Vereinsentwicklung

Trikotrekord und fast 30.000 Mitglieder: VfL-Boom hält an

Der Mut hat sich ausgezahlt. Inmitten des turbulenten und unberechenbaren Endspurts der vergangenen Saison entschied die Marketing- und Merchandisingabteilung des VfL, T-Shirts für den Fall des Klassenerhalts zu drucken. Nach dem Hinspiel in der Regelation sah es ganz danach aus, als würden diese Kleidungsstücke nie das Tageslicht sehen. Dank der spektakulären sportlichen Wende vier Tage später haben sich die T-Shirts zum Verkaufsschlager entwickelt. Mehr als 11.000 Stück wurden unter dem Motto „Ihr & Wir in Jahr 4“ verkauft.

Diese Zahl steht beispielhaft für das Wachstum beim VfL Bochum. Auch zu Beginn der vierten Bundesliga-Saison in Folge legt der Klub von der Castroper Straße Rekordzahlen vor, die dazu beitragen, den Umsatz weiter zu steigern. Speziell die Trikotverkäufe sind förmlich explodiert. Nach 25.500 in der Saison 2022/23 ist die Zahl der abgesetzten Trikots auf rund 28.000 in der Spielzeit 2023/24 gestiegen. In den ersten Wochen der neuen Saison verzeichnet der VfL einen weiteren Anstieg. „Wir hoffen, dass es so weitergeht“, sagt Tim Jost.

Kein City-Fanshop

Der Marketing- und Vertriebsdirektor berichtet zudem, dass sich die Verkaufserlöse mittlerweile zu jeweils rund 50 Prozent auf den stationären und den digitalen Handel verteilen. Aktuell betreibt der VfL zwei Fanshops: im Stadioncenter und im Ruhrpark. Ein dritter Shop in der Innenstadt wird zunächst nicht dazukommen, nachdem das vorherige Ladenlokal in der Drehscheibe im Frühjahr 2023 geschlossen wurde. „Wir haben uns vorerst dagegen entschieden, weil es sich wirtschaftlich nicht gelohnt hätte“, erklärt Jost die Entscheidung.

Auch die Mitgliederzahl steigt parallel weiter an. Vor sieben Jahren waren es noch 10.000, im August waren es 29.100. Die 30.000 sind das Ziel bis zur kommenden Jahreshauptversammlung. Das ist durchaus realistisch, denn: „Aktuell kommen konstant 200 bis 300 im Monat dazu, obwohl es keinen großen Vorteil gibt, da die Tickets für unsere Spiele weiterhin sehr knapp sind“, berichtet Geschäftsführer Ilja Kaenzig, den diese Entwicklung besonders erfreut. „Das zeigt, dass unsere Fans stolz sind und sich mit dem VfL identifizieren.“

Kaum Eintrittskarten

Kaenzigs Hinweis auf die Kartenknappheit ist nicht neu, für viele Anhänger aber immer noch allgegenwärtig. Auch vor der gerade begonnenen Saison gab es keine neuen Dauerkarten zu kaufen. Der VfL möchte Gelegenheitsbesuchern weiterhin die Chance bieten, Bundesliga-Fußball im Ruhrstadion zu verfolgen. Lediglich die gut 18.000 Bestandskunden konnten sich ihren Stammplatz zu erhöhten Konditionen weiter sichern. Über den Preisanstieg von bis zu 20 Prozent habe man „wochenlang“ intensiv diskutiert, berichten Kaenzig und Jost unisono.

Dieser „Anstieg mit Augenmaß“ sei im Ligavergleich notwendig geworden. Die Preise in Bochum lägen trotzdem noch deutlich unter dem Schnitt. „Wir wollen, dass sich bei uns jeder einen Stadionbesuch leisten kann“, betont Jost. Speziell die Ticketpreise für Jugendliche oder Schwerbehinderte wurden deshalb nur minimal erhöht. Das Geld muss der VfL folglich in anderen Bereichen verdienen, insbesondere in den hochpreisigen VIP-Bereichen. Zur neuen Saison wurde im angrenzenden Moxy-Hotel ein weiterer Exklusiv-Bereich für rund 60 Anhänger geschaffen.

