Personalwechsel

Hintergründe: Warum Dufner und Hecking gehen müssen

Wenn die ersten Blätter von den Bäumen fallen, beginnt in Bochum die alljährliche Trainerdiskussion – in dieser Saison mit einer schnellen Entscheidung: Am Montag erfolgte die Trennung von Trainer Dieter Hecking und Sportchef Dirk Dufner. Dafür verantwortlich: Das im Juni neu gewählte Präsidium um den Vorsitzenden Andreas Luthe. Am Sonntag hat das Gremium sowohl mit als auch ohne die nun freigestellten Verantwortlichen getagt, um die sportlich prekäre Lage zu diskutieren. Der VfL ist mit vier Niederlagen aus fünf Spielen gestartet und aktuell auf Rang 16 platziert. Schon vor und nun auch nach dem Bundesliga-Abstieg war keine positive Entwicklung zu erkennen. Der Beschluss, sowohl Hecking als auch Dufner zu beurlauben, ist insofern folgerichtig, zumal sich Dufner nach der 0:1-Niederlage in Paderborn noch demonstrativ pro Hecking positioniert hatte.

Dem routinierten Trainer ist es in den zurückliegenden Wochen und Monaten nicht gelungen, eine klare Handschrift zu hinterlassen, sprich: eine erkennbare und erfolgreiche Spielidee zu etablieren. Erschwert wurde seine Arbeit zwar durch einige verletzungs- und krankheitsbedingte Ausfälle sowie durch eine unzureichende Kaderplanung, einige Mängel gehen aber auch auf seine Kappe. Abläufe und Laufwege wirkten selten einstudiert und gefestigt, Standardsituationen wurden nicht besser, Systemumstellungen haben die Mannschaft überfordert. Speziell im eigenen Ballbesitz war der VfL erschreckend ideenlos. Mitunter wurden Spieler auch in unpassende Rollen gezwängt, Einwechslungen schwächten das Team. Gegen Darmstadt, Münster und Paderborn wurde Hecking regelrecht ausgecoacht. Als Aufstiegsaspirant gestartet, befindet sich der VfL nun im Abstiegskampf der 2. Liga.

Kurze Amtszeiten

Sowohl innerhalb des Klubs als auch bei den Fans war in den vergangenen Wochen ein erstaunlicher Stimmungswandel festzustellen. Trotz des verdienten Abstiegs aus der Bundesliga galt Hecking mit seiner Erfahrung als großer Hoffnungsträger für die Zukunft. Sportchef Dirk Dufner verlängerte deshalb Heckings Vertrag unter Zustimmung all seiner Mitstreiter bis 2027. Kritik am Trainer war zu diesem Zeitpunkt verpönt, teilweise auch in Fankreisen. Schon früh in dieser Saison ist die Stimmung gekippt, auch weil Hecking neben dem fehlenden Erfolg zeitweise dünnhäutig auf Kritik reagierte. Sogar innerhalb des Kabinenkreises kamen zuletzt erste Zweifel an der Zusammenarbeit auf. Fachlich sorgten seine Entscheidungen teilweise für Verwunderung, menschlich jedoch wurde er von allen geschätzt, anders als es bei Vorgänger Peter Zeidler der Fall war.  

Während Hecking wenigstens noch zu Beginn seiner zehnmonatigen Amtszeit Erfolge vorweisen konnte, hatte Dufner direkt einen schweren Stand und muss nach knapp fünf Monaten im Amt ebenfalls gehen. Verantwortlich für seine Verpflichtung war das im Juni abgewählte Präsidium um Uwe Tigges unter Mithilfe von Ilja Kaenzig, der die Geschäfte des VfL vorerst wieder alleine führen soll. Prominente und fachkundige Kandidaten wie Oliver Ruhnert oder Jörg Schmadtke, die sogar an einem Engagement beim VfL interessiert waren, lehnte das Gremium ab. Dufner stieg erst Anfang April ein, was die Kaderplanung erschwerte, zumal es beim VfL keine funktionierenden Scouting-Prozesse gab. Die neue Mannschaft war dennoch früh beisammen, allerdings mit deutlich sichtbaren Qualitätsmängeln, vor allem in der Offensive. Diese wurden auch in der Endphase der Transferperiode nicht behoben.

Siebers übernimmt

Von den elf Neuzugängen, darunter fünf Leihspieler, ist derzeit kaum jemand eine Verstärkung. Einige sind nicht fit oder noch zu unerfahren, andere nicht gut oder nicht motiviert genug. Das Ziel, Transferwerte zu schaffen, wurde eindeutig verfehlt. Unklar ist allerdings, mit wie viel Geld Dufner überhaupt arbeiten konnte. Kaenzig kündigte mehrfach einem Top-3-Etat an, während Dufner hinter vorgehaltener Hand widersprach. Die Zusammenarbeit mit Hecking lief ebenfalls nicht optimal. Er war mit Dufners Kaderplanung teilweise unzufrieden, auch weil dieser nicht sonderlich kommunikativ gewesen sein soll. Dufner hatte mit Kadermanager Johannes Waigand, Chefscout Babacar Wane und Nachwuchsleiter Pablo Thiam drei Vertraute installiert, die ihm zugearbeitet haben. Was mit ihnen passiert, ist noch unklar; ebenso, ob es eine Probezeit gibt, die einen kostengünstigen Abschied möglich macht, vor allem bei Dufner.

