei Platzverweisen und Handspielen im Strafraum keine eindeutige Linie verfolgen, dass unklar bleibt, wann genau ein Video-Check auf dem Spielfeld erfolgt und dass sie ihre Entscheidungswege schlecht nach außen kommunizieren. Die Trainer sind nach den Spielen verpflichtet, den Auftritt ihrer Mannschaft zu erklären – die Schiedsrichter nicht. Warum eigentlich nicht?

So bleibt die Deutungshoheit bei den Vereinen. Dass sich die Bochumer Verantwortlichen auch nach dem Heimspiel gegen Freiburg nicht wutentbrannt vor die Kameras und Mikrofone gestellt haben, mag einige Fans enttäuscht haben, ist aber im Sinne des Sports. Macht der Schiedsrichter einen oder auch mehrere Fehler, ist er ohnehin schon tagelangen Schimpftiraden ausgesetzt. Da braucht es nicht noch zusätzliches Öl fürs Feuer. Sachliche Kritik genügt. Außerdem: Lautes Poltern und Jammern über die (vermeintlich) ungerechte Fußballwelt gehört nach München oder Dortmund – nicht nach Bochum.


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



(Foto: Marc Niemeyer)

1:2 gegen Freiburg

Delle ohne Drama: VfL vor wegweisenden Wochen

Geschichte wiederholt sich manchmal. Ausgiebig diskutierten die Bochumer nach dem Hinspiel in Freiburg über die Entscheidungen des Schiedsrichters. Seinerzeit hatte der Unparteiische ein rüdes Foulspiel von Vincenzo Grifo gegen Cristian Gamboa nicht mit einem Platzverweis geahndet. Zähneknirschend musste auch der DFB eingestehen, dass das komplette Gespann falsch lag. Bochums Außenverteidiger Gamboa stand im Rückspiel an diesem Sonntag zwar nicht auf dem Platz, über den Schiedsrichter wurde dennoch wieder ausgiebig gesprochen. Im Fokus der Diskussionen: Gleich mehrere Szenen, in denen sich der VfL benachteiligt fühlte. 

Broschinski kritisiert Schiri-Gespann

Einigkeit herrschte nach der Partie darüber, dass Moritz Broschinski in der ersten Halbzeit regelwidrig von Matthias Ginter umklammert und im Strafraum zu Boden gerissen wurde. Schiedsrichter Marco Fritz ließ das Spiel weiterlaufen, auch der VAR griff nicht ein. „Für mich war es ein klarer Elfmeter. Der Arm hat an meinem Hals nichts zu suchen“, war Broschinski nach der Partie sichtlich aufgebracht. „Was mich besonders aufregt: Dass sich der Schiedsrichter die Szene nicht nochmal angeguckt hat.“ Auch in anderen Momenten kam der im Stadion installierte Kontrollbildschirm trotz strittiger Entscheidungen kein einziges Mal zum Einsatz.

Zahlreiche Bochumer forderten beim Handspiel von Freiburgs Kiliann Sildillia ebenfalls einen Elfmeter, bei einem Einsteigen von Manuel Gulde gegen den Bauch von Philipp Förster zudem einen Platzverweis. Beides war mit Verweis auf ähnliche Szenen an den vergangenen Bundesliga-Wochenenden zumindest logisch, klare Fehlentscheidungen waren es nach Ansicht des VAR allerdings nicht. „Niemand pfeift bewusst gegen uns“, sagte Sportdirektor Marc Lettau am Sonntagabend, „aber für uns ist nun des Öfteren unglücklich gelaufen.“ Zuletzt sahen sich die Bochumer unter anderem beim Auswärtsspiel in Mönchengladbach benachteiligt.

Offensiv harmlos, defensiv wackelig

Nach Ansicht von Thomas Letsch war die Leistung des Schiedsrichters im Rückspiel gegen Freiburg ohnehin nicht entscheidend für den Ausgang der Partie. „Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass wir verloren haben“, sagte Bochums Trainer nach dem 1:2 gegen die Breisgauer, der bereits dritten Niederlage in Folge. Lettau sah eine der Hauptursachen darin, dass im eigenen Angriffsspiel „die Durchschlagskraft gefehlt hat.“ Strafraumaktionen gab es auf beiden Seiten nur selten. Während die abgezockten Freiburger ihre wenigen Chancen nutzten, fehlte beim VfL die Zielstrebigkeit – ein längst bekanntes Problem. 