Der VfL investiert

Die Zielrichtung ist klar. „Wir bleiben ambitioniert, wollen uns weiterentwickeln und streben, wie schon mehrfach kommuniziert, perspektivisch einen Umsatz von 100 Millionen Euro im Jahr an“, betont Kaenzig, der im Gespräch im Tief im Westen – Das VfL-Magazin noch einmal einem oft formulierten Vorwurf aus dem Umfeld entgegentritt. „Wir sparen nicht, sondern nutzen das Wachstum, um in die Modernisierung des gesamten Klubs investieren zu können. Mittlerweile können wir uns Investitionen leisten, die jahrelang nicht möglich waren.“

Kaenzig nennt beispielhaft die Nachwuchsabteilung. Der VfL hat zur neuen Saison wieder eine U21 eingeführt, darüber hinaus das Budget für den gesamten Jugendbereich erhöht. Außerdem bleibt der Etat für die Bundesliga-Mannschaft mit rund 40 Millionen Euro stabil. „Im vergangenen Jahr haben wir für den Etat einen Verlust in Kauf genommen, in diesem Jahr stemmen wir die Summe aus eigener Kraft. Das ist eine Entwicklung, die nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, aber nur mit Wachstum auf vielen Ebenen möglich geworden ist.“


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(Foto: Marc Niemeyer)

Debatte

VfL-Kolumne: Stöger muss raus aus den Köpfen

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Der Verlust von Kevin Stöger.

Ein bisschen erinnert die jetzige Lage an 2021. Damals hat der VfL Bochum mit Robert Zulj seinen Top-Scorer und Spielgestalter ziehen lassen müssen. Ein echter Nachfolger, ein vergleichbarer Spielertyp, wurde nicht verpflichtet. Bis in den Winter hinein fiel der Name Zulj in den Foren und sozialen Netzwerken immer wieder, ehe der sportliche Erfolg dazu führte, dass Zulj kaum noch erwähnt wurde.

In diesem Sommer ist es nicht anders. Die Abgänge von Takuma Asano, Keven Schlotterbeck oder Patrick Osterhage sind schon halbwegs vergessen, aber der Name Kevin Stöger geht vielen Anhängern nicht aus dem Kopf – sollte er aber. Denn der Top-Scorer und Spielgestalter der vergangenen zwei Jahre trägt mittlerweile das Trikot von Borussia Mönchengladbach. Ja, ohne ihn würde der VfL heute nicht mehr in der Bundesliga spielen. Und ja, seine Art, das Bochumer Spiel anzutreiben, wird schmerzlich vermisst. Aber Stöger ist Vergangenheit beim VfL.

Ihm hinterherzutrauern, hilft nicht weiter. Jeden anderen Mittelfeldspieler mit ihm zu vergleichen, auch nicht. Dani de Wit ist ein anderer Spielertyp: körperlich robuster und torgefährlicher, aber kein Standardspezialist oder begnadeter Ideengeber. Gleiches gilt für Lukas Daschner, der ohnehin offensiver agiert und noch längst nicht Stögers Niveau erreicht. Auch Last-Minute-Neuzugang Koji Miyoshi ist kein Stöger-Ersatz. Der Japaner ist agiler als der Österreicher und eher ein Dribbler, keiner, der ständig zu genialen Pässen in die Tiefe ansetzt. Dieses Trio wird (hoffentlich) andere Akzente setzen.

Für die Fanseele war es jedenfalls nicht hilfreich, dass Stöger am vergangenen Wochenende zum ersten Heimspiel der Saison wieder ins Ruhrstadion kam und das Trikot des Gegners trug. Schade ist übrigens, dass es keine angemessene Verabschiedung gab, die sich Stöger ausdrücklich gewünscht hätte. Spätestens, wenn er demnächst als Zuschauer ins Ruhrstadion zurückkehrt – und das hat er am Samstag angekündigt – wäre ein angemessener Dank fällig, vom Klub und von den Fans. Einziger Nachteil: Dann beginnt die Stöger-Debatte vermutlich erneut.


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(Foto: Marc Niemeyer)

0:2 gegen Gladbach

Fehlstart ohne Tor: VfL fehlen Rhythmus und Reife

Applaus und große Emotionen gab es am Samstag im Bochumer Ruhrstadion nur kurz. Vor dem Duell gegen Borussia Mönchengladbach bedankte sich der VfL bei einigen von denen, die in der Relegation dafür gesorgt haben, dass der VfL auch in dieser Saison in der Bundesliga spielt. Doch die Euphorie konnte der Revierklub nicht mitnehmen ins erste Heimspiel seit exakt 100 Tagen. Mit 0:2 unterlag die Zeidler-Elf der Borussia, blieb erneut ohne Tor und hat mit drei Niederlagen einen Fehlstart hingelegt. Das ist zumindest keine neue Erfahrung für die Bochumer. Wie schon in der vergangenen und der vorvergangenen Saison läuft der VfL dem Geschehen früh hinterher. 2023 gab es den ersten Bundesliga-Sieg erst im November, 2022 im Oktober. Nun muss Fußball-Bochum mindestens bis September warten.

