Sportliche Leitung

Neues Transfer-Team: Experiment und Expertise

Treffsicherheit zählt offensichtlich zur Kernkompetenz von Markus Brunnschneider. Der Mann, der künftig die passenden Spieler für den VfL Bochum finden soll, war einst Deutscher Meister im Luftgewehrschießen. Der Oberbayer hing seine Fußballschuhe bereits in der E-Jugend an den Nagel und widmete sich einer eher ungewöhnlichen Sportart. Wobei er die Liebe zum Fußball nicht verlor. Der 35-Jährige, der bislang lediglich Branchenkennern ein Begriff war, legte in jungen Jahren bereits eine beachtliche Karriere hin. Er war Spielanalyst in der Nachwuchsabteilung von Bayern München und arbeitete in leitender Funktion als Scout für Darmstadt 98 und zuletzt für Holstein Kiel. Parallel war er am Internationalen Fußball Institut in München als Experte für Taktikanalysen und Kaderplanung tätig und schrieb Gegneranalysen für Medien im süddeutschen Raum. Beim VfL Bochum übernimmt er nun den Direktorenposten für „Scouting, Recruitment & Data“.

Kaenzig alleiniger Geschäftsführer

Brunnschneider ist damit im weitesten Sinne der Nachfolger von Sport-Geschäftsführer Dirk Dufner und auch von Kadermanager Johannes Waigand, die im September und Oktober beurlaubt wurden. Die neue Struktur ist mit der vorherigen allerdings kaum noch zu vergleichen. Die größte Veränderung: Das Präsidium hat auf die Bestellung eines zweiten Geschäftsführers neben Ilja Kaenzig verzichtet. Das verwundert insofern, weil Kaenzig bereits zwischen Oktober 2024 und April 2025 alleiniger Geschäftsführer des VfL war und in dieser Zeit regelrecht mit Aufgaben überfrachtet wurde. Kaenzig musste sich nicht nur um den kaufmännischen Bereich kümmern, für den er einst eingestellt wurde, sondern auch um den sportlichen. Wobei Kaenzig mitnichten neue Spieler aussuchen soll; er wird vorbereitete Transfers lediglich absegnen müssen.

Die Suche liegt fortan in den Händen von Brunnschneider, der eng mit der Scoutingabteilung, mit Jonas Schlevogt als Direktor für „Recht & Personal“ sowie mit Simon Zoller zusammenarbeiten soll, der den zunächst wenig greifbaren Titel als „Performance Lizenz“ trägt und ebenfalls Direktorenstatus genießen wird. Der Ex-Profi und Publikumsliebling soll einen engen Draht zur Mannschaft sowie zum Trainer- und Betreuerstab pflegen. Wahrscheinlich wird er auch repräsentative und kommunikative Aufgaben übernehmen. Die Verantwortung für die Frauen-Abteilung liegt mehr denn je bei Annike Krahn, für den Nachwuchs bei Pablo Thiam. Brunnschneider ist also das einzig neue Gesicht, was sicher auch finanzielle Gründe hat. Dufner und Waigand müssen schließlich weiterhin bezahlt werden – und ein Bewerbungsschreiben für andere Klubs war ihre Kaderplanung in Bochum sicher nicht.

Die soll mit Brunnschneider wieder besser werden. In der Branche gilt er als Fußball-Nerd im positiven Sinne, als strebsam und gewissenhaft. Der Wechsel zum VfL ist der nächste Karriereschritt. Ein reiner Datenspezialist ist der studierte Sportwissenschaftler zwar nicht, moderne Unterstützungsmethoden nutzt er trotzdem gern und passt damit ins Anforderungsprofil. Der VfL denkt über eine Zusammenarbeit mit „Plaier“ nach, einem Analyse-Tool, das zahlreiche Daten verarbeitet und mit Künstlicher Intelligenz arbeitet. Darauf legt insbesondere das neue Präsidium um Andreas Luthe und Till Grönemeyer großen Wert. Diese Vorgänge zeigen, dass sie mehr sein wollen als bloße Beobachter. Sie verstehen sich als Ideengeber und Mitentscheider, wodurch die Grenzen zwischen operativer Ebene und Kontrollinstanz teilweise verschwimmen.