Anderenfalls müsste ihn der VfL bis 2027 weiterbezahlen. Immerhin: Für gewöhnlich sind Personalwechsel dieser Art bereits budgetiert. Bis auf weiteres und mindestens auswärts beim Krisengipfel gegen den 1. FC Nürnberg am kommenden Samstag wird David Siebers das Bochumer Team coachen. Der Fußballlehrer ist seit elf Jahren für den VfL als Jugendtrainer tätig, bis zu seiner vorübergebenden Beförderung für die U19. Der 38-Jährige wird innerhalb des Klubs sehr für seine fachliche Expertise geschätzt, verfügt allerdings über keinerlei Profierfahrung, weder als Spieler noch als Trainer. Siebers wird sich in den kommenden Tagen beweisen dürfen. Wer den Posten von Dufner als Sport-Geschäftsführer übernehmen wird, ist noch unklar. Hier ist nun das Präsidium um Luthe und Hans-Peter Villis in der Pflicht. Pikant: Auch Villis hatte die Entscheidungen für Hecking und Dufner seinerzeit mitgetragen.


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0:1-Niederlage in Paderborn

Bochumer Dauerkrise: Keine Punkte, keine Entwicklung

Der Geduldsfaden der Bochumer Fans war schon länger überspannt und ist bei einigen spätestens nach der 0:1-Niederlage am Freitagabend beim SC Paderborn gerissen. Mit Abpfiff entlud sich der Frust der mitgereisten Anhänger. Die eigene Mannschaft wurde mit Pfiffen bedacht – nach der vierten Pleite im fünften Ligaspiel mehr als verständlich. Der Saisonstart ist völlig missglückt. Das allein wäre schon dramatisch genug, ist aber nur eine unzureichende Beschreibung der Gesamtsituation. Denn der Negativtrend hält schon deutlich länger an. Seit mehr als einem Jahr befindet sich der VfL im Krisenmodus und hat saisonübergreifend nur sechs von 39 Ligaspielen gewonnen. Auch eine Spielklasse tiefer befindet sich der Revierklub erneut im Abstiegskampf. Eine positive Entwicklung ist nicht zu erkennen.

„Da kommen jetzt die Fragen, die keiner haben will“, stellte Trainer Dieter Hecking an seinem 61. Geburtstag fest. Zum Beispiel, wieso es der VfL weiterhin nicht schafft, gefährliche Torchancen zu kreieren. Ganze drei, die nennenswert sind, gab es gegen Paderborn – viel zu wenig für eine Mannschaft, die eigentlich um den Aufstieg mitspielen sollte angesichts der finanziellen Möglichkeiten. „Wir spielen zu umständlich und brauchen zu lange, bis wir zum Abschluss kommen. Das wissen wir und werden das Problem nicht schönreden“, betonte Hecking, der mehrere Gründe für die Torflaute identifiziert hat: die eigene Struktur, die Qualität einzelner Spieler und die anhaltenden Personalsorgen. „Da kommt alles zusammen.“ Und führt zu einer toxischen Mischung, wenn auch die Abwehr nicht sattelfest ist.

Extrem wenig Ballbesitz

Gegen Paderborn hielt sie bis zur 90. Minute die Null – nicht souverän, aber immerhin. Ohne fünf zum Teil wichtige Defensivspieler war der VfL nach Ostwestfalen gereist; sie waren verletzt oder krank. Zudem musste Hecking während des Spiels Kevin Vogt und Leandro Morgalla angeschlagen auswechseln. Die Folge: In der Dreierkette verteidigte am Ende Noah Loosli neben dem gerade erst wiedergenesenen Erhan Masovic und Zweitliga-Debütant Daniel Hülsenbusch. Sich nach einer eigenen Standardsituation auskontern zu lassen und doch noch ein spätes Gegentor zu fangen, dürfe dennoch nicht passieren, ärgerte sich nicht nur Hecking. Verdient war die erneute Niederlage trotzdem, vor allem nach einer desolaten ersten Halbzeit mit weniger als 30 Prozent Ballbesitz und wenig Zugriff auf den Gegner.

Erst nach einer Systemumstellung von einem 4-1-4-1 zurück auf ein 5-3-2 wurde der VfL etwas besser, ohne zu überzeugen oder die Partie zu kontrollieren. Junge Spieler wie Kjell Wätjen und Francis Onyeka wirkten überfordert, erfahrene wie Matus Bero und Philipp Hofmann zu sehr mit sich selbst beschäftigt. In dieser Verfassung sind sie keine Stützen für die vielen Talente, die zuletzt sogar noch stabiler wirkten als ihre vermeintlichen Vorbilder. Die einzigen, die in Paderborn überzeugten, waren Kevin Vogt und mit Abstrichen Gerrit Holtmann. Von einem generellen Qualitätsdefizit, Fehlern bei der Kaderplanung oder gar einem Trainerproblem sprach Sportchef Dirk Dufner nach der Partie allerdings nicht; wohl auch, weil er sich damit selber angezählt hätte. „Es gibt keine Zweifel am Trainer“, stellte Dufner klar.