Die Defensive hingegen hatte sich im Saisonverlauf spürbar stabilisiert, ehe sie in den vergangenen drei Spielen insgesamt elf Gegentore kassierte. Eine Rückentwicklung? „Wir haben es den Freiburgern viel zu einfach gemacht und beide Gegentreffer schlecht verteidigt“, kritisierte Letsch. „Wir brauchen diese Schärfe zurück“, mahnt der Coach zur Konzentration vor drei ganz wichtigen und wegweisenden Begegnungen. Kommenden Samstag gastiert der VfL beim Vorletzten in Mainz, danach heißen die Gegner Darmstadt und Köln. Direkt hintereinander treten die Bochumer also bei den drei Mannschaften an, die in der Tabelle hinter ihnen stehen.

Osterhage wird schmerzlich vermisst

„Wir haben es gegen Freiburg verpasst, in eine angenehmere Situation zu kommen. Aktuell ist sie immer noch gefährlich“, sagt Trainer Letsch bei einem Blick auf den Saisonstand. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz, auf dem die Kölner stehen, beträgt sieben Punkte. Noch ist die aktuelle Leistungsdelle kein Drama – vorausgesetzt, der VfL punktet bald wieder. Im Idealfall auch mit fittem Personal. Gegen Freiburg fehlten mit Patrick Osterhage und Christopher Antwi-Adjei erneut zwei Stammkräfte. Auch Matus Bero musste angeschlagen pausieren, Tim Oermann zudem mit muskulären Problemen ausgewechselt werden.

Wirklich gleichwertigen Ersatz gibt es für sie nicht. Zumindest bei Osterhage darf man aber die Hoffnung haben, dass er gegen Mainz wieder mitwirken kann. Wie auch immer: Im Erfolgsfall könnte der VfL die 05er auf 12 Punkte distanzieren; dann wären die Bochumer den Rheinhessen im Abstiegskampf fast uneinholbar enteilt. Geht es am kommenden Wochenende jedoch schief, muss der VfL womöglich wieder zittern. Ein Mutmacher: Gegen Mainz, Darmstadt und Köln holte das Team von Trainer Letsch in der Hinrunde insgesamt fünf Punkte. In diesem Fall darf sich die Geschichte aus Bochumer Sicht gerne wiederholen.


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



(Foto: Marc Niemeyer)

Beirat Zukunft

Novum in der Bundesliga: Junge VfL-Fans beraten Klubführung

Wie schaut der Fußball in der nahen und fernen Zukunft aus? Fühlt sich der Fannachwuchs wohl an der Castroper Straße – und was kann der Klub dafür tun, dass die Teilhabe auch in den jüngeren Altersklassen größer wird? Genau das möchte der VfL Bochum in nächster Zeit genauer beleuchten – und geht dafür einen neuen, innovativen Weg. 13 Jugendliche und junge Erwachsene bilden seit April 2023 den Beirat Zukunft. Sie sollen die Perspektive der Generation Z (Jahrgänge 1997 bis 2012) einnehmen. Das Ziel: Sie sollen den Verantwortlichen wertvolle Anregungen liefern, sie begleiten und beraten. „Wir kennen alle den Fußball von heute, wir gehen gerne ins Stadion, gerade hier an der Castroper Straße. Aber die Frage lautet: Wie verändern sich der Fußball und der VfL? Das ist die Grundidee hinter dem Beirat Zukunft. Denn für das Geschäftsmodell von morgen braucht es auch die Fans von morgen“, berichtet Matthias Mühlen, der beim VfL Bochum die Abteilung Nachhaltigkeit und CSR leitet. Damit ist er auch der Projektverantwortliche für den neugegründeten Beirat.

