3:2 in Heidenheim

Erster VfL-Sieg: Verwundert und verwandelt

Verwundert rieben sich die Fans des VfL Bochum am Sonntagmittag die Augen. Vor allem in der Anfangsviertelstunde rätselten sie über das Team, das im Duell gegen Heidenheim die dunkelblauen Trikots trug. So griffig und effizient – das kann doch nicht wirklich ihr VfL sein? Doch, tatsächlich. Die knapp 300 Gästefans auf der verregneten Ostalb sahen vor allem zu Beginn ein sehr ordentliches Spiel ihrer Mannschaft.

Zoller und Blum mit dem Blitzstart

Der Blitzstart war schließlich auch die Basis für den ersten Saisonerfolg und den ersten Zweitligasieg nach mehr als fünf Monaten. Bereits in der siebten Minute stand Simon Zoller nach einer Flanke von Danny Blum völlig frei und erzielte per Kopf das 1:0. Noch in der Anfangsphase erhöhte der VfL seine Führung. Sebastian Maier, der Milos Pantovic ersetzte und sein bislang bestes Saisonspiel zeigte, setzte zum Solo an und bediente im entscheidenden Moment Danny Blum, der nur noch einschieben musste.

Dass sich die Heidenheimer Hintermannschaft dabei jeweils im Tiefschlaf befand, sei nur am Rande erwähnt. Denn die Bochumer Führung war tatsächlich der eigenen Stärke geschuldet, einer kompakten und konzertierten Teamleistung ohne schwerwiegende Aussetzer. Der VfL störte früh, und zwar im Kollektiv, zwang die Hausherren zu spielentscheidenden Fehlern und hielt sie zugleich vom eigenen Tor fern. Auch wenn der VfL durch den schnellen Anschlusstreffer von Robert Leipertz wieder kurz in Gefahr geriet, das Spiel kippte dieses Mal nicht – es war die einzig nennenswerte Torchance im ersten Durchgang.

Ganvoula mit der Vorentscheidung

Dass das große Zittern an diesem Wochenende ausblieb, lag auch daran, dass Silvere Ganvoula nach Wiederanpfiff den alten Vorsprung wiederherstellte. Erneut patzten die Gastgeber – und der VfL war zur Stelle. Die Bochumer ließen sich in der Folge zwar immer weiter in die eigene Hälfte drängen, doch der Vorsprung war im Gegensatz zu den Vorwochen beruhigend. Wobei: Für 90 Sekunden wurde es tatsächlich noch einmal spannend, nachdem Stefan Schimmer in der Nachspielzeit die Unordnung in der Bochumer Abwehr zum 2:3 nutzte.

Es war also doch das allseits bekannte Team, das die dunkelblauen Trikots trug. Allerdings mit dem feinen Unterschied, dass die Spieler nach Abpfiff jubelten – denn der VfL brachte den Sieg über die Zeit, verlässt den letzten Tabellenplatz, auf den er für zwei Nächte gerutscht war, und steht sogar knapp auf einem Nicht-Abstiegsplatz. Kapitän Anthony Losilla fasste die Gemütslage später kurz und prägnant als „geiles Gefühl“ zusammen, das wegen der Länderspielpause auch für mindestens zwei Wochen Bestand haben wird.

(Foto: Pressefoto Eibner)

Problemzone

VfL-Abwehr so schlecht wie seit 25 Jahren nicht mehr

Die Zahlen sind erschreckend: Kein Spiel ohne Gegentor – nicht einmal beim Pokalspiel in Baunatal. Mehr als zwei Gegentore im Schnitt – nur Wiesbaden ist anfälliger. Die Abwehrarbeit des VfL Bochum bereitet Kummer und Sorgen. Sie ist ein gewichtiger Grund dafür, weshalb der Revierklub immer noch auf den ersten Saisonsieg in der Liga wartet. Denn 13 eigene Treffer sind im Ligavergleich gar nicht so schlecht. Tabellenführer Stuttgart hat nur einmal mehr getroffen.

Doch so häufig, wie es hinten derzeit klingelt, können die Stürmer vorne gar nicht erfolgreich sein. Schon 17 Mal musste Keeper Manuel Riemann in den ersten acht Ligaspielen hinter sich greifen – so schlecht war der Wert zuletzt vor 25 Jahren. Doch damals hießen die Gegner noch Bayern München oder Werder Bremen und nicht Wehen Wiesbaden oder Darmstadt 98. Denn selbst gegen eher unterdurchschnittliche Gegner tat sich der VfL zuletzt schwer in seiner Abwehrarbeit.