Holtmann verteidigt Hecking

War Kritik an Hecking am Ende der vergangenen Saison noch verpönt, kann es einigen Fans gerade nicht schnell genug gehen mit einem Rauswurf. Unzweifelhaft ist, dass wesentliche Fortschritte derzeit nicht festzustellen und die Probleme Woche für Woche dieselben sind. Von der erhofften Spielkontrolle ist nichts zu sehen, gegen Münster und Paderborn waren die Ballbesitzwerte erschreckend gering. Zudem sind keine Automatismen zu erkennen, die Abstände im Defensivverhalten teils zu groß und die Lauf- und Passwege in der Offensive nicht wirklich klar. Münster und auch Paderborn haben den VfL mit Geschlossenheit, Mut, Gier, Intensität und einem klaren Spielkonzept besiegt, nicht mit individueller Klasse. Wofür Hecking indes nichts kann: für die vielen Ausfälle und wiederkehrende individuelle Fehler.

„Der Trainer ist nicht Schuld, wenn wir uns die Dinger selber einschenken. Der ist am Ende die ärmste Sau“, bekräftigte Holtmann, der bei den Fans den größten Kredit genießt und deshalb zur Kurve ging, um die enttäuschte Menge zu beruhigen. Ansonsten mangelt es an Identifikationsfiguren, die zugleich Leitwölfe und Leistungsträger der Mannschaft sind. Gerade diese Persönlichkeiten sind in schwierigen Phasen aber gefragt. Mindestens vorübergehend befindet sich der VfL im Tabellenkeller der 2. Liga. „Traditionell fängt der Abstiegskampf zu dieser Jahreszeit noch nicht an“, sagte Dufner, „aber wir müssen die Situation extrem ernstnehmen.“ Die Bochumer wären nicht der erste Klub, der mit Aufstiegsambitionen gestartet ist und sich in Wirklichkeit gegen den Absturz in die Drittklassigkeit stemmen muss.


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Abschiedsspiel

„Ein Vorbild für alle“: Losilla und das große Klassentreffen

Ein entspannter Stadionbesuch ist für die Anhänger des VfL Bochum angesichts der sportlichen Lage im Grunde unmöglich. Insofern war es für die mehr als 16.000 Zuschauer an diesem Samstagnachmittag ein ungewohntes Gefühl, gedankenfrei zur Castroper Straße zu fahren und ein Fußballspiel zu genießen, in dem der VfL ganz sicher nicht als Verlierer vom Platz gehen wird. Der Gewinner stand nämlich schon vorher fest: Anthony Losilla, die größte VfL-Legende der Neuzeit, erhielt nach elf Jahren und 364 Pflichtspielen im Bochumer Trikot sein verdientes Abschiedsspiel. Der 39-Jährige ist erst der zweite Spieler des Revierklubs, dem diese besondere Ehre zuteil wurde; Dariusz Wosz war anno 2007 der erste. Dass jemals ein dritter hinzukommen wird, ist angesichts der zunehmenden Personalfluktuation im Profifußball eher unwahrscheinlich.

Das war allen Gästen an diesem Tag bewusst. „Seine Treue zum VfL ist einzigartig. Es gibt nicht mehr viele Spieler dieser Art“, sagt Peter Neururer, der Losillas erster von unzähligen Trainern beim VfL war und beim offiziellen Abschied als Coach des Teams ‚Totos Friends‘ fungierte. Mit 9:5 besiegten die ‚Toto Allstars‘ die Neururer-Truppe, doch das ist nur eine Randbemerkung wert. Losilla wirkte in beiden Mannschaften je eine Halbzeit mit und hatte sichtlich Spaß, mit zahlreichen Weggefährten aus Bochum und Frankreich ein letztes Mal zu kicken. Kurz vor Schluss wurde sogar Losillas 12-jähriger Sohn Giulian eingewechselt, der unter großem Applaus nach Vorlage seines Vaters ein Tor erzielte. Anschließend drehte der Publikumsliebling noch eine Ehrenrunde durchs Ruhrstadion und wurde von Fans wie Wegbegleitern gleichermaßen gefeiert.

Viele Publikumslieblinge

Personen, die ein schlechtes Wort über den heutigen Co-Trainer der Bochumer Profimannschaft verlieren, sucht man seit Jahren vergebens. Auch deshalb hatte das Abschiedsspiel den Charakter eines großen Klassentreffens, bei dem möglichst jeder, der mal mit Losilla zusammengespielt hat, dabei sein wollte. Aus der Aufstiegsmannschaft von 2021 hatten sich unter anderem Robert Tesche, Manuel Riemann, Cristian Gamboa und Simon Zoller noch einmal das VfL-Trikot übergestreift, Riemann gar als Feldspieler. Früh in der Partie erzielte er ein Traumtor aus gut 50 Metern. Losilla traf für beide Teams je einmal. Auch illustre Namen wie Felix Bastians oder Simon Terodde trugen sich in die Torschützenliste ein. Aus der aktuellen Bochumer Mannschaft kickte einzig Gerrit Holtmann mit, wobei er nicht der einzige noch aktive Fußballprofi war.