Amt des Sportchefs abgeschafft

Ihre Idee, den Sportverantwortlichen im Grunde abzuschaffen und durch ein Team mit Fachexpertise zu ersetzen, ist hierzulande zwar ein Experiment, im Ausland aber nichts Ungewöhnliches mehr. Auch in England, Italien oder Frankreich gibt es diese Struktur bereits in einigen Klubs. Sie soll Alleingänge verhindern und Fehleinschätzungen minimieren, indem mehr Personen an einer Entscheidung beteiligt sind. Das gelingt allerdings nur, wenn das Team harmoniert und die Kommunikationswege stimmen. Von außen ist das Modell bislang noch schwer zu durchschauen – was auch Spieler, ihre Berater oder Verantwortliche von anderen Klubs irritieren könnte. Wer ist nun ihr Ansprechpartner? Brunnschneider, Zoller oder gar ein anderer? Apropos Berater: Dass der VfL auf Brunnschneider gekommen ist, war gewiss kein Zufall. Er wird von einer Agentur mit Sitz am Husemannplatz betreut. Und einen Verein für Luftgewehrschießen gibt es in Bochum übrigens auch.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Jungspunde und Rückkehrer

Mittelfeld ist das Prunkstück: Mehr Optionen als Plätze

Fast 70 Meter waren es noch bis zum Tor, als Moritz Kwarteng zum Konter ansetzte und alleine auf das Augsburger Gehäuse zulief. Er bremste ab, schaute sich um, zögerte – und vergab kurz vor Schluss die große Chance zur Vorentscheidung. Der VfL besiegte den Bundesligisten dennoch und zog ins Pokal-Achtelfinale ein. Und Kwarteng? Er freute sich natürlich trotzdem. Der 27-Jährige feierte in dieser Woche sein Comeback nach langer Verletzungspause. Mit einem Tor hätte er sich eindrucksvoll zurückgemeldet. Doch auch ohne ein persönliches Erfolgserlebnis hat ihn Uwe Rösler auf dem Zettel. „Moritz ist einer unserer Top-Spieler. Er hat den X-Faktor, kann Spiele für uns entscheiden“, sagt sein Trainer, der von Kwartengs Qualitäten offensichtlich überzeugt ist. Rösler sieht den flexibel einsetzbaren Mittelfeldspieler vor allem im Zentrum und hat ihm schon vor der Partie in Augsburg mehr Spielzeit in Aussicht gestellt. An diesem Sonntag treffen die Bochumer auf den 1. FC Magdeburg – ausgerechnet auf Kwartengs Ex-Klub. Von dort hatte ihn der VfL im Sommer 2023 losgeeist, sogar eine Ablöse gezahlt. Die Erwartungen im Umfeld waren groß, umso herber fiel die Enttäuschung aus. Kwarteng gehörte seither nur zweimal zur Startelf. Oft fehlte er verletzt. Auch zu Beginn dieser Saison fiel er aus. Nun ist er wieder einsatzbereit – aber wohl noch kein Kandidat für die Startelf.

Jungspunde fordern Bero heraus

Das liegt allerdings weniger an Kwarteng, sondern vielmehr an seinen Teamkollegen. Denn im Mittelfeldzentrum herrscht ein dichtes Gedränge. Es gibt weitaus mehr Optionen als Plätze im Team. Francis Onyeka hat in den vergangenen zwei Wochen mit drei Toren auf sich aufmerksam gemacht und ist vorerst gesetzt, wenngleich er auch auf der Außenbahn oder sogar im Sturmzentrum spielen kann. Auch Cajetan Lenz genießt unter Rösler eine Art Stammplatzgarantie. Das Bochumer Eigengewächs überzeugt seit Wochen mit seiner Übersicht und seinem Spielverständnis. Zudem haben Kjell Wätjen und Mats Pannewig gegen Augsburg überzeugt. Wätjen zeigte seine bislang beste Leistung im VfL-Trikot. Kein Wunder, kam er doch erstmals im Zentrum zum Einsatz, wo er sich am wohlsten fühlt. Die Leihgabe aus Dortmund war defensiv stets aufmerksam und an fast allen gefährlichen Umschaltaktionen beteiligt. Ihn aus dem Team zu nehmen, würde das Leistungsprinzip im Grunde torpedieren. Fast alles spräche dafür, den vier Jungspunden erneut das Vertrauen zu schenken: Onyeka im Angriff, Lenz auf der Sechs sowie Pannewig und Wätjen davor. Allerdings drängt auch Matus Bero, der unter der Woche noch angeschlagen pausieren musste, zurück ins Team. Dass Rösler den Kapitän auf der Bank lässt, ist kaum vorstellbar. Allerdings rechtfertigen Beros bisherigen Leistungen keinen Stammplatz. So oder so: Es wird Härtefälle geben.