Noch viel Arbeit für Thomas Reis

Die Kritik zielt nicht nur, aber im Kern auf die Viererkette ab. Stellungsfehler, schlechtes Zweikampfverhalten, mangelnde Körperlichkeit oder individuelle Patzer kosten Woche für Woche Punkte. Entweder gerät der VfL deutlich in Rückstand und muss anschließend mit einem Kraftakt um ein Unentschieden kämpfen. Oder es läuft umgekehrt. Die Bochumer führen zwar, lassen sich dann aber in die eigene Hälfte drängen und betteln regelrecht um den Ausgleich. Die Kompaktheit, von der Trainer Thomas Reis seit seinem Amtsantritt immer wieder spricht, ist noch längst nicht hergestellt. Auch unter seiner Leitung gab es in drei Spielen fünf Gegentreffer.

Das lässt nach dem ersten Saisonviertel durchaus Zweifel an der grundsätzlichen Qualität aufkommen. Denn dass vor allem fehlende Erfahrung die Ursache ist, wie es Präsidiumschef Hans-Peter Villis zuletzt durchklingen ließ, ist eher nicht der Fall. Im Schnitt war die Abwehrreihe zuletzt über 26 Jahre alt. Richtig ist allerdings, dass in der Hintermannschaft tatsächlich ein Umbruch vollzogen wurde, bei dem entweder der Faktor Zeit oder Stärken und Schwächen falsch engeschätzt wurden. Mit Tim Hoogland und Jan Gyamerah sind zwei Stammspieler der Vorsaison weggebrochen. Patrick Fabian und Stefano Celozzi spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Einzig Danilo Soares ist – im wahrsten Sinne des Wortes – als Konstante geblieben.

Suche nach der perfekten Besetzung

Doch fehlt der Brasilianer, wie zuletzt in der zweiten Halbzeit gegen Darmstadt, klafft auf der linken Seite eine große Lücke. Einen positionsgetreuen Ersatz gibt es nicht. Mit Vitaly Janelt musste ein Mittelfeldspieler aushelfen. Die U19-Talente Moritz Römling und Stelios Kokovas spielen bei den Profis derzeit keine Rolle. Nach den Abgängen von Jannik Bandowski im Sommer und Timo Perthel im Winter wurde kein Back-Up verpflichtet.

Eine diskussionswürdige Kaderplanung gibt es auch auf der rechten Seite. Der zuletzt vereinslose Cristian Gamboa kam erst Ende August nach Bochum und ist mangels Alternativen schnell zum Stammspieler gereift, aber noch nicht in allen Lagen stabil. Der zweifache WM-Teilnehmer punktet mit seiner Geschwindigkeit und seiner Leidenschaft, bisweilen fehlt ihm aber noch Timing und die Abstimmung. Jordi Osei-Tutu benötigt hingegen Zeit für seine Entwicklung, die der VfL bei einem einjährigen Leihgeschäft logischerweise gar nicht hat.

Youngster kämpfen um ihren Platz

Bliebe noch die Innenverteidigung als Teil des Bochumer Abwehrproblems. Dort hat Simon Lorenz bislang keine Zweitligaminute verpasst. Der Rückkehrer von 1860 München hat sich dem Niveau der Spielklasse aber nicht vollständig angepasst. Bei Zweikämpfen und Kopfbällen überzeugt er, das Spiel mit dem Ball am Fuß ist dagegen sein größtes Problem. Für den 22-Jährigen reicht es auch deshalb, weil seine internen Kontrahenten noch nicht besser sind. Denn Armel Bella Kotchap besitzt zwar großes Potenzial, neigt mit seinen 17 Lebensjahren aber noch zu Flüchtigkeitsfehlern. Und bis Maxim Leitsch, der sein bislang letztes Pflichtspiel vor einem Jahr absolviert hat, wieder in Form ist, werden wohl noch einige Wochen vergehen.

Unangefochtener Stammspieler ist somit nur Saulo Decarli. Der neue Abwehrchef erfüllt die Erwartungen noch nicht in Gänze, ist mit seiner Cleverness und Routine aber eindeutig der stärkste Neuzugang in der Bochumer Viererkette. Die nächste Chance, ein Spiel ohne Gegentreffer zu beenden, gibt es bereits am kommenden Sonntag. Dann gastiert der VfL beim 1. FC Heidenheim.