Einige Zuschauer scherzten zwischendurch, dass die ‚Toto Allstars‘ der aktuellen VfL-Truppe problemlos Konkurrenz machen könnten mit Spielern wie Bernardo, Tim Oermann, Danilo Soares oder Dominique Heintz, die allesamt noch auf hohem Niveau aktiv sind, unterstützt von Bochumer Urgesteinen wie Patrick Fabian und Michael Esser. Ihre Namen weckten Erinnerungen an bessere Zeiten, an eine zumindest phasenweise heile VfL-Welt. Den zweitlautesten Applaus des Tages erhielt der eigens aus Augsburg eingereiste Keven Schlotterbeck, der verletzungsbedingt allerdings nicht mitwirken konnte. Er nahm auf der Bank bei Trainer Thomas Reis Platz, der als einziger auch mit zahlreichen Pfiffen bedacht wurde. Ansonsten blieb gar kein Raum für Groll und schlechte Stimmung, das hätte auch nicht zum fast immer gut gelaunten Anthony Losilla gepasst.

Legendensäule enthüllt

Bevor es zur großen Party in die VIP-Lounge ging, bedankte er sich auf dem Zaun vor der Osttribüne für die Unterstützung der Fans und kämpfte dabei mit den Tränen: „Von Anfang an habe ich eure Unterstützung gespürt. Ihr habt mich immer gepusht. Es war und ist eine Ehre, die blau-weißen Farben tragen zu dürfen.“ Dem VfL bleibt er bekanntlich erhalten, als Fußballer fehlt er allerdings schon jetzt. „Er war immer positiv gestimmt, ist in jeder Trainingseinheit vorangegangen und war ein Vorbild für alle“, berichtet der langjährige Bochumer Co-Trainer Frank Heinemann, Losillas Vorgänger. „Toto hat die Kabine auch in schwierigen Zeiten zusammengehalten. Er hat einen großen Anteil daran, dass der VfL vier Jahre in der Bundesliga gespielt hat. Ich bin mir sicher, dass er viele Impulse geben wird, dass es wieder bergauf geht.“

Da ist sich auch Thomas Eisfeld sicher, der mit Losilla mehrere Jahre beim VfL zusammengespielt hat und am Samstag als Zuschauer dabei war: „Toto konnte ein Spiel wie kein anderer lesen und war ein sehr loyaler Teamplayer. Er hat jedem Neuzugang die VfL-DNA vermittelt. Er ist zwar Franzose, aber längst ein Bochumer Junge geworden.“ Eisfeld glaubt: „Toto wird auch als Trainer seinen Weg gehen.“ Das sieht Ex-Teamkollege und Kumpel Cristian Gamboa, mit dem Losilla im Mai gemeinsam aufgehört hat, ganz genauso: „Als Spieler war er top, aber als Mensch noch besser. Toto ist eine Legende.“ Ab sofort sogar in verewigter Form. Noch während des Abschiedsspiels enthüllte der VfL – als Überraschung für Losilla – eine Legendensäule zwischen Stadion und Geschäftsstelle. Dort steht er nun in einer Reihe mit ‚Ata‘ Lameck und anderen VfL-Größen.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Neues Personal

Heckings Offensiv-Puzzle: Mehr Tiefe gegen das Tief

Die Neugierde war groß. Das Testspiel zwischen dem VfL Bochum und dem MSV Duisburg fand zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, ganz ohne Zuschauer besiegte der Zweitligist den Tabellenführer der 3. Liga allerdings nicht. Zahlreiche Verantwortliche aus dem Präsidium, der Geschäftsführung und weiteren Abteilungen sahen den 1:0-Erfolg. Ihre Augen richteten sich vor allem auf drei Bochumer Akteure: Auf Erhan Masovic, der nach einem Lungenkollaps sein Comeback feierte, sowie auf die Last-Minute-Transfers Farid Alfa-Ruprecht und Michael Obafemi. Erstmals trugen die beiden Offensivspieler das Trikot des Revierklubs. Während sich Alfa-Ruprecht trotz fehlender Spielpraxis in 45 Minuten recht agil zeigte, blieb Obafemi – der nur eine halbe Stunde spielen durfte – ziemlich blass.

Wohl keine Soforthilfen

Ob der bullig wirkende Angreifer einfach nur ähnlich gebaut ist wie einst Joel Epalle, also mit sehr viel Muskelmasse ausgestattet, oder ob er vor dem ersten Pflichtspieleinsatz etwas noch abspecken und richtig fit werden muss, ist noch nicht überliefert. „Die beiden sind seit Dienstag hier. Jedes Urteil wäre da zu früh“, sagte Trainer Dieter Hecking nach der Partie und bremste allzu hohe Erwartungen. Ein Startelfeinsatz der beiden am kommenden Freitag in Paderborn ist demzufolge ziemlich unwahrscheinlich. Die Frage ist ohnehin: Hat der VfL seinen Kader mit diesen Neuverpflichtungen verstärkt, also potenzielle Leistungsträger dazugeholt – oder nur breiter aufgestellt? Alfa-Ruprecht war zuletzt länger verletzt, hat sein letztes Pflichtspiel im Januar absolviert. Auf Profiebene war er noch gar nicht aktiv.