Miyoshi und Sissoko vor Rückkehr

Das ahnte Rösler vielleicht schon bei seiner Vorstellung Anfang des Monats, als er ankündigte: „Das Mittelfeld kann unser Prunkstück werden.“ Da wusste er allerdings noch nicht, wie schnell sich seine Mannschaft in die gewünschte Richtung entwickeln würde. Zahlreiche Spieler blühen auf und machen dem Trainer die Entscheidung schwer, besonders in der Schaltzentrale. In nächster Zeit wird es für Rösler sogar noch komfortabler – und zugleich komplizierter. Koji Miyoshi hat sein Aufbautraining beendet und dürfte in den Kader zurückkehren, womöglich schon gegen Magdeburg. Ihn sieht Rösler allerdings bevorzugt auf der rechten Außenbahn, auf der der neue VfL-Coach seine Optimalbesetzung noch nicht gefunden hat. Gegen Hertha begann dort Wätjen, in Kiel Onyeka und in Augsburg Farid Alfa-Ruprecht, der mit seiner Torvorlage und reichlich Tempo glänzte, taktisch und körperlich aber noch Schwächen offenbarte. Ein Pendant zu Linksaußen Gerrit Holtmann, der in Augsburg bereits sein viertes Saisontor erzielte, fehlt bislang noch. Daran wird auch die absehbare Rückkehr von Ibrahima Sissoko nichts ändern, der bekanntlich im defensiven Mittelfeld zu Hause ist. Nach seiner Schultereckgelenksprengung macht er große Fortschritte und könnte – wenn alles optimal läuft – noch im November sein Comeback feiern. Rösler wird dann vor dem nächsten Luxusproblem stehen.


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(Foto: Jens Lukas)

1:0 in Augsburg

Perfekter Pokalabend: Jugend forscht mit Erfolg

Uwe Rösler gibt die Richtung vor, und seine Spieler folgen ihm – nicht nur auf dem Platz, sondern auch auf dem Weg zur Bochumer Gästekurve. Nach dem verdienten Pokalerfolg beim FC Augsburg am Dienstagabend marschierten Trainer und Mannschaft gemeinsam zu den mehr als 1.000 mitgereisten Anhängern und setzten zum Rösler-Move an, der schon nach wenigen Wochen Kultstatus erlangt hat. Zusammen ballten sie die erhobene Faust, bewegten den Arm freudig hin und her. Mit Stolz feierten sie den 1:0-Sieg beim Bundesligisten aus der Fuggerstadt. Ein Klassenunterschied war zu keinem Zeitpunkt zu erkennen. Der VfL Bochum verteidigte kompakt, diszipliniert und mit hohem Engagement, vermied individuelle Fehler und hielt zum ersten Mal in dieser Saison auswärts die Null. Offensiv war es sogar die beste Saisonleistung. Mit mutigen Umschaltaktionen und teils feinen Spielzügen sorgte der Zweitligist für Torgefahr – und belohnte sich in der 39. Minute mit dem Führungstreffer, das sich im weiteren Spielverlauf zum Tor des Tages entwickelte.

Röslers Maßnahmen wirken

Wirklich brenzlig wurde es in der zweiten Halbzeit nur selten, die formschwachen Augsburger fanden gegen starke Bochumer keine Mittel. Einziges Manko: Die Chancenverwertung des VfL nach Kontersituationen. Vor allem Moritz Kwarteng hätte für die Vorentscheidung sorgen müssen. Am Ende ist das aber nur eine Randnotiz wert. Viel erwähnenswerter ist die positive, erstaunlich schnelle Entwicklung unter der Leitung von Rösler, der dieser Mannschaft neues Leben eingehaucht hat. Mit seiner emotionalen und kommunikativen Art hat er zügig einen Zugang zu allen Spielern gefunden, hat aus dieser Truppe ein funktionierendes Team geformt: mit einem passenden taktischen Korsett, ohne verrückte und mit vielen nachvollziehbaren Ideen. Röslers Rückkehr zur Viererkette hat ebenso Wirkung gezeigt wie die Abkehr vom hohen Pressing. Erzwungenes Spielglück und Erfolgserlebnisse beschleunigen den Fortschritt, der mit dem überraschenden Pokalerfolg einen vorübergehenden Höhepunkt erreicht hat, allerdings so weitergehen muss.