Doppelspitze ohne Gefahr

Vor allem die mangelnde Torgefahr bereitet Sorgen. Weder in Regensburg noch in Leipzig noch gegen Mönchengladbach gelang dem VfL ein Treffer. „Wir müssen mehr Chancen herausspielen“, fordert Trainer Peter Zeidler. Gegen die Borussia waren es nur wenige und die Verwertung unzureichend. Allenfalls nach Balleroberungen wurden die Bochumer gefährlich, längere Ballbesitzphasen mit kreativen Momenten fehlten. Philipp Hofmann hatte die beiden besten Chancen, blieb in seinem gesamten Wirken aber glücklos. Auch Nebenmann Moritz Broschinski enttäuschte erneut. Zeidler reagierte bereits zur Pause, stellte von der Mittelfeldraute auf ein 4-3-3-System um. Die beiden Neuen, Myron Boadu und Aliou Balde, belebten mit Tempo und Technik das Angriffsspiel, agierten aber noch zu kopflos.

Halbherziges Attackieren

Insbesondere Balde zeigte sich spielfreudig, aber ohne taktische Reife. Das ist generell ein Problem beim VfL. Einige Automatismen greifen noch nicht, die Balance fehlt. Das erste Gegentor fiel, weil die Bochumer mit sechs Spielern tief in der gegnerischen Hälfte nur halbherzig das Pressing auslösten, womöglich auch schon mit ihren Kräften am Limit. Spielend leicht drangen die Gäste ins Mittelfeld vor, wo große Räume klafften, und kombinierten sich ohne Gegenwehr bis zum Tor. Eine Bochumer Schlussoffensive blieb aus, stattdessen fiel nach einem fatalen Ballverlust des ansonsten souveränen Jakov Medic das 0:2. „Wir müssen überall ansetzen. Auch müssen wir schauen, wann wir uns zurückziehen und weniger pressen“, kennt nicht nur Philipp Hofmann die Probleme und weiß: „Wir müssen uns einspielen.“

Neuzugänge lernen noch

Eigentlich ist das eine alarmierende Aussage nach dem dritten Pflichtspiel, wirklich überraschend kommt diese Erkenntnis allerdings nicht. Fünf der zehn Neuen wurden erst im August verpflichtet, einen Großteil der Testspiele haben sie verpasst. Zudem haben acht Spieler vorher noch nie in der Bundesliga gespielt. Im Grunde befindet sich der VfL noch im erweiterten Testmodus. „Der Adaptionsprozess läuft gerade erst an“, sagt Peter Zeidler. Zeit, die der VfL eigentlich nicht hat, sich nach dem großen Umbruch in diesem Sommer mit eingeschränkten Möglichkeiten aber nehmen muss. Sturmhoffnung Myron Boadu fehlen noch Kraft und Spielrhythmus. Ibrahima Sissoko und Dani de Wit sind ebenfalls als Leistungsträger eingeplant, müssen in diese Rolle aber erst hineinwachsen.

Pause zum Trainieren

Klar ist schon jetzt: Die Rolle von Kevin Stöger, der am Samstag im Trikot der Fohlen glänzte, wird de Wit nicht übernehmen. Er ist ein gänzlich anderer Spielertyp. Ihn richtig einzubinden, bleibt dennoch eine zentrale Aufgabe; Gleiches gilt für Last-Minute-Transfer Koji Miyoshi. Da kommt die anstehende Bundesliga-Pause wie gerufen. Erst am übernächsten Wochenende geht es mit einem Auswärtsspiel in Freiburg weiter, zwischendrin testet der VfL gegen Rot-Weiss Essen. „Unsere Idee ist bereits zu erkennen“, stellt Zeidler richtigerweise fest. Aber: An der Umsetzung hapert es noch. „Das synchrone Attackieren hat noch nicht geklappt, das werden wir trainieren. Ich bin zuversichtlich, dass es schnell besser wird“, verspricht Zeidler. Damit es Applaus in Bochum nicht nur für Ehemalige gibt.


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(Foto: Imago / Sven Simon)

Kaderplanung abgeschlossen

Miyoshi kommt, Bernardo bleibt: So lief der letzte Transfertag

Bei den Followerzahlen ist sein Vorgänger unübertroffen. Rund eine Viertelmillion Menschen folgen Takuma Asano auf Instagram. Bochums neuer Japaner, der Mittelfeldspieler Koji Miyoshi, bringt es dagegen nur auf knapp 58.000 Fans in den sozialen Netzwerken. Dennoch: Auch die Vermarktungsabteilung des VfL dürfte sich über den letzten Transfer des Sommers freuen. Die Bochumer pflegen bekanntlich intensive Beziehungen ins Land der aufgehenden Sonne und bedauerten nicht nur aus sportlichen Gründen den Abgang von Asano. Der Angreifer fungierte immer wieder als Botschafter für den Revierklub. Diese Aufgabe wird nun sicher Miyoshi übernehmen. Der 27-Jährige hat wenige Stunden vor dem Ende der Transferperiode einen Vierjahresvertrag beim VfL unterschrieben. Er ist der zehnte Neuzugang für die bereits laufende Saison.