Obafemi wiederum kam in der vergangenen Saison regelmäßig zum Einsatz, wenngleich eher als Joker. Der VfL ist sein fünfter Verein in drei Jahren, sesshaft wurde er bislang nicht. Mehrere Trainer bescheinigten dem Iren mit nigerianischen Wurzeln einen Mangel an Professionalität, darunter Ralph Hasenhüttl und Miron Muslic. Auch VfL-intern hat die Leihe von Obafemi nicht nur für Begeisterung gesorgt. Sogar ein wichtiger Mitarbeiter spricht hinter vorgehaltener Hand von einem typischen Paniktransfer. Ein hartes Urteil, denn unstrittig ist, dass sowohl Obafemi als auch Alfa-Ruprecht eine Fähigkeit besitzen, an der es zuletzt gefehlt hat: Sie sind außerordentlich schnell. „Wir haben keinen typischen Dribbler im Kader“, weiß nicht nur Hecking. „Wir müssen das über mehr Tiefenläufe kompensieren.“

Auswahl in der Offensive

Auch gegen Duisburg war abermals zu erkennen, „wo bei uns das Problem liegt“, sagte Hecking. „Wir kommen zu selten ins letzte Drittel.“ Und wenn doch, ist auch die Chancenverwertung verbesserungswürdig. Gegen Duisburg enttäuschte Neuzugang Ibrahim Sissoko erneut; eine Hilfe ist er in dieser Verfassung nicht. Bleibt noch Philipp Hofmann, der vorerst gesetzt sein dürfte. Offen bleibt hingegen, in welcher Systematik der Mittelstürmer künftig Unterstützung erfährt. Gegen Münster und Schalke hat Hecking auf eine 3-3-3-1-Formation gesetzt; ein Modell, das weiterhin eine Option ist und – bei aller Kritik – durchaus zum vorhandenen Personal passt. Heckings Aufgabe wird es einerseits sein, Laufwege und Automatismen zu entwickeln, und andererseits das passende Personal auszuwählen.

Mit Francis Onyeka, Matus Bero, Gerrit Holtmann, Mats Pannewig, Kjell Wätjen, Farid Alfa-Ruprecht und Michael Obafemi stehen für die Offensive sieben Profis zur Verfügung. In absehbarer Zeit kommt auch Koji Miyoshi wieder dazu, irgendwann im Spätherbst Moritz Kwarteng. Doch wer ist so gut, dass er unbedingt spielen muss? „Die Jungen haben bislang nicht enttäuscht“, betont Hecking. Was allerdings fehlt, ist ein Unterschiedsspieler. Womöglich war es ein Versäumnis, bei der Kaderplanung auf mehr Masse als Klasse zu setzen, neben eigenen Talenten auch noch weitere auszuleihen. Wenngleich ein potenzieller Leistungsträger im Mittelfeld durchaus vorhanden ist, bislang aber enttäuscht hat. Gemeint ist Kapitän Bero, der im slowakischen Nationaldress nun ausgerechnet gegen Deutschland glänzte.


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(Foto: Imago / Jan Huebner)

Transfers

Meinung: Vier Kritikpunkte zur Bochumer Kaderplanung 

Der Plan der Bochumer Verantwortlichen ist aufgegangen. Am letzten Tag der Transferperiode ist es ihnen gelungen, noch zwei neue Offensivspieler von einem Wechsel an die Castroper Straße zu überzeugen. Michael Obafemi und Farid Alfa-Ruprecht tragen fortan das Trikot des Zweitligisten. Obafemi, 25 Jahre alt, kommt vom englischen Premier-League-Aufsteiger FC Burnley nach Bochum und soll vor allem als zweite Sturmspitze agieren. Der 19-jährige Alfa-Ruprecht von Bayer Leverkusen ist hingegen ein schneller offensiver Außenbahnspieler.

Hat der VfL somit alle Schwachstellen beseitigt? Anstelle der sonst üblichen Kolumne werfe ich heute in ausführlicherer Form einen kritischen Blick auf die Bochumer Kaderplanung. Vier Punkte, die aus meiner Sicht nicht gelungen sind…

1. Es fehlen zuverlässige Torschützen

In der Saisonvorbereitung wollten es die Verantwortlichen noch nicht hören, in den ersten fünf Pflichtspielen haben sie es selbst gesehen: Dieser Mannschaft fehlen Profis mit Durchschlagskraft. Hofmann ist der einzige Spieler mit nachgewiesener Torgefahr auf Zweitliganiveau, das ist allerdings schon drei Jahre her. Seither hat er selten geglänzt. Auch Sturmkollege Ibrahim Sissoko muss sich erheblich steigern. Dass er bis zum Saisonende zweistellig trifft, wäre nach den bisherigen Eindrücken eine Überraschung. Ohnehin zeigen Werte aus der Vergangenheit, dass neben seiner Arbeitsrate auch seine Chancenverwertung eher mäßig ist. Last-Minute-Einkauf Obafemi ist in der Vergangenheit ebenfalls nicht als Knipser aufgefallen. Vieles wird deshalb auch davon abhängen, wie sich die Mittelfeldspieler und Flügelspezialisten vor dem gegnerischen Tor präsentieren. Hier sind Onyeka, Bero, Holtmann, Kwarteng, Wätjen, Miyoshi, Pannewig und Alfa-Ruprecht gefordert, regelmäßig zu treffen. Kandidaten gibt es theoretisch genug.