(Foto: Pressefoto Eibner)

Potenzielle Leistungsträger

VfL hofft auf Rückkehr von Lee und Weilandt

Geschenke hat der VfL Bochum in den vergangenen Wochen genug verteilt. Wenn der Revierklub an diesem Sonntag auf den 1. FC Heidenheim trifft, dann will Thomas Reis zum ersten Mal in dieser Saison selbst der Beschenkte sein. Der Trainer des VfL hätte einen zusätzlichen Grund, sich darüber zu freuen: Am Freitag feierte er seinen 46. Geburtstag.  

Warten auf drei Punkte

Denn wirklich genießen konnte oder wollte der Fußballlehrer seinen Ehrentag nicht. Stattdessen bat er seine Mannschaft gleich zweimal zum Training. Das Übungsziel: „Noch mehr Wert auf Kompaktheit legen“, sagte Reis in der Pressekonferenz zwischen beiden Einheiten. „Wir haben es gegen Darmstadt nur in der ersten Halbzeit gut gelöst. Danach ist die Ordnung verloren gegangen.“ Das Ende ist bekannt, der VfL schenkte in der Schlussphase den ersten Saisonsieg her. Mit 17 Gegentreffer stellt der Tabellenvorletzte derzeit die zweitschlechteste Defensivreihe.  

Wichtig ist deshalb, dass Linksverteidiger Danilo Soares wieder voll bei Kräften ist. Der Brasilianer musste in der Vorwoche wegen Übelkeit ausgewechselt werden und hinterließ eine Lücke, die Vitaly Janelt notdürftig nicht schließen konnte. Doch eine bessere Alternative gibt es im Kader des VfL derzeit nicht. Moritz Römling und Stelios Kokovas, zwei Talente aus dem eigenen Nachwuchs, befinden sich mit der U19 ebenfalls in einem Formtief. Und Maxim Leitsch hat sein bislang letztes Pflichtspiel vor ziemlich genau einem Jahr absolviert – damals in Heidenheim.

Hoffen auf drei Spieler

Zeitnah ist mit dem 22-Jährigen auch nicht zu rechnen. Seine Rückkehr ins Mannschaftstraining war nicht vom Erfolg gekrönt. „Wir mussten ihn wieder herausnehmen, weil er noch nicht schmerzfrei ist“, erklärte Reis auf Nachfrage. Leitsch arbeitet vorerst wieder nur individuell. Berechtigte Hoffnungen auf eine zeitnahe Rückkehr besteht aber immerhin bei zwei Offensivkräften und Leistungsträger der Vorsaison: Tom Weilandt könnte schon gegen Heidenheim wieder im Kader stehen, Chung Yong Lee wohl erst im Heimspiel gegen Karlsruhe.

„Ich bin sehr froh darüber, dass beide voll mittrainieren“, sagte Reis am Freitag und ließ offen, auf wen er am Wochenende tatsächlich schon setzen wird. Weil Tom Weilandt aber „schon länger dabei ist“, stehen dessen Chancen gut, zumindest auf der Bank Platz zu nehmen. Bei Lee hofft Reis vor allem darauf, dass durch den südkoreanischen Verband keine Nachnominierung für die anstehenden Länderspiele ins Haus flattert. So könnte der Spielmacher ein geplantes Testspiel nutzen, um wieder in Form zu kommen.

(Foto: P. Rentsch)

Torwartdiskussion beim VfL

Sündenbock Riemann und sein fragwürdiges Verhalten

Gefühlt war es der bitterste Moment der Vereinsgeschichte. Auf den Tag genau liegt das Lüttich-Trauma, das in Bochum keiner näheren Beschreibung bedarf, nun 15 Jahre zurück. Der VfL lag im Tal der Tränen – und jammerte, verglichen mit der heutigen Situation – auf hohem Niveau. Denn mittlerweile geht es nicht mehr um die nächste Europapokal-Runde, sondern um die nackte Existenz im Profifußball.

Riemann polarisiert

Damals war der Sündenbock in Person eines brasilianischen Linksverteidiger schneller gefunden als heute. Wobei einige Fans nach dem späten Ausgleich gegen Darmstadt ihren Torwart als Schuldigen auserkoren haben. Vereinzelte, aber trotzdem hörbare „Riemann-Raus“-Rufe gab es zunächst aus der Ostkurve. Als der Schlussmann nach Abpfiff schnurstracks in die Kabine lief, gab es ähnliche Grüße auch von der Haupttribüne. Doch weshalb geriet die Situation am Samstag plötzlich außer Kontrolle? Eine rein sportliche Erklärung greift zu kurz. Zwar zeigte Riemann sein bislang schwächstes Saisonspiel, weil er den Ball beim ersten Gegentreffer erst hinter der Linie erwischte und vor dem 2:2 einen Abschlag ohne Not ins Aus beförderte. Doch nach einer schwächeren Rückrunde hat er sich im Sommer wieder stabilisiert und bislang ordentliche Leistungen gezeigt.