Drei Treffen pro Jahr

Aus zahlreichen Bewerbungen hat sich der VfL für insgesamt sechs junge Frauen und sieben junge Männer im Alter zwischen 16 und 25 Jahren entschieden. „Unser Ziel ist es nicht, junge Menschen einzuladen und dann von allen Vorhaben des VfL Bochum zu überzeugen. Vielmehr geht es uns darum, andere Perspektiven kennenzulernen, auch kritische Stimmen dazuzuholen, um unser eigenes Handeln zu hinterfragen“, erklärt Mühlen. „Dabei sind unbequeme Fragen oder auch eine skeptische Haltung dem Fußball gegenüber überhaupt kein Problem. Der Beirat Zukunft ist ohnehin keine homogene Gruppe. Die Mitglieder haben ganz unterschiedliche Interessen und Schwerpunkte.“


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



Bereits im Jahr 2019 hat der VfL Bochum gemeinsam mit der Kindernothilfe das erste gesamtheitliche Kinderschutzkonzept im Profifußball erstellt. „Daraus haben wir dann die Idee entwickelt, Kinder nicht nur schützen zu wollen, sondern sie und junge Erwachsene aktiv einzubinden“, erläutert Mühlen die Entstehungsgeschichte des Beirats. Welche Themenschwerpunkte die Mitglieder setzen, liegt ganz in ihrer Hand. Mindestens dreimal im Jahr kommt der Beirat zusammen. Auch verschiedene Fachabteilungen des Klubs und die Geschäftsführung um Ilja Kaenzig und Patrick Fabian sind bei den Treffen dabei. „Das ist ein mächtiges Format, mit dem wir nicht nur die Zukunft des VfL gestalten werden, sondern vielleicht auch etwas zur Entwicklung des gesamten Fußballs beitragen können“, sagt Ilja Kaenzig, der weiß: „Die Generation von morgen ist diejenige, die sich bereits jetzt mit den Folgen des heutigen Handelns auseinandersetzt. Sie hat ganz andere – teils neue – Erwartungen an den Fußball. Sie sehen den Fußball anders als wir und wächst in ihrem Umfeld mit anderen Werten auf.“

Vorreiter in der Bundesliga

Nach den ersten drei Treffen haben sich bereits Themenfelder herauskristallisiert, auf die der Beirat Zukunft gemeinsam mit dem Klub näher eingehen möchte: Auf das Stadionerlebnis, auf Fanartikel, auf Nachhaltigkeitsaspekte wie Umwelt und Klima sowie auf Partnerschaften und gesellschaftliche Verantwortung. „Die Mitglieder des Beirats hatten in moderierten Workshops die Möglichkeit, ihre Themen vorzustellen. Die haben wir dann zu einzelnen Themenfeldern zusammengefasst“, berichtet Matthias Mühlen. „Demnächst geht es darum, das alles auf konkrete Maßnahmen herunterzubrechen.“ Eile ist dabei nicht geboten, ergänzt Mühlen: „Der Beirat Zukunft ist als langfristiges Projekt angedacht und soll sich beim VfL etablieren.“ Nach Vereinsangaben sind die Bochumer der erste Bundesligist mit einer solchen Idee, die von der Konkurrenz aber wohl schon bald übernommen werden könnte. Mehrere Klubs hätten sich bereits beim VfL Bochum über die Abläufe im Beirat erkundet. Auch sie wollen offensichtlich Antworten auf Zukunftsfragen finden.

(Foto: VfL Bochum 1848 / Dustin Bialas)

________________________

Dieser Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen. Auf mehr als 100 Seiten bietet das Magazin ausführliche Interviews, viele Porträts und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend steht das Magazin auch als PDF-Download bereit.

Personalien

Asano, Antwi-Adjei, Kwarteng: Wie der VfL für die Zukunft plant

Moritz Kwarteng war erkennbar frustriert. Von hinten und ohne Aussicht auf den Ball grätschte er seinen Gegenspieler im Heimspiel gegen Leipzig am vergangenen Wochenende einfach um. Schiedsrichter Harm Osmers zückte die Rote Karte. Das DFB-Sportgericht bewertete das Einsteigen sogar als Tätlichkeit und hat ihn für drei Meisterschaftsspiele gesperrt. Doch Kwarteng wird noch deutlich länger fehlen. Denn bei seinem Foul hat er sich einen Innenbandanriss im Knie zugezogen. Diese Verletzung ist gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Ende einer für ihn enttäuschenden Saison. Der Neuzugang bleibt somit bei lediglich 267 Einsatzminuten stehen, verteilt auf neun Einwechslungen und zwei Startelfeinsätze. Bereits im vergangenen Sommer war Kwarteng länger verletzt, erst ab Oktober einsatzbereit. Seine Jokerrolle allein auf die verpasste Saisonvorbereitung zu schieben, führt allerdings zu kurz. Offensichtlich fällt dem technisch versierten Angreifer die Anpassung an das Bundesliga-Niveau ziemlich schwer.