2. Es fehlen echte Unterschiedsspieler

Mit 27 Spielern, die in erster Linie für die Profis eingeplant sind, ist der Kader des VfL Bochum breit aufgestellt und jede Position mindestens doppelt besetzt. Unumstrittene Stammspieler gibt es nur wenige. Das spricht einerseits für den Konkurrenzkampf, andererseits aber auch dafür, dass echte Leistungsträger und Unterschiedsspieler fehlen. Vor allem fehlt ein kreativer Mittelfeldspieler mit hoher Torbeteiligungsquote. Sicher: Onyeka kann die Rolle des Spielgestalters einnehmen, allerdings absolviert er gerade seine erste Saison als Profi. Die Erwartungen sollten also nicht zu groß sein, zumal das Mittelfeld ohnehin sehr jung ist. Andere Klubs mit einem vergleichbaren Etat haben auf dieser Position mehr Erfahrung bevorzugt. Beispiel Düsseldorf: Mit Muslija haben sie einen echten Zweitligaexperten dazugewonnen, der den Unterschied ausmachen kann – aus dem Spiel heraus wie bei Standards, einem Bochumer Problemgebiet. Unklar, ob der genannte Spieler zum VfL gewechselt wäre, finanziell wäre ein solcher Transfer aber möglich gewesen. 

3. Es fehlen stabile Zweitligaexperten

Trainer Dieter Hecking hatte im Mai „wenige Experimente“ auf dem Transfermarkt gefordert. Ob ihm dieser Wunsch erfüllt wurde, muss er selbst beantworten. Die nüchternen Fakten sorgen zumindest für Zweifel. Nur Vogt, Strompf, Rösch und Kleine-Bekel bringen Zweitligaerfahrung mit. Die drei Letztgenannten nur aus einer Spielzeit, Strompf und Rösch sind sogar abgestiegen. Die übrigen sieben betreten Neuland. Morgalla, Wätjen, Onyeka und Alfa-Ruprecht sind hochveranlagte Talente und im Normalfall künftige Bundesliga-Spieler, aber sehr jung und mit den Besonderheiten der umkämpften 2. Liga noch nicht vertraut. Sie brauchen stabile Nebenleute – doch arrivierte Kräfte wie Bero, Wittek oder Hofmann sind zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Clairicia, Sissoko und Obafemi kommen zudem in ein neues Land, ohne in ihrer Heimat zuletzt überzeugt zu haben. Obafemi haben mehrere Trainer fehlende Professionalität vorgeworfen. Diese Eigenschaft muss er ablegen. Kurzum: Zu viele Transfers beruhen auf dem Prinzip Hoffnung.

4. Es fehlen künftige Verkaufskandidaten

Im Ligavergleich sind die Bochumer Transfereinnahmen viel zu niedrig. Um dies zu ändern, braucht es vielversprechende Spieler mit einem langfristigen Vertrag. Vor allem die Eigengewächse Lenz, Koscierski, Keumo und Pannewig fallen in diese Kategorie. Und von den elf Neuen? Im Grunde niemand. Neben Rösch besitzen auch die Leihspieler Morgalla, Onyeka, Wätjen, Alfa-Ruprecht und Obafemi nur einen Jahresvertrag. Nimmt man die Pressemitteilungen des VfL als Grundlage, gibt es in keinem Fall eine Kaufoption. Langfristige Verträge besitzen von den Zugängen nur Strompf, Clairicia und Kleine-Bekel. Strompf ist für einen Verkauf bereits zu alt und nicht gut genug. Clairicia ist zwar jung, aber kein Juwel. Bei Kleine-Bekel bleibt die Entwicklung abzuwarten. Auch mit Vogt und Ibrahim Sissoko wird der VfL keinen Gewinn machen. Das Kernproblem ist: Wer nicht bereit oder in der Lage ist, selbst eine moderate Ablöse für Neuzugänge zu zahlen, wird selten Spieler finden, die er gewinnbringend weiterverkaufen kann.


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(Foto: VfL Bochum 1848)

1:2 gegen Münster

Bochum ohne Torgefahr: Zwei Neue gegen die Krise

Die Marketingabteilung des VfL Bochum hatte für das Heimspiel gegen Preußen Münster einen bescheidenen Wunsch und schrieb diesen auf zahlreiche Ankündigungsplakate. „Einen Mü besser“ als die Gäste sollte der Revierklub sein, was nach dem mehr als holprigen Saisonstart ganz bestimmt jeder Fan unterschrieben hätte. Doch es folgte die dritte Niederlage im vierten Ligaspiel. Der Eindruck der vergangenen Wochen – teilweise sogar der Saisonvorbereitung – verfestigt sich: Dieser VfL ist noch weit von seinen eigenen Ansprüchen entfernt und auf dem Weg in eine erste Krise, vielleicht sogar schon dort angekommen. Das 1:2 im eigenen Stadion offenbarte sehr ähnliche Defizite wie zuletzt: Die Gegentreffer waren das Resultat individueller Fehler, während es auf der anderen Seite an Kreativität, Tempo, guten Standards und Durchschlagskraft mangelte, kurz: an Torgefahr.

Es ist erschreckend und wenig überraschend zugleich, dass der VfL nach dem zweiten Gegentreffer kurz nach der Halbzeitpause keine nennenswerte Torchance mehr verbuchte. Eine Schlussoffensive brachte das Team von Trainer Dieter Hecking trotz – oder wegen – zahlreicher Ein- und Auswechslungen nicht zustande. Die logische Folge: Das lange Zeit so geduldige Publikum bedachte die Mannschaft hinterher mit Pfiffen. Kapitän Matus Bero gefiel das gar nicht. Er wollte deshalb nicht mehr zur Osttribüne gehen, lief auf Anraten von Gerrit Holtmann aber doch nicht in die Kabine, sondern an den Zaun zu den frustrierten Fans. Bero erklärte später im Interview, dass er zu emotional reagiert habe, weil er seinen Teamkollegen keinen Vorwurf machen könne. Jeder habe alles gegeben.