Wahrscheinlich ist es eher das Auftreten und Verhalten des Torhüters, das einige Fans in dieser Form nicht akzeptieren wollen. Denn Demut nach eigenen Fehlern ist für den 31-Jährigen offenbar ein Fremdwort. Stattdessen brüllt Riemann immer wieder unschuldige Mitspieler an. Das war auch an diesem Wochenende zu beobachten. Selbst gegenüber den Fans neigt der Keeper zu emotionalen Reaktionen. Nach einer starken Parade drehte er sich demonstrativ zu seinen Kritikern um, statt sich weiter auf sein eigenes Spiel zu konzentrieren. Schon in der Vorwoche fiel Riemann negativ auf, als er nach dem Spiel in Sandhausen sein Trikot zerriss. Wenige Wochen vorher holte er zu einem öffentlichen Rundumschlag gegen Ex-Trainer Robin Dutt und einige Mitspieler aus, kassierte dafür eine interne Strafe. Doch ruhiger ist er bislang nicht geworden.

Reis beruhigt

Die Aufgabe, die Stärken des Keepers zu nutzen und seine impulsive Art in den Griff zu bekommen, liegt jetzt bei Thomas Reis. Demonstrativ stärkt der Chefcoach seinem Schlussmann jedenfalls den Rücken. „Wir sind ein Team, das gemeinsam in Führung gegangen ist und gemeinsam den Ausgleich kassiert hat“, sagte er am Samstag. „Einzelne Spieler an den Pranger stellen, das gibt es mit mir nicht.“ Ein Torwartwechsel steht beim VfL deshalb nicht nur Debatte.

(Foto: Imago / eu-images)

Geschäftszahlen

JHV: VfL Bochum hebt den Spieleretat an

Der enttäuschende Saisonstart überstrahlt beim VfL Bochum derzeit fast alles. Und so dürfte das solide Zahlenwerk, das Geschäftsführer Ilja Kaenzig am Mittwochabend den 1.027 Mitgliedern im Bochumer RuhrCongress präsentiert hat, auch nicht die anschließenden Diskussionen bestimmen. Gleichwohl geben sie in sportlich unsicheren Zeiten nicht zusätzlichen Anlass zur Sorge. Denn die wirtschaftliche Entwicklung des Zweitligisten war auch im vergangenen Geschäftsjahr erfreulich.

Überschuss im vergangenen Jahr

So hat der VfL zwischen Juli 2018 und Juni 2019 einen Überschuss von 833.000 Euro erzielt. Aufwendungen von 33,242 Millionen Euro standen Erträgen von 34,075 Millionen gegenüber. Das positive Eigenkapital ist somit von 1,970 auf 2,803 Millionen Euro gestiegen. Dies geht vor allem auf unerwartete Ablösesummen zurück. Für die Transfers von Marco Stiepermann und Felix Bastians gab es Nachschläge, die Zahlungen für Evangelos Pavlidis und Dimitrios Grammozis wurden frisch verhandelt. Der Wechsel von Johannes Wurtz war bereits eingeplant, weil er schon im vergangenen Sommer vollzogen wurde. In Summe haben diese fünf Transfers Erträge von 1,158 Millionen Euro eingebracht.

Lizenzspieleretat steigt

Für die laufende Saison plant der VfL mit einem deutlich geringeren Überschuss von rund 100.000 Euro. Transfererlöse gibt es zunächst keine, dafür erhält der Revierklub knapp eine Million Euro mehr aus dem TV-Topf, also etwa 15 Millionen Euro. Dies ist und bleibt somit die wichtigste Einnahmequelle, gefolgt von der Vermarktung mit 11,4 Millionen sowie Tickets und Fanartikel mit zusammen 5,75 Millionen Euro.