Sonntag gegen Magdeburg

Denn so gut die Stimmung nach zwei Siegen und einem Unentschieden unter Rösler auch ist, so prekär stellt sich die Tabellensituation nach wie vor dar. Am kommenden Sonntag empfängt der VfL den 1. FC Magdeburg zum Kellerduell der 2. Liga – der Vorletzte trifft auf den Letzten. Auch die drei folgenden Gegner sind im Grunde Tabellennachbarn und aktuell höchstens drei Punkte entfernt. Der November hat für den VfL vorentscheidenden Charakter. Anschließend, nämlich Anfang Dezember, geht es auch im DFB-Pokal weiter. Die Bochumer hoffen bei der Auslosung am Sonntagabend auf ein Heimspiel. „Es gibt Schöneres als eine sechsstündige Busfahrt. Aber heute genießen wir es. Das war ein perfekter Pokalabend“, sagte Torschütze Holtmann in den Katakomben des Augsburger Stadions, der genau wusste, dass dieser Sieg Balsam auf die geschundene Fanseele ist: „Das letzte Mal, dass wir im Pokal so weit gekommen sind, ist schon einige Jahre her.“ Genau genommen vier. Auch da gab es in der zweiten Runde einen Sieg gegen Augsburg.

Geschlossene Teamleistung

Aus der Siegerelf von damals ist einzig Holtmann in Bochum geblieben. Ansonsten präsentierte sich der VfL beim neuerlichen Aufeinandertreffen stark verjüngt. Rösler verzichtete auf einen klassischen Mittelstürmer, zog Francis Onyeka in den Angriff und setzte auf mehr Tempo. Mit Matus Bero, Erhan Masovic und Philipp Hofmann rotierten drei erfahrene Akteure aus der Anfangsformation; jüngere Kräfte rückten nach und gaben ein Bewerbungsschreiben in eigener Sache ab, weil sie ohne Druck befreit aufspielten und problemlos zu einer geschlossenen Mannschaftsleistung beitrugen. Im Mittelfeld zeigte Kjell Wätjen seine bislang beste Leistung im VfL-Dress und verdiente sich die Bestnote, dicht gefolgt von Noah Loosli, Mats Pannewig sowie Leandro Morgalla und Cajetan Lenz, die schon seit Wochen überzeugen. „Wir haben gesehen, wie viel Talent wir haben“, stellte Rösler mit Stolz fest und lieferte eine erstaunliche Zahl nach: „Das war die jüngste Bochumer Pokalelf seit 50 Jahren.“ Jugend forscht beim VfL offensichtlich mit Erfolg.


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1:1 in Kiel

Wegweisende Woche: Magdeburg, Manager, Moneten

Mit seiner abergläubischen Art weckt Uwe Rösler Erinnerungen an Peter Neururer. Der frühere VfL-Trainer betrat das Holstein-Stadion in Kiel trotz winterlicher Temperaturen einst mit Sandalen ohne Socken, weil er der Meinung war, dass die Kleidung aus der vorherigen Pokalrunde Glück bringen würde. Ähnlich denkt auch Rösler, der in seinem zweiten Spiel für die Bochumer erneut mit kurzer Hose an der Seitenlinie coachte, trotz Regen und steifer Brise. Es hat ja Glück gebracht im Heimspiel gegen Hertha BSC. Immerhin: Rösler bleibt ungeschlagen. Den Störchen trotzte seine Mannschaft am Samstagnachmittag ein 1:1 ab. Es ist das erste Unentschieden für den VfL in dieser Saison nach zwei Siegen und sieben Niederlagen. Angesichts der nach wie vor prekären Tabellensituation ist das Remis ein Gewinn – trotz des Ausgleichstreffers in der Schlussphase. Francis Onyeka hatte zuvor per Elfmeter für die Führung gesorgt.