Kwarteng ist noch keine Verstärkung

In der Vorwärtsbewegung ließ der 25-Jährige seine Fähigkeiten zumindest schon aufblitzen, im Spiel gegen den Ball offenbarte er allerdings deutliche Schwächen. Genau die sind auch der Grund dafür, warum Kwarteng bislang nur selten zum Einsatz gekommen ist. In Magdeburg war er noch einer der Top-Spieler der 2. Liga, in Bochum ist Kwarteng noch nicht die erhoffte Verstärkung. Auf sein „ausgeprägtes Box-to-Box Play“ und „belebende Elemente“, die Sportdirektor Marc Lettau bei der Verpflichtung im vergangenen Sommer in Aussicht stellte, müssen die Fans also weiter warten. Die Erwartungen im Umfeld sind hoch, weil der VfL erstmals seit mehr als 15 Jahren für einen Spieler eine siebenstellige Ablöse gezahlt hat. Rentiert hat sie sich bislang noch nicht. Selbst die Asien-Cup-Teilnahme von Takuma Asano konnte Kwarteng nicht für sich nutzen; ein Startelfmandat erhielt er in diesem Zeitraum nicht, obwohl es genau die Position ist, auf der ihn die Verantwortlichen derzeit sehen – und perspektivisch auch brauchen.

Asano liegt ein Vertragsangebot vor

Denn nach wie vor ist ungewiss, ob Takuma Asano auch in der kommenden Saison das Trikot des VfL tragen wird. Ein für Bochumer Verhältnisse sehr gutes Vertragsangebot liegt dem Japaner bereits vor, doch der Nationalspieler lässt sich Zeit und möchte auch Alternativen prüfen – logisch, denn Asano kann im Sommer ablösefrei wechseln. Interessenten wird es sicher geben, an der Castroper Straße gehört Asano schließlich zu den Leistungsträgern. Schon seit Monaten wird der Angreifer mit Borussia Mönchengladbach in Verbindung gebracht. Mit Klubs dieser Größenordnung werden die Bochumer finanziell nicht mithalten können, sie können allenfalls mit einem fast sicheren Stammplatz, dem gewohnten Umfeld und möglicherweise einer längeren Vertragslaufzeit punkten. Eine schnelle Entscheidung ist nicht zu erwarten, denn der Spieler hat keinen Zeitdruck. Der Klub allerdings schon: Denn im schlimmsten Fall verliert der VfL nach der laufenden Saison gleich beide Außenstürmer.

Masouras bleibt auf der Wunschliste

Der Vertrag von Christopher Antwi-Adjei läuft ebenfalls aus. Der VfL möchte gern verlängern, doch die Vorstellungen beider Parteien liegen aktuell weit auseinander. Ähnlich wie bei Asano hofft wohl auch Antwi-Adjei auf den letzten großen Vertrag seiner Karriere. Wobei fraglich ist, ob der Außenbahnspezialist problemlos bei einem anderen Bundesligisten unterkommen würde. Zu schwankend sind seine Darbietungen in dieser Saison, und drei Scorer-Punkte nicht unbedingt ein Bewerbungsschreiben. Für den Fall eines (Doppel-)Abgangs prüft der VfL aber längst Alternativen. Bereits im Winter gab es Gespräche mit typähnlichen Angreifern, die sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nicht realisieren ließen. Auf der Wunschliste stand unter anderem Marco Grüll von Rapid Wien, der sich zur neuen Saison Werder Bremen anschließen wird. Auch der griechische Nationalspieler Georgios Masouras von Olympiakos Piräus war ein Kandidat. Der 30-Jährige wäre nun im Sommer ablösefrei zu haben.