Die um fast 1,2 Millionen Euro höheren Aufwendungen in der laufenden Saison kommen fast vollständig dem Lizenzspieleretat zugute, der von 10,67 auf 11,9 Millionen Euro ansteigt. Der VfL hat in diesem Sommer auch in Ablösesummen investiert – für Silvere Ganvoula, Saulo Decarli und Danny Blum. Demgegenüber sollen die Erträge um knapp 450.000 Euro auf etwas mehr als 34,5 Millionen Euro steigen. Perspektivisch will der VfL durch einen Wachstumsplan die Marke von 35 Millionen Euro knacken.

Abbau von Verbindlichkeiten

Parallel zu diesen Investitionen treibt die Vereinsführung in kleinen Schritten auch die Entschuldung voran. Allerdings sind die Nettofinanzverbindlichkeiten in der Abschlussbilanz vom 30. Juni 2019 sogar leicht um rund 200.000 Euro gestiegen. Kaenzig erklärte dies mit einer reinen Stichtagsbetrachtung, zu der ein Jahresabschluss erfolge. Der VfL bewege sich in etwa auf Vorjahresniveau und habe die Verbindlichkeiten sogar minimal reduzieren können. Dies gilt auch für das Stadioncenter, an dessen Gesellschaft der VfL maßgeblich beteiligt ist. Jährlich tilgt der Klub rund 500.000 Euro. Die Schuldenlast dort beträgt derzeit noch rund 7,7 Millionen Euro.

(Foto: P. Rentsch)

2:2 gegen Darmstadt

VfL verdaddelt den Sieg – und niemand ist überrascht

Viel Freude ist bei den Profis des VfL Bochum derzeit nicht zu spüren, wenn sie auf dem Weg in die Kabine noch schnell ihr Statement zum Spiel abgeben sollen. Zumindest Kapitän Anthony Losilla stellt sich Woche für Woche den Fragen – und macht keinen Hehl daraus, wie frustrierend es ist, sich stets zu wiederholen. „Eigentlich erzähle ich immer das Gleiche“, sagte er nach dem 2:2 gegen Darmstadt im eigenen Stadion – dem vierten Unentschieden im vierten Heimspiel und dem achten Saisonspiel ohne Sieg. Sein Trainer sah es ähnlich und eröffnete die Pressekonferenz später mit den Worten: „Und täglich grüßt das Murmeltier!“

Das Siegen verlernt?

Jede noch so kleine Verbesserung unter seiner Leitung ist derzeit Makulatur, wenn das Ergebnis nicht stimmt. Wenn die Mannschaft zwar neuerdings selbst in Führung geht, aber anschließend so sehr um den Ausgleich bettelt, ist klar, dass der VfL völlig zu Recht dort steht, wo er derzeit platziert ist: auf dem vorletzten Tabellenrang. Die Frage, wen dieses Team überhaupt noch schlagen will, wenn nicht Dresden, Sandhausen oder Darmstadt, treibt nicht nur die Fans um. Auch den Spielern stehen große Selbstzweifel in die Gesichter geschrieben. Einzig die Verantwortlichen üben sich – so erlebt in der Mitgliederversammlung – in Zweckoptimismus.

Aber auch sie sollten längst erkannt haben, dass diese Mannschaft nur mit etwas Fantasie, großer Kraftanstrengung und Nachbesserungen im Winter den Zweitligaansprüchen genügen wird. Dabei war gegen ähnlich schwache Darmstädter theoretisch sogar der erste Saisonsieg möglich. Der VfL verdiente sich die Pausenführung, weil Silvere Ganvoula der einzige Bochumer ist, dessen Formkurve schon seit Wochen nach oben zeigt. Zunächst traf der Kongolese nach einem Handspiel vom Elfmeterpunkt, anschließend erzielten die Gäste nach einer Standardsituation das 1:1. Doch noch vor der Pause schnürte Ganvoula den Doppelpack und erzielte seinen sechsten Saisontreffer.

Die Sicherheit verloren!

Sicherheit brachte dieser Spielstand dem VfL aber keineswegs, das Unheil nahm seinen Lauf. Die Hausherren ließen sich mehr und mehr in die eigene Hälfte drängen, es gab kaum noch Entlastungsangriffe – eine Strategie, die nur selten zum Erfolg führt. Als Marcel Heller schließlich in der 85. Minute den Ausgleich erzielte, war unter den VfL-Fans wohl niemand ernsthaft überrascht. Trainer Thomas Reis benannte hinterher die Probleme, sprach von fehlender Cleverness, zu wenig Bewegung und verlorener Kompaktheit. Speziell die Auswechslung von Danilo Soares, der schon körperlich geschwächt in die Partie gegangen war, machte sich bemerkbar.