Vertretbarer Elfmeter

Der Strafstoß war auf den ersten Blick strittig, bei genauerem Hinsehen aber regelkonform, weil Cajetan Lenz am Fuß getroffen wurde. Lenz, auf den Rösler große Stücke hält, war für Kjell Wätjen ins Team gerückt. Onyeka musste deshalb auf die rechte Außenbahn ausweichen – eine Idee, die nur teilweise aufging. Bochums Torschütze und Mann der Stunde hatte defensiv einige Probleme in einer 4-2-3-1-Formation gegen und einem 4-3-3-System mit dem Ball. Der Plan von Rösler: Kompakt stehen und das Spielfeld klein halten. Erneut überließen die Bochumer ihrem Gegner den Ball und lauerten auf Umschaltmomente. Letzteres gelang aber nur selten, generell brachte der VfL offensiv nur wenig zustande. Nach einer höhepunktarmen ersten Halbzeit nahm die Partie erst mit dem Foul an Lenz im Kieler Strafraum Fahrt auf. Onyeka verwandelte den fälligen Elfmeter souverän. Doch das Tor gab dem VfL keine Sicherheit.

Die Hausherren dominierten fortan das Spiel, erspielten sich die bessere Torchancen und belohnten sich dafür spät mit dem Ausgleich. Bester Bochumer war abermals Torwart Timo Horn, der das Unentschieden festhielt. Was ebenfalls auffiel: Nur mit taktischem Geschick ließen sich die Tempodefizite in der Abwehrreihe ausgleichen. Und: Erneut verlor der VfL in der Schlussphase die Ordnung; die vielen und teilweise sogar offensiven Wechsel waren wohl eher kontraproduktiv. „Wir selbst hatten gute Kontermöglichkeiten, wo wir mit dem letzten Pass zu schlampig waren. Da wäre noch mehr drin gewesen“, analysierte Rösler und erklärte: „Hintenheraus war der Plan, offensiv nachzulegen, weil wir das Spiel gewinnen wollten. Dadurch haben wir es den Kielern aber zu einfach gemacht, zu Torchancen zu kommen.“ Was eine wichtige Erkenntnis ist für die anstehende, sehr wegweisende Woche aus Bochumer Sicht.

Zwei wichtige Spiele

Am Dienstag geht es im DFB-Pokal zum Bundesligisten nach Augsburg, fünf Tage später empfängt der VfL den 1. FC Magdeburg zum Kellerduell der 2. Liga. Gegen den direkten Tabellennachbarn stehen die Bochumer gehörig unter Zugzwang. Scheitern sie, droht der Absturz auf den letzten Platz; gewinnen sie, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der VfL die Abstiegsränge in absehbarer Zeit verlässt. Die Partie in Augsburg ist vor allem aus finanzieller Perspektive von Bedeutung. Ein Weiterkommen würde den Bochumern eine Prämie von gut einer Million Euro in die Kasse spülen, die in der Saisonplanung nicht vorgesehen war. Damit ließen sich auch Wintertransfers realisieren, um Qualitätslücken im Kader zu schließen. Dass es die gibt, ist unübersehbar. Vor allem im Sturmzentrum fehlt eine Alternative zu Philipp Hofmann; auch die linke Abwehrseite und die rechte offensive Außenbahn sind nicht optimal besetzt.

Wer diese Transfers vorbereiten und finalisieren soll, ist noch offen, soll aber zeitnah geklärt werden. Johannes Waigand, Kadermanager und engster Vertrauter von Ex-Sportgeschäftsführer Dirk Dufner, wurde kürzlich beurlaubt. Stattdessen wird Simon Zoller Teil eines Kompetenzteams, ebenso wie Klubjurist Jonas Schlevogt. Zoller soll einen engen Draht zur Mannschaft pflegen, Schlevogt die Verhandlungen führen. Für die möglichst optimale Spielerauswahl soll ein Daten-Spezialist eingestellt werden. Einen klaren Sportchef oder einen zweiten Geschäftsführer wird es wahrscheinlich nicht geben. Die medial gehandelten Namen sind jedenfalls nicht (mehr) in der engeren Verlosung. Maximilian Hahn von West Ham United ist zu teuer, Leverkusens Bernd Korzynietz war nie wirklich ein Kandidat. Verantwortlich für die Gespräche ist Ilja Kaenzig. Die Idee für die neue Struktur kommt aber vor allem vom Präsidium.


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(Foto: Imago / Ole Jacobsen)

Präsidium

Mitgliederversammlung: Wahlrevolution beim VfL?

„Team Zukunft“ gegen „Wir für den VfL“ – bei der Präsidiumswahl in diesem Sommer standen sich zwei Wahlblöcke gegenüber. Die Mitglieder des VfL Bochum konnten sich bei der außerordentlichen Versammlung zwischen zwei Gruppen mit je fünf Personen entschieden. Fast zwei Drittel der Stimmen entfielen auf das Team um Andreas Luthe und Hans-Peter Villis. Die Satzung des VfL sieht seit geraumer Zeit eine en-bloc-Wahl vor. Sie wurde vor mehr als 20 Jahren beschlossen und soll einem konstruktiven Miteinander dienen. Für künftige Wahlen des Präsidiums – die nächste steht im Herbst 2029 an – könnte es aber eine gravierende Änderung geben. Zwei VfL-Mitglieder schlagen für die reguläre Versammlung am 18. November eine Anpassung der Satzung vor, für die es eine Zwei-Drittel-Mehrheit braucht.

Einzelwahl statt Teams

Die Initiatoren: Carina Gödecke, ehemalige NRW-Landtagspräsidentin, Leiterin der Mitgliederversammlung im Juni und Mitglied des Ehrenrats, sowie Andreas Eickhoff, Rechtsanwalt und bis vor wenigen Monaten Mitglied des Präsidiums. Sie wollen die Blockwahl abschaffen und schlagen vor, dass alle Präsidiumsmitglieder einzeln gewählt werden sollen. Schon jetzt kann die Mitgliederversammlung am Wahltag kurzfristig eine Einzelwahl beschließen. In der jüngeren Vergangenheit haben die Teams und Kandidaten aber zumeist angekündigt, dann nicht mehr antreten zu wollen. Die Mitglieder des VfL konnten sich also lediglich für eines der beiden Teams entscheiden. Gödecke und Eickhoff wollen die Einzelwahl zum Regelfall machen, um den Mitgliedern eine differenziertere Wahlmöglichkeit zu bieten.

Ihre Begründung: „Die von der Satzung des VfL derzeit vorgesehene Blockwahl beschränkt sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht der Mitglieder. Das passive Wahlrecht wird beschränkt, weil Einzelpersonen faktisch nicht die Möglichkeit haben, für die Wahl zum Präsidium zu kandidieren. Das aktive Wahlrecht wird beschränkt, weil die Mitgliederversammlung allenfalls die Möglichkeit hat, unter mehreren Blöcken zu wählen, sofern überhaupt mehrere Blöcke vorgeschlagen werden.“ Eine Änderung würde den Wahlablauf massiv verändern – und damit auch Einfluss auf die Besetzung des Präsidiums nehmen, das für alle wegweisende Entscheidungen des Vereins zuständig ist. Klar ist: Eine Einzelwahl würde die Mitbestimmungsrechte der Mitglieder stärken. Es gibt aber auch Gegenargumente.

Viele Vor- und Nachteile

Werden Kandidaten mit zu unterschiedlichen Vorstellungen sowie ähnlichen Kompetenzen gewählt, kann dies schnell zu Zerwürfnissen führen oder Entscheidungen bei Uneinigkeit verzögern. Wobei Eickhoff aus eigener Erfahrung dagegen argumentiert: „Das Ziel, eine gedeihliche Zusammenarbeit der Vorgeschlagenen zum Präsidium sicherzustellen, wird durch eine Blockwahl nicht verlässlich erreicht.“ Er spielt damit auf die Spaltung des im Sommer abgewählten Präsidiums an, das 2022 gemeinsam angetreten war, aber nach gut zwei Jahren keine Basis mehr für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sah. Jedoch: Die Ungewissheit, wie ein Gremium aus fünf Einzelbewerbern aussehen wird, könnte Interessenten womöglich abschrecken. Vor allem prominente Bewerber bevorzugen vertraute Mitstreiter.

Wie erwähnt, wäre bei der Wahl im Juni wohl niemand angetreten, wenn die Versammlung kurzfristig eine Einzelwahl beschlossen hätte. Gleichwohl: Bei einer Satzungsänderung wären die Bedingungen künftig im Vorfeld klar. Und: Die meisten Klubs setzen bereits auf eine Einzelwahl, wobei es unterschiedliche Konstellationen gibt, auch Mischformen. Außerdem argumentieren Gödecke und Eickhoff, dass die Blockwahl „die von Zeit zu Zeit erforderliche Auffrischung des Präsidiums durch neue Mitglieder mit neuen Gedanken“ erschwere. Auch Einzelbewerber aus der Anhängerschaft könnten künftig antreten. Das öffnet die Tür für viele kluge Köpfe, aber – mit Verlaub – auch für Schaumschläger. Zudem bestünde die Gefahr, dass Einzelbewerber stets Wahlkampf in eigener Sache betreiben müssten.

Drei weitere Anträge

So oder so: Für die Suche nach passenden Kandidaten ist die Findungskommission zuständig. Diese soll, geht es nach Gödecke und Eickhoff, künftig mindestens zehn Mitglieder zur Präsidiumswahl vorschlagen. Damit diese stattliche Zahl überhaupt erreicht wird, schlagen sie eine Verjüngung der Findungskommission vor. Die Altersgrenze soll künftig bei 75 Jahren liegen. Aktuell sind drei von fünf Kommissionsmitgliedern älter. Dieser Antrag soll losgelöst von dem Vorschlag zur Einzelwahl behandelt werden. Es gibt zudem zwei weitere Anträge. Marc Pattmann schlägt vor, dass das Präsidium verpflichtet wird, eine anerkannte Fachkraft der Jugendhilfe aus Bochum zu kooptieren. Michael Kretschmann beantragt, dass der Fanclubvertreter automatisch auch in den Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaft einzieht.

Letzteres ist in diesem Sommer auf Wunsch des Präsidiums ohnehin erfolgt, die Garantie für eine personengleiche Besetzung von Präsidium und Aufsichtsrat gibt es aber nicht. Aktuell gehören dem Aufsichtsrat zum ersten Mal drei Personen an, die nicht ins Präsidium gewählt wurden. Hierfür haben die Gremiumsmitglieder sogar die Satzung der Kapitalgesellschaft geändert. Anschließend wurden Benedikt Steffen, Oliver Bartkowski und Lars Lammert in das Gremium berufen. Was viele nicht wissen: Die beiden Letztgenannten waren im Hintergrund wichtige Wahlkampfhelfer für das Team um Luthe und Villis. Eine solche Nachberufung von Vertrauten in ein wichtiges Klubgremium, vor allem so kurz nach der Wahl, würde durch eine Abschaffung der Blockbildung ebenfalls deutlich erschwert werden.


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(Foto: Imago / Revierfoto)

Talk

Rösler, Hofmann und die Fans: Podcast zum VfL-Sieg

Mehr als zwei Monate blieb der VfL Bochum ohne Punktgewinn. Gegen Hertha BSC gelang am Wochenende endlich der zweite Saisonsieg. In der vierten Podcast-Folge zusammen mit Einsachtvieracht sprechen wir über das gelungene Debüt von Trainer Uwe Rösler, die Leistung und die Vertragsverlängerung von Philipp Hofmann sowie über den geringeren Zuschauerzuspruch. Viel Spaß dabei!

Übrigens: Unser Podcast verursacht einige Kosten – etwa für die Plattform, über die wir aufnehmen, oder für Equipment, in das wir investieren wollen. Wir freuen uns über jede Zuwendung unter dem unten angegebenen PayPal-Link, damit wir dieses Format möglichst lange fortsetzen können. Vielen Dank für eure Unterstützung!


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3:2-Sieg gegen Hertha

Dank Rösler: Power, Punkte und ein klarer Plan

Frank Goosen wusste es schon länger: Der VfL Bochum ist der einzige Verein, für den es keinen sicheren Vorsprung gibt. Das Heimspiel gegen Hertha BSC gab dem Kabarettisten wieder einmal recht. Selbst eine 3:0-Führung nach 70 Minuten versetzte erfahrene Anhänger nicht in Ekstase. Zehn Zeigerumdrehungen und zwei Gegentore später bibberten sie und befürchteten das Schlimmste. „Ich habe die Angst gespürt. Ein Unentschieden wäre wie eine Niederlage gewesen“, sagte Trainer Uwe Rösler nach seinem geglückten Einstand. Der VfL verteidigte den Vorsprung mit großer Willenskraft und sicherte sich den zweiten Saisonsieg am neunten Spieltag. „Das war erst ein kleiner Schritt, aber wichtig für die Mannschaft, den Verein, die Stadt, für unser Selbstvertrauen und die Gemeinschaft“, freute sich Rösler.

Der neue Trainer des VfL zeigt gerne Emotionen. Schon vor dem Spiel, beim Warmmachen der Mannschaften, lief er zur Osttribüne, um die zunächst überraschten Anhänger einzupeitschen. Während des Spiels coachte Rösler lautstark an der Seitenlinie, gab immer wieder Anweisungen und pushte seine Spieler nach gelungenen Aktionen. Nach dem Abpfiff konnte es der 56-Jährige gar nicht abwarten, sie zur Kurve zu schicken. Die Erleichterung war spürbar, auf dem Platz wie auf den Rängen. Rösler wurde nach seinem ersten Spiel sogar namentlich gefeiert, weil er dem angeschlagenen Revierklub neue Hoffnung schenkt – mit einem verbesserten Auftritt, der kämpferisch wie läuferisch vorbildlich und fußballerisch immerhin ganz ordentlich war. Das Entscheidende aber: Am Ende gab es drei ganz wichtige Punkte.

Onyeka glänzt mit Doppelpack

Röslers Bochumer haben das nötige Spielglück förmlich erzwungen. Ein Eigentor brachte den VfL in Führung, dem 2:0 ging eine Einzelaktion des starken Francis Onyeka voraus. Der 18-Jährige avancierte zum Matchwinner, weil er auch das dritte Tor erzielte – und damit den vierten Doppelpack in weniger als zwei Wochen schnürte. Der deutsche Juniorennationalspieler hat zuletzt auch zuverlässig für die U19 des DFB getroffen. Dass Interimstrainer David Siebers diesen feinen Fußballer fast ignorierte, war schon länger unverständlich, ist es nach diesem Auftritt aber umso mehr. Rösler nahm weitere Änderungen vor, setzte auf eine 4-1-4-1-Formation und stabilisierte damit die gesamte Mannschaft. Die Raumverteilung wirkte klarer, die Abstände waren kleiner, auch wenn natürlich noch nicht alles glückte.

Dennoch: Matus Bero mit weniger Offensivaufgaben zu betrauen, erschien ebenso sinnvoll wie der Startelfeinsatz von Mats Pannewig und Kjell Wätjen, die über großes Potenzial verfügen und dieses phasenweise entfalteten. Sogar Philipp Strompf blühte auf, zeigte seine beste Saisonleistung. Wobei eine Schwalbe bekanntlich noch keinen Sommer macht. In jedem Fall aber widerlegte die Mannschaft die These von Ex-Trainer Dieter Hecking, dass eine Viererkette nicht zu ihr passen würde. Auch Angreifer Philipp Hofmann fühlte sich wohler und schüttelte den Frust der vergangenen Wochen ab. Er war an allen drei Treffern beteiligt und bedankte sich beim Trainer für seine neue Rolle als Strafraumstürmer. „Uwe erklärt viel, ist akribisch, hält das Training häufiger an. Er bringt Emotionen mit, die wir brauchen.“

Spieler loben Trainer Rösler

Hinter Hofmann lag eine turbulente Woche, nachdem seine schon im August vereinbarte Vertragsverlängerung erst am Montag durch medialen Druck vom Verein publik gemacht wurde. Das gefiel ihm nicht, erklärte er auf Nachfrage überraschend deutlich: „Ich finde, es wurde falsch kommuniziert. Man hätte es früher machen sollen. Entweder steht man zu seinem Stürmer oder nicht.“ Rösler schenkt Hofmann sein Vertrauen, verteilte das größte Lob aber an Onyeka und Torwart Timo Horn: „Bei Francis wollten wir das Momentum nutzen: Seine Leichtigkeit, aber auch seine Klasse und seinen Tordrang. Timo wiederum hat uns mit sensationellen Paraden den Sieg festgehalten.“ Horn wiederum gab das Lob an Rösler zurück: „Er kommuniziert viel und motiviert uns, geht sehr ins Detail. Das haben wir gebraucht.“

Auch die taktische Ausrichtung gefiel dem Schlussmann und Vize-Kapitän: „Wir sind keine Pressingmannschaft, weil wir in der letzten Kette nicht das Tempo dafür haben.“ Rösler hat den Kader in knapp zwei Wochen offensichtlich gut analysiert, traf nachvollziehbare Entscheidungen und wagte nichts Verrücktes. Der Lohn: Der VfL hat das rettende Ufer wieder im Blick und bei den Fans nach harten Monaten endlich für positive Emotionen gesorgt. Erstmals seit Ende der Corona-Pandemie war der Heimbereich nicht ausverkauft. „Die Mannschaft hat die Fans wieder hinter sich geholt“, stellte Horn nach Abpfiff fest, wobei Mitglieder der Fanszene am Vormittag zum sogenannten Anschwitzen kamen und den Spielern ihre Unterstützung zusicherten. Gemeinsam haben sie gezittert – und später zusammen gefeiert.


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(Foto: Imago / Team 2)