0:3 gegen Düsseldorf

Nach Debakel droht der Abstieg: Münster ist näher als München

Der Kreis schließt sich gerade. Am 23. Mai 2021 ist der VfL Bochum nach elfjähriger Durststrecke in die Fußball-Bundesliga zurückgekehrt. Auf den Tag genau drei Jahre später hat ein erschreckend mutloser Auftritt im eigenen Stadion praktisch alle Hoffnungen auf den erneuten Klassenerhalt zerstört. Mit 0:3 unterlag der VfL im Hinspiel der Relegation dem Zweitligisten Fortuna Düsseldorf und steht nach diesem Debakel vor dem siebten Abstieg aus der höchsten Spielklasse. Nur ein großes Fußballwunder könnte den Revierklub noch retten, daran glaubt in Bochum allerdings (fast) niemand mehr. Die Auswärtsreise nach Münster ist näher als nach München – das ist nicht nur geografisch zutreffend. 

Kaum noch Hoffnung

An vermeintlichen Glücksbringern hat es nicht gemangelt am Donnerstagabend. Die Bochumer Fußballprominenz versammelte sich auf der VIP-Tribüne im Ruhrstadion. Torwartlegende Rein van Duijnhoven war zum ersten Mal seit einigen Jahren wieder dabei, und auch Bayern-Profi Leon Goretzka schaute in der Heimat vorbei – stilecht mit dem legendären Regenbogentrikot. Sah man gegen 22.30 Uhr in ihre Augen, war Enttäuschung zu erkennen, Rat- und Fassungslosigkeit. Allen anderen Stadionbesuchern ging es ähnlich. Wütende Fans gab es nur vereinzelt, geschockte Anhänger dafür umso mehr. „Das hat Bochum nicht verdient. Und wir sind daran schuld“, zeigte Vize-Kapitän Kevin Stöger immerhin Verständnis.

Mantraartig und mit einem Griff in die Floskelkiste versuchten Spieler und Verantwortliche die Abgesänge auf den VfL zwar noch zu stoppen, doch wie glaubhaft das ist, haben die vergangenen Tage und Wochen gezeigt. „In diesen zwei Spielen werden wir alles daran setzen, dass der VfL auch in der nächsten Saison Teil der Bundesliga ist“, hieß es in einer Botschaft der Mannschaft vor der Relegation. Zu sehen war davon wenig, im Grunde fast gar nicht. Schon nach dem ersten frühen Gegentreffer verlor der VfL sichtbar den Glauben an die eigenen Stärken, nach dem zweiten und dritten Einschlag erst recht. Zu keinem Zeitpunkt vermittelte diese Bochumer Mannschaft das Gefühl, noch an ein positives Ende zu glauben.

Viel Pech beim frühen 0:1

Zu allem Überfluss kam auch noch reichlich Pech dazu. 77 Gegentreffer kassierte der VfL einschließlich der Relegation, aber keines davon passt besser zu dieser Saison wie das 0:1 gegen Düsseldorf. Eine scharf geschlagene Ecke landete auf direktem Weg am Bochumer Pfosten, von dort aus prallte der Ball ohne gegnerische Einwirkung an das Bein von VfL-Stürmer Philipp Hofmann – und von dort aus ins eigene Tor. Wenige Minuten später köpfte Bochums Bernardo, der im Rückspiel gelbgesperrt fehlen wird und damit wohl nie mehr im VfL-Trikot auflaufen wird, den Ball auf der anderen Seite ebenfalls ans Aluminium. Er sprang allerdings nicht ins Düsseldorfer Tor. Das allein erklärt die Bochumer Niederlage aber nicht.

Offensiv blieb der VfL über 90 Minuten blass, erspielte sich daheim gegen einen klassentieferen Gegner fast keine zwingende Torchance. Die taktischen und personellen Überlegungen von Trainer Heiko Butscher gingen nicht auf. Während die Gäste Kevin Stöger doppelt bewachten, ließ der VfL Düsseldorfs Stärksten, Außenstürmer Christos Tzolis, immer wieder laufen. Hinzu kam: Der VfL hat aus bekannten Gründen nicht nur auf Stammkeeper Manuel Riemann verzichtet, sondern aus „sportlichen Gründen“ auch auf Anthony Losilla. Bochums Kapitän saß zuletzt im November 2017 auf der Ersatzbank. Der ohnehin schon verunsicherten Mannschaft ihren wichtigsten Führungsspieler zu nehmen, ging nach hinten los.

Ohne Kapitän Losilla

Zumal Losilla einer der wenigen ist, der auch in der kommenden Saison definitiv das blau-weiße Trikot tragen wird. Der Klub steht vor einem großen Scherbenhaufen, zumindest aus sportlicher Sicht. Im Abstiegsfall wird und muss sich der Kader gravierend verändern. Mehr als ein dutzend Spieler werden den VfL verlassen, Neuzugänge gibt es noch keine. Zwar haben die Verantwortlichen in den vergangenen Wochen stets zweigleisig gedacht und geplant, für den Klassenerhalt sind sie aber deutlich besser vorbereitet als umgekehrt. Offen ist schließlich auch, wer auf Interimstrainer Butscher folgt und ob die sportliche Führung um Geschäftsführer Patrick Fabian und Sportdirektor Marc Lettau überhaupt bleiben darf.

Sie tragen die Verantwortung für diese Mannschaft, die kaum noch eine ist. Gegen Düsseldorf präsentierte sie sich nicht als bis zum Ende kämpfende Einheit. Dass zwei Spieler hinterher dennoch forsche Töne anschlugen, verwunderte umso mehr. „Es hört sich vielleicht ein bisschen albern an, aber wenn Düsseldorf bei uns drei Tore schießt, können wir das bei denen auch“, sagte Stöger, während Keven Schlotterbeck noch trotziger reagierte: „Wir lassen die Düsseldorfer jetzt jubeln und machen am Montag den Gegenschlag.“ Immerhin: Vergangenes Jahr feierte der VfL den Klassenerhalt am 27. Mai, also an jenem Tag, an dem jetzt das Rückspiel stattfindet. Ein gutes Omen muss das aber nicht sein, das wissen wir nun.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Relegation

Luthe als Retter? VfL-Abstieg hätte weitreichende Folgen

Am Pfingstmontag und am darauffolgenden Ferientag veranstaltete der VfL Bochum ein schon länger geplantes Trainingscamp für junge Torleute. Langfristig ist für die Riemann-Nachfolge offensichtlich gesorgt. Und kurzfristig? Nach der Einheit am Dienstagmittag stürmten die teilnehmenden Kinder auf Andreas Luthe zu, baten ihr Idol um Fotos und Autogramme und wünschten ihm viel Erfolg für das anstehende Relegationsspiel. Sie wissen: Der 37-Jährige, der im Winter zu seinem Heimatverein zurückgekehrt ist, wird Stammkeeper Manuel Riemann im Duell gegen Fortuna Düsseldorf am Donnerstagabend vertreten; im Rückspiel natürlich auch. Trainer Heiko Butscher hat sich bereits festgelegt, auf der Ersatzbank wird Niclas Thiede Platz nehmen.

Luthe, der auf sein Karriereende zusteuert, hätte auf diese beiden Einsätze nach eigener Aussage gut und gerne verzichten können. Doch Riemann nahm sich für das Saisonfinale selbst aus dem Spiel. Er war nicht dazu bereit, sich so anständig in die Mannschaft einzubringen, wie es sich die Verantwortlichen und die allermeisten Mitspieler von ihm gewünscht haben. Riemann hatte sich in einer internen Teamsitzung am Sonntag klar von seinen Kollegen distanziert, nachdem von ihm in den Tagen und Wochen zuvor immer wieder Auseinandersetzungen und Beschimpfungen ausgingen, sogar auf dem Spielfeld. Der Schlussmann ließ sich auch von engen Vertrauten nicht bremsen und wurde von den Verantwortlichen folgerichtig in die Sommerpause geschickt.

Fans von Aussagen irritiert

Dass sich sowohl Andreas Luthe als auch Kapitän Anthony Losilla zwei Tage vor dem ersten Relegationsspiel trotzdem sehr wertschätzend über Riemann äußerten, sorgte bei einigen VfL-Fans nachvollziehbarerweise für Verwunderung. „Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir ihn lieber im Tor haben würden“, hatte Luthe gesagt, meinte damit aber ausschließlich die sportliche Bedeutung von Riemann für das Team, wie Luthe einige Stunden später auf Nachfrage von Tief im Westen – Das VfL-Magazin versicherte. Nicht nur er, auch Losilla waren in der vorangegangenen Medienrunde um Diplomatie in alle Richtungen bemüht. Beide versuchten, den Fokus zurück auf das anstehende Spiel zu lenken. „Es ist nicht meine Aufgabe, darüber zu reden“, sagte Losilla über die Causa Riemann. „Wir brauchen Ruhe, um vernünftig zu arbeiten.“ Zu bedeutsam ist der Ausgang der Relegation für den Klub.

Als Zweitligist haderten die Bochumer oft mit ihrer Wiedereinführung, scheiterten 2011 in zwei Zusatzspielen am Wiederaufstieg und verbrachten die folgenden zehn Jahren im Fußball-Unterhaus. Als Bundesligist wiederum ist es eine weitere Möglichkeit zur Rettung – auch wenn es sich nach der 1:4-Niederlage in Bremen vielleicht nicht so anfühlt. Aber: „Wenn wir mit dem Rücken zur Wand standen, haben wir es oft geschafft, eine Reaktion zu zeigen“, weiß Kapitän Losilla. Nicht nur statistisch ist belegt, dass der Ligaverbleib über die Relegation deutlich einfacher zu erreichen ist als der Wiederaufstieg. Ein möglicher Abstieg wäre angesichts gesunder Finanzen und gewachsener Vereinsstrukturen zwar grundsätzlich zu verkraften, Klubs wie Schalke 04, Hertha BSC oder der Hamburger SV zeigen aber, dass eine sofortige Rückkehr in die Bundesliga keinesfalls planbar wäre.

Wenig Zeit nach der Relegation

Die Verantwortlichen beim VfL haben in den zurückliegenden Wochen zwar immer auch das Zweitliga-Szenario mitbedacht, bei den konkreten Planungen stand aber der Verbleib in der Bundesliga im Vordergrund. Im vergangenen Jahr präsentierten die Bochumer bereits vor dem Saisonende Neuzugänge für beide Ligen. Aktuell hat der VfL insbesondere Spieler für den Fall des Klassenerhalts an der Angel. Klar ist: Der Kader wird sich ohnehin verändern, im Abstiegsfall allerdings noch mehr als in der Bundesliga. Das Dilemma: Zwischen dem Ende der Relegation und dem Trainingsstart würden dann nur gut drei Wochen vergehen. In dieser Zeit alle Wunden zu lecken, einen neuen Trainer zu finden und den Kader neu aufzustellen, dürfte ein kompliziertes Unterfangen werden. Kein Wunder, dass Andreas Luthe daran nicht denken möchte und an ein gutes Ende glaubt: „Wenn wir unsere Qualitäten auf den Platz bringen, sind wir die stärkere Mannschaft und werden die Liga halten.“


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(Foto: Imago / Laci Perenyi)

Personalie

Ohne Riemann in die Relegation: Das sind die Hintergründe

Für Andreas Luthe schließt sich in den kommenden Tagen wahrscheinlich der Kreis. Sein erstes Profi-Jahr mit Stammplatzgarantie mündete 2011 in einer Relegationsteilnahme. Trotz starker Torwart-Leistungen verpasste der VfL Bochum gegen Borussia Mönchengladbach die Rückkehr in die Bundesliga. 13 Jahre später wird Luthe vermutlich wieder das Tor des Revierklubs hüten. Gegen Fortuna Düsseldorf geht es allerdings darum, den Sturz in die Zweitklassigkeit zu verhindern. 

Auseinandersetzungen mit Teamkollegen

Dass Luthe unmittelbar vor seinem möglichen Karriereende noch zweimal zwischen die Pfosten rückt, hatte sich eigentlich nicht abgezeichnet. Doch am Pfingstmontag, zwei Tage nach der 1:4-Niederlage in Bremen und dem Sturz auf Rang 16, änderte sich die Lage gravierend. Der VfL gab bekannt, dass er die beiden Relegationsspiele ohne Stammkeeper Manuel Riemann bestreiten wird. „Grund sind unüberbrückbare unterschiedliche Auffassungen zu teaminhaltlichen Themen“, heißt es verklausuliert in einer Pressemitteilung.

Riemann ist zuletzt mehrfach mit Mitspielern aneinandergeraten, sowohl auf als auch neben dem Platz. Das gipfelte in Konflikten beim Auswärtsspiel in Bremen, als es noch während der Partie zu Auseinandersetzungen mit seinen Teamkameraden Matus Bero und Goncalo Paciencia kam, die nach dem Abpfiff in der Kabine ihre Fortsetzung fanden. Riemann war nach gesicherten Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin nicht bereit, die Grenzen zu akzeptieren, die ihm die Verantwortlichen bei einer gemeinsamen Teamsitzung am Sonntag gesetzt haben. 

VfL ließ Riemann lange gewähren

Lange ließen sie ihre etatmäßige Nummer eins gewähren, womöglich zu lange. Vor den beiden wichtigsten Spielen der Saison blieb ihnen aber offensichtlich keine andere Wahl. Sie waren nicht mehr bereit, alle Verhaltensweisen von Riemann zu akzeptieren. Schon länger war zu beobachten, wie er in den Spielen und auch im Training Mitspieler verbal teils übel attackierte, vom Trainerteam sogar Auswechslungen forderte. Dabei ist er des Öfteren deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Mitunter mussten andere Teammitglieder schlichten. 

Zur absoluten Unzeit, wenige Tage vor dem ersten Relegationsduell, ist die Lage nun eskaliert. Die Außenwirkung ist verheerend. Nicht wenige Fans und Beobachter reagierten mit Verwunderung auf die knappe Klubmitteilung, weil Riemann stets den Eindruck vermittelte, für den sportlichen Erfolg des Klubs zu brennen. Teamintern sieht die Stimmungslage jedoch anders aus. Das Verständnis für Riemanns Ausraster sank zuletzt merklich. Im Idealfall hilft der Verzicht auf Riemann nun sogar dem gesamten Team.

Rückkehr zur neuen Saison ist fraglich

Der 35-Jährige nahm bereits am Montag nicht mehr am Mannschaftstraining teil, räumte seinen Spind in der Kabine und wird frühestens zur kommenden Saison an die Castroper Straße zurückkehren – wenn überhaupt. Sein Vertrag läuft noch bis 2025 und gilt für beide Bundesligen. Die Verantwortlichen waren nicht abgeneigt, den Vertrag noch einmal zu verlängern. Nun könnte es sogar zu einer vorzeitigen Trennung kommen, sollte sich Riemann nicht plötzlich einsichtig zeigen und seine Verhaltensweisen dauerhaft ändern. 


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Relegation war mehrfach zu verhindern

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die bevorstehende Relegation.

Wer Anthony Losilla nach dem Spiel in Bremen in die Augen sah, musste aufpassen, die journalistische Distanz nicht zu verlieren. Eigentlich hätte der Kapitän des VfL eine Umarmung gebraucht. Seit zehn Jahren hält er seine Knochen für den Revierklub hin, und in punkto Einstellung war und ist ihm nie etwas vorzuwerfen. Schon die vergangene Saison bezeichnete er als die wahrscheinlich kräftezehrendste seiner Karriere, ohne zu wissen, dass die folgende Spielzeit mindestens genauso an die Substanz geht. 

Der VfL hat den Klassenerhalt vorerst verpasst. Zwei zusätzliche Spiele gegen Fortuna Düsseldorf stehen an. Wer in 180 Minuten mehr Tore schießt, spielt künftig in der Bundesliga, notfalls geht es in die Verlängerung oder gar ins Elfmeterschießen. Nervenkitzel pur. Das Tragische: All das war mehrfach zu verhindern. 

Ja, der VfL steht nun da, wo man ihn vor der Saison angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten erwarten durfte: auf Platz 16. Das vergessen einige Fans bisweilen. Die Mannschaft hat in den vergangenen zwei Jahren überperformt – in dieser Saison nicht. Emotional ist die Relegationsteilnahme trotzdem kein Gewinn, sondern ein herber Rückschlag, nachdem der VfL vor dem letzten Spieltag noch auf dem 14. Tabellenplatz rangierte.

Vor allem nach den beiden Siegen gegen Hoffenheim und Berlin wähnten sich die Bochumer auf einem guten Weg. Doch weder gegen Leverkusen noch in Bremen gelang es, den letzten fehlenden Punkt einzufahren. Im Grunde hätte der VfL den Klassenerhalt sogar schon viel früher klarmachen können. Insbesondere die vielen späten Gegentreffer schmerzen nun umso mehr. Neun Punkte hat der VfL in den Zusatzminuten hergeschenkt. Und natürlich schubste Union Berlin den VfL am Samstag erst nach Ablauf der 90 Minuten in die Relegation.

Doch weder die Konkurrenz noch die Dortmunder B-Elf oder die Schiedsrichter sind für die Lage des VfL verantwortlich. Wer das schwächste Auswärtsteam der Liga stellt und insgesamt 74 Gegentore kassiert hat – und damit noch mehr als in der vergangenen Saison – muss sich an die eigene Nase fassen. Ändert sich gegen Düsseldorf nichts daran, wird Anthony Losilla am kommenden Montag noch viel mehr als eine tröstende Umarmung benötigen.


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1:4 in Bremen

„Wir haben versagt“: Bochumer Klatsche statt Klassenerhalt

Früh am Samstagmorgen klingelte bei vielen Fans des VfL Bochum der Wecker. In Scharen machten sie sich auf den Weg nach Bremen zum womöglich letzten Spiel der Saison. Hunderte steuerten mit einem Sonderzug gen Norden, andere fuhren sogar ohne Eintrittskarte fürs Stadion an die Weser. Hellwach waren sie, um ihre Mannschaft zum Klassenerhalt zu schreien und anschließend gemeinsam zu feiern. 

Hochverdiente Niederlage

Diese Einstellung hätten sich die reisefreudigen Anhänger sicher auch vom kickenden Personal gewünscht. Stattdessen lieferte der VfL einen Auftritt ab, der ihn folgerichtig in die Relegation beförderte. Nach der verdienten 1:4-Klatsche an der Weser geht die Saison in die Verlängerung mit zwei nervenaufreibenden Spielen gegen Fortuna Düsseldorf. Der VfL lässt seine Fans weiter leiden, der Abstieg ist immer noch möglich. 

„Für diesen Auftritt gibt es keine Erklärung, das hatte nichts mit unserem VfL-Fußball zu tun“, sagte Sportdirektor Marc Lettau nach der Partie im Weserstadion. Spielgestalter Kevin Stöger sprach von einem „inakzeptablen Auftritt“, bei dem „jeder die Verantwortung weitergeschoben hat“ und der VfL in seine „Einzelteile“ zerfallen ist. Kapitän Anthony Losilla wurde noch deutlicher: „Wir haben einfach versagt.“ Aber warum?

Spannung in Berlin

Die Abstände zwischen den Ketten waren zu groß, das Pressing und mannorientierte Verteidigen funktionierte nicht. „Wir kamen oft zu spät“, stellte auch Trainer Heiko Butscher fest, ohne während des Spiels Lösungen zu finden. Werder nutzte die freien Räume und Unzulänglichkeiten bei Standards, ging früh in Führung und verschonte den VfL vor der Pause von weiteren Einschlägen. Die folgten erst am Ende, als die Bochumer auseinanderfielen. 

An einem Unentschieden, das zum Ligaverbleib gereicht hätte, schnupperte das Team von Butscher im Grunde nie, Hoffnung auf den direkten Klassenerhalt gab es einzig durch das Zwischenergebnis aus Berlin. Während Mitkonkurrent Mainz 05 das Spiel in Wolfsburg zügig nach einem Rückstand drehte und sich damit weit vom Relegationsplatz entfernte, mussten die Unioner lange bis zum ersten Treffer warten.

Relegation gegen Düsseldorf

Doch die Freiburger gaben nicht auf. Fünf Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit fiel der Ausgleich. Der VfL wäre mit diesem Ergebnis gerettet gewesen – und Torschütze Ritsu Doan hätte ein Denkmal an der Castroper Straße sicher gehabt. Doch ausgerechnet der Ex-Bochumer Janik Haberer erzielte noch den Siegtreffer. Jubel in Köpenick, Frust und Enttäuschung beim VfL. „Die Schultern hängen jetzt tief“, weiß Butscher.

Viel Zeit zum Aufrichten und Analysieren bleibt nicht. Schon am Donnerstagabend geht es im Ruhrstadion weiter mit dem ersten Bochumer Relegationsspiel seit 2011. Die Fortuna wiederum reist mit Selbstvertrauen an, hat seit Wochen nicht verloren und in dieser Saison beeindruckend viele Rückstände aufgeholt. Geht der VfL die Aufgabe ähnlich schläfrig und halbherzig an wie in Bremen, droht ein böses Erwachen – eine Liga tiefer.  


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(Foto: Imago / Sven Simon)

Klassenerhalt oder Relegation?

Bochum in der Warteschleife: Folgen des zähen Endspurts

Die Entscheidung naht, der letzte Bundesliga-Spieltag steht unmittelbar bevor. Fans, die dem VfL Bochum die Treue halten, kennen die Szenarien für das anstehende Wochenende. Mit einem Sieg oder Unentschieden in Bremen wäre der Klassenerhalt aus eigener Kraft geschafft, im Falle einer Niederlage muss Mainz in Wolfsburg verlieren oder Union Berlin darf maximal einen Punkt gegen Freiburg holen. Geht alles gut, dann steigt am Samstagabend in Bremen und parallel in Bochum die dritte Klassenerhalts-Party seit der Bundesliga-Rückkehr 2021. Läuft alles schief, muss der VfL am Donnerstag (23.5.) sowie am darauffolgenden Montag (27.5.) in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf antreten. Der Gegner steht bereits fest, ebenso die Reihenfolge der Partien. Zunächst hätte der VfL das Heimrecht, im Rückspiel wie gewohnt der Zweitligist. Die Saison würde in die Verlängerung gehen, Nervenkitzel inklusive.

Frühe Planungssicherheit verpasst

Doch dazu soll es gar nicht erst kommen. Rund 4.500 Fans begleiten den VfL an die Weser, um die Sommerpause einzuläuten. Etliche Anhänger sind beim Ticketverkauf leer ausgegangen. Theoretisch hätten wohl mindestens doppelt so viele Karten verkauft werden können, erst recht mit dem Wissen, dass die Entscheidung über den Saisonausgang erneut am letzten Spieltag fällt. So war es auch vor knapp zwölf Monaten. Vor zwei Jahren sorgte der VfL dagegen schon am 32. Spieltag für Planungssicherheit. Das wäre auch in dieser Spielzeit möglich gewesen, hätten die Bochumer nicht immer wieder Punkte in den Schlussminuten verspielt, ganz besonders im eigenen Stadion und vor allem in der Rückrunde. Der Dortmunder Lustlos-Auftritt in Mainz und das 0:5 des VfL gegen Leverkusen sind höchstens Randnotizen, wenn es darum geht, der unnötigen Spannung auf den Grund zu gehen.

Größerer Kaderumbau steht bevor

Das Problem: Nicht nur die Nerven der Fans werden überstrapaziert, auch die der Mitarbeitenden beim VfL. Zukunftsentscheidungen verzögern sich, die Bochumer hängen in der Warteschleife. Denn die Aufgabenliste für die Sommerpause ist ziemlich lang. Zahlreiche Spieler stehen vor dem Absprung, adäquate Neuzugänge müssen folglich her. Selbst im Falle des Klassenerhalts werden Leistungsträger abwandern. Patrick Osterhage nutzt bekanntlich eine Ausstiegsklausel und wechselt für rund fünf Millionen Euro zum SC Freiburg. Kevin Stöger liegen mehrere Angebote vor, nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin könnte nun Borussia Mönchengladbach statt Union Berlin den Zuschlag erhalten. Überdies befinden sich auch Keven Schlotterbeck, Takuma Asano und Bernardo im Fokus anderer Klubs. Für jeden dieser Abgänge würde der VfL einen Nachfolger mit Stammplatzpotenzial benötigen.

Trainerfrage noch nicht beantwortet

Gespräche mit Kandidaten werden längst geführt. Zusagen gibt es aber frühestens, wenn ein viertes Bundesliga-Jahr in Folge sicher ist. Jeder Zeitverlust kann Folgen haben. Der griechische Nationalspieler Georgios Masouras zum Beispiel, den die Bochumer bereits im Winter gern als Außenstürmer verpflichtet hätten und der immer noch auf dem Zettel steht, wird von weiteren Klubs umworben. Auch die Trainerfrage muss zeitnah beantwortet werden, im Grunde sogar zuerst, weil potenzielle Neuzugänge oft wissen wollen, wie der Linienchef mit ihnen plant. Dass Interimstrainer Heiko Butscher dauerhaft befördert wird, ist eher unwahrscheinlich. Er ist als Übungsleiter für die reaktivierte U21 vorgesehen. Zudem gibt es klubintern allerhand Projekte und Ideen, die zwar nicht komplett von der Ligazugehörigkeit abhängen, im Detail aber teilweise schon. Mit einer Teilnahme an der Relegation würden sich viele Entscheidungen weiter verzögern.


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(Foto: marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Bochum braucht eine Kurve, die zusammenhält

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Stimmung im Stadion.

Fußballfans handeln manchmal widersprüchlich. Sie gönnen dem BVB 364 Tage im Jahr nicht das Schwarze unter den Fingernägeln, aber plötzlich soll genau dieser Klub ein Spiel gewinnen, weil es dem eigenen Verein helfen würde. Oder sie machen beim Bochumer Fanmarsch mit und posten später Fotos von der Choreografie im Stadion, fordern dann aber während des Spiels, genau die Gruppe rauszuwerfen, die all das überhaupt in die Wege geleitet hat. Zur Unzeit, nämlich in der Woche vor dem Saisonfinale, gibt es in Bochum also mal wieder Unstimmigkeiten in der eigenen Fankurve. Auslöser dafür: Der permanente Einsatz von Pyrotechnik während des Heimspiels gegen Bayer Leverkusen.

Es wäre verschenkte Lebenszeit, jetzt darüber zu philosophieren, wie man Ultras dazu bringen könnte, generell auf (verbotene) Pyrotechnik zu verzichten. Das wird nicht funktionieren. Wer das möchte, dem bleibt tatsächlich nur die Ultima Ratio: Kein Stadionzutritt mehr für Ultras. Das zieht nicht einmal der Verein ernsthaft in Erwägung, obwohl er in dieser Saison allein für Pyrotechnik Strafen in sechsstelliger Höhe zahlen muss. Wie so oft im Leben helfen eine differenzierte Betrachtung und eine zielgenauere Kritik. Man kann einzelne Aktionen kritisieren, ohne gleich eine engagierte Gruppe in ihrer Gesamtheit zu beschimpfen.

Natürlich sollten sich auch die Ultras hinterfragen und ihren Blickwinkel weiten. Als selbsternannte Chefs der Kurve haben sie eine besondere Verantwortung für die Atmosphäre im Stadion. Sie hätten am Sonntag gegen Leverkusen merken müssen, dass der permanente Einsatz von Pyrotechnik der Stimmung eher geschadet als geholfen hat. In diesen Situationen, ganz besonders im Saisonfinale, ist Fingerspitzengefühl und Flexibilität gefragt. Von außen entsteht leider oftmals der Eindruck, die Interessen der Gruppe stünden über den Interessen des Klubs.

Wie auch immer: Am Sonntag gegen Leverkusen hat sich die Kurve zwischen An- und Abpfiff nicht mit Ruhm bekleckert. Am Samstag in Bremen demonstrieren die mitreisenden Anhänger dann aber hoffentlich wieder den notwendigen Zusammenhalt. Ultras wie Nicht-Ultras, alle gemeinsam.


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(Foto: Marc Niemeyer)