Zwei Gegentreffer

Das wiederum verdeutlicht das Grundproblem: Der VfL war an diesem Samstag nicht der Verlierer, weil die Einstellung oder Aufstellung nicht gepasst hat, sondern weil es individuelle Qualitätsmängel gibt. Auch wenn die eigene Grundidee nach wie vor nur zu erahnen ist, ist es Hecking immerhin gelungen, die Mannschaft auf die Herangehensweise von Münster und zuletzt auch von Schalke einzustellen. Bestes Beispiel: Das hohe Anlaufen gegen die meist flach herausspielenden Münsteraner hat zunächst gut funktioniert. Mehrfach eroberte der VfL in Strafraumnähe den Ball, schaffte es aber nicht, daraus Torgefahr zu kreieren. „Wir spielen dann viel zu unsauber, mehrfach ist uns der Ball sogar an die Hand gesprungen. Da verzweifelt man, das ist zermürbend“, sprach Torwart Timo Horn vielen Stadionbesuchern aus der Seele und gab unumwunden zu: „Ich kann die Reaktion der Fans verstehen. Die Kritik hat sich die Mannschaft nach so einem Start einfach anzuhören.“

Horn sparte generell nicht mit Kritik, betonte auch: „Der Torwart der Münsteraner musste in der zweiten Halbzeit keinen Ball halten. Das dürfen wir auch nicht schönreden. So gewinnt man keine Spiele.“ Die Defizite an insgesamt sieben Ausfällen festzumachen, wäre zu einfach, teilweise taten die Wechsel dem Bochumer Spiel sogar gut. Vor allem der 18-jährige Francis Onyeka, der 19-jährige Cajetan Lenz und der ebenfalls erst 19-jährige Kjell Wätjen haben sich für weitere Startelfeinsätze empfohlen, während arrivierte Kräfte wie die zuletzt angeschlagenen Kevin Vogt und Bero, aber vor allem Felix Passlack und Gerrit Holtmann enttäuschten. Vogt und Passlack waren maßgeblich für das erste, Holtmann und Passlack für das zweite Gegentor verantwortlich. Philipp Hofmann trat einzig beim 1:1 positiv in Erscheinung.

Zwei Neuverpflichtungen

Um die Torgefahr alsbald zu erhöhen, befindet sich der VfL Bochum nach wie vor auf der Suche nach Verstärkung. Bis zum Transferschluss am Montagabend sollen im Idealfall noch zwei neue Spieler kommen. In einem Fall steht eine Vertragsunterschrift sogar schon unmittelbar bevor. Der 19-jährige Farid Alfa-Ruprecht soll für eine Saison von Bayer Leverkusen ausgeliehen werden, war am Samstag bereits im Bochumer Stadion. Er soll den Kaderplatz von Samuel Bamba einnehmen, der trotz der anhaltenden Offensivprobleme nicht zum Einsatz kam und deshalb auf eigenen Wunsch zu Willem II Tilburg in die zweite holländische Liga ausgeliehen wurde. Alfa-Ruprecht ist technisch deutlich stärker, sehr schnell und ein klassischer Flügelstürmer. Er stammt gebürtig aus Hamburg und hat bis vor einem Monat für die U21 von Manchester City gespielt. Profierfahrung bringt er noch keine mit.

Zusätzlich wollen Sportchef Dirk Dufner und Trainer Dieter Hecking noch einen Nachfolger für Moritz Broschinski präsentieren. „Wir arbeiten intensiv daran, noch einen Spieler mit Abschlussqualität zu verpflichten. Ob uns das gelingt, werden wir sehen“, sagte Dufner nach dem Spiel gegen Münster und äußerte sich dabei auch zu den Ereignissen der vergangenen Tage. Auf den letzten Metern war die Verpflichtung von Yusuf Kabadayi geplatzt, weil Teile der Vereinsführung ihr Veto eingelegt hatten. Der Spieler des FC Augsburg war in der Vergangenheit mehrfach negativ aufgefallen, es gab sogar einen Strafbefehl gegen ihn. „Wir fanden ihn sportlich sehr interessant, haben uns aber demokratisch gegen eine Verpflichtung ausgesprochen“, erklärte Dufner, der ein Befürworter eines Transfers war, nun aber sagte: „Diese Entscheidung trägt jeder mit, da wird nichts hängen bleiben.“

Zwei Woche Pause

Das ist mit den sportlichen Resultaten gewiss anders. Mit drei Punkten muss sich der VfL in der Tabelle mindestens für den Moment eher nach unten als nach oben orientieren. Obacht: In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Bundesliga-Absteiger, die plötzlich erneut im Abstiegskampf gelandet sind – nur eine Liga tiefer. Deshalb soll und muss die nun anstehende Länderspielpause genutzt werden, um an den Defiziten zu arbeiten, angeschlagene Spieler wieder einsatzfähig zu machen und mit der Integration der Nachverpflichtungen zu beginnen. Nur mit baldigen Erfolgserlebnissen wird es gelingen, die unzufriedenen Fans wieder zu besänftigen. Das weiß nicht nur Dufner: „Es war klar, dass wir nach dem Abstieg relativ schnell etwas zurückgeben müssen und es anderenfalls unruhig werden kann.“ Schließlich ist es weniger als zweieinhalb Jahre her, als der VfL mehr als nur einen „Mü“ besser war als die Preußen. Da lagen noch ganze drei Ligen zwischen den westfälischen Traditionsklubs.