Agiler Kreativspieler

Dass die Wahl auf einen Japaner fiel, bezeichnen die Verantwortlichen als angenehmen Nebeneffekt. Im Vordergrund steht natürlich das Sportliche. Miyoshi verstärkt das zuvor eher dünn besetzte Mittelfeld. Der Linksfuß, der es nur auf 1,67 Meter Körpergröße bringt, kann in der Mittelfeldraute drei von vier Positionen einnehmen, ist sehr agil, technisch stark und gilt als Kreativspieler. Den Sprung nach Europa wagte er bereits vor fünf Jahren, als sich Miyoshi dem belgischen Erstligisten Royal Antwerpen anschloss und in dieser Zeit auch fünf Länderspiele für Japan bestritt, das letzte allerdings schon 2020. Im Sommer 2023 wechselte er zu Birmingham City, stieg mit dem ambitionierten englischen Zweitligisten allerdings in diesem Sommer ab, weshalb er gegen eine geringfügige Ablöse nach Bochum wechseln durfte.

Holtmann bleibt

Mit Last-Minute-Transfers hat der VfL Bochum in den vergangenen Jahren unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Im Sommer 2023 wurde Goncalo Paciencia am sogenannten Deadline Day verpflichtet; ein Spieler, der eher enttäuschte. Auf den letzten Drücker kam allerdings auch Aufstiegsheld Robert Tesche zum VfL – wie Miyoshi ebenfalls aus Birmingham. Die Verantwortlichen haben die Notwendigkeit erkannt, den Kader noch einmal zu verstärken und dafür intern Prioritäten verschoben, obwohl das Geld nach dem Pokal-Aus und mangels Abgängen knapp ist. Geblieben ist unter anderem Gerrit Holtmann, der zu den Top-Verdienern gehört, aber kaum noch spielen wird. Er könnte allerdings noch in eine Liga wechseln, in der die Transferperiode bis Anfang September läuft, etwa nach Griechenland, nach Belgien, in die Schweiz oder nach Österreich.

Zehn Neuzugänge

Beim suspendierten Torhüter Manuel Riemann und bei Ex-Trainer Thomas Letsch sind ebenfalls noch Mittel in siebenstelliger Gesamthöhe gebunden, die die Handlungsfähigkeit auf dem Transfermarkt eingeschränkt haben. Auch Bernardo, die Bochumer Top-Aktie, hat keinen neuen Klub gefunden; die erhoffte Millionen-Einnahme ist somit ausgeblieben. Kein Verein war annähernd bereit, die von Bochumer Seite aufgerufene Ablöse bezahlen. Zehn Neuzugänge stehen somit 13 Abgängen gegenüber. Eine nennenswerte Ablöse hat der VfL nur für den Wechsel von Patrick Osterhage zum SC Freiburg eingenommen, rund vier Millionen Euro netto. Das Geld haben die Bochumer komplett in ihren Kader gesteckt, allerdings traditionell nicht in Ablösesummen investiert, sondern vorzugsweise in Gehälter.

Großer Kader

Sieben der zehn Neuen wurden für mindestens zwei Jahre fest verpflichtet, drei weitere inklusive Kaufoption geliehen. Ablösefreie Abgänge wie in diesem Sommer, als Leistungsträger wie Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck und Takuma Asano ohne Entschädigung wechseln durften, drohen im kommenden Jahr kaum. Mit 31 Spielern ist der Bochumer Kader allerdings größer als geplant, wodurch Abgänge bereits im Winter wahrscheinlich sind. Sportdirektor Marc Lettau hatte ursprünglich mit 24 Feldspielern kalkuliert, nun sind es 27 plus vier Torhüter. Vor allem seit dem Trainingslager ist der Kader gewachsen: Fünf der zehn Neuen kamen erst im August zum VfL. Die Transferphase ist nun vorbei, der Integrationsprozess aber noch längst nicht abgeschlossen. Für acht Spieler ist die Bundesliga Neuland. Auch für Miyoshi.


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(Foto: VfL Bochum 1848)

Debatte

VfL-Kolumne: Riemann sollte die Realität endlich anerkennen

Die VfL-Kolumne ist ein Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Einmal pro Woche gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße oder zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Causa Manuel Riemann.

Eigentlich wäre es ganz einfach: Manuel Riemann einigt sich kurzfristig mit dem VfL Bochum auf eine Vertragsauflösung, bekommt einen großen Teil seines noch ausstehenden Lohns als Abfindung dazu, und kann dann als vereinsloser Profi auch nach Abschluss der Transferperiode noch bei einem anderen Klub unterschreiben. Es wäre für den Torhüter und für den Klub eigentlich die Optimallösung. Der einstmals so ehrgeizige Riemann könnte sich sportlich noch einmal neu beweisen, und der VfL könnte die Akte endgültig schließen.