Denn weder auf der Linksverteidigerposition noch im defensiven Mittelfeld war der VfL im zweiten Durchgang ordentlich aufgestellt. Vitaly Janelt mühte sich von nun an in der Viererkette, und Robert Tesche schien mit jeder Tempoverschärfung derart überfordert, dass man sich fragen musste, ob denn wirklich keine bessere Alternative zu finden war. Offensichtlich nicht. „Wir können Danilo derzeit nicht ersetzen“, gab Reis später offen zu, dass links in der Viererkette eine brauchbare Option fehlt. Für die unzureichende Kaderplanung in diesem Sommer ist es nicht der erste Beleg. Aber auch diese Feststellung wiederholt sich nun Woche für Woche.

(Foto: Imago / eu-images)

VfL-JHV

Schindzielorz reagiert: Im Kreuzfeuer der Kritik

Sein Wortbeitrag hatte das Potenzial, eine andere Stimmung zu entfachen. Als Vereinsmitglied Udo Kontny ans Mikrofon trat, war die Aussprache noch gar nicht ganz eröffnet. Doch er hatte einen dringenden Wunsch: Kontny wollte, dass die Profimannschaft an diesem Abend bis zum Schluss bleibt – und erhielt reichlich Unterstützung. Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz reagierte schneller als alle anderen, beruhigte die Lage und verlängerte für die Spieler kurzerhand den Arbeitstag. Die 1.027 anwesenden Mitglieder waren zufrieden.

Wenige Fragen an Villis

Nach knapp zwei Stunden mit dem üblichen Prozedere und den Berichten der Vereinsführung begann also der eigentlich spannende Teil des Abends. Und er endete schneller als gedacht. Hans-Peter Villis, Vorsitzender des Präsidiums, musste sich nur wenigen Nachfragen stellen. Die Vereinsführung wurde am Ende mit großer Mehrheit für das zurückliegende Geschäftsjahr entlastet. Der Gegenwind, der im Vorfeld von einigen Fans und den Ultras angekündigt wurde, blieb aus – zumindest, was die Arbeit des zweithöchsten Kontrollgremiums angeht.

Denn nach einer emotionalen Eröffnung der Aussprache folgte durchaus Kritik, allerdings stilvoll, sachlich und vor allem auf den sportlichen Bereich bezogen. Das lag vielleicht auch daran, dass Manager Schindzielorz in seiner Rede noch nicht wirklich konkret wurde und anschließend im Kreuzfeuer der Kritik stand. Zwar erkannte der 40-Jährige sehr wohl, dass die sportliche Situation derzeit „bedrohlich“ sei und der Verein vor einer „schwierigen Saison“ stünde. Doch trotz des enttäuschenden Starts mangelte es an klaren Antworten, der Schlusssatz war bezeichnend und beschreibt den Tenor des Vortrags in Kürze: „Ärmel hochkrempeln und anpacken.“

Schindzielorz reagiert auf Kritik

Dass es Schindzielorz auch anders kann, selbstbewusster und mit mehr inhaltlicher Substanz, zeigte er bei den Nachfragen und Beschwerden der Mitglieder, auf die der Ex-Profi Punkt für Punkt einging. Zum Hauptthema entwickelte sich die Entscheidung, Kapitän Stefano Celozzi und Tim Hoogland im Frühsommer auszumustern. Mehrere Fans hakten nach, und Schindzielorz erklärte die Beweggründe, sprach von „alten Verhaltensmustern“, die er durchbrechen wollte. Die Mannschaft der Vorsaison war über ihrem Zenit, ihr fehlte, das machte Schindzielorz deutlich, am Ende das Feuer. Auf dieser Basis erfolgte die umstrittene Entscheidung, dem Duo einen Wechsel nahezulegen. 

Auch standen die Transferpolitik der vergangenen Monate und die kurze Saisonvorbereitung in der Kritik. Durch mehrere Wortmeldungen kam zudem das Thema Scouting auf den Tisch. „Ich merke, dass das viele beschäftigt“, erklärte der Manager. Zwar habe man den Nachholbedarf erkannt, doch wirtschaftlich würden die Mittel fehlen, um das bereits erarbeitete Konzept auch umzusetzen. Den Mitgliedern genügte diese Auskunft. Nach knapp drei Stunden, und sogar einige Minuten früher als im Vorjahr, war die Versammlung schließlich vorbei. Und die Mannschaft durfte dann auch endlich gehen.

(Foto: P. Rentsch)