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

Kolumne: Rechts hinten ist der VfL nicht gut aufgestellt

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Besetzung der Rechtsverteidiger-Position.

Mehr Loyalität geht nicht. Bei Thomas Letsch muss kein Spieler die Sorge haben, dass er nach einer schwächeren Vorstellung öffentlich kritisiert wird. Nach der 1:4-Niederlage gegen Leipzig lobte der Trainer sogar Noah Loosli. Der Schweizer war an mehreren Gegentreffern beteiligt. Vielleicht hielt sich Letsch auch deshalb mit Kritik zurück, weil es in seiner Verantwortung lag, dass Loosli größtenteils überfordert wirkte. Der Innenverteidiger ist neu in der Bundesliga. Gegen den Champions-League-Teilnehmer aus Leipzig sollte er plötzlich außen verteidigen. Mit einer tiefer stehenden Abwehr und mehr Unterstützung seiner Mitspieler hätte es vielleicht klappen können. Ansonsten: Keine gute Idee.

Dass Letsch überhaupt darauf gekommen ist, Loosli als Rechtsverteidiger einzusetzen, liegt auch an Fehleinschätzungen bei der Kaderplanung. Denn die beiden Spieler, die vor der Saison für diese Position vorgesehen waren, waren nicht etwa verletzt oder gesperrt, sondern saßen auf der Ersatzbank. Sommer-Neuzugang Felix Passlack ist nicht die gewünschte Verstärkung, und Cristian Gamboa, der schon in der vergangenen Saison schwächelte, ist erneut außer Form. So einsatzfreudig er ist, so mannschaftsdienlich und sympathisch: Auch Gamboa hat auf Bundesliga-Niveau zunehmend Probleme. In Summe ist die Position rechts hinten nicht gut genug besetzt – was dazu führt, dass Letsch experimentiert.

Dass solche Ideen auch aufgehen können, hat Tim Oermann bewiesen. Allerdings ist das Bochumer Eigengewächs deutlich schneller und technisch versierter als Loosli. Oermann, der gegen Leipzig verletzt gefehlt hat, wird nun sehnsüchtig zurückerwartet, um die Lücke auf der rechten Abwehrseite wieder zu schließen. Fraglich ist dennoch, ob das eine Dauerlösung sein kann. Denn eigentlich ist Oermann ebenfalls Innenverteidiger. Klar ist: Einen neuen, gestandenen Rechtsverteidiger mit Bundesliga-Format braucht der VfL im kommenden Sommer in jedem Fall. Garantiert wird Thomas Letsch dies genauso sehen – selbst, wenn er es öffentlich nicht ausspricht. Seine Aufstellungen genügen als Indiz dafür.


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



(Foto: Marc Niemeyer)

1:4 gegen Leipzig

Wenig Platz für Fußballromantik: VfL zerbrechlicher als zuletzt

Eigentlich war alles angerichtet für fußballromantische Stunden im Bochumer Ruhrstadion. Das fast sichere 1:0 für RB Leipzig verhinderte Andreas Luthe in seinem ersten Bundesliga-Spiel für seinen Heimatverein nach exakt 5249 Tagen mit einer Glanztat. Die Fans feierten ihn dafür. Für den Bochumer Ersatzkeeper und Publikumsliebling war es möglicherweise der letzte Auftritt auf der großen Fußballbühne, und es hätte ein perfekter Tag werden können mit einer kitschig-schönen Geschichte. Stattdessen musste Luthe in den folgenden 90 Minuten viermal hinter sich greifen, davon gleich dreimal zwischen der 68. und 72. Minute. „Da haben wir das Spiel verloren“, konstatierte Trainer Thomas Letsch nach der Partie. Keiner widersprach ihm.