Eigentlich. Denn Riemann möchte lieber auf dem Rechtsweg eine Trainingsteilnahme in Bochum erwirken. Das ist grundsätzlich legitim – aber völlig sinnfrei. Denn um Geld kann es dem 35-Jährigen nicht gehen, das bekommt er derzeit ohne Gegenleistung sowieso. Seit dem Gütetermin in der vergangenen Woche kennen wir auch die Summe: 55.000 Euro im Monat, ohne Prämien. Riemann geht es vielmehr darum, tatsächlich wieder auf den Trainingsplatz des VfL zurückkehren zu dürfen – als fester Bestandteil der Profimannschaft.

Das Kernproblem ist: Riemann denkt offensichtlich, dass er im Falle einer Trainingsteilnahme auch wieder eine Chance hätte, zwischen die Pfosten zurückzukehren. Das ist aber nicht der Fall. Unter Trainer Peter Zeidler, Sportdirektor Marc Lettau und den übrigen Verantwortlichen auf höchster Ebene wird Riemann kein Spiel mehr für den VfL Bochum bestreiten. Riemann muss sich schleunigst von seinem Gedanken an eine Rückkehr ins VfL-Tor lösen, endlich die Realität anerkennen und akzeptieren, dass seine Zeit an der Castroper Straße vorbei ist.

Anderenfalls muss das Bochumer Arbeitsgericht beim Kammertermin im November entscheiden, wie es weitergeht. So oder so: Riemann kann nicht gewinnen. Selbst wenn er eine Trainingsteilnahme erkämpft, vergeudet er im Herbst seiner Karriere eine gesamte Saison ohne Pflichtspiel- oder Testspieleinsatz. Und der VfL hätte neben einem Aufsehen erregenden Urteil ein veritables Problem, denn es gibt ja Gründe dafür, warum Riemann kurz vor der Relegation vom Mannschaftstraining ausgeschlossen wurde. Für den Klub kann man nur hoffen, dass es nicht so weit kommt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Karriereende

„Mehr erreicht als gedacht“: Luthe-Abschied im Ruhrstadion

Einen schöneren, einen würdigeren und emotionaleren Abgang hätte es nicht geben können. Die Karriere von Andreas Luthe als Torhüter endete am Abend des 27. Mai 2024, als Düsseldorfs Takashi Uchino seinen Elfmeter über das Bochumer Tor setzte – und der VfL nach einem beispiellosen Relegationsdrama doch noch in der Bundesliga blieb. Sichtlich gerührt feierte Luthe anschließend erst vor der Bochumer Fankurve und später mit den Teamkollegen und Mitarbeitern des VfL im Bermuda-Dreieck.

Da flossen selbst bei dem sonst so gelassenen Familienvater ein paar Freudentränen, und ganz Bochum freute sich mit ihm. Kurze Zeit später bestätigte Luthe das, was längst klar, nur noch nicht öffentlich ausgesprochen war. „Das war heute mein letztes Spiel im Profifußball“, sagte er unmittelbar nach dem sensationellen Erfolg des VfL in Düsseldorf. „Ich habe eine tolle Karriere hinter mir. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um Danke zu sagen. Jetzt freue ich mich auf alles, was danach kommt.“

Dass Luthe das letzte Spiel seiner Karriere im Trikot seines Jugendklubs bestreiten würde, war Anfang des Jahres gewiss nicht abzusehen, entwickelte sich dann aber zu einer fast schon kitschigen Fußball-Geschichte. Ende Januar wechselte der 37-Jährige vom 1. FC Kaiserslautern zurück nach Bochum, weil sich Ersatzkeeper Michael Esser verletzt hatte. Mit Luthe war klar vereinbart, dass er nur der Ersatz für den jungen Niclas Thiede sein würde, und die gemeinsame Zeit vier Monate später schon wieder enden soll. Luthe hatte damit kein Problem, für ihn stand die Rückkehr zu seinem Heimat- und Herzensverein im Vordergrund, ganz im Spätherbst seiner Karriere. Pläne für die Zeit danach hatte er längst in der Tasche.

Doch dann kam alles ganz anders. Schon im März gegen Leipzig musste Luthe einmal einspringen. Er vertrat den gesperrten Manuel Riemann und den verletzten Niclas Thiede. Luthe genoss seinen mutmaßlich letzten Auftritt im Bochumer Ruhrstadion sehr: „Jeder, der mich kennt, weiß, was mir das bedeutet hat. Ich bin ein gestandener Mann, aber als ich zum Aufwärmen aus der Kabine gekommen bin und die Fans meinen Namen gerufen haben, musste ich kurz schlucken.“ Luthe rechnete fest damit, dass dieses Spiel sein letztes bleiben würde.


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Der Krach zwischen Riemann, der Mannschaft und den Verantwortlichen führte allerdings dazu, dass Luthe auch in der Relegation wieder das Bochumer Tor hüten musste. Nach dem Hinspiel sah es so aus, als würde er als Absteiger abtreten müssen. Doch vier Tage später trug Luthe im Rückspiel entscheidend dazu bei, den VfL Bochum in der Bundesliga zu halten – im Elfmeterschießen. „Danach war ich einfach nur erleichtert. Die Phase nach dem Hinspiel war nicht leicht. Mein Plan, die Karriere zu beenden, stand längst fest. Allerdings war ein Abstieg mit meinem Herzensverein gewiss nicht eingeplant. Da habe ich mir schon die Frage gestellt, ob der Abstieg wirklich meinen Abschied prägen soll“, erzählt er in seinem ersten exklusiven Interview als ehemaliger Fußballprofi. „Glücklicherweise kam es anders. Ich habe jede Sekunde mit dem Team und den Anhängern genossen.“

Hinter Luthe liegen 15 Profijahre mit 91 Erst- und 187 Zweitliga-Einsätzen für den VfL Bochum, den FC Augsburg, Union Berlin und den 1. FC Kaiserslautern. „Ich habe mehr erreicht, als ich mir jemals hätte vorstellen können“, blickt Luthe zufrieden zurück. Bereits im Alter von 14 Jahren trug der Schlussmann erstmals das VfL-Trikot. 2009 debütierte er beim VfL in der Bundesliga. Sieben Jahre später endete seine Zeit an der Castroper Straße – vorerst. „Ich habe in Düsseldorf noch auf dem Rasen unserem Torwarttrainer Peter Greiber für alles gedankt. Ohne ihn wäre ich niemals Profi geworden. Ich war nie das ganz große Talent. Seine Beharrlichkeit hat dafür gesorgt, dass ich aus mir das Maximum herausholen konnte“, sagt Luthe.

Mittlerweile ist Luthe in seine Wahlheimat nach Augsburg zurückgekehrt. Dort hat er sich parallel zu seiner Profikarriere eine Existenz als Experte für Change-Prozesse aufgebaut. Er arbeitet mit Einzelpersonen, Teams oder ganzen Unternehmen zusammen. „Ich möchte die Erfahrungen meiner sportlichen Karriere mit den Methoden der Wirtschaftspsychologie verknüpfen“, erzählt er. Parallel zu Training und Wettbewerb hat Luthe mehrere Studienabschlüsse erworben, unter anderem einen Master in Wirtschaftspsychologie und Coaching. „Dadurch wollte ich mich früh unabhängig machen vom Erfolgsdruck im Sport. Deshalb hatte meine akademische Laufbahn auch immer einen hohen Stellenwert für mich. Der Fußball hat mir tolle Momente ermöglicht. Aber er war nie alles für mich.“

Ganz möchte er dem Sport aber noch nicht den Rücken zuwenden: „Auch wenn ich mich gerade Themen außerhalb des Fußballs widme, möchte ich nicht ausschließen, dass ich irgendwann zurückkehre. Auch im Fußball gibt es spannende Aufgaben, die mich interessieren würden. Für den Moment genieße ich aber die Distanz zum Sport.“ Auch dem VfL wird er natürlich treu bleiben: „Ich werde als Vereinsmitglied meinem Klub weiterhin an jedem Wochenende die Daumen drücken. Die Spiele hier im Süden werde ich nach Möglichkeit im Stadion verfolgen.“ Mindestens einmal wird er aber noch ins Ruhrstadion zurückkehren. An diesem Samstag kehrt Luthe heim und wird vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach offiziell verabschiedet.

Der Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen. Auf mehr als 130 Seiten bietet das Magazin viele Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.

Trainer vor Bundesliga-Debüt

Interview: Zeidler über sein Alter, Teamgeist & die Stadt Bochum

Für Peter Zeidler beginnt an diesem Wochenende ein neues Kapitel. Beim Auswärtsspiel in Leipzig feiert der 62-Jährige sein Bundesliga-Debüt. Im Vorfeld hat sich der neue Trainer des VfL Bochum Zeit für ein ausführliches Gespräch genommen. In diesem Interview geht um seine Freude auf den Saisonstart, schwierige Lebensentscheidungen und den Umgang mit zunächst fehlenden Neuverpflichtungen.

Herr Zeidler, profitieren Sie davon, dass Sie in der Bundesliga und in Bochum noch nicht so bekannt sind wie andere Trainer und dadurch vorurteilsfrei starten können?

Wenn dem so ist, dann sehe ich das als Vorteil, nicht sofort in eine Schublade gesteckt zu werden. Ich habe jahrelang im Ausland gearbeitet, in Österreich, Frankreich und der Schweiz. Da konnte ich jede Menge Erfahrungen sammeln und habe meinen eigenen Weg gefunden. Nun freue ich mich auf die Herausforderung in der Bundesliga und dass ich in Deutschland arbeiten kann.

Sie gehen als ältester Bundesliga-Trainer in die neue Saison und feiern mit 62 Jahren ihr Debüt an der Seitenlinie in Deutschlands höchster Spielklasse. Stand dieser Moment noch auf Ihrer Wunschliste?  

Ich bin im Jahr 1962 geboren, also mit der Bundesliga groß geworden. Ich habe das Geschehen in der Liga immer intensiv verfolgt. Natürlich ist es klasse, sich nun in der besten deutschen Liga mit den anderen großen Klubs zu messen. Aber mein Lebensglück hängt nicht von einem Job in der Bundesliga ab. Diese Gelassenheit habe ich. Ich wäre auch gerne in der Schweiz geblieben, aber nun hat sich diese besondere Möglichkeit ergeben. Ich habe mit meiner Frau, unseren beiden erwachsenen Töchtern und meinem Bruder über den Wechsel nach Bochum gesprochen. Einzig meine Schwester musste nichts mehr zur Entscheidungsfindung beitragen. (lacht) Wir waren uns einig, dass es sich lohnt, dieses Abenteuer anzugehen. Die Vorfreude ist groß und gibt mir das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Worauf freuen Sie sich genau?

Die Bundesliga und viele Stadien kenne ich schon aufgrund meiner früheren Tätigkeit als Co-Trainer in Hoffenheim. Ich bin zwar schon 40 Jahre als Trainer tätig, aber nun in meinem Geburtsland in der Bundesliga als Cheftrainer zu arbeiten, gibt mir eine zusätzliche Energie, ohne vor Ehrfurcht zu erstarren. Trotzdem bin ich mir sicher, dass die Hühnerhaut kommen wird, wie es der Schweizer formulieren würde. Wir nennen es Gänsehaut. (schmunzelt) Ich rechne fest mit diesen Momenten.

Woher nehmen Sie die Energie, auch jenseits der 60 noch ehrgeizige Ziele zu haben?

Diese Energie gehört zu mir, das ist mein Naturell. Ich bin dankbar, so gesund zu sein, fühle mich lebendig und voller Tatendrang. Der Kalender lügt nicht, von allen Trainern in der Liga bin ich nun der älteste. Aber ich bin erst später dazugekommen. Ich war kein Profi, habe vor 20 Jahren noch in meinem Traumberuf als Lehrer gearbeitet. Ich glaube, das ist die Antwort auf Ihre Frage, warum ich immer noch so viel Lust und Kraft verspüre.


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Sie haben Französisch und Sport unterrichtet und bezeichnen diese Tätigkeit als Traumberuf. Trotzdem haben Sie ihn aufgegeben. War und ist der Job als Fußballtrainer ein noch größerer Traum?

Ich bin Fußballliebhaber und es ist faszinierend, den Fußball auf höchstem Niveau kennen zu lernen und mitzugestalten. Die Emotionen sind andere als wenn man eine Klausur zurückgibt (lacht). Dennoch: Ich habe sehr gerne als Lehrer gearbeitet, vor allem sehr gerne Französisch unterrichtet. Das war mein Traumberuf, der jetzige ist es aber auch. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich keine Lust hatte, in die Schule zu gehen. Ich habe dafür gebrannt. Frankreich ist ein so liebenswertes und spannendes Land. Natürlich ist dort nicht alles so schön und so romantisch, wie wir es aus einigen Büchern und Filmen kennen. Mein Ziel war es aber immer, Schüler für die Sprache des Nachbarn zu begeistern, gerade bei uns in Baden-Württemberg. Ich habe sogar viele Schüleraustausche organisiert.

Irgendwann mussten Sie sich entscheiden: Gymnasiallehrer mit Beamtenstatus oder Fußballtrainer mit den allseits bekannten Unsicherheiten.

Den Beamtenstatus zu kündigen, ist ein großer Schritt. Thomas Letsch hat sich damals bei mir erkundigt, weil er kurze Zeit später in der gleichen Situation war. Der Job ist gut vergütet und mit einer besonderen Sicherheit verbunden, auch im Alter. Aber ich bin glücklich darüber, wie es gelaufen ist, obwohl es nicht immer einfach war. Ich war mehrfach ohne Job. Ich glaube, die Entscheidung gegen den Lehrberuf und für den Profifußball war die bislang schwierigste in meinem Leben. Die zweitschwierigste liegt erst ein paar Wochen zurück.

Die Entscheidung, St. Gallen zu verlassen und nach Bochum zu wechseln?

Ja, genau die. Es war traumhaft in der Ostschweiz. Ich war respektiert und, so glaube ich, auch sehr gemocht. Es war schwer, das aufzugeben. Aber ich finde es extrem spannend zu erleben, ob es möglich ist, Bochum auch in ein fünftes Bundesliga-Jahr zu führen. In der Schweiz ist das für viele gar nicht so greifbar, dass wir Außergewöhnliches leisten müssen, um in der Bundesliga zu bleiben.

Wovon war ihr Bild vom VfL Bochum bis zu Ihrer Ankunft hier geprägt?

Es gab in der Vergangenheit immer wieder direkte Begegnungen oder Stadionbesuche in Bochum, als Beobachter, als Co-Trainer. Und ich erinnere mich gut daran, dass unsere jüngere Tochter Einlaufkind beim Spiel Hoffenheim gegen Bochum war. Da war ich noch bei der TSG und sie durfte mit Stanislav Sestak ins Stadion laufen. Sestak hat uns dann hinterher drei Tore eingeschenkt. (lacht)

Sie wirkten in der Saisonvorbereitung phasenweise fast ein wenig ungeduldig und auch unzufrieden. Sie haben aufgezählt, wie viele Leistungsträger den Klub verlassen haben, dass sie sich Verstärkung wünschen und dass ein Leistungsgefälle innerhalb der Mannschaft sichtbar sei. Wussten Sie nicht, worauf sie sich einlassen?

Die Aufzählung der Abgänge habe ich ja nicht als Erster ins Spiel gebracht. Aber ich bin ehrlich und möchte das auch so kommunizieren, ohne dass es als Thema zu groß gemacht wird: Ich habe ein paar Tage gebraucht, um das alles genau zu verstehen und die Realität so zu akzeptieren, wie sie ist. Etwa, dass zum Trainingsstart und auch zum Trainingslager noch nicht alle Neuzugänge da waren. Natürlich wusste ich, dass der Kader vor einem Umbruch steht. Die Herausforderung nehme ich an, die nehmen wir als Team an. Meine Aufgabe ist es, mich auf die Spieler zu konzentrieren, die da sind. Wir haben gute Spieler. Es ist für mich als Trainer nur wichtig zu verstehen, vor welcher Herausforderung wir stehen, dass sich die Mannschaft verändert hat und sich erst finden muss. Deshalb ist es auch richtig, dass wir eine lange Vorbereitung hatten. Diese Zeit haben wir gebraucht, um eine gemeinsame Idee zu entwickeln.

Wie schaut diese Idee aus? Auf welchen Fußball können sich die Fans des VfL Bochum unter Ihrer Regie freuen?

Natürlich haben wir viele taktische Grundideen, dazu brauchen wir einen gemeinsamen Weg, den sich die Spieler zu eigen machen und bei dem sie merken, dass er funktioniert. Es gibt zwei Säulen für mich. Die eine: Mentalität und Teamgeist. Die andere: Taktische Strukturen mit und ohne Ball. Natürlich habe ich eine Grundidee, aber wir brauchen einen gemeinsamen Weg, von dem die Spieler überzeugt sind, den sie sich zu eigen machen und bei dem sie merken, dass er funktioniert. Die Sicherheit kommt dann über Erfolgserlebnisse.

Teamgeist ist ein Wort, das sie häufig nutzen, aber den kann man bekanntlich nicht erzwingen. Lässt er sich zumindest fördern?

Als Trainer ist es meine Aufgabe, diesen Prozess zu begleiten und zu unterstützen. Erzwingen kann man nichts, das stimmt. Ich werde deshalb auch nicht mit dem Team auf eine Hütte marschieren und dort ein Lagerfeuer entzünden, weil ich glaube, dass das großartig hilft. Wichtig als Trainer ist es, alle Spieler miteinzuziehen, auch die, die nicht so oft spielen. Das ist die große Herausforderung. Ansonsten hilft es ungemein, Spieler in der Mannschaft zu haben, die eine soziale und emotionale Intelligenz mitbringen. Also Typen zu haben, die an andere denken, die keine Allüren haben, sich über neue Mitspieler freuen und sie integrieren. Die haben wir hier.

Beziehen Sie die Fans in diesen Teamgedanken auch mit ein? Sie haben in der Saisonvorbereitung auffallend oft den Kontakt zu den Anhängern gesucht.

Das ist mir sehr wichtig, und so kenne ich das auch aus St. Gallen. Der Trainer und die Fans haben logischerweise verschiedene Rollen, aber wir teilen unsere Begeisterung für den Klub. Geteiltes Leid ist halbes Leid, Freude verdoppelt sich.

Das heißt, Sie werden nicht nach Düsseldorf ziehen, sondern in Bochum oder der näheren Umgebung bleiben.

Ich habe Bochum bereits ein bisschen erkundet. Ich habe gute Radstrecken entdeckt, zwei wunderbare Freibäder sowie die ersten Restaurants und Cafes besucht. Ich habe mich auch im Ehrenfeld umgesehen. Das Viertel gefällt mir. Vielleicht werde ich demnächst mal ins Schauspielhaus gehen. Dort wird bald „Warten auf Godot“ aufgeführt. Das Theaterstück, das ich früher mit meinen Schülern behandelt habe, hat damals in Frankreich seine Premiere gefeiert.

Dieses Interview mit Peter Zeidler ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen. Auf mehr als 130 Seiten bietet das Magazin weitere Interviews, viele Porträts und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.