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(Foto: Imago / Sven Simon)

1:2-Derbyniederlage

„Richtig gut“ oder nur besser: Was ist der Anspruch des VfL?

Weniger als fünf Minuten führten zu einem kompletten Stimmungsumschwung. In dieser Zeit verspielte der VfL Bochum am Samstagabend seine Führung, kassierte erst den Ausgleich und kurz danach das spielentscheidende 1:2. Mit einem Sieg im prestigeträchtigen Nachbarschaftsduell gegen Schalke 04 hätte das Team von Trainer Dieter Hecking Anschluss an die Spitzengruppe finden können. Nun muss der VfL bereits den zweiten Dämpfer in der noch jungen Saison verdauen. „Die Niederlage ist brutal bitter, das müssen wir erstmal wegstecken“, sagte Sportchef Dirk Dufner nach dem Schlusspfiff in den Katakomben und fasste salopp wie präzise zusammen, wieso der VfL ohne Punkte die Stadtgrenze passierte: „Sie machen die Dinger rein, wir nicht. Sie schießen ein Eiertor, wir vergeben einen Elfmeter.“

Strukturiert, aber nicht zwingend

Ausgerechnet der erfahrene Kevin Vogt scheiterte in der ersten Halbzeit vom Punkt. Schon beim Pokalspiel in Berlin patzten die Bochumer aus elf Metern, dort in Person von Matus Bero. Es gab also Parallelen zu den ziemlich dürftigen Leistungen zu Saisonbeginn, aber auch eine Steigerung. „Wir waren gut im Spiel, haben viele Dinge deutlich besser gemacht als in den letzten Spielen. Darauf kommt es an, dass man sich weiterentwickelt“, bilanzierte Dufner. Der VfL präsentierte sich taktisch reifer, ließ bis zur Schlussphase nur wenige Torschüsse zu und tappte fast nie in die Pressingfalle der engagierten, aber limitierten Schalker. Auch offensiv legte der VfL mehr Elan und Variabilität an den Tag. Das Flügelspiel wurde forciert, was sich prompt auszahlte. Sehenswert kombinierten sich die Bochumer zum 1:0.

Jedoch: Viele weitere nennenswerte Spielzüge und zwingende Chancen gab es aus Sicht der Gäste nicht. Die klareren Tormöglichkeiten verzeichnete sogar der Reviernachbar. Und: Mit einfachsten Mitteln gab der VfL die Führung in der Schlussphase aus der Hand. Während beim abgefälschten Ausgleichstreffer auch viel Pech dabei war, schliefen die Bochumer vor dem spielentscheidenden Tor fast kollektiv, waren körperlich wie mental zu langsam. Die Frage lautet also: War es wirklich ein „richtig gutes Spiel“, das beispielsweise Kevin Vogt und auch andere gesehen haben? Oder war es lediglich eine Verbesserung, die angesichts der zurückliegenden Auftritte nicht allzu schwer und dringend notwendig war? Beantworten lassen sich diese Fragen im Grunde nur, wenn der Bochumer Anspruch geklärt ist.

Gegen Münster unter Zugzwang

Sollte der VfL in dieser Saison aufsteigen wollen, muss er sich weiter steigern, ansonsten reicht ein Auftritt wie der auf Schalke sicher nicht aus. Auch für die Stimmungslage im Umfeld wären baldige Erfolgserlebnisse wichtig. Fast alle Anhänger wissen, dass eine sofortige Bundesliga-Rückkehr nicht planbar ist; nicht mit den Mitteln des VfL, erst recht nicht in dieser unberechenbaren 2. Liga. Um den Aufstieg mitspielen sollte der VfL allerdings schon. Mit der von Hecking vorgetragenen Absichtserklärung, alles dafür zu tun, den Abstieg „zu reparieren“, sind Erwartungen verbunden. Dass Geschäftsführer Ilja Kaenzig einen Top-3-Etat angekündigt hat, erhöht den Druck zusätzlich. Und dass Kritiker für ihre Ansichten rund um den Saisonstart teilweise belächelt oder abgekanzelt wurden, hat ebenfalls nicht geholfen.

Die ersten Wochen der neuen Saison zeigen, dass die für einen Abstieg recht positive Stimmung vor allem auf der Hoffnung nach baldiger Besserung beruhte. Das weiß auch Philipp Hofmann, der nach dem Spiel in Gelsenkirchen sagte: „Das erste Spiel war zum Vergessen, das zweite Spiel haben wir gewonnen und im Pokal sind wir eine Runde weiter. Uns ist aber bewusst, dass die Erwartungshaltung an uns als Absteiger hoch ist. Jetzt haben wir ein Heimspiel, das wollen wir gewinnen.“ Gegen Münster bleiben 90 Minuten Zeit für einen Stimmungsumschwung. Ob bis dahin schon der von vielen Fans sehnlichst erwartete Angreifer verpflichtet ist, bleibt offen. Justin Diehl vom VfB Stuttgart ist verletzungsbedingt praktisch raus aus der Verlosung. Das Transferfenster schließt am kommenden Montag.


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(Foto: Marc Niemeyer)