Zwei Spiele, neun Gegentreffer

Zu naiv, zu nachlässig und zu offen verteidigte der VfL Mitte der zweiten Halbzeit und schenkte einen möglichen Punkt leichtfertig her. Die Leipziger wiederum zeigten ihre Klasse bei Umschaltaktionen und maximale Effizienz vor dem Tor. „In dieser Phase waren wir nicht so kompakt, aggressiv und widerstandsfähig wie sonst“, stellte Sportdirektor Marc Lettau fest. Auf fünf Gegentreffer in Mönchengladbach folgten nun also vier gegen Leipzig – der VfL präsentierte sich zerbrechlicher als in den Wochen davor. Ein Warnsignal? Aus Sicht des Trainers nicht: „Wir haben gegen Leipzig deutlich weniger Chancen zugelassen als gegen Gladbach. Da waren wir schlecht, heute deutlich besser.“ Der VfL war wie gewohnt ein unangenehmer Gegner.

Dass mit Manuel Riemann, Tim Oermann und Patrick Osterhage gleich drei Stammspieler aus der Defensive gesperrt oder verletzt gefehlt haben, war allerdings unübersehbar. Hinzu kamen die Ausfälle von Erhan Masovic und Christopher Antwi-Adjei. Neben Luthe rückten auch Maximilian Wittek und Noah Loosli neu ins Team. Luthe strahlte bei seinem Comeback im VfL-Trikot Ruhe und Sicherheit aus, sah beim 1:2 jedoch unglücklich aus. Wittek brachte den VfL mit einem direkt verwandelten Freistoß zunächst in Führung, bevor Leipzig noch vor der Pause den Ausgleich erzielte. Dieser wie auch alle anderen Gegentreffer fielen über die Seite von Loosli, der insgesamt überfordert schien mit dem Spielniveau und dem Tempo der Leipziger.

Kwarteng fliegt vom Platz

Immer wieder versuchten die Leipziger die offensichtlichste Schwachstelle in der Bochumer Hintermannschaft zu nutzen. Wobei Letsch seinen Verteidiger in Schutz nahm. „Noah hat es über weite Strecken gut gemacht“, sagte der Coach, der den Schweizer deshalb auch über 90 Minuten spielen ließ. Stattdessen wechselte Letsch unter anderem Moritz Kwarteng ein, der kurz vor Schluss nach einem Frustfoul ohne Aussicht auf den Ball die Rote Karte sah – ein unnötiges, unkluges und übermotiviertes Einsteigen des nach wie vor wirkungslosen Neuzugangs. Die achtbare Bochumer Heimserie war zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin schon gebrochen, zum ersten Mal seit Ende September verlor der VfL im eigenen Stadion.

Vier Siege und vier Unentschieden gab es dazwischen, weshalb beim Revierklub nach zwei Niederlagen hintereinander auch noch alle entspannt bleiben. Der Vorsprung auf die Abstiegsränge bleibt weiter komfortabel, zudem hilft ein Blick auf den Spielplan. Gegen fünf der sechs bestplatzierten Mannschaften haben die Bochumer schon zweimal gespielt. Nun folgen Duelle gegen Klubs auf Augenhöhe: nächste Woche daheim gegen Freiburg, danach auswärts in Mainz. „Über das Torverhältnis“, sagte Letsch am Samstagabend, „bleiben wir vermutlich nicht in der Liga. Aber über die Punkte schon.“ Diesen Optimismus speist der Fußballlehrer auch aus der Gewissheit, dass einige seiner Stammkräfte schon bald zurückkehren werden.

Drei Spieler vor Rückkehr

Zumindest Oermann wird gegen Freiburg wohl wieder dabei sein und den Platz von Loosli einnehmen, „bei ihm sind wir sehr optimistisch“, sagte Letsch nach dem Spiel gegen Leipzig. Auf Osterhage und Antwi-Adjei muss Bochums Trainer wahrscheinlich noch eine Woche länger verzichten, dafür kehren auch Masovic und Riemann zurück. Das bedeutet, dass Luthe planmäßig wieder auf der Ersatzbank Platz nehmen wird. Den Empfang und die Erlebnisse an diesem Samstag wird der Routinier aber sicher nicht vergessen. „Ich bin ja schon lange dabei, aber bei den Sprechchören vor dem Spiel musste ich kurz schlucken“, verriet der Schlussmann. Noch mehr Platz für Fußballromantik blieb bei der 1:4-Niederlage allerdings nicht.


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



(Foto: Imago / Beautiful